Die Abgetrenntheit von der eigenen Menschlichkeit
Verfasst: So Apr 22, 2012 14:36
Hallo zusammen,
heut möchte ich ein Thema in den Raum stellen, das mich die letzte Zeit intensiv beschäftigt. Es ist weniger eine Frage, als mehr eine allgemeine Tatsache, die mich zwar sehr belastet – aber endlich auch mal ein paar (wenn auch schmerzhafte) Antworten liefert.
Es ist (auch) eine Antwort auf die Frage, wieso man sich eines Tages im Suchtkreislauf der Bulimie wiederfindet und gar nicht sagen kann, warum zum Teufel, man hier gelandet ist.
Im Mittelpunkt steht das Buch von Arno Gruen; „Der Verrat am Selbst – die Angst vor Autonomie.“, aus dem ich die meiste Zeit zitieren werde.
Ein paar mir wichtige Stellen und einige Gedanken zu, möchte ich hier jetzt mal ungefragt posten und hoffe, dass es vielleicht jemanden gibt, der etwas damit anfangen kann.
Die Frage ist doch – wieso müssen wir uns scheinbar erst selbst schädigen, um zu überleben?
Wer ist es im Innern, der tatsächlich rebelliert und uns zu solchen Handlungen bewegt, die -vernünftig betrachtet- völlig 'sinnlos' sind?
Die meisten kennen wahrscheinlich den Begriff des INNEREN KINDES. Wobei ich es viel lieber als meine tatsächliche Seele betitele, weil „Kind“ schon beinahe wieder etwas abwertendes, etwas herabsetzendes hat – unvernünftig, kindisch, unreif, weniger ernstzunehmend.
Und das ist es definitiv nicht. Denn es ist nichts anderes, als das, was wir fern von allen äußeren Erwartungen und Zwängen, von Solls und Muss, einfach sind. Ein Mensch mit Bedürfnissen und Gefühlen, ganz unabhängig davon, ob das einem nun in den Kram passt, ob es rational Sinn macht oder vernünftig ist.
Im Verlauf unseres Erwachsenwerdens werden wir „angepasst“ an die Konventionen, mit den Normen vertraut gemacht, integriert – und dabei meistens völlig von uns selbst entfremdet.
Ich habe mich mal gefragt, was wohl passieren würde, wenn ich meine Gefühle & Bedürfnisse auf Klick ausschalten könnte – ich wäre wohl stinkreich! Denn was machen die schon, außer einen zu behindern, wenn man die große Karriereleiter hochklettern soll. Wie viel einfacher wäre es, einfach keinen eigenen Willen zu haben; ich könnte mir irgendeinen fremden aneignen, der disziplinierter ist, als ich selbst. Arbeitswilliger und weniger widerspenstig, leistungsbringend.
Leistung. So ein hässliches Wort. Und alles, was anscheinend von Bedeutung ist. Wenn ich in der Schule gut bin, bin ich auch ein guter Mensch. Wenn ich ein tolles Studium mache, bin ich mehr wert, als der dumme Hauptschüler.
Mein personeller Wert wird daran gemessen, wie mustergültig ich mich an die Konventionen anpasse und wenn ich zwei Klassen überspringe, mit zweiundzwanzig meinen Master habe und schon vier Jahre Berfuserfahrung nebenher gesammelt, dann bin ich ein erfolgreicher, ein wichtiger, ein besonderer Mensch.
Aber ach nee – ich hab ja nur meinen Realschulabschluss und weil ich den auch nur durch ein abgebrochenes Gymnasium hab, ist der nochmal weniger wert, als der von meiner Schwester.
So sollen es am Ende also unsere eigenen Empfindungen sein, die uns daran hindern ein funktionierender und leistungsfähiger Mensch zu sein?
Gefühle, Bedürfnisse, Empfindbarkeit – oder auch ganz simpel Menschlichkeit, scheinen hier keinen Platz mehr zu haben. Nicht, wenn man im gesellschaftlichen Sinne überleben will.
Was passiert also?
Ich habe Bedürfnisse. Ich möchte sie am liebsten übergehen, weil sie mir vielleicht nicht „produktiv“ oder „sinnvoll“ genug sind. Ich werde wütend. Auf wen – mich selbst natürlich. Schließlich bin ich es, die nun von ihren störenden Gefühlen gehemmt wird. Dieses Ich, dieser eigene Wille, diese Sehnsucht ist es, die mich schließlich verstümmelt. DIE ist Schuld, dass ich kein normaler, funktionierender Mensch sein kann! Als Roboter hätte ich diese ganzen scheiß Probleme nicht!
Dass das am Ende meistens gar nichts mehr mit echter Identität zu tun hat, nimmt man in Kauf; muss man, wenn man irgendwie überleben will.
