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Wie durchbreche ich den Kreislauf?

Verfasst: Sa Jan 23, 2010 13:33
von Marilene
Meine Frage an euch ist, wie habt ihr es geschafft, wenigstens ein paar Tage standhaft zu bleiben und der Sucht nciht nachzugeben? Was hat euch motiviert o.ä.?

Denn nichtmal die paar Tage schaffe ich zurzeit. Eher keinen einzigen.
Habt ihr das alleine geschafft? Oder nur mit Therapie?
Ich habe das Gefühl, der Sucht momentan komplett ausgeliefert zu sein. Ich spüre einzig und allein den Drang zu fressen.
Wenn ich versuche, 'normal' und gesund zu essen, sodass es anschließend keinen Grund gäbe, zu kotzen, ist es trotzdem ein unstillbarer Hunger und die Fresserei artet aus.
Normale Portionen reichen mir nicht, ich kann danach eben einfach nciht stoppen, weil der Hunger (wirklich körperlicher Hunger ist es ja eigentl nicht) danach immer noch da ist.
Im Moment fühle ich mich so hilflos gegenüber der Bulimie...

Re: Wie durchbreche ich den Kreislauf?

Verfasst: Sa Jan 23, 2010 20:00
von cooky
Hey du =)

Ich kann das so gut nachvollziehen. Wenn ich das lese erinnerst du mich zu 100% an mich vor 5 Monaten.

Ich hatte Ferien und hab jeden Tag nur gegessen, gebrochen, eingekauft,... 24 Stunden am Tag. Ich war unfähig auch nur einen Tag auszusetzen, war verloren und total mutlos.
Ich bin oft mit einem Gefühl der Sinnlosigkeit aufgestanden. Für mich war jedes Mal erwachen in der Früh eine Qual und ich hätte am liebsten geweint, weil ich eh schon wusste wie mein Tag aussehen wird - und das waren keine schönen Aussichten.

Ich bin mir total ausgeliefert vorgekommen, besessen von einer Sucht, die mich nicht in Ruhe lässt und der ich mich nicht widersetzen kann.

Ende September war ich dann beim Zahnarzt. Dem habe ich gesagt, dass ich Bulimie habe. Ich war selbst ganz überrascht von mir, aber ich hab mir gedacht, dass er es nachher an den Zähnen sowieso sehen wird. Er reagierte sehr nett, meinte ich solle in Therapie gehen und hat mir dann alles Gute gewünscht als ich gegangen bin. An dem Tag hab ich zum letzten Mal erbrochen, seitdem nicht mehr.

Ich rief dann echt bei einer Therapeutin an, machte mir einen Termin und rettete mich über das erste Wochenende. Dann unter der Woche war ich eh abgelenkt und am nächsten Wochenende dachte ich mir: Bitte, jetzt hast dus eine Woche lang geschafft, jetzt kannst du nicht aufgeben.
Ich hab weitergekämpft, viel versucht mich abzulenken, möglichst gesunde Dinge gegessen, mit Freunden viel gemacht und mir immer in Erinnerung gerufen wie schrecklich es mir in den Ferien gegangen ist. Denn da hatte ich echt keinen Grund wirklich weiterzuleben, weil es so trostlos war und ich dachte, ich würde es niemals schaffen mich aus diesem Sumpf herauszuziehen.

Aber: Ich habe es bisher geschafft... Noch kein Rückfall.

Die erste Therapeutin war nicht mein Fall, aber ich hab dann eine andere gefunden nachdem ich 2 oder 3 Wochen nicht mehr erbrochen hatte und mit der hats gleich super gepasst. Also den Anfang habe ich alleine geschafft, aber so im weiteren Verlauf, war ich schon froh, dass ich nicht alleine kämpfen muss, sondern die Therapeutin zur Seite habe und zwei Freundinnen wissen davon, wobei ich mit denen eigentlich nicht darüber rede.
Meine Eltern wissen nichts davon.

