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das schlechte Gewissen seinen Liebsten gegenüber

Verfasst: Di Nov 22, 2011 21:38
von nele1
Hallo ihr Lieben,

irgendwie frisst es mich auf. Ja, momentan macht es mich am meisten fertig, dass ich alle, die ich so sehr liebe von vorne bis hinten belügen muss..und das alles um mir selbst zu schaden.. irgendwie paradox, findet ihr nicht auch?

Mein Freund hat von meiner Bulimie erfahren und mich daraufhin gedrängt was dagegen zutun.. ich weiß, dass er das alles nur gut meinte, aber ich fühlte und fühle mich auch jetzt noch nicht bereit, zu Menschen zu gehen und denen von meinen Problemen zu erzählen.. die das alles absolut nicht nachvollziehen können. Wisst ihr?
Naja und daraufhin habe ich so getan, als hätte ich irgendwo angerufen, wäre irgendwo gewesen. Habe gesagt dass ich aufhöre mit dem Scheiß und ja auch irgendwann gesagt, dass ichs geschafft habe. Er hat mir geglaubt.
Und er hat mir gesagt, dass er so stolz auf mich ist, weil ich das alles so geschafft habe.
Das tut weh.. er vertraut mir und ich belüge ihn so sehr.. und das jetzt schon seit Monaten! Ich kann diese Krankheit komplett vor ihm verstecken, obwohl wir zusammen wohnen.
Ich fühle mich so schlecht. Oh man.

Könnt ihr das irgendwie nachvollziehen? Kennt ihr das? Irgendwas? Ich weiß echt nicht mehr was ich tun soll.

Re: das schlechte Gewissen seinen Liebsten gegenüber

Verfasst: Di Nov 22, 2011 22:23
von Bela
Liebe Nele,

ich kann sehr gut nachvollziehen, was Du beschreibst. Bulimie ist ja die "Heimlich-Krankheit" schlechthin. Nach außen immer alles super, gut gelaunt werden die Dinge erledigt, die von einem erwartet werden, das Leben wird vorschriftsmäßig gelebt, und hinter verschlossener Badezimmertür (oder anderswo) werden Frustration und Überforderung in's Klo entsorgt.
Meine Erfahrung: Heimlichkeiten und Lügen machen es nur schlimmer. Der Druck wächst, Du musst immer mehr Fassade aufrecht erhalten, je mehr Du die Menschen in Deinem Umfeld hinter's Licht führst. Das wiederum kostet noch mehr Kraft, Du fühlst Dich noch stärker unter Druck gesetzt und die Spirale setzt sich nach unten fort...
Warum fühlst Du Dich noch nicht bereit, über Deine Krankheit zu reden? Und warum denkst Du, das das niemand nachvollziehen kann?
Therapeuten z.B. sind dafür geschult. Nicht das alle optimal reagieren (gibt ja genug furchtbare Geschichten darüber hier im Forum), aber es gibt welche, die Dich wirklich dabei unterstützen könnten, auf den richtigen Weg zu kommen.
Die Menschen, die Dich lieben, werden die ES vielleicht nicht voll und ganz verstehen, aber mit Sicherheit werden sie Dir helfen wollen, und Dich nicht deswegen verstoßen (zumindest sollte das so sein, wenn ihnen wirklich etwas an Dir liegt).
Ich lebe seit Jahren quasi "offen" mit der Krankheit, d.h. eigentlich jeder, den ich näher kenne und mag, weiß davon. Das gibt mir Möglichkeiten mich auszusprechen, wenn es nötig ist. Meine Gefühle mitzuteilen, anstatt sie immer in mich hineinzufressen (im wahrsten Sinne des Wortes :wink: ). Soziale Kontrolle in brenzligen Essens-Situationen. Trost, wenn ich mal wieder "versagt" habe.
Trotzdem werde ich nicht mit Ablehnung oder Mitleid konfronziert, weil völlig klar ist, dass ich trotz meiner Krankheit ein ganzer Mensch bin. Ich bin nicht die Krankheit, sondern einfach eine Person mit einem Problem, an dem sie arbeitet, auch, wenn das offensichtlich länger dauert als ich es mir wünschen würde.
Alle haben Probleme. Mit Alkohol. Mit Zigaretten. Mit Drogen. Mit Beziehungen. Mit ihrem Selbstwert. Mit Depressionen. Usw...
Also, was soll's.
Gesteh Dir ein, das Du ein ernsthaftes Problem hast. Sprich mit denen darüber, die Du liebst, zumindest mit denen, die Dir am allernächsten sind. Du mußt Deinem Freund ja nicht unbedingt sagen, dass Du ihn die letzten Monate belogen hast; vielleicht sagst Du ihm einfach, Du seist rückfällig geworden? Dann könntet ihr das Problem gemeinsam neu angehen. Aber Du könntest endlich aufhören mit der ganzen Lügerei und würdest Dich vielleicht etwas besser fühlen.
Natürlich ist das nur meine persönliche Meinung; im Endeffekt mußt Du tun, was Du für das beste hältst.
Wie auch immer Du Dich entscheidest, ich wünsche Dir ganz viel Kraft für Deinen Weg.

