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Ausweglos?

Verfasst: Sa Jun 16, 2012 16:31
von kunstaufstrich
Ihr Lieben, ich habe eine sehr wichtige Entscheidung zu treffen und brauche dabei eure Hilfe..
Folgendes:
Ich bin im September von zu Hause auszogen, weil ich das Studium aufgenommen habe, welches ich nun nach langer Überlegung abgebrochen habe. Währenddessen ist es mit meiner ES immer schlimmer geworden (Hunger & Kotzphasen wechseln sich ab) und ich habe eine ambulante Therapie angefangen, weil auch Depressionen dazu kamen und ich nicht mehr geglaubt habe, aus diesem Loch wieder alleine rauszukommen. Ich bin hier an diesem Ort total unglücklich und möchte wieder zurück (habe gute Freunde, die von meiner ES wissen und die mich unterstützen), aber ich bin hin- und hergerissen, weil das auch bedeuten würde, dass ich zu meinen Eltern ziehen muss und sie haben nicht die geringste Ahnung, wie schlecht es mir momentan geht, weil ich ihnen immer die heile Welt vorgespielt habe.
Ich habe Angst davor, wie sie reagieren, wenn sie erfahren, dass ich so tief (Entschuldigung für den Ausdruck) in der Scheiße stecke. Sie waren ja schon absolut nicht erfreut darüber, als sie erfahren haben, dass ich mit meinem Studium nicht glücklich bin und es beenden möchte. Was man anfängt, sollte man zu Ende bringen, so die Meinung meines Vaters. Zu ihm habe ich eine sehr oberflächliche Beziehung und weiß, dass er kein Verständnis für meine Erkrankung haben wird.
Unsere Familie ist sehr eigen, was das Thema Essen angeht. Meine Mutter zeigt uns ihre Liebe über das Essen, sie kocht viel und gern, ist auch selbst übergewichtig, es vergeht kein Tag in dem sie nicht über ihre Figur und dem Wunsch abzunehmen spricht. Wahrscheinlich hat sie selbst eine Essstörung. Mein Vater macht ihr ständig Vorwürfe, er kontrolliert alles was sie isst und meckert über ihre Figur. Einmal hat er sogar einen Kommentar abgelassen, der selbst mich zutiefst schockiert hat. Er sagte zu meiner Mutter: "Wenn du mehr wiegen solltest als ich, werde ich dich verlassen!" Es trennen sie derzeit lediglich ein paar Kilos.
Zuhause drehen sich also fast alle unsere Gespräche um das Thema Essen, Figur, Gewicht... und da frage ich mich, ob es eine gute Idee ist, mich diesem Wahnsinn wieder auszusetzen. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer aushalten würde.
Ich möchte mein Leben wieder in den Griff bekommen und habe Angst, dass ich durch den Umzug wieder alles verschlimmere und dann über kurz oder lang an meine Grenzen stoßen werde. Hier bleiben ist auch keine Alternative. Also was tun?? Soll ich mich meinen Eltern anvertrauen und hoffen, dass sie damit klarkommen oder soll ich meine Probleme weiterhin unten den Teppich kehren und so tun, als wäre alles bestens? Das kriege ich auf Dauer wohl auch nicht auf die Reihe... :(

Re: Ausweglos?

Verfasst: Sa Jun 16, 2012 20:15
von bellablah
Hallo,

das hört sich alles wirklich ganz schön kompliziert an. Aber kurz zum Motto deines Vater. Wenn er der Meinung ist, sollte er dich eigentlich unterstützen. Du fängst an, etwas zu ändern und gesund zu werden, dann solltest du das auch zuende bringen. Dazu gehört, dass er und deine Mutter dich unterstützen. Ich kann dir jetzt nur meine Meinung zum Ganzen sagen, letztendlich entscheidest ja du:
An deiner Stelle würde ich deine Eltern einweihen. Weiterhin die heile Welt vorspielen mag zwar einige Gespräche vermeiden, aber ist eigentlich das Falsche. Du sagst, du hast gute Freunde, die bescheid wissen und dich unterstützen. Wäre es denn nicht möglich, zu einem von ihnen zu gehen? Jedenfalls vorrübergehend? Während du dann da zu Besuch wohnst, kannst du nebenbei die Sache mit deinen Eltern klären und gucken, wie sie reagieren werden und ob man nicht einen Kompromiss finden kann. Sie sind deine Eltern, sie sollten dich da schon unterstützen und auch Rücksicht nehmen, du hast dir die Krankheit ja schließlich nicht ausgesucht.

Re: Ausweglos?

