Andere einweihen?

#1
hallo an alle,
wollte mal wissen was ihr für erfahrungen habt mit freunde und/oder familie einweihen?
ich war schon mal therapie und hab darüber offen geredet, kann jetzt nicht sagen dass mir das wirklich geholfen hat.

ich weiss nicht ob ich nicht schneller gesund werden würde wenn ich gewisse leute einweihen würde. andererseits ist dann mein kleines geheimnis weg. und vielleicht wäre es auch zuviel druck für mich, denn sie würden sicher fragen ob ich denn schon wieder gesund wäre und so.
und dann müsste ich sie vielleicht anlügen...vielleicht ist es so besser. :roll:

würde mich freuen wenn ihr eure erfahrungen mitteilt? ich denke mit einem eindeutigen ja oder nein kann man das ohnehin nicht beantworten.

ganz liebe grüße :)
WER MIT WENIG NICHT ZUFRIEDEN IST - IST MIT GAR NICHTS ZUFRIEDEN

Re: Andere einweihen?

#2
ich habe es meinem exfreund erzählt. anfangs war es eine erleichterung. aber dann hat es mich eigentlich nur unter druck gesetzt und jedes mal, wenn ich einen FA hatte und gekotzt habe, war ich total traurig, weil ich ihn damit quasi enttäuscht hatte. und geholfen hat er mir auch nicht. er hat mir zwar zugehört, aber ich habe gemerkt, dass er irgendwann auch gar nicht mehr wusste was er sagen sollte, und es gar nicht wirklich wissen wollte. und irgendwann warf er mir auch mal vor, dass ich ja gar nicht essgestört sei. ich denke er meinte das weil ich nicht dürr und schlecht aussah und vor ihm immer normal aß. naja, du kannst dir ja denken dass ich es bereut habe, dass er es wusste...

danach habe ich es noch einer freundin erzählt, aber sie hat es nie ernst genommen oder wollte es nicht. jedenfalls haben wir nur einmal darüber geredet und nie wieder. und ich hoffe eigentlich auch dass sie es inzwischen vergessen hat.

und mein jetziger freund weiß es, eher durch zufall. er geht damit gut um, aber ich erzähle ihm auch nicht wirklich viel darüber. er ist für mich da und tröstet mich, wenn ich mich schlecht fühle, weil ich zuviel gegessen habe oder einen rückfall hatte. ich kann vor ihm in diesem forum schreiben und kann ihm sagen, wenn ich etwas jetzt nicht mehr essen will, weil ich angst vor einem FA habe. ich glaube nicht dass ihm wirklich klar ist, dass mich die essstörung teilweise stark im griff hat (ich kotze zwar nur noch ca alle 2 wochen, aber ich mache mir eigentlich ständig gedanken ums essen). aber zumindest muss ich mich vor ihm nicht verstellen und er ist für mich da, wenn es mir schlecht geht.

also denke ich, es ist schwierig... meinen eltern werde ich es denke ich nie erzählen, besonders meine mutter würde sich dann nur vorwürfe machen und könnte mir eigentlich gar nicht helfen. und auch so, ich wüsste nicht wem ich es erzählen könnte, sodass die situation sich verbessert. wenn du es jemandem erzählen willst, dann tu es - aber erwarte nicht zu viel. gesunde menschen können süchtige menschen einfach nie ganz verstehen. sie können dich zwar unterstützen, aber irgendwo ist jedes verständnis und jede "geduld" am ende.

Re: Andere einweihen?

