Seite 1 von 1
Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Jul 26, 2010 14:01
von steppenwoelfin
Hallo liebe Forumsmitglieder,
wie oft habe ich mir ausgemalt, dass etwas passieren würde. Etwas, dass mir die Sicherheit gibt, ohne Bulimie glücklich leben zu können. Oder überhaupt leben zu können. Oder wenigstens glücklich zu sein, zufrieden. Ich schätze es würde reichen, wenn es mir "gut" geht.
Mittlerweile leide ich seit beinahe 6 Jahren an Bulimie. Es gab gute und schlechte Zeiten und Monate an denen ich mir nicht mehr vorstellen konnte, wie man so etwas überhaupt machen kann. Ich lebte mit mir, dick und schlank, dann dicker und dünner, dann wieder dick. Egal wie sehr ich meine bulimischen Exzesse betrieb. Ich konnte es meist auch nicht an bestimmten Lebensumständen festmachen.
Theoretisch dürfte es mir nicht so gehen. Ich müsste zufrieden sein. Ich lebe in einer Partnerschaft, habe einen festen Job, bin nicht reich, habe aber auch keine Geldsorgen. Ich habe kaum Freunde, aber das habe ich mir selbst so arrangiert.
Der Drang mit Menschen zu sprechen und sei es über Belangloses ist beinahe verschwunden. Nichts interessiert mich mehr. Stundenlang könnte ich nur im Bett liegen oder lesen und flüchten.
Vielleicht wissen einige von euch, wie es mir gesundheitlich geht. Meine Blutwerte sind eine Katastrophe, ich bin bleich, habe Haarausfall, Herzrhythmusstörungen, Konzentratiosschwäche das übliche.
Als ich eines Tages in einen beinahe wahnhaften Zustand verfiel, war ich mir sicher, dass ich aufhören würde. Egal wie dick ich noch werde, egal wie beschissen ich mich fühlen werde. Ich war mir sicher, dass ich im Grunde meines Herzen doch leben wollte. Ich versuchte eine Therapie zu beginnen und hasste es. Ich hasste die Termine, die Gespräche, die Analyse und den Rat mich in eine Klinik zu begeben. Wieso sollte ich auch, bin ich etwa ug? Habe doch genug Reserven.
Der Trotz den ich verspüre vergiftete die Atmosphäre. Woher wollte ein anderer Mensch wissen, wie krank ich bin? Bin ich überhaupt so krank oder nur zu schwach?
Der "Deal" war, dass ich mir selbst Infusionen verabreiche um eine erneute Elektrolytentgleisung zu vermeiden. Mache ich auch brav. Man fühlt sich toll danach, so lebendig. Nur der Venflon stört, wenn man sich zum x-sten Mal über die Kloschüssel beugt um Nahrung loszuwerden.
Es wurde nicht besser, ich hörte nicht auf. Nur im 1. Jahr war es jemals so schlimm wie jetzt. Niemals habe ich derart oft gegessen und erbrochen.
Ich habe kein Leben mehr. Jeder der mir emotional zu nahe kommt, wird durch meinen selbstzerstörerischen Strudel mit vernichtet. Es tut mir leid, ich hätte besser alleine bleiben sollen.
Ich weiß nicht was ich mir erwarte, jetzt da ich meine momentane Situation erläutert habe, ich weiß nicht wieso ich es angesprochen habe. Verzweifelt, wünsche ich mir wohl, dass jemand meine Schreie hört, die ich durch mein reales Schweigen nie hörbar gemacht habe. Wieso fühlt es sich so an? Ich möchte sprechen, aber ich kann es nur hier. Schreiben, dann hat es mehr Distanz und tut nicht so weh.
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Jul 26, 2010 15:38
von Kittycat82
Liebe Steppenwoelfin!
Ich glaube, die Frage, warum du ausgerechnet hier nach Hilfe suchst, hast du schon selbst gegeben.
Das Internet ist ein relativ "kaltes" Medium um mit anderen Menschen zu kommunizieren.
Die Gefahr, dass einem hier jemand wirklich nahe kommt, besteht nicht.
Momentan kannst du diese Nähe nicht ertragen, das kenne ich zur Genüge.