Bei mir waren die Gründe glaube ich einfach, dieses schreckliche Gefühl, dass das Leben nur anstrengend ist und ich mein Leben lang nur essen und erbrechen werde, dass ich Angst um meine Zähne hatte, ich Angst um mein Herz hatte, wegen dem Elektrolytmangel und ich mein entstelltes Gesicht (durch die geschwollenen Speicheldrüsen) nicht mehr sehen wollte.

Ich war isoliert, einsam und sehr unglücklich, das hat mir den Antrieb gegeben.
Natürlich war es trotzdem nicht leicht und es ist jetzt auch noch nicht leicht.

Hast du jemanden, der dich unterstützen kann?

Was sind für DICH PERSÖNLICH die Gründe aufhören zu wollen?

glg

Cooky

Re: Wie durchbreche ich den Kreislauf?

Verfasst: So Jan 24, 2010 1:40
von Marilene
Wow, erstmal Respekt! Was du da geschafft hast, ist eine wahnsinnige Leistung und du kannst so stolz auf dich sein!

Und danke, das gibt mir echt Mut, denn du beschreibst genau das, was bei mir gerade der Fall ist. Das Aufstehen und schon zu wissen, dass ich wieder der Bulimie nachgehen werde...

Ich habe Montag einen Arzttermin und überlege, die Bulimie anzusprechen, um mir eventuell eine Überweisung einzuholen und mal probeweise zu einem/r Thera zu gehen. Ob ich den Mut habe, weiß ich nicht.
Zahnarzt steht auch an, und ich habe richtige Angst davor. Ich war seit fast 2 Jahren nicht mehr - einfach aus Angst, er könnte was sagen, wegen den Zähnen.

Hm, wirklich triftige Gründe sind a) mein Kontostand b) dass ich nichts anderers mehr mache, mich auf nichts mehr konzentrieren kann. Es fällt mir sogar teilweise schwer, anderen Personen, die mir wichtig sind, zuzuhören, weil ich nur daran denke, wo ich mein nächstes Fressen herbekomme. Die Bulimie beherrscht mich und ich habe jegliche Kontrolle verloren. Früher kotzte ich gelegentlich, konnte auch mal was drin lassen. Damals war es noch nicht dieser Zwang, der es jetzt ist und ich hätte niemals gedacht, dass es so werden würde...
Und klar, die Kotzbacken... Wobei ich die, um ehrlcih zu sein, nicht sooo krass sehe. Wahrscheinlcih weil ichs gar nicht mehr anders kenne :?


Achso: Unterstützen. Hmm. Wissen tut eigentl niemand von der Bulimie. Meine Familie sprach zwar im Sommer den Verdacht aus, ich konnte mcih aber 'gut' rausreden. Freunde auch nicht, obwohl ich mehrmals be sämtlichen Personen rauf und runterüberlegte, ob ich es ihnen erzählen solle. Letztendlcih tat ich es nicht...

Re: Wie durchbreche ich den Kreislauf?

Verfasst: So Jan 24, 2010 20:40
von mary mary
Zuerst mal: @ Hallo liebe Cookie,

das ist wirklich sehr schön, daß Du Dich auf den Weg gemacht hast.
cooky hat geschrieben:Dem habe ich gesagt, dass ich Bulimie habe. Ich war selbst ganz überrascht von mir
Das ist ein immenser Schritt, das ganze Thema aufzudecken, sozusagen 50% der Genesung. Dir ist da gerade, glaube ich, der "Königsweg" gelungen, raus aus der B* und rein in Therapie auf direktem Wege.
cooky hat geschrieben:Ich rief dann echt bei einer Therapeutin an, machte mir einen Termin und rettete mich über das erste Wochenende. Dann unter der Woche war ich eh abgelenkt und am nächsten Wochenende dachte ich mir: Bitte, jetzt hast dus eine Woche lang geschafft, jetzt kannst du nicht aufgeben.
Klasse, das hast Du wirklich sehr gut gemacht, ich wünsche Dir, daß es so gut weiterläuft. Jetzt hast Du diese königliche Erfahrung einmal gemacht, jetzt kannst Du sie jederzeit wiederholen. Wenn es gut läuft, prima, wenn weniger gut, sofort wieder aufstehen. Was Du einmal geschafft hast, kannst Du wieder schaffen.