#5
Hallo Rosenquarz,

ich habe ganz andere Erfahrungen. Bei mir wissen es alle Menschen, denen ich nahestehe. Problematisch ist es eigentlich nur bei meinen Eltern gewesen. Nicht, weil sie mich verurteilt hätten, sondern weil sie (bis heute, und sie wissen es schon lange) immer noch nicht zu begreifen scheinen, was es heisst Bulimie zu haben, und wie kränkend es ist, sich dumme Sprüche anhören zu müssen, weil man irgendetwas nicht essen will :evil:
Kein einziger meiner Freunde hat sich wegen der B****** von mir abgewendet. Ich kann offen darüber sprechen. Sie freuen sich mit mir, wenn ich Fortschritte mache, und trösten mich, wenn ich Rückfälle habe. Niemand übt Druck auf mich aus oder hat übersteigerte Erwartungen. Ich bin für alle immer noch einfach ICH, nur halt ich mit einem Problem, gegen das ich kämpfe. Und ich bin in gleichem Maße für sie da, wie sie für mich; ich denke, dass das sehr wichtig ist. Schließlich haben die anderen auch Probleme; ich habe Freunde mit Panikattacken, Bindungsphobien, Depressionen, aber auch ganz "normale" Menschen, die Gott sei Dank keine so harten Kämpfe mit sich selbst ausfechten müssen. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass viele meiner Freunde auch mit zunehmendem Alter toleranter gegenüber solchen "Störungen" geworden sind, weil sie selbst oft erst in den späten 20ern feststellen, dass mit Ihnen auch nicht alles in Ordnung ist, selber Therapie machen oder durch Überforderung im Job mit Burn-Out zu kämpfen haben...
Wie auch immer, ich glaube Folgendes: Sobald die Menschen erkennen, dass man trotz der Krankheit immer noch dieselbe Person ist, können sie auch damit umgehen. Man darf sich selbst aber auch nicht auf die Krankheit reduzieren. Und, für mich ganz wichtig: Wer jemanden sitzen läßt, weil derjenige ihm seine Probleme anvertraut - der ist einfach kein wahrer Freund.

Liebe Grüße,
Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Andere einweihen?

#6
ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie Bela.
Anfangs habe ich nur meine wirklich enge Freundin eingeweiht.
Als ich gesehen habe, dass sie versucht mich zu verstehen, dass sie sich zwar dafür interessiert, aber mich nicht verurteil, habe ich nach einiger Zeit den Mut gehabt auch weitere Freunde ein zu weihen.

Langsam weitet sich der Kreis von Menschen die Bescheid wissen.
Klar, jeder reagiert anders darauf.
Es gibt Leute, die sind echt geschockt und erst mal sprachlos und versuchen mir das irgendwie auszureden, sagen mir, dass ich sie immer anrufen kann, wenn etwas ist. Aber die Panik legt sich nach einiger Zeit, und sie lernen damit zu leben, so wie ich es tue. Mit dem Unterschied, dass sie mich immer wieder darauf aufmerksam machen, dass ich aufhören muss und helfen mir in der Hinsicht, dass ich immer wieder dran erinnert werde, dass es eben nicht normal ist damit zu leben.
Andere ignorieren die "Sache" und behandeln mich so, als gäbe es diese "Krankheit" nicht.
Was auch gut ist, denn ich sage bei der "Offenbarung" immer dazu, dass sie mich bitte nicht wie eine Aussätzige behandeln sollen, jetzt, da sie bescheid wissen, oder mich irgendwie mit Samthandschuhen behandeln sollen.

Das schlimmste war bei meiner Mutter.... und sie kann, obwohl sie es jetzt schon seit Jahren weiss, immer noch nicht wirklich damit umgehen, und immer, wenn ich versuche mit ihr darüber zu sprechen, komme ich mir vor, als wäre ich eine Fremde. Sie vermittelt mir das Gefühl absoluter Unsicherheit und gleichzeitigen Kontrollzwangs, was die Sache alles andere als leichter macht.
Ich habe immer den Drang sie einzuweihen, wenn es mir schlecht geht und ich einen Rückfall habe, und jedes mal bereue ich es danach. Was dazu geführt hat, dass ich jetzt, wenn es mir schlecht geht und ich zuhause sitze, alleine, und weine, und durch meine Telefonbuch klicke, weil ich das Bedürfnis habe mit jemanden darüber zu reden, einfach nur zu erzählen wie es mir geht, ohne Verurteilt zu werden, oder einer Bewertung der Momentanen Situation, dass ich meine Mutter immer überblättere und lieber alleine zuhause sitze, anstatt sie anzurufen.

Ich habe für mich entschieden, dass ich die Menschen um mich herum lieber zu früh als zu spät einweihe, da sie dann eher nachvollziehen können warum ich wie handle oder auch nicht. Und wer sich deswegen von mir abwendet, der ist es eh nicht Wert in meinem Leben zu sein.
Denn ob ich will oder nicht, ist es - zumindest im Moment - leider ein Teil meines Lebens.
Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern
Mut ist die Erkenntnis, dass es etwas Wichtigeres gibt als Angst.

Re: Andere einweihen?

