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Allein mit dem Problem?

Verfasst: Mi Feb 09, 2011 0:38
von Keiko
Hallo ihr Lieben,

eigentlich wollte ich nie einen eigenen Thread aufmachen. Schließlich habe ich mir trotz gefühlter 30 Millionen Rückschläge immer wieder einreden können, dass ich es doch schaffen kann. "Morgen hör ich auf, heute ist es zu stressig." - "Am Montag pack ich's, Montage sind immer gut für einen Neuanfang." - "Nach Weihnachten ist endgültig Schluss!" - "Okay, na ja, aber im neuen Jahr wird nicht mehr gek..."

Im Augenblick ist da einfach nur noch ein zermürbendes Gefühl des Versagens, der Verzweiflung und der Einsamkeit.

Mein Therapeut hat nur ca. einmal im Monat Zeit - aktuell muss ich wieder drei Wochen warten - und wir kennen uns generell erst seit zwei Sitzungen. Zu meinen Freunden ist in den letzten Jahren der Kontakt extrem geschwunden und all meine Bemühungen, die alten Kontakte wieder aufzuwärmen, haben nicht so recht gefruchtet. Da ist so eine Distanz ... vielleicht, weil ich trauriger geworden bin, nachdenklicher, verzagter, verlebter, weniger jung und quirlig und enthusiastisch. Früher war ich die, die auf den Tischen tanzte, durch die Welt reiste und für die besten Storys sorgte. Dann wurde ich krank. Inzwischen erzähle ich kaum noch von dieser Vergangenheit - das würde einer grauen Maus wie mir doch keiner glauben.

Ich lebe alleine. Meine Eltern glauben, es geht mir wieder gut. Schließlich bin ich normalgewichtig, ich studiere brav, arbeite brav, funktioniere, verhalte mich angepasst. Mein Freund (wir sehen uns nur am Wochenende) weiß von meinem Problem, aber ich traue mich kaum, ihm das aktuelle Ausmaß zu schildern. Nahezu jeden Tag hänge ich wieder und wieder über der Kloschüssel, treibe mich finanziell und gesundheitlich damit in den Ruin. An freien Tagen rede ich oft mit keinem Menschen außer die üblichen Floskeln den Verkäuferinnen im Supermarkt. Die kennen mich inzwischen.

Über die meisten Gründe meiner Krankheit bin ich mir vollkommen bewusst. Viele grundlegende Probleme mit meiner Familie sind inzwischen durch lange Gespräche gelöst, die Beziehungen entspannter. Auch Dinge der Vergangenheit machen mich eigentlich nicht mehr fertig. Ich glaube, das, was mich im Augenblick wirklich ertrinken und an der Krankheit festhalten lässt, ist dieses bodenlose Gefühl des Versagens und des Alleinseins. Und die Ahnung, wie viel ich eigentlich gerade verpasse - wie gern würde ich wieder reisen, vielleicht einmal surfen lernen, auf Festivals fahren, zelten und mich von Dosenravioli ernähren, fremde Sprachen und Kulturen kennen lernen ... stattdessen wache ich Tag für Tag auf und frage mich, wie zur Hölle ich diese innere Leere heute wieder stopfen kann.

Manchmal wünsche ich mir so sehr, ich hätte einen Menschen, mit dem ich einfach reden kann. Der mit mir zusammen diesen verdammten Kampf antritt, mit dem ich vielleicht mal spazieren gehen, kochen, entspannt und einfach ehrlich sein kann. Oder zumindest jemanden zum Schreiben, der es mit mir gemeinsam versuchen mag. Falls sich also jemand angesprochen fühlt, gerne ;) ... ansonsten schon einmal danke fürs Lesen. Das musste ich gerade einmal irgendwo loswerden. Ich vermisse das Leben. So sehr.

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Mi Feb 09, 2011 0:45
von Nightmare
Keiko hat geschrieben:auf Festivals fahren, zelten und mich von Dosenravioli ernähren, fremde Sprachen und Kulturen kennen lernen ... stattdessen wache ich Tag für Tag auf und frage mich, wie zur Hölle ich diese innere Leere heute wieder stopfen kann.