Und jetzt kannst Du an Marilene gleich etwas Erfahrung, Kraft und Hoffnung weitergeben. Das macht viel aus, auf beiden Seiten.


@Hallo liebe Marilene,
Marilene hat geschrieben:Ich habe Montag einen Arzttermin und überlege, die Bulimie anzusprechen, um mir eventuell eine Überweisung einzuholen und mal probeweise zu einem/r Thera zu gehen. Ob ich den Mut habe, weiß ich nicht.
Es wäre wohl einen Versuch wert, vielleicht kannst Du auch eine so positive Erfahrung machen wie Cookie.
Marilene hat geschrieben:Die Bulimie beherrscht mich und ich habe jegliche Kontrolle verloren
Ja so ist das, es ist eine Sucht, das habe ich auch mehrfach erfahren dürfen. Die schlimmsten Phasen sind jedoch oft die Phasen, die uns heraus katapultieren, aus dem Suchtkreislauf, weil der Leidensdruck so groß ist. Das durfte ich ebenfalls erleben.
Marilene hat geschrieben:Habt ihr das alleine geschafft? Oder nur mit Therapie?
Ich habe das Gefühl, der Sucht momentan komplett ausgeliefert zu sein. Ich spüre einzig und allein den Drang zu fressen.
Wenn ich versuche, 'normal' und gesund zu essen, sodass es anschließend keinen Grund gäbe, zu kotzen, ist es trotzdem ein unstillbarer Hunger und die Fresserei artet aus.
Normale Portionen reichen mir nicht, ich kann danach eben einfach nciht stoppen, weil der Hunger (wirklich körperlicher Hunger ist es ja eigentl nicht) danach immer noch da ist.
Im Moment fühle ich mich so hilflos gegenüber der Bulimie...
Ich habe es nur mit Therapie geschafft. Alleine war nicht drin bei mir. Habe auch sehr früh mit Therapie angefangen, so ca. ein Jahr nach Beginn. Zuerst Klinik für 4 1/2 Monate, dann Gruppentherapie, Einzeltherapie, Psychoanalyse und diverse weitere Therapien insgesamt verteilt über 25 Jahre.

Ich lebe nach einem Eßplan der Overeaters Anonymus, seit zehn Jahren abstinent von der B*. Für mich gab es auch Phasen, in denen ich der B* komplett ausgeliefert war. Die Trennung von meinem ersten Freund, mein Examen vom Studium, der erste richtige Job nach dem Studium...... .

Bei mir funktionieren die Theorien vom "sich gesund essen, durch zulassen, wieder alles essen können usw." nicht. Ich brauche meinen Plan und lebe damit wunderbar. Gewicht gut, Blutwerte gut, körperliche Untersuchungen gut, Zahnarztbesuche gut, Stimmungslage gut, Partnerschaft gut, alles gut, und noch vieles mehr.

Jede/r muß seinen ganz persönlichen Weg gehen, denke ich. Es tut gut, solche Erfahrungsberichte wie den von Cookie, zu lesen. Aber Du bist Du, und Du hast genauso das Potential, Dich aus dieser Zwanghaftigkeit des Essens zu befreien. Du findest Deinen Weg.

Wenn Du es schaffst, die gleiche Energie, die Du jetzt aufbringst für die Sucht, die gleiche Energie für Dein persönliches Heilungsprogramm aufzubringen, bist Du schon draußen. Und (meine persönliche Erfahrung): Therapie ist immer von großem Nutzen, weil Du einfach Hilfe an Deiner Seite hast.

Ich wünsche Dir wirklich viel Erfolg, bei Deiner Suche nach dem Ausweg.
Du kannst das schaffen, wenn Du es wirklich willst. Hier im Forum sind so einige, denen das gelungen ist.

Liebe Grüße

Mary Mary