#7
AUch ich bin der Meinung das es hilft wenn man jemanden einweiht natürlich nicht jeden und irgendwehn ..man sollte schon einen sehr guten Draht und Vertrauen zu der Person haben..
Man sollte demjenigen aber nicht das Gefühl geben das man vom ihm Hilfe verlangt ..das kann abschrecken ..sondern das man jemanden braucht mal zum reden und vor allem das jemanden einen selber und auch verschiedene Verhaltensweisen besser versteht.

Ich bin damals sehr gut damit gefahren und tue es auch heute noch ..zwar nicht mehr wegen der ES aber die Folgeschäden und daraus folgnden verhaltensweisen wie Ernährung usw..

Meine Bekannten wie auch meine Familie wissen das sie mir nicht helfen können ..(Schmerzen usw.) Aber sie können mir zuhören und für mich da sein und wenn es mir nicht gut geht oder ich von einer Stunde auf die andre ein Treffen absagen muss dann kommen keine Fragen.

Damals alsich noch ES hatte war es genauso..Es hat mir sehr gut getan und geholfen..Aber wie gesagt es wusste und weiß nicht jeder und das ist auch gut so, denn es gibt genug Mneschen auf dieser Welt die es nicht verstehen und die einem dann sehr weh tun können..

Re: Andere einweihen?

#8
jeany201081 hat geschrieben: Ich bin damals sehr gut damit gefahren und tue es auch heute noch ..zwar nicht mehr wegen der ES aber die Folgeschäden und daraus folgnden verhaltensweisen wie Ernährung usw..
Folgeschäden ist das Stichwort...
Meine Freunde, die Bescheid wissen verstehen mich viel besser, wenn ich einfach mal schlecht gelaunt bin und können auch besser damit umgehen, als Leute, die nicht Bescheid wissen, und überhaupt keine Ahnung haben, was in meinem Kopf gerade vor geht (Gedanken wie: oh mein Gott, ich fühle mich so hässlich - oder - ich kann das nicht essen.....). Die wundern sich immer nur warum ich so "komisch drauf" bin....

Auch was das zum Essen einladen angeht, damit können die Menschen die wissen was los ist viel besser umgehen, als Leute, die nicht wissen, was ich habe und mir eine Freude machen wollen und mir was kochen. Das ist immer ganz schrecklich, weil ich sie dann vor den Kopf stossen müsste, wenn ich es nicht esse, und wenn ich es esse, dann habe ich mit 100%tiger Wahrscheinlichkeit eine FA wenn ich wieder daheim bin.

Also, ich kann es nur empfehlen, das nähere Umfeld zumindest teilweise einzuweihen.
Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern
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Re: Andere einweihen?

#9
Hallo,

ich habe es heute, weil es gepasst hat einem guten Freund erzählt, also er wusste dass ich es hatte, aber wusste nicht dass es wieder war. Damals haben wir auch nicht drüber gesprochen, nur dass ich es hatte.
Er hat super toll reagiert! Er sagte er kenne 3 Frauen die das haben und er verstehe das. Alles was er gesagt hat war einfach so nett...ich fühle mich jetzt viel besser, und es tut wahnsinnig gut zu wissen dass ich jemanden habe der mich auch mag wenn ich psychisch angschlagen bin ;-)
Heute erster Tag wo nichts war und es fühlt sich toll an!
WER MIT WENIG NICHT ZUFRIEDEN IST - IST MIT GAR NICHTS ZUFRIEDEN

Re: Andere einweihen?

#10
Hey Rosenquarz,

schön, dass Du Dich jemandem anvertraut hast, und noch schöner, dass Du einen so erfolgreichen tag hattest! Ich freu mich für Dich, mach weiter so!

Alles Liebe, Bela
Aufstehen - Staub abklopfen - weitermachen.

Re: Andere einweihen?

#11
Freut mich für dich, dass er so gut reagiert hat!