Alles Liebe,
Bela

Re: das schlechte Gewissen seinen Liebsten gegenüber

Verfasst: Mi Nov 23, 2011 23:13
von CoCoRiCo
Hallo,
Mein Freund hat von meiner Bulimie erfahren und mich daraufhin gedrängt was dagegen zutun.. ich weiß, dass er das alles nur gut meinte, aber ich fühlte und fühle mich auch jetzt noch nicht bereit, zu Menschen zu gehen und denen von meinen Problemen zu erzählen.. die das alles absolut nicht nachvollziehen können. Wisst ihr?
Ja, eben... wenn man nicht selber gesund werden, sondern es nur für andere tun will, weil sie es wollen, bringt das gar nichts. Finde ich, obschon es Ausnahmen ja immer geben kann. Dass es nichts bringt, es für Deinen Freund zu tun, hat sich ja schon bewahrheitet, da Du ihn wohl oder übel belügen musst, um einem Bild zu entsprechen, das zwar Dein Freund (und bestimmt auch andere, die davon wissen) sich wünscht und erhofft, dem Du aber nicht entsprichst.

Ich kann Dich voll gut verstehen! Ich war nämlich auch in solchen Situationen. Eigentlich kann man es nur versuchen, den Leuten klarzumachen, dass der eigene Wille das A und O bei der Genesung sind. Drohungen seitens Partner, das Drängen, Zwingen ist meiner Meinung und persönl. Erfahrung nach voll kontraproduktiv.

Dein Freund denkt vllt. dass man automatisch geheilt wird,sobald man in Selbsthilfegruppen oder Therapien geht. Aber das ist leider gar nicht so. Vor allem dann nicht, wenn man eigentl. nicht bereit ist, was zu ändern (kann ich total verstehen, kenne ich nur zuuuuuuu gut!!!). Der Freund und alle anderen sind dann natürl. enttäuscht (vllt. man selbst auch, weil man andere ERwartungen hatte) und das lastet ja dann auf einem selber... und dann gehtvllt. das Fressen und heiml. Kotzen wieder los....

Ich finde, man sollte die Angehörigen über ein paar "Basics" zum Umgang mit Suchtkranken informieren. Oder , wenn man einen guten Draht zueinander hat, sagen, was einen stört oder wo man gerade steht, was Motivation zur Änderung des Suchtverhaltens anbetrifft. Das kann auch eine Fachkraft kostenlos und solange Bedarf besteht (meine Mutter ist seit ca. 3,5 jahren praktisch kostenlos in Therapiegesprächen, wo es um meine Süchte geht) tun (CARITAS; DIAKONIE in Deutschland und andere).

Vllt., falls Du das Gefühl hast mit Deinem Partner glücklich zu sein, kann es Dir helfen zu überlegen, was ihr zusammen erreichen wollt. Wollt ihr gemeinsam wohnen? In den Urlaub gehen? Vllt. Kinder haben? Käme das als Motivation in Frage,um die Fress-Kotz-Tage zu reduzieren?

lg