Verfasst: Sa Jun 16, 2012 23:08
von kunstaufstrich
Danke für deine Antwort.
Mein Vater würde wahrscheinlich meinen, ich solle mich nicht so anstellen.
Meine Mutter dagegen ist sehr überfürsorglich, die würde dann Panik bekommen, vor allem, weil ich im UG bin.
Freunde wissen zwar Bescheid und eine Freundin meinte auch, ich könne immer zu ihr ziehen, wenn was ist, aber das ist mir dann doch zu viel des freundschaftlichen Dienstes. Das könnte ich nicht annehmen.
Ich möchte meine Familie damit nicht belasten, aber so wie es aussieht, komme ich wohl nicht drum herum.
Das ganze "alles ist bestens" Getue ist auf Dauer auch anstrengend und raubt nur Energie.

Re: Ausweglos?

Verfasst: Sa Jun 16, 2012 23:48
von flora
Hej kunstaufstrich,

ich habe auch beschlossen meinen Eltern nach vielen Jahren ES endlich die Wahrheit zu sagen. Habe auch immer die heile Welt vorgespielt, wobei die Fassade das letzte Jahr über und insbesondere während der vergangenen paar Monate immer mehr ins Bröckeln geraten ist.

Der Grund, dass ich es ihnen nun sagen will, ist also eigentlich auch nicht mein freier Wille, sondern, dass es vermutlich nicht mehr anders geht.

Mein Vater wird mir vermutlich auch kein Verständnis entgegenbringen, das mit dem "sich zusammenreißen" kann ich auch schon fast hören und meine Mutter kriegt wahrscheinlich die Krise...

Und trotzdem bin ich der Meinung, dass man erst mal aussprechen muss, dass man ein Problem hat! Sich und seine Gefühle immer zu verstecken, in sich hineinzufressen im wahrsten Sinne des Wortes, ist nämlich vermutlich einer der Gründe für unser Problem...

Viel Glück und liebe Grüße, flora

Re: Ausweglos?

Verfasst: So Jun 17, 2012 12:47
von bellablah
Wie gesagt, letztendlich musst du entscheiden, was du tust und es ist eigentlich nur wichtig, was du für richtig hälst. Immerhin kennst du deine Familie und Freunde besser als wir. Wenn du nicht zu deiner Freundin ziehen willst, kannst du es ja als "Ausfluchtsort" nehmen. Falls es zu Hause mal garnicht geht.

Ich finde nicht, dass du deine Familie damit belastest. In einer Familie sollte man zusammenhalten. Wenn jemand Hilfe braucht, sollte er sie bekommen.

Re: Ausweglos?

Verfasst: So Jun 17, 2012 20:03
von juliea
Hallo du,
also ich stand ehemals vor einer ähnlichen Situation wie du.Kann dir nur sagen wies bei mir abgelaufen ist:

Mein Vater (oberflächliche Beziehung) meinte nur:"Aha. "

Meine Mutter war irgendwie im Wechsel zwischen Besorgtheit und Verständnis. Klar, sie hat (wie auch du bei deiner Mama vermutest)ja auch selbst Bulimie.

Der Unterschied: Meine Eltern wohnen getrennt.

Wäre ich zu meiner Mutter gezogen, hätte ich dieses gestörte Essverhalten auchvon ihr mitgekriegt.Wir hätten uns gegenseitig "zerstört" und nicht helfen können.

Wär ich zu meinem Vater gezogen, hätte ich ständig zu hören gekriegt, dass ich nur ja nicht so "fett" wie meine Mutter werden sollte. Er hätte mir vermittelt, dass er nur dünne Frauen schön findet. Und ich hab mich damals sehr nach väterlicher Liebe gesehnt...

Ich hab mir ein Zimmer gesucht, ein billiges. Hatte lange kein Auto,keinen Führerschein.War alles sehr kompliziert.Aber ich denke es war die richtige Entscheidung.

Und es ist auf alle Fälle in meinen Augen das Beste wenn du deinen Eltern reinen Wein einschenkst!Wie du schon sagtest, es ist seeehr anstrengend diese heile Fassade aufrecht zu erhalten. Aber bitte erwarte dir nicht zu viel!!!Sei nicht enttäuscht wenn es nicht so abläuft wie es eigentlich sollte. Aber ich denke, du siehst das eh sehr realisitisch,oder?!

Alles Gute!

Re: Ausweglos?

Verfasst: So Jun 17, 2012 20:05
von juliea
Hab gesehn, dass dieses 'Thema schon fast 4Mon.alt ist...bin also schon "zu spät"dran! ;-)

Welche Entscheidung hast du getroffen Kunstaufstrich?!Hoffe es geht dir so einigermaßen!!!!

lg

Re: Ausweglos?