Aus deinem Beitrag spricht viel Schmerz und viel Verzweiflung! Ich knuddel dich mal aus weiter Entfernung ganz vorsichtig <drück>
Wieso mauerst du momentan denn so vor der ganzen Welt, warum kannst du das Leben nicht mehr genießen? Hast du mal ganz tief in dich hineingehorcht?
Für mich hört es sich so an, als ob du in einer ausgewachsenen Depression steckst!
Das kann sowohl psychische Ursachen, als auch eine Folge der jahrelangen Mangelernährung sein. Ich bin auch immer dann am depressivsten, wenn mein Essverhalten lange nicht in Ordnung war.
Du schreibst, du bist in einer Partnerschaft! Ist es eine erfüllende Partnerschaft, kannst du dich fallen lassen, oder setzt dich etwas unter Druck?
Nur du kannst etwas ändern. Kuck' dir nochmal dein Leben ganz genau an und die Gefühle, die du in den unterschiedlichen Situationen im Alltag hast.
Wo ist das der Wurm drin, was stört dein inneres Gleichgewicht so schockierend heftig?
Lieben Gruß
Kitty

Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Jul 26, 2010 20:46
von ja,ne,is klar
Hallo Wölfin der Steppe,
Kittycat hat ja schon Einiges gefragt,oder angeregt.
Was mir da einfällt,ist,das Du Dir aufkommende Gefühle gleich wieder verbietest,oder Dich schuldig sprichst.
Ich kenn das sehr gut,nur,an diesem Punkt,ist noch kein Vorwertsgehen zu erwarten,da muss noch ein "freiheres Denken/Fühlen" kommen.
kanns grad nicht anders ausdrücken
Aber das wort Geduld hört sich jetzt auch nicht gut an,ich weiß
Magst mehr erzählen?
Janigrüße
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Jul 26, 2010 21:20
von steppenwoelfin
Hallo,
danke fürs Drücken kitty, sowas kann nie schaden. Zumindest hier im virtuellen nicht *lächel*. Wobei es im realen schön wäre, wenn es nicht soviel Nähe wäre. Wisst ihr, früher habe ich nach Geborgenheit und Nähe gelechzt. Jeder Kuss, jedes in den Arm nehmen, war für mich das Größte. Heute ist es mir zuviel, alles viel zuviel. Gefahr Gefahr komm mir nicht zu nah.
Ich mauere mich ein, weil ich das Gefühl habe, dass es keinen Sinn hat zu sprechen. Schotte mich ab um anderen meinen Zustand zu ersparen, weil ich weiß das niemand gerne mit mir zusammen ist, wenn ich dermaßen depressiv bin.
Wieso sollten andere noch mehr unter mir leiden?
*seufz* wieso kann ich nicht mehr geniessen? Ich weiß nicht, es kommt mir so egositisch vor. Denn objektiv gesehen habe ich verdammt viel Glück und jammere hier herum, wie ein armes kleines schwaches Mädchen.
Wenn schöne Dinge passieren, kann ich sie kaum wahrnehmen, aber auch schlechte Dinge, entziehen sich meinem Bewusstsein. Alles außer der nächste Fressanfall wird bedeutungslos.
Ja ich fühle mich überfordert, ich würde gerne Job und Haushalt und Partnerschaft unter einem Hut kriegen, aber ich schaffe es nicht. Und meine Partnerschaft. Ich liebe ihn über alles, es gibt nur das Problem, dass er sehr aggressiv werden kann. Er würde mich nicht schlagen, aber wenn ich es wage zu provozieren, werde ich verbal fertig gemacht und himmel ich verstehe es wirklich. Keiner ist perfekt. Außerdem meint er es nicht so. Trotzdem trifft es, wenn man als schwaches weinerliches kotzendes Stück Dreck bezeichnet wird. Klar...vor allem weil er nicht weiß, wie wahr das ist.
Aber daran arbeiten wir.
@Jani ich hoffe, dass es die Geduld ist, die ich brauche. Aber was wenn ich mich nicht weiter entwickle? Wenn es so bleibt. Auf ewig überlebt man das ja auch nicht. Wie kann ich diesen Prozess starten, so dass sich die Geduld auch lohnt?
