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Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 20:21
von Sol
Hi Mädels (und Jungs)!
Ich kann nicht mehr. Heute morgen stand ich auf. Da ich mittlerweile auch mal hin und wieder ein paar k-freie Tage verzählen kann, ist noch nicht alles verloren (glaub (-t-)e ich)... Der Tag fing gut an. Ich war voller Kraft und erledigte alles Mögliche, war sogar Lebensmittel einkaufen und alles lief reibungslos und dann...
abends.. ich rannte raus (!) zu den Mülltonnen und wühlte die Reste von gestern im Schneegestöber, wie von Sinnen, irre, aus dem Müll. Und fraß...
Man, wie ich mich ekel. Das ist mir so noch nie passiert. Normalerweise ist es so, wenn Müll meine Wohnung verlässt, war es das, aber es rumorte in meinem Kopf rum. Es ist, als würde ich zu Mr. Hyde. Die Kontrolle, die wir ja sonst nie verlieren, unsere Facon... alles hin. Ich stand in Schlumperklamotten draußen im Müll und hab den ekligen, müffeligen Kram, hauptsache fett, in mich reingestopft und in dem Moment war es sogar befriedigend. Oh Gott.
Und ich dachte heute morgen alles sei toll. Wieso kann man eigentlich keine Garantie für sich selbst für die nächste halbe Stunde geben? Mich hält nicht mal mehr Müll auf. Dabei gibt es hin und wieder mittlerweile sogar so tolle Tage, an denen ich mal 2, 3, Rekord 4 Tage, ohne Rückfall packte, ohne Probleme, ok, etwas Überwindung und dann sowas....
Hilfe...
Euro Sol, gar nicht ladylike

Re: Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 20:54
von unter-wasser
Hey Sol.

Erstmal:nein du bist nicht ecklig oder sonst was! Das wird wahrscheinlich doof für dich klingen,aber eigentlich war das was du getan hast was ganz normales,wenn man bulimie hat.Es ist dieses große moster,was man nicht besiegen kann...so scheint es....es ist eine Gier,eine Gier die uns dazu bringt selbst im Müll zu wühlen....In diesem Moment ist alles egal...hauptsache diese Gier "stopfen".Die frage ist jedoch was diese Gier eigentlich zu sagen hat....was kommt da über uns,was uns so verzweifeln lässt?Ich selber hatte schon offt solche situationen....zb.passt mein freund immer auf mich auf,das ich aufhöre zu essen wenn ich satt bin damit ich mich nicht überfresse...tja schön und gut...leider habe ich zb vergangende nacht am müll gesssen und mir die restlichen tortellini in mich reingestopft....selbst der schimmelige käse der neben den totellini lag hielt mich nicht davon ab dies zu tun. Ich selber habe mich eig gar nicht gewundert...erst als ich es meiner therapeutin erzählte,wurde mir klar das es nicht normal ist nachts um 2 uhr im müll nach essbaren zu suchen.So erklärte mir meine therapeutin dass es sein kann das diese Gier nach etwas zu essen eine Symptombekämpfung sein kann...aber nicht die bekämpfung von hunger ...sondern nach ganz anderen sachen....ich mache jetzt schon lange eine therapie...ich habe herrausgefunden das ich das "fressen" bzw diese Fressanfälle brauche um meinem körper was gutes zu tun....ich liebe es zu essen...und es tut gut was zu essen was schmeckt...leider konnte ich in meinem leben nicht viel liebe mitkriegen....(ist eine lange geschichte) weshalb es sein kann dass ich deswegen Mir etwas gutes tun will (mit essen) was ich sonst niergends herkriege....Sozusagen die einzige "gute sache" in meinem leben ....

Was ich dir damit sagen will...bist du schon in Therapie? wenn ja --Gut wenn nein--bitte hol dir hilfe.! also...denk bitte mal scharf nach ....was fehlt dir in deinem leben und überlege in welchen situationen du diese Fressanfälle hast....villt ist es bei dir ja auch soeine Art Symptom bekämpfung...wsenn du das weißt,kann man darüber nachdenken wenn wieder ein Anfall kommt,ob villt nicht etwas anderes fehlt...und nicht das essen...

Ich hoffe ich konnte dir etwas weiterhelfen...

Liebe Grüße und viel Erfolg noch weiterhin.

Feli

Re: Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 21:39
von Mañana
hallo sol,
Sol hat geschrieben:
Euro Sol, gar nicht ladylike
- keine sucht auf erden ist ladylike.
ladylike ist das, was man "darstellt" in der gesellschaft, angenehm, hübsch, kontrollierbar.
sucht ist das, was AUCH da sein kann.

UND es ist ok!
jeder von uns hat eine seite, die NICHT kontrollierbar, NICHT hübsch vorzeigbar und NICHT "pflegeleicht" sein will!

und ich würde sagen, diese seite an dir hat sich ganz ordentlich "zu wort gemeldet", so wie du das erzählst.

etwas fehlt mir da...du schreibst, MORGENS war alles noch "ok", sogar das essen kaufen usw.
DANN plötzlich erzählst du von deiner..naja...mülltonnentour eben.
was war dazwischen?
hast du zu hause gegessen? war etwas vom morgendlichen einkauf dabei?
WANN hat es "tick" gemacht - in welcher situation mein ich? was war da? wie hast du dich gefühlt?