Ich vermisse das Leben. So sehr.

Hallo Keiko,

ehrlich gesagt hat mich fast jede Zeile angesprochen, aber dort oben habe ich zitiert, was mich gerade richtig berührt.
Ja, ich musste sogar über die Dosenravioli, die doch ein Stückchen Abenteuerlust, Lust aufs Leben, bedeuten, schmunzeln. :lol:

Ich glaube, man könnte es kaum treffender formulieren, denn das bloße Existieren ist eben Lichtjahre von dem entfernt, was man als Leben bezeichnen würde.

Schreiben würde ich sehr gerne mit dir, auch wenn ich gleich sagen muss, dass ich nicht die Schnellste bin, wenn es darum geht, zu antworten, weil mich die Depression allzu oft in Antriebslosigkeit und Lethargie verharren lässt.

Alles Liebe von mir und danke für den nicht unbedingt schönen, aber bewegenden Text!
Nightmare

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Mi Feb 09, 2011 1:15
von Christinel
Liebe Keiko,
dein Beitrag hat mich auch sehr bewegt, denn ich fühle ähnlich.
In den letzten Jahren haben sich auch bei mir alle Freundinnen verabschiedet, obwohl ich auch um die Freundschaften gekämpft habe, aber man kann nichts erzwingen.
Auch ich lebe alleine und hänge jeden abend über der Kloschüssel und habe momentan keine Motivation davon wegzukommen, wie furchtbar auch so ein Leben ist.
Dieses Hungern und Kotzen hat sich so in mein Gehirn eingebrannt, dass ich mir ein Leben ohne nicht mehr vorstellen kann. Ich habe heute in mich hineingehört und ich hatte keine Ahnung, was ich tun könnte, außer essen und erbrechen, es war nur Leere in mir, bodenlose Leere, mit nichts zu füllen.
Naja ich glaube nicht, dass ich sagen kann, wir versuchen es gemeinsam, leider. Ich weiß ohne ES nicht wer ich bin, was ich bin.

Natürlich ist man traurig über die verlorenen Jahre, aber es ist endgültig und die Zeit kann man nicht zurückdrehen.

Wenn du die Kraft und den Mut hast, der ES den Kampf anzusagen, für ein besseres Leben, dann versuche es.
Ich höre dir gerne zu und versuche dich zu unterstützen, obwohl sich das bestimmt blöd anhört, von einer die gar nicht kämpfen "will".
Ich wünsche dir alles Liebe und lass von dir hören.

liebe Grüße

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Mi Feb 09, 2011 11:41
von Keiko
Vielen Dank schon einmal für eure Antworten, sehr lieb von euch. :)

Christinel, ich verstehe auch, wenn Du im Moment nicht die Kraft hast, zu kämpfen. Solche Phasen kenn ich auch - aber im Augenblick ist einfach zu präsent, was ich alles kaputt mache mit meinem Verhalten ... es muss sich etwas ändern, nur wie, das ist mir selbst nicht ganz so klar.

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Mi Feb 09, 2011 15:35
von Magdalena
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Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Do Feb 10, 2011 22:26
von hanne
Valerie hat geschrieben:
Nightmare hat geschrieben:
Keiko hat geschrieben:auf Festivals fahren, zelten und mich von Dosenravioli ernähren, fremde Sprachen und Kulturen kennen lernen ... stattdessen wache ich Tag für Tag auf und frage mich, wie zur Hölle ich diese innere Leere heute wieder stopfen kann.

Ich vermisse das Leben. So sehr.

Hallo Keiko,

ehrlich gesagt hat mich fast jede Zeile angesprochen, aber dort oben habe ich zitiert, was mich gerade richtig berührt.
Ja, ich musste sogar über die Dosenravioli schmunzeln.
Liebe Keiko,

mir erging es beim Lesen deines Beitrags genauso wie Nightmare!!
Wenn du jemandem zum Schreiben brauchst, der dir zuhört, dann kannst du mir ruhig schreiben.