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Jul 26, 2010 22:12
von mopsine
Liebe Wölfin...
aus deinen Beiträgen spricht eine ungeheuerliche Traurigkeit, die in dir steckt. Das ist sehr traurig...
Aber es kommt mir irgendwie vor, als ob eine Menge Wut dahinter steckt... Unverständnis deinen Gefühlen gegenüber und Wut darüber, so wenig dankbar sein zu können... Mir scheint es, als ob du diese Wut sehr gegen dich selbst richtest... dich innerlich beschimpst und natürlich körperlich enorm schädigst... Meine Frage dazu ist, empfinde ich das richtig und wenn ja, weißt du, woher diese Wut eigentlich kommt und gegenüber wem du sie eigentlich verspürst?
Ich interpretiere wahrscheinlich zu viel in deine Beiträge... aber ich finde mich in vielen Gedanken wieder... ich habe viel über emotionalen m*ssbr**ch in der Kindheit gelesen, die sich im Erwachsenenalter dann so ausdrücken kann, wie du es beschreibst... Bei mir ist es so, dass sich meine Wut eigentlich gegen meine Familie richtet, nur da lass ich sie nicht zu und tob mich eben an mir selbst aus...
Geht es dir vielleicht ähnlich??? Ich habe auch lange geglaubt, dass reine Arbeit an dem Verhalten und den Symptomen ausreicht, um gesund zu werden. Mittlerweile denke ich, dass das zwar hilfreich ist, aber dass nur die Arbeit an den Ursachen der Krankheit langfristig heilen kann.
Ich denke, eine therapeutische Beziehung ist dafür oft sehr hilfreich... Die Ablehnung, die du ggü. deinem Therapeuten hattest, kannst du dir die erklären? Vielleicht lag es an der Person? Manchmal erinnern die Therapeuten einen unbewusst an jemanden und dann entwickelt man innerlich so eine Ablehnung... Hast du mehrere Therapeuten kennen gelernt? Vielleicht lag es an seiner Ausstrahlung, Geschlecht, etc., dass du mit ihm nicht klar kamst!? Wie gesagt, ich möchte nicht zuviel in deine Beiträge hinein interpretieren... Das sind einfach die Gedanken, die mir dabei gekommen sind...
Was mir noch auffällt, du schreibst, als wärst du schon sehr alt und hättest dein Leben schon hinter dir, obwohl du noch so jung bist... Das ist sehr traurig...ich wünsche dir wirklich, dass du einen Weg findest, wieder an eine gute Zukunft für dich glauben zu können!!!!!
Alles Liebe!
mopsi
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Di Jul 27, 2010 14:58
von Kittycat82
Hi kleine Wölfin!
Hast du es eigentlich schon mit einem Antidepressivum gegen die Depressionen versucht?
Bei mir hat es wenigstens die ganz tiefen Fälle aufgehalten und mir innerlich mehr Halt und Stabilität gegeben.
Ansonsten muss ich sagen, dass mich das, was du von deinem Partner geschrieben hast, enorm schockiert hat. Das ist nur meine Sicht der Dinge, aber derartige Beleidigungen finde ich nicht normal, sondern ganz schön hart.
Das, was er da sagt, geht doch eindeutig an deine seelische Substanz, oder nicht?
Also ich finde das schon bedenklich <vorsichtigausdrück>
Ich bin bei eurer Beziehung natürlich auch nicht dabei, aber ich finde es schlimm, dass er dich beleidigt.
Du bist ein wertvoller, sensibler Mensch und brauchst momentan viel Verständnis!
Ich drück dich nochmal ganz vorsichtig von der anderen Seite des Computers <knuddel>
Lieben Gruß
Kitty
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mi Jul 28, 2010 15:06
von steppenwoelfin
Hallo zusammen,
die letzten Tage waren schlimm. Manchmal fühlt es sich an, als wäre das Bedürfnis zu sprechen, es herauszuschreien übermächtig, als würde es mich zerreissen. Woher kann das kommen? Ich weiß doch, was passiert, wenn ich offen und ehrlich bin, ich weiß genau wie man kranke Menschen behandelt. Wie man beim Essen beobachtet wird, die Fragen. Trotzdem fühlt man sich unglaublich allein und isoliert, wenn man schweigt. Ich bin froh über diese Plattform, bin glücklich nicht ganz alleine zu sein.