Mañana

Re: Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 22:05
von Sol
Ihr Lieben,
VIELEN DANK! Das war sehr tröstend.

Was war dazwischen. Ich hab in diesem Jahr ne Therapie gemacht, 4 1/2 Monate wegen Alkohol und der ES. Hatte in der Klinik sogar mal 16 Tage "ohne". Das war mein Rekord seit... x Jahren.
Ich kenne meine Vergangenheit, habe alles aufgearbeitet, versuche gar nicht mehr perfekt zu sein und mich zu kontrollieren. Seit sich allein diese Stricke gelöst haben, ist es besser geworden. Statt x FA´s früher hab ich halt phasenweise täglich und dann wieder mal ein paar Tage "nix".
Ich habe auch glückliche Tage, tolpatschige, unperfekte, aber zufriedene, freie. Allein, dass das geht, habe ich durch die Therapie geschafft. Ich leide seit Jahren auch unter Agoraphobie, litt unter schlimmen Depressionen, Psychotherapie mach ich die 4. oder 5., glaube ich. Die Therapeutin ist knallhart, aber wirklich gut, ich komme immer weiter.
Was zwischendrin war... hm. Ich hab "gesunde / gute" Kost gekauft, auch was zu naschen, weil ich mir 1x täglich (auch nach x Fa´s) vorm Schlafen was zu naschen gönne. Diese kurze Zeit und diese Leckerei schenke ich mir seit der Therapie, DAS ist ein Fortschritt.
Tja, ich hab alles erledigt und dann... Leere, nicht gebraucht werden, ich bin seit 2 Jahren Single, wohne seit 10 Jahren alleine, Stille. Und ich. Und die Gedanken kamen schnell zur Mülltonne und deren Inhalt.
Es war ein "Trost", vermute ich. Ich hab durch die Therapie meinen Job verloren, den ich jahrelang hatte, ich hatte immer Stress und Hektik und auf einmal bin ich nach der Thera seit 3 Monaten zuhause und habe "nichts", bin ohne Job.
Und halt so lang allein.
Ich war als Kind Einzelgänger und allein, wir sind oft umgezogen, zuhause herrschten Gewalt und Lautstärke usw. m*ssbr**ch von einem Fremden inklusive.
Wurde bei den neuen Schulen gehänselt für alles, zuhause war es nie recht, nie genug (genau wie beim Essen) und ich hab auch Hungerzeiten durch, als ich früh von daheim weg bin und es wieder allein packen musste und es - wie auch immer - schaffte.
Alles im Leben war exzessiv und so "gut" wie jetzt ging es mir noch nie. JEtzt macht mich >>nur<< noch diese Leere und Sinnlosigkeit, Ungebrauchtheit, Einsamkeit fertig, die ich spüre.
Sorry, das tat mal richtig gut.
Ich danke euch sehr. Ich bin so froh, dass es dieses Forum gibt. Dass wir uns gegenseitig halten können und trösten. Das hilft ungemein.

Re: Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 22:39
von Mañana
also sol,

boooom...du hast es ja wirklich nicht leicht gehabt!!!
wahnsinn, wie hast du dich da "durchgebissen"?! im wahrsten sinne des wortes...solche menschen wie dich finde ich echt bewundernswert! :!:

sag mal, hast du eigentlich in der therapie in richtung "trauma" gearbeitet?
ich glaub nämlich, dass das "etwas für dich" sein könnte. peter a. levine - ein us therapeut - hat eine total interessante sache entwickelt, wo es um körperarbeit geht. in meiner thera war das ein paarmal thema, und hat sehr gut getan. gutes buch von ihm ist: "das trauma überwinden - ein 12 punkte programm". das kann ich dir definitiv ans herz legen!

:arrow: nur mut! sich nach solchen, vielen, traumatischen und schwierigen erlebnissen leer und ausgebrannt zu fühlen, ist mehr als verständlich. seele und körper brauchen zeit zum heilen, fordern regeneration ein...gib ihnen das, was sie brauchen. du könntest dir etwas gutes tun, und die energie auch "aktiv" in dich hineinschaufeln (zb statt fettigem essen :wink: )

autogenes training, meditation, yoga, malen, tanz....erkunde "neuland", lass dich überraschen, hm?! :mrgreen:

Mañana

PS: ich finde dass du dich selbst und deine geschichte total toll reflektieren kannst. eine seltene qualität!

Re: Verzweiflung

Verfasst: Di Dez 29, 2009 23:30
von Sol
Manana,
ich danke dir! Deine Worte sind wie Balsam. Es ist so hart, zwischen dem, was man selbst von sich denkt und wie man sich sieht, und dem, was man wirklich ausstrahlt und dem, wie Andere einen wahrnehmen, ein gesundes und für sich selbst ehrliches Mittelmaß zu finden.

Wie lange machst du schon Therapie? Wie geht es dir mit der B.?

Ich selbst, habe schon ein paar Sachen entdeckt, dir mir wirklich Freude machen und mich einen Bruchteil vergessen lassen, was war usw. Fotografieren zB. und Rätseln, Mahjongg usw. :-)

Sol