Und irgendwie, irgendwann muss sich das doch rächen. Ja, hier – Volksrankheit Depression, Rückenschmerzen, Süchte jeglicher Art.
Selbstdestruktivität als Akt der Befreiung. Ich kann nicht funktionieren, also muss ich mich zerstören.
Wie kann es sein, dass Selbstzerstörung zum einzigen Weg wird, zu überleben?
Und wie – WIE kann es Ziel meines Lebens sein, mich selbst von meiner eigenen Seele abzutrennen?
heut möchte ich ein Thema in den Raum stellen, das mich die letzte Zeit intensiv beschäftigt. Es ist weniger eine Frage, als mehr eine allgemeine Tatsache, die mich zwar sehr belastet – aber endlich auch mal ein paar (wenn auch schmerzhafte) Antworten liefert.
Es ist (auch) eine Antwort auf die Frage, wieso man sich eines Tages im Suchtkreislauf der Bulimie wiederfindet und gar nicht sagen kann, warum zum Teufel, man hier gelandet ist.
Im Mittelpunkt steht das Buch von Arno Gruen; „Der Verrat am Selbst – die Angst vor Autonomie.“, aus dem ich die meiste Zeit zitieren werde.
Ein paar mir wichtige Stellen und einige Gedanken zu, möchte ich hier jetzt mal ungefragt posten und hoffe, dass es vielleicht jemanden gibt, der etwas damit anfangen kann.
Sucht, bzw. Bulimie als Mittel der Wahl zur Selbstdestruktivität.Den Begriff der Autonomie, der nicht Stärke und Überlegenheit meint, sondern die volle Übereinstimmung des Menschen mit seinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen.
Die Frage ist doch – wieso müssen wir uns scheinbar erst selbst schädigen, um zu überleben?
Wer ist es im Innern, der tatsächlich rebelliert und uns zu solchen Handlungen bewegt, die -vernünftig betrachtet- völlig 'sinnlos' sind?
Die meisten kennen wahrscheinlich den Begriff des INNEREN KINDES. Wobei ich es viel lieber als meine tatsächliche Seele betitele, weil „Kind“ schon beinahe wieder etwas abwertendes, etwas herabsetzendes hat – unvernünftig, kindisch, unreif, weniger ernstzunehmend.
Und das ist es definitiv nicht. Denn es ist nichts anderes, als das, was wir fern von allen äußeren Erwartungen und Zwängen, von Solls und Muss, einfach sind. Ein Mensch mit Bedürfnissen und Gefühlen, ganz unabhängig davon, ob das einem nun in den Kram passt, ob es rational Sinn macht oder vernünftig ist.
Im Verlauf unseres Erwachsenwerdens werden wir „angepasst“ an die Konventionen, mit den Normen vertraut gemacht, integriert – und dabei meistens völlig von uns selbst entfremdet.
Denn welche Menschen gelten gemeinhin als erfolgreich? Leute mit „hohem Status“, die „was erreicht haben“, die viel Geld haben, große Autos und in großen Häusern leben.In unserer Welt gelten die als Erfolgreichsten, die sich dieser Pseudo-Realität am besten anpassen.
Ich habe mich mal gefragt, was wohl passieren würde, wenn ich meine Gefühle & Bedürfnisse auf Klick ausschalten könnte – ich wäre wohl stinkreich! Denn was machen die schon, außer einen zu behindern, wenn man die große Karriereleiter hochklettern soll. Wie viel einfacher wäre es, einfach keinen eigenen Willen zu haben; ich könnte mir irgendeinen fremden aneignen, der disziplinierter ist, als ich selbst. Arbeitswilliger und weniger widerspenstig, leistungsbringend.
Leistung. So ein hässliches Wort. Und alles, was anscheinend von Bedeutung ist. Wenn ich in der Schule gut bin, bin ich auch ein guter Mensch. Wenn ich ein tolles Studium mache, bin ich mehr wert, als der dumme Hauptschüler.
Mein personeller Wert wird daran gemessen, wie mustergültig ich mich an die Konventionen anpasse und wenn ich zwei Klassen überspringe, mit zweiundzwanzig meinen Master habe und schon vier Jahre Berfuserfahrung nebenher gesammelt, dann bin ich ein erfolgreicher, ein wichtiger, ein besonderer Mensch.
Aber ach nee – ich hab ja nur meinen Realschulabschluss und weil ich den auch nur durch ein abgebrochenes Gymnasium hab, ist der nochmal weniger wert, als der von meiner Schwester.
So sollen es am Ende also unsere eigenen Empfindungen sein, die uns daran hindern ein funktionierender und leistungsfähiger Mensch zu sein?