Ich habe versucht einer guten Freundin die auch als Krankenschwester arbeitet zu sagen, dass ich depressiv bin. Ich wollte gerne noch eine weitere Meinung einholen, bevor ich mit Ad´s anfange.
"In deinen alter?" "Spinnst du?" "Du willst dich also von den Tabletten abhängig machen?" Gut ich verstand, dass sie ihre Bedenken hat, die habe ich ja auch.
Aber das Schärfste war leider "Du gehst morgen nicht zum Arzt, du kaufst du ein schönes Puzzle, am besten eins mit süßen Babys und baust es zusammen, dann hast du ein Erfolgserlebniss und hast wieder Freude an etwas".
Sprachlos war ich. Nichts mehr konnte ich sagen. Welche Meinung hat die Menschheit eingentlich von Depressionen?
Es mag sein das Ablenkung und positive Erlebnisse das Selbstwertgefühl stärken können und bei Gott ich habe es versucht, weil ich mich noch heute dagegen wehre depressiv zu sein. Ich fürchte ich werde nicht ernst genommen, obwohl sie aus meinen Erzählungen wissen sollte, wie schwer es mir fällt, durch den Tag zu gehen. Ein Puzzle?
Die Antidepressiva habe ich mir trotzdem verschreiben lassen, habe jetzt etwas Urlaub, sodass eine anfängliche Bewusstseinseintrübung kein Hinderniss darstellen kann. Ich werde es versuchen, um wieder handlungsfähig zu werden. Ich habe ein wenig Angst, dass es für meinen Körper zuviel sein könnte, aber vermutlich bin ich da zu panisch. Typisch Krankenschwester sich wegen jeden kleinen Pups Sorgen zu machen. Patienten verabreiche ich von dem Zeugs die 3-fache Dosis, also soll ich mich gefälligst nicht so dämlich anstellen.
Die Beleidigungen gehen an die Substanz auf jeden Fall, aber ich habe erkannt, dass er wirklich kaum etwas dagegen machen kann. Er wirkt so verzweifelt. Ich muss auch zugeben, dass ich seine Ratschläge ignoriere und ihn trotzdem anspreche wenn er auf 180 ist. Ich bevormunde ihn, weil ich in unserer Wohung nicht alles hören will, auch wenns nur gegen die dämliche Spielekonsole gerichtet ist. Dann sagt er meist ich soll doch gehen, soll doch endlich gehen, bevor er wütend wird. Ich bleibe und löse damit die Konfrontation aus. Wir brauchen beide Hilfe und ich bin immer da. Ich kann ihn nicht retten, aber auffangen und wir lieben uns. Wir lieben stark und intensiv, wir lieben uns gegen jede Vernunft.
@mopsine dein Gedankengang hat einen wahren Kern. Ich möchte nicht übertreiben und sagen ich wäre seelisch m*ssb**ch* worden, aber meine Kindheit lief sehr seltsam ab. Nie habe ich etwas vergleichbares gesehen. Nie war man direkt Schuld, nie wurde gesagt was falsch war. Immer nur Blicke und Andeutungen. Mit der Zeit bekommt man ein sehr deutliches Gespür davon, was Menschen von einem erwarten und man tut sein Bestes um gut zu sein um ein Lächeln zu bekommen und einmal friedlich nebeneinander sitzen zu können. Aber ich habe im Schweigen verziehen, weil ich meinem VAter so ähnlich bin. Wir können nur miteinander schweigen, oder er trinkt und ich weine. Weine bittere Tränen, auch beim Schreiben über ihn, gerade jetzt. Weil es so weh tut, weil ich ihn so sehr lieb habe. Weil ich doch verziehen habe, was kann er denn dafür, er hatte es nie leicht, war immer erwachsen und stark, gab mir alles was ich brauchte, konnte mir nur nie zeigen das er mich liebte, keiner weiß warum.