Liebe Grüße!
hier auch!!! verrückt...die dosenravioli waren es ;) ich weiß genau was du meinst!

die meisten meiner freundschaften haben sich mittlerweile in luft aufgelöst. ich habe ein paar enge freunde, die mittlerweile irgendwo in deutschland wohnen, aber so einen ernstzunehmenden festen freundeskreis, den kenne ich nicht.

ich will auch wieder leben. ich will lachen, ich will eis essen gehen, ich will spontan sein können, ich will röcke tragen, ich will mich an meinem leben erfreuen können! denn: wir haben ja nur eines! ich würde es gerne versuchen mitzukämpfen! ICH! WILL! LEBEN!

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 2:12
von Keiko
Danke ihr Lieben, ihr seid super! :D

Yeah, Dosenravioli und Toastbrot. ;)

Und ich kann stolz berichten, heute ist bei mir wirklich gut gelaufen. Obwohl ich frei hatte und alleine war, hab ich's geschafft, stark zu bleiben und anständig zu essen ... sogar mit naschen zwischendurch. Meine Taktik, wenn man sich nach dem Essen mies fühlt und am liebsten weiterfuttern würde: einfach schlafen legen. ;) Hab ich in der Klinik damals auch gemacht.

Hanne, meinst du, ich darf mich in euren Neues-Jahr-Thread einschleichen oder so? :oops: Das trifft zwar nicht ganz auf mich zu, aber ich möchte auf jeden Fall kämpfen und ich merke, ich brauche Kommunikation dazu ...

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 2:37
von Nightmare
Hallo und entschuldige, dass ich noch nicht geantwortet habe,
bei uns geht alles gerade ein bisschen drunter und drüber und ich komme erst jetzt wieder mal in Ruhe an den PC,
bin aber ziemlich k.o. und werde dir am Wochenende schreiben, versprochen! :|
Alles Gute,
Nightmare

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 6:56
von jeany
Dein Beitrag hätte von mir sein können damals..genau wie du es schreibst ging es mir auch..

Aber ein was hab ich in der ganzen Zeit gelernt..wer wahre Freunde sind...und die kann man an einer Hand abzählen..früher hatte ich so viele heute nur noch ganz wenig dafür aber die richtigen..

Das du dich in deine Welt zurückziehst kenn ich auch aber irgendwann hatte ich keine Lust mehr im Selbstmitleid zu versinken und auch wenn ich niemanden außer meine Familie und ein paar freunde habe habe ich angefangen mein Leben wieder in die Hanfd zu nehmen ..man kann so viele schöne dinge machen und muss nicht immer jemanden dabei haben.

Hast du Hobbys die du nach der Arbeit noch machen kannst..malen,basteln,spazieren gehen??

Wäre es nicht gut wenn du dich deiner Familie gegenüber öffnest das es dir nicht gut geht,das wäre auch schon ein großer schritt das dir jemand zur Seite steht

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 7:07
von corry
wow dein betrag hat mich eben voll berührt....
denn mir geht es so ähnlich!!!!!!
hab zwar genug "freunde" die zeit haben wann sie wollen und nicht ich.....
aber meine größte stütze ist meine kleine familie, obwohl ich mich trotzdem in letzter zeit nicht wirklich beherrschen kann........
aber möchte meinen lieben nicht erzählen das es mir wieder schlechter geth, will nicht als versager dastehen!!!!

lg

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 20:00
von jeany
Corry das hat nichts mit Versagen zu tun ...und sie werden dich auch nicht so hinstellen im Gegenteil ..Es tut weh zu sehn wie man wieder abrutscht und man möchte die die man gern hat nicht mit runterziehen aber das tut man nicht wenn man sich öffnet dann ist das immer ein Hilfeschrie..
Und gemeinsam ist man immer doppelt so stark..
Es ist keine Schande ...Wir reden hier von einer sucht und leider gibt es sehr häufig Fälle wo Leute nach langem clean sein urplötzlich rückfällig werden ohne Grund ..aber wenn du möchtest das es dir nicht noch weiter schlechter geht dann vertraue dich jemandem an..musst ja nicht gleich nen Zettel ans schwarze Brett nageln..wer hatte damals das meiste Verständis und hat dir am meisten gut getan in der schweren Zeit..da würd ich zuerst hingehen..