Verfasst: Mo Jun 25, 2012 17:22
von kunstaufstrich
Ihr Lieben, habe länger nichts von mir hören lassen.
Nun möchte ich berichten, wie es gelaufen ist:
Letzte Woche (wenn mich mein Zeitgefühl nicht täuscht) habe ich es endlich gewagt und meiner Mutter - eigentlich eher aus Überforderung und Verzweiflung - gebeichtet, dass ich eine Therapie begonnen habe wegen meiner Essstörung und auch sonst nicht allzu glücklich hier bin und nicht wüsste, wie es nun weitergehen soll mit mir.
Da war sie ein wenig geschockt, hat aber erstmal keine Fragen gestellt und gemeint, ich solle schnellstmöglich nach Hause kommen. Da können wir dann alles in Ruhe besprechen. Hat mich ein Stück aufgefangen und aufgebaut. Das hat gut getan.
Aus diversen Gründe konnte ich aber natürlich nicht sofort wieder zurück, weil ich hier noch einiges zu erledigen habe und da einigten wir uns auf einen Umzugstermin in zwei Wochen. Da holen sie mich auch mit all meinem Krempel ab und helfen mir beim Umzug.
War natürlich eine riesige Erleichterung anfangs, aber im Laufe der letzten Woche habe ich gemerkt, dass meine Mutter um dieses Thema einen weiten Bogen macht und absolut gar nicht darauf eingeht. Als ob nie etwas gewesen wäre.
Vielleicht wartet sie damit, bis ich zuhause bin, aber ich habe eher das Gefühl, dass es jetzt ganz schnell unter dem Tisch verschwinden wird. Das ist ganz typisch für meine Familie, mein Vater weiß auch noch nicht Bescheid, wie es mir scheint. Womöglich denkt sie, dass es nur eine Phase ist und sich von selbst regeln wird. Ich habe ehrlich gesagt, absolut keine Ahnung. Aber es macht mir Angst, mit dieser Ungewissheit nach Hause zu fahren.


Flora, ich habe deinen Thread mitverfolgt und finde es wahnsinnig toll, dass du dich nun auch deiner Familie gegenüber geöffnet hast. Da sieht man, wie unterschiedlichen die Reaktionen ausfallen können. Ich hoffe, ihr habt die Situation nochmal ruhig klären können?

Herzliche Grüße

Re: Ausweglos?

Verfasst: Mo Jun 25, 2012 18:25
von bellablah
@kunstaufstrich:

Schön, dass du wieder da bist! :-)

Ist echt klasse zu hören, dass deine Mutter dich erstmal aufgebaut und aufgefangen hat. Die Menschen reagieren meist doch ganz anders, als man erwartet.

Du solltest versuchen, dich etwas zu beruhigen. Ich denke deine Mutter weiß einfach nicht, wie sie mit der Krankheit umgehen soll und hat vielleicht auch Angst was falsches zu machen, bzw. zu sagen. Am Besten wartest du erstmal das Gespräch ab, wenn du nach Hause kommt. Vielleicht, wenn's nicht von ihr kommt, solltest du dich mit ihr auch nochmal zusammensetzen und ausgiebig über das Thema sagen. Ihr solltet da wirklich offen miteinander umgehen, das hilft. Kann ich aus Erfahrung sagen :-)!

Re: Ausweglos?

Verfasst: Di Jun 26, 2012 20:21
von kunstaufstrich
Hey!

Ich versuche auch, nicht so oft daran zu denken und mal den Kopf abzuschalten.
Funktioniert nur mäßig, aber ich gebe mir Mühe. :)

Wenn da nichts von ihrer Seite kommt, würde ich das wohl auch nicht von mir aus ansprechen. In der Hinsicht kenne ich mich gut. Aber mal sehen, was noch alles kommt.
Werde euch auf dem Laufenden halten.

Liebe Grüße

Re: Ausweglos?

Verfasst: Mi Jun 27, 2012 12:54
von flora
Hej Kunstaufstrich,

es freut mich, dass du dich auch zu dem Schritt entschlossen hast es deiner Mutter zu sagen. Ich glaube belablah hat recht, wenn sie meint, dass deine Mutter momentan einfach noch nicht weiß wie sie mit der Situation umgehen soll.

Ich hab auch bei meinen Eltern das Gefühl, dass sie noch immer dabei sind es überhaupt zu realisieren. Mit meinem Papa hab ich nicht mehr gesprochen seit ich zu dem Gespräch zuhause war, aber mit meiner Mama telefonier ich jeden Tag, wobei ich mich da halt schon fast wieder ein bisschen eingeengt fühle. Gestern war sie vollkommen hysterisch als sie mich ein paar Stunden nicht erreicht hat, was mich dann schon sehr schockiert hat. - Teilweise hab ich das Gefühl sie führt sich auf wie in einer blöden Seifenoper, was einfach so gar nicht meinem Naturell entspricht...

Ich hoffe, dir geht es einigermaßen gut! Wünsch dir jedenfalls viel Kraft für die nächste Zeit!

LG, flora

Re: Ausweglos?

Verfasst: Mi Jun 27, 2012 14:52
von bellablah
@Kunstaufstrich:

Mühe geben ist immer gut und solange es auch ab und zu klappt! :)

Vielleicht wäre es aber mal an der Zeit, sie drauf anzusprechen. Irgendwann macht man eben mal den ersten Schritt :-) !
Drücke dir die Daumen.