Trotzdem bin ich daran gewachsen, habe gekämpft, sodass er meinen Geschwistern ein Vater war. Sodass er mit ihnen sprach sie in den Arm nahm. Wisst ihr was? Ich war sehr stolz auf mich, bin erwachsen geworden.
Man ist so alt wie man sich fühlt, ich fühle mich wie 70 glaube ich *lächel*
Gestern habe ich nicht erbrochen und schon schleichen sich Gefühle ein. Ich werde versuchen es positiv zu sehen, werde probieren es als Chance zu Spüren meiner Selbst zu nutzen.
Danke für eure Anteilnahme, diese bedeutet mir sehr viel
Liebe Grüße
Die Woelfin
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Do Jul 29, 2010 16:14
von Kittycat82
Hallo kleine Wölfin
Erstmal finde es deine Entscheidung ein Antidepressivum zu versuchen, sehr gut.
Nichts gegen deine Kollegin, ich kenne sie nicht, aber ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass ein Puzzle gegen eine ausgewachsene Depression helfen soll...lol!
Aber gut, dass du dich jetzt im Urlaub erstmal richtig auf das AD einstellen kannst. Ich hatte in der Anfangsphase auch mit einigen Nebenwirkungen zu kämpfen, die aber alle wieder verschwunden sind.
Meines Wissens nach machen Antidepressiva auch nicht abhängig, genauso wenig, wie sie die Persönlichkeit verändern. Sie helfen nur wieder mehr Stabilität in die angeknackste Psyche zu bringen und helfen dabei, die Probleme angehen zu können.
Hmm...was deine Partnerschaft betrifft. Da kann ich ja auch nur als ganz weit Außenstehende etwas sagen, aber: Brauchst du ihn vielleicht, um dich lebendig zu fühlen?
Ich habe selber eine Beziehungsstörung und mein ganzes Leben lang Beziehungen zu Männern als Suchtmittel benutzt, um mich von meinen eigentlichen Problemen etwas ablenken zu können.
Soll heißen: Man begibt sich in eine gegenseitig abhängige Liebesbeziehung in der ständiger Tumult herrscht, um sich mit diesem "Terror" vom eigenen Leid abzulenken!
Bei mir war der Grund unter anderem auch, dass mein Vater mir seine Liebe nie zeigen konnte (Meiner Zwillingsschwester allerdings schon). Ähnlich wie bei dir...
Hmmm....also bei mir war das und ist es noch so.
Schreib' doch mal, wie du die Einstellung auf's Antidepressivum vertragen hast.
Knuddel
Kitty

Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Sa Jul 31, 2010 11:18
von steppenwoelfin
@Kitty
ja das Puzzle *g*, jetzt im Nachhinein muss ich wirklich darüber lachen. Ich meine wozu Therapie? Wozu Medikamente? Die Bastelindustrie wirds schon richten.
Nun die ersten Tage sind überstanden. Ich habe das Gefühl, dass es mir ein wenig besser geht. Diese Änderung kommt sicher noch nicht von den AD´s denn die brauchen ja bekanntlich 1-2 Wochen bis sie wirken. Heute scheint die Sonne und darauf reagiere ich sehr positiv. Auch der Urlaub tut mir gut. Ich kann mir mehr Zeit lassen, viel lesen und die Hausarbeit in ruhigem Tempo erledigen. Leider war gestern Esstechnisch gesehen, kein guter Tag. Kurz gesagt war es eigentlich nur ein Pendeln zwischen Wohnzimmer und Toilette. Aber das kennt man ja.
Ich bin ein äußerst harmoniebedürftiger Mensch. Ich denke auch, dass häufig erzwungene Stille und Ruhe, die Reaktionen meines Partners verstärkt. So in etwa, wie wenn man in einem schalldichten Raum sitzt und schreien möchte um die Leere zu vertreiben. Aber ich denke wir stecken in einer Phase in der wir beide viel übereinander und voneinander lernen können. Dies möchte ich als Chance nutzen.
Wie gesagt, meine Stimmung hat sich gebessert. Es tut gut, sich lebendiger und handlungsfähiger zu fühlen. Alle4rdings habe ich Angst das sie mir wieder entgleitet, dass es nur vorübergehend ist, dass es eben nur chemisch induziert ist und deshalb nicht "wahr" sein kann. Welch törichte Gedankengänge. Sollte mich stattdessen freuen und das Lachen geniessen, solange es mir nicht im Halse stecken bleibt.