Ich hab meinen Freundinnen davon erzählt, sie haben gut reagiert, aber da ich auch nicht dünn und ausgemergelt ausschaue, nehmen sie es glaub ich nicht wirklich ernst.
Was mir wirklich geholfen hat, war meine Mutter. Sie geht mir zwar oft unfassbar auf den Geist, aber wenigstens muss ich nicht mehr alles so geheim halten. Und (okay, das klingt echt eklig) muss ich jetzt nicht mehr in meinm Zimmer kotzen, und früher konnte ich dann den Müll nich rausbringen, weil sie im Gang saß (da steht unser PC), und dann stand das ewig in meinm Zimmer :oops: Sie unterstützt mich bei der Therapie, und ich weiß wenn ich sie brauche hört sie mir zu. Sie verstehts auch, wenn ich sage "das und das möchte ich nicht daheim haben, weil ich bestimmt einen FA bekomme". Wir sind auch nur noch zu 2. daheim, und sie versucht mir auch mit den Einkäufen zu helfen (Viel Obst und so)... Ich habe ihre Unterstützung und das ist ein gutes Gefühl!!!
Aber ich habe hier im Forum schon sehr viel gelesen, und glaube deshalb, dass meine Mutter da eher eine Ausnahme ist.

Letzendlich kannst nur du entscheiden wem dus erzählst, ich kenne deine Familie ja nicht. Aber das es oft gar nicht mal so schlecht ist, siehst du ja jetzt am Beispiel mit deinem Freund! :)

LG!
Love is louder than the pressure to be perfect.

Re: Andere einweihen?

#12
Also ich hab bisher negative Erfahrungen gemacht. Meine "beste Freundin" hat sich deswegen von mir abgewendet. Für mich war das ein Schock und ich war/bin sehr enttäuscht von ihr. Auch wenn ich inzwischen das Gefühl hab, dass noch mehr dahinter steckt.

Meiner Familie werde ich es nie erzählen. Meine Cousine ist z.B. sehr dünn und ernährt sich sehr gesund und wenn ich mitbekomme, was hinter ihrem Rücken über sie erzählt wird...da vergeht es einem. Da will ich nicht wissen, wie das ist, wenn ich sie einweihe.

Trotzdem glaub ich, dass es einem helfen kann, wenn man sich jemand anvertraut und jemand zum Reden hat oder der einem im Alltag auch unterstützt.

Re: Andere einweihen?

#13
ich persönlich habe nur gute erfahrungen gemacht.
aber ich glaube, das liegt daran, dass ich es eher als angriff genutzt habe, um mich vor diversen sachen zu schützen, als als reumütiges geständnis.

nie hat mich jemand getadelt oder gerügt.

alle waren verständnisvoll und hilfreich, aber auf eine angenehme art.

als schlechte erfahrung kann ich nur nennen, dass mich dann manche permanent am wc überwachen wollten. aber auch das ließ irgendwann nach.

ich hatte glück damit.

Re: Andere einweihen?

#14
@Alia:

hat denn Deine Cousine tatsächlich eine ES, bzw, hat sie sich "geoutet"? Oft wird ja viel mehr hinter jemandes Rücken geredet, wenn die Leute nicht wissen, was los ist, und freien Raum für Spekulationen haben. Wenn man sich klar dazu äußert, deutlich macht, dass eine ES eine Krankheit ist, gegen die man bereits angeht - was gibt's da noch zu spekulieren...?

LG Bela
Zuletzt geändert von Bela am Di Mai 03, 2011 20:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Andere einweihen?

#15
hallo,
also ich hab meinem freund vor ca einem jahr von meiner bulimie erzählt. er war sehr geschockt, er wusste zwar dass ich einmal magersüchtig gewesen war, aber dachte dass ich jetzt eig alles wieder im griff hätte. er macht sich seit dem moment an schreckliche sorgen um mich, er hat geweint während ich es ihm erzählt hab. ansich war es ein gutes gefühl es jemanden zu erzählen, doch ein paar monate später wäre es fast aus zwischen uns gewesen weil er meinte er liebt mich zu sehr um das mitanzuschauen was ich mir antue. nach ein paar tagen aber war ihm klar dass er zu mir stehen muss und mich so aktzeptieren muss wie ich bin, wenn er mich liebt. das tut er jetzt. wir reden nicht sehr viel darüber aber wenns mir mal schlecht geht kann ich mich immer in seinen armen ausweinen oder ihm erzählen was los ist, was mir allerdings sehr schwer fällt weil ich ihn nicht allzu sehr damit belasten will. aber ich weiß er ist für mich da und das ist ein schönes gefühl !
Ich glaube es ist ein guter und wichtiger schritt zumindest eine vertrauenswürdige person einzuweihen, aber diese (oder auch mehrere natürlich) sollte man sehr genau auswählen denk ich.
Liebste grüße
talinja