Ein guter Freund von mir meinte letztens: Menschen müssen zu Maschinen werden, wenn sie nicht von Maschinen ersetzt werden wollen.Es scheint aber vielmehr, dass die Furcht, die die Bewährungschance der Freiheit untergräbt, aus den von Unruhe und Angst geprägten frühkindlichen Jahren resultiert, in denen unsere Lebendigkeit und Lebenslust zu unserem eigenen Feind wurden.
Das heißt, das eigene Selbst wird zum Feind. Die Flucht vor der Verantwortung ist zutiefst die Furcht, ein eigenes Selbst zu haben.
Gefühle, Bedürfnisse, Empfindbarkeit – oder auch ganz simpel Menschlichkeit, scheinen hier keinen Platz mehr zu haben. Nicht, wenn man im gesellschaftlichen Sinne überleben will.
Was passiert also?
Und da sind wir schließlich bei der Not angekommen, uns selber zu zerstören.Unsere eigene Lebendigkeit und die des anderen machen uns Ansgt. Bricht diese Lebendigkeit doch einmal durch, steigt Wut auf und wir selber wenden uns gegen unsere eigene Freiheit. Es ist die Lebendigkeit selbst, gegen die wir uns stellen.
Ich habe Bedürfnisse. Ich möchte sie am liebsten übergehen, weil sie mir vielleicht nicht „produktiv“ oder „sinnvoll“ genug sind. Ich werde wütend. Auf wen – mich selbst natürlich. Schließlich bin ich es, die nun von ihren störenden Gefühlen gehemmt wird. Dieses Ich, dieser eigene Wille, diese Sehnsucht ist es, die mich schließlich verstümmelt. DIE ist Schuld, dass ich kein normaler, funktionierender Mensch sein kann! Als Roboter hätte ich diese ganzen scheiß Probleme nicht!
Freiheit bekommt dann einen ganz anderen, nicht ausgesprochenen Sinn. Freiheit meint dann Erlösung von, nicht Verbindung mit den eigenen Bedürfnissen.
Kotzen, ritzen, Alkohol, Tabletten oder Drogen; am Ende kommt es alles aufs Selbe hinaus. Die verletzte Seele. Das Kind im Innern, was einen von innen heraus verprügelt. Weil man sich gefälligst um sich selbst kümmern sollte; um den liebesfähigen, emphatischen, lebendigen Menschen. Stattdessen verkrüppelt man sich, um fremden Erwartungen gerecht zu werden. Um ein nützlicher, sinnvoller, produktiver, leistungsbringender, funktierender "Mensch" zu sein.Dadurch wird Freiheit in ein Streben nach Macht pervertiert, das heißt in ein Streben nach Eroberung von Dingen außerhalb des zurückgewiesenen Selbst.
Der Besitz von Dingen und Lebwesen wird, so verspricht es die Gesinnung unserer Kultur, uns Sicherheit bringen. Tatsächlich aber trennen uns die daraus entstehenden zahlreichen künstlichen Bedürfnisse nur noch mehr von uns selbst.
Dass das am Ende meistens gar nichts mehr mit echter Identität zu tun hat, nimmt man in Kauf; muss man, wenn man irgendwie überleben will.
Und irgendwie, irgendwann muss sich das doch rächen. Ja, hier – Volksrankheit Depression, Rückenschmerzen, Süchte jeglicher Art.
Selbstdestruktivität als Akt der Befreiung. Ich kann nicht funktionieren, also muss ich mich zerstören.
Doch was ist der Mensch ohne seine Menschlichkeit?Was übrig bleibt, ist eine Identität, welche nur wie eine Montage an einem Fließband zusammengesetzt werden kann, die nach den Regeln montiert wird, welche von den abstrakten Regeln einer Gesellschaft verlangt werden. Wenn wir diese ablehnen, risikieren wir, ausgestoßen zu werden. Und wenn wir dadurch genügend geschwächt werden, risikieren wir unsere Existenz.
Wie kann es sein, dass Selbstzerstörung zum einzigen Weg wird, zu überleben?
Und wie – WIE kann es Ziel meines Lebens sein, mich selbst von meiner eigenen Seele abzutrennen?
Die Schlussfolgerung drängt sich auf, dass in unserer Gesellschaft die wirklich Schwachen nicht diejenigen sind, die leiden, sondern jene, die vor dem Leiden Angst haben. Die Menschen, die am erfolgreichsten angepasst sind, sind die eigentlich Schwachen.
Darum propagieren sie seit Jahrtausenden den Mythos, dass Empfindsamkeit Schwäche sei. Sie sind es, die allem Schmerz und Leiden durch Spaltung ihres Bewusstseins zu entkommen suchen.