Die Gier bleibt. Die Lust auf Essen, maß- und ziellos, wie soll man sie nur fallenlassen? Wie kann man gegen Instinkte ankämpfen? Essen, als Energiequelle zu betrachten, als notwendig oder als Genuss? Noch ist es unvorstellbar.
Manchmal male ich mir ein Leben ohne Bulimie aus. Ein emotionales Leben, spontan und leidenschaftlich. All die Gefühle, Gedanken die ich bisher mit Erbrechen unterbinde. Wer wäre ich mit ihnen? Manchmal keimt der Wunsch auf, dieses zu entdecken. Mein wirkliches gesundes Ich. Ob ich mir selber die Chance dafür geben werde, weiß ich noch nicht.
Wann ich anfange mir Fehler zu verzeihen, an denen ich keine Schuld habe, kann ich nicht sagen.
Bald wäre besser. Jahre im dumpfen Sumpf der Sucht, dürften doch reichen nicht wahr?
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Sa Jul 31, 2010 13:18
von Kittycat82
Hi kleine Wölfin!
Ich bin froh, dass sich deine Stimmung gebessert hat
Ich kenne dieses Misstrauen, wenn mal sich plötzlich mal gut fühlt, nur zu gut.
Man hat das Gefühl irgendwas fehlt, dabei fehlt einem nur dieser blöder, altbekannte Schmerz!
Und auf diesen "Schmerz" müssen wir lernen "zu verzichten", auch wenn sich das ganz schrecklich verqueer anhört.
Manchmal war ich soweit, mich damit abzufinden, dass ein Leben ohne Schmerz bei mir nicht funktioniert.
Aber das stimmt nicht!!!
Wir alle haben die Möglichkeit auf ein glückliches und erfolgreiches Leben, weil wir hier sind und weil wir liebenswert sind. Wir müssen nur lernen zu uns selber gut zu sein (Ja, ich weiß, dass hört sich einfachere an, als es ist)!
Schreib' mal, wie es mit der AD-Einnahme und deiner Essproblematik weitergeht, kleine Wölfin!
ich wünsche dir einen schönen und ruhigen Tag

Knuddel dich!
Kitty
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Aug 02, 2010 8:18
von steppenwoelfin
Es geht also alles seinen Weg. Auch jetzt ist meine Stimmung zwar nicht himmelhochjauchzend, aber doch ausgeglichen. Ich bin merklich ruhiger und kann morgens beim Zähneputzen Grimassen schneiden (*lächel* nun das ist zwar nicht das Ziel, aber ich muss sagen, es hat schon was). Ich kann mich noch nicht zu größerem sozialen Austausch überwinden, bleibe lieber für mich allein. Möchte mir noch nicht zuviel zumuten, mir aber gleichzeitig realistisch erreichbare Ziele setzen.
Habe mich gestern im Spiegel betrachtet. Als ich das Ergebnis sah wurde ich traurig. Trockene Haut, eingerissene Mundwinkel, Narben von früher, blasse Haut, dunkle Augenringe, Dehnungsstreifen. Ein Körper dem lange Zeit keine Pflege zuteil geworden ist. Habe mir gestern zwar eine Gesichtsmaske gemacht, mich mit Lotion eingecremt, aber ist es nicht Irrsinn wie sehr man sich vernachlässigt?
Kein Wunder, dass mich fremde Personen gelegentlich für drogenabhängig halten, mein Blick ist starr, verwirrt und traurig. Vermutlich ist es offensichtlicher, dass es mir nicht gut geht, als mir bewusst und lieb war.
Wisst ihr warum es so hart ist zu essen? Zuzunehmen? Sich um sich selbst zu kümmern?
Weil es keine Leistung ist. Wer würde dafür gelobt werden, weil er sich eine Massage gönnt? Wer bekommt Anerkennung, wenn er sich gesund ernährt? Man kann sich höchstens selber auf die Schulter klopfen.