Wie schon erwähnt ich habe fast alle verloren wo ich dachte das sie mich gern haben ..und es war auch komisch als ich die ersten ops hatte und dann immer weniger zu Besuch kamen anfangs war ich traurig dann wütend und heute kann ich sogar drüber lächeln...denn ich habe in dieser Zeit gelernt mich wieder mit mir zu beschäftigen ...denn mein Freund musste ja auch arbeiten und meine Eltern sind selbstständig also habe ich mir mein Leben ganz neu aufgerollt und heute kann ich egal was ich tue auch alleine tun und es geht mir gut damit ..man braucht nicht tausned mann um einen herum um Glücklich zu sein...

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 20:22
von joliana
jeany hat geschrieben:und heute kann ich egal was ich tue auch alleine tun und es geht mir gut damit ..man braucht nicht tausned mann um einen herum um Glücklich zu sein...
das finde ich so wichtig!!
nicht nur hier im forum lese ich oft, wie abhängig man sich von manchen menschen macht. von deren gunst und willen sozusagen. und oft sind das die falschen menschen - falsche freunde, eine beziehung die einem nicht gut tut, oder auch familienmitglieder, die leider mehr zerstören als helfen. irgendwann muss man auch lernen, alleine klarzukommen. natürlich, andere menschen sind sehr wichtig, aber man sollte sich auch immer auf sich selbst besinnen können.

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Fr Feb 11, 2011 21:36
von mary jane
Christinel hat geschrieben:Ich habe heute in mich hineingehört und ich hatte keine Ahnung, was ich tun könnte, außer essen und erbrechen, es war nur Leere in mir, bodenlose Leere, mit nichts zu füllen.
Naja ich glaube nicht, dass ich sagen kann, wir versuchen es gemeinsam, leider. Ich weiß ohne ES nicht wer ich bin, was ich bin.
:!: :!: :!:


fuer mehr reichts grad nich...

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Sa Feb 12, 2011 9:44
von hanne
Keiko hat geschrieben:Hanne, meinst du, ich darf mich in euren Neues-Jahr-Thread einschleichen oder so? :oops: Das trifft zwar nicht ganz auf mich zu, aber ich möchte auf jeden Fall kämpfen und ich merke, ich brauche Kommunikation dazu ...

na klar, komm vorbei!

kommunikation ist für mich das a und o. nur vom reden wird man zwar nicht gesund, aber drüber reden zu können ist für mich der wichtigste und größte und auch anstrengendste schritt gewesen und ist es noch.
joliana hat geschrieben:
jeany hat geschrieben:und heute kann ich egal was ich tue auch alleine tun und es geht mir gut damit ..man braucht nicht tausned mann um einen herum um Glücklich zu sein...
das finde ich so wichtig!!
nicht nur hier im forum lese ich oft, wie abhängig man sich von manchen menschen macht. von deren gunst und willen sozusagen. und oft sind das die falschen menschen - falsche freunde, eine beziehung die einem nicht gut tut, oder auch familienmitglieder, die leider mehr zerstören als helfen. irgendwann muss man auch lernen, alleine klarzukommen. natürlich, andere menschen sind sehr wichtig, aber man sollte sich auch immer auf sich selbst besinnen können.
jap. so seh ich das auch. als ich angefangen habe, ernsthaft gegen die bulimie und all das selbstzerstörerische in mir zu kämpfen, fiel mir zum ersten mal auf, wie sehr die ES einen davon abhält, sich mit sich selbst zu beschäftigen. man steht wie nackt vor einem selbst. hm, ich kann es schlecht in worte fassen. versteht ihr, wie ich das meine? ich glaube, deswegen bin ich grad auch wieder mehr gefangen im essen-kotzen-nicht essen, weil ich keine energie habe, mich mit meinen eigentlichen problemen zu beschäftigen...total banane irgendwie...

Re: Allein mit dem Problem?

Verfasst: Sa Feb 12, 2011 11:18
von Dreamdancer
Dieser Thread berührt mich gerade sehr.

Ich finde keine Worte, aber ich lese sehr aufmerksam mit.