Aber wisst ihr was? Wenn die Mitarbeiten und Freunde und Familienmitglieder große Augen machen? Bewundernde Ausrufe, ein klein wenig Neid gelegentlich und warum dies alles. Weil man abgenommen hat.
"woooow, du bist aber schlank geworden", "du siehst gut aus" (blass, aber dünner, kein Lächeln, aber dünner, krank, aber dünner). Warum Herr im Himmel wird abnehmen mit sämtlichen guten disziplinierten Eigenschaften der Menschheit gleich gesetzt?
Beispielsweise habe ich Tage an denen ich wirklich viel leiste. Ich begleite sterbende Menschen auf ihrem Weg. Bin immer da und halte alles aus. Meint ihr da
würde sich jemals jemand dazu herablassen meine Leistung zu würdigen?
Aber wenn ich ein paar Kilos verliere, bin ich begehrenswert, ansehnlich, schön, stark, maßvoll, lieb, bewundernswert, habe Leistung erbracht.
Das ist zum kotzen. (ich hätte es wohl nicht ganz so wörtlich nehmen sollen).
Wie bereits erwähnt, habe ich das Gefühl, mit meiner Stimmung umgehen zu können. Gleichzeitg die Hoffnung, dass es noch ein wenig besser wird, wobei ich natürlich nicht zuviel verlangen möchte. Ich denke, der Momentzustand wäre auf lange Sicht zu ertragen. Vorrausgesetzt ich bringe mich nicht versehentlich mit meiner Erkrankung um.
Es würde zu mir passen, kopfüber im eigenen Erbrochenen zu sterben. Gebrochen im Erbrochenen. Ironie des Schicksals.
Es lässt sich also absehen, wie mein derzeitiger Umgang mit der Bulimie ist. Von totaler Ignoranz bis hin zur Annerkennung als Problemlösung, ich richtete es mir so, wie es mir genehm war. Ich bin ausreichend sprachgewandt, kann mir also auch selbst Dinge überzeugend einreden.
Es läuft definitiv aus dem Ruder. Gestern ging es den ganzen Tag, sowie die gesamte Nacht. Nachts erbrach ich nicht, aß zwar im Bewusstsein, aber ergriff keine Gegenmaßnahmen, da ich mich schon sehr kraftlos fühlte. Die ganze Nacht aß ich, schlief kurz, wachte auf und aß. Kontrollverlust muss so aussehen.
Der Tag, nun er verging im Essen. Meist eingesperrt im Badezimmer. Es hatte eigentlich nichts mit essen zu tun. Es war mehr ein zustopfen, ohne Geschmack oder Befriedigung. Ich hätte auch Styropor verzehren können.
Brutal, wenn man sich den halben Arm in den Rachen schiebt. Alles voller Blut (es wäre nicht viel, aber auch wenig Blut kann nach Schlachtfeld aussehen, wenn man sich noch keinen Blick über die Gesamtsituation verschafft hat), während man versucht sich zu erinnern ob man nicht doch etwas rotes gegessen haben könnte (nein hat man nicht). Wut auf den eigenen unzuverlässigen Körper, wenn er ziept und schmerzt. Beim Inspizieren der Wundhöhle doch ein kleiner Moment der betroffenheit. "Gut ich habe es übertrieben, das muss in der Form nicht mehr vorkommen".
Mein Therapeut tut mir leid. Ich befolge willentlich einige der Ratschläge nicht. Fühle, als wäre ich nicht in der Lage dazu, weiß aber im Grunde, dass es nur am "wollen" liegt. Was macht man mit Patienten die uneinsichtig sind und sich selbst gefährden?
Ich werde meinen Blick nun doch in Richtung Klinik schweifen lassen.
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Aug 02, 2010 15:05
von Kittycat82
Hi kleine Wölfin!
Das, was du schreibst ist sehr sehr traurig und ich fühle dein Leid und deine Verzweiflung!
In unserer Gesellschaft wird der schlanke Körper hochstilisiert, beinahe zur Gottheit oder Ikone verklärt.
Ich finde das beunruhigend und sehr falsch. Genau, wie du schon sagst. Selbst, wenn man mit Augenringen, spröden Haar und blasser Haut vor die Leute tritt, solange man dabei abnimmt bekommt man oft noch Lob. Das ist wirklich zum Kotz......!!!
Aber wir müssen uns diesem selbstzerstörerischen Diktat nicht unterwerfen. Wir sind liebenswert weil wie hier sind! Auch du bist liebenswert und hast alles Recht der Welt dazu, dir für Dinge, die du dir selber gönnst, auf die Schulter zu klopfen
Das du in den Spiegel lächelst, finde ich Klasse
Deine ES macht mir allerdings Sorgen. Du bist sehr krank und ich finde es gut, dass du über einen Klinikaufenthalt nachdenkst. Einfach mal raus aus dem ganzen Mist, einfach mal Pause von dem Selbstterror.
Das du blutest, wenn du dich übergibst, ist wirklich ein Alarmsignal. Hast du jemand, der da auf dich aufpasst, wenn was passieren sollte?
Bitte, versuche das mit der Klinik in die Wege zu leiten.
Quäl dich nicht selber so schlimm!
Ich knuddel dich ganz doll

Hol dir Hilfe!
Kitty
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Aug 02, 2010 15:58
von ja,ne,is klar
liebe Wölfin der Steppe,
denkst Du ernshaft über einen Klinikaufenthalt nach?
Fänd ich nämlich sehr gut,in Deinem Fall,jedenfalls könntest Du schonmal schaun,wo was möglich wäre.
Wenn das mit der TK bei mich auch nicht klappt,dann geh ich auch,irgendwo muss es ja mal gehn.
Wollen wir uns zusammen Eine aussuchen?
Janigrüße

Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Aug 02, 2010 18:23
von steppenwoelfin
Hey...
ja ich wäre es wert. Eigentlich schon. Obwohl das Gefühl oft aufkommt, dass ich nur der Dreck unter jedermanns Schuhen bin, ist es objektiv nicht so. Ich verstehe das ich weder kriminell noch unfreundlich oder sonst etwas bin. Ich opfere mich gerne auf und bin immer da. Irgendetwas in mir lässt trotzdem nur Schuldgefühle zu. Schuld wenn man etwas nicht sofort erledigt, Schuld wenn jemand anderer mehr macht als man selbst, soviel Schuld.
Im Grunde werde ich mich dahingehend entwickeln müssen, so weit als möglich unabhängig von der Meinung anderer zu sein. Ein schlanker Körper würde einem im Grab nur wenig nutzen. Auch das eigene Körperbewusstsein zu stärken, soll ein Ziel sein. Ich spüre oft meine Körpergrenzen nur wenig, deshalb streiche ich auch permanent mit meinen Händen über Polsterecken und schlafe in einem "Nest", sonst würde ich mich verlieren.
Ich muss leider über eine Klinik nachdenken. Auch wenn dabei Wut und Unmut aufkommen. Ich dachte immer, dass ich mich ein wenig von den anderen Bulimikerinnen unterscheide. Schließlich plante ich meine Anfälle jahrelang und konnte aufhören, konnte Tage, wenn nicht Wochen ein durchaus akzeptables essverhalten an den Tag legen. Diese Zeit ist vorbei, bei jedem Bissen, könnte sich der Gedanke einschleichen, dass es eigentlich "jetzt auch schon egal ist".
Meine Selbstgefährdung ist nicht mehr tragbar. Meine Werte sind schlecht, ich habe regelmäßig Blutungen und ein Geschwür im Rachenraum, welches ich noch operativ entfernen lassen muss.
Außerdem hoffe ich das mich die externe Kontrolle schlussendlich doch zur Räson bringt. Zu Leben ist möglich, warum soll es uns versagt bleiben?
@Jani ja das machen wir

obwohl willst du dir das wirklich antun?
Re: Das Leben für meine Krankheit
Verfasst: Mo Aug 02, 2010 20:31
von ja,ne,is klar
ach man,das mit,in nem "Nest" schlafen tu ich auch,da ich das Gefühl hätte sonst nachts zu "ertrinken".
Auch sonst hab ich zwar andere körperliche und psychische,heftige Probleme,aber ich kenn so gut dieses Gefühl:
"Dir wird die zeit knapp.....".
Janigrüße