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Ich bin süchtig

Verfasst: Di Jun 02, 2009 8:00
von Schlafquala
Ich bin süchtig. Ja, süchtig nach fressen und kotzen. Mehr als einmal am Tag und sein lassen will ich es nicht. Eigentlich.

Ja, eigentlich, denn eigentlich will ich gesund sein. Ein unbeschwerteres Leben führen, doch jedes Mal, wenn ich esse, wird es ein Essanfall. Ich sage eben NICHT nein dazu und ich seh ihn schon, bevor ich anfange zu essen. Ich versuche mir noch einzubilden, dass ich es ja schaffen könnte und esse pseudo- (und genuss)mäßig noch etwas 'Normales' vor dem eigentlichen Fressen, aber im Innern läuft der Fressanfall.

Ich bin also süchtig.

Essen 'hilft' mir, meine Gefühle nicht zu spüren, Konflikte jeglicher Art auszutragen...'Helfen'...naja, wohl eher verdrängen. Viele kennen das und doch fühlt man sich alleine auf dieser Welt mit diesem Problem. Ich zumindest. Und ich fühle mich anders und fremd.

Kein Wunder, schließlich denke ich, dass andere diese Probleme nicht haben.

Ich führe ein Geheimnis mit mir herum, jeden Tag. Das tun wohl die meisten Süchtigen, die es noch verheimlichen können. Dass etwas nicht stimmt, merkt man trotzdem und deshalb lebt man ständig in Angst.

Ich bin süchtig, süchtig nach Essen und ich verabscheue mich dafür.

Und ich bin ängstlich.

Bei anderen unangenehm auffallen, oder gar offen kritisiert werden, davor habe ich Angst. Angst, dass ich als Person abgelehnt werde. "Was denkt sie bloß von mir? Habe ich ihn jetzt zufrieden gestellt? Ist sie vielleicht sauer auf mich? Habe ich ihr etwas getan? Reden die vielleicht über mich? " Das sind Gedanken, die immer in meinem Kopf sind und eigentlich, ja eigentlich spiegeln sie mein Empfinden mir gegenüber wieder. Im Grunde genommen bin ich es, die sich ablehnt. Daher fehlt mir meine Sicherheit und ich versuche - versuche - sie mir durch andere Menschen zu geben und das zu kompensieren.

Wer ich bin und was ich will, kann ich grob vielleicht formulieren.Eine feste Partnerschaft, ein Psychologiestudium und mit Menschen arbeiten, ihnen helfen, Freunde, einfach glücklich sein, aber wie geht das? Ich lese immer zu, dass Essgestörte an ihren Grenzen arbeiten müssen, sie sollen ihre Bedürfnisse äußern und umsetzen. Sie müssen wirklich autonom werden und nicht diese Pseudoautonomität durch ihr Essverhalten aufrecht erhalten. Sie sollen ihre Gefühle wahrnehmen und annehmen und mit ihnen leben. Ja, sie sollen sich wirklich kennen lernen. Aber WIE geht das? Ich merke, glaube ich, gar nicht, wann meine Grenzen erreicht sind und wann sie überschritten werden. Autonom sein - bin ich das nicht schon? Woran macht sich das fest?

Es hört sich doch toll an, dass man das alles nur beherzigen soll und dann gehts bergauf, aber wie erkenne ich die Wege dorthin?

Ich musste das mal für mich loswerden.

Danke an alle, die das lesen.

Lieben Gruß,
Schlafquala

Re: Ich bin süchtig

Verfasst: Di Jun 02, 2009 8:52
von Schlumpfine
Ich dachte auch mal, ich sei süchtig und es ist sehr schwer, diese Sucht los zu lassen.
Das Wichtigste ist, dass Du erkennst, vor was, dass Dich Deine Sucht ablenken kann und dann kannst Du dagegen kämpfen.
Es geht auch ohne, ich habe es gemerkt!

Re: Ich bin süchtig

Verfasst: Mo Jun 08, 2009 9:51
von Schlafquala
Ja, vielleicht kann man ohne Sucht leben. Sehr wahrscheinlich sogar.

Aber ich kann Neues berichten.

Ohne groß drum rum zu reden. Ich habe seit Jahren täglich 2-3 FAs. Es war noch nie anders, immer abends 2 hintereinander. Ich habe auch seit Jahren nicht mehr gegen FAs gekämpft, nur mein übriges Essen verbessert, im Sinne von mehr gegessen. Keine Motivation, kein Antrieb, keine Lust auf irgendetwas und keine Hoffnung auf Besserung.

Nun nehme ich jetzt seit 2 Wochen ein AD und ich kann mir das erste Mal vorstellen, ohne FA zu sein. Ich habe mir vorgenommen, mindestens 2-3 mal die Woche nur einen FA am Abend zu haben und ich habe es letzte Woche 4 mal geschafft! Es war unter der Woche nicht schwer. Ich hatte kein Verlangen nach einem zweiten, generell ist mein Heißhunger weniger geworden. Gut, viele, die meisten wahrscheinlich werden sagen: Was soll denn das? Kein FA ist gut, aber einer am Tag ist immer noch scheiße. Ok, so könnt ihr denken, aber ich nicht mehr. Ich muss mir meine Ziele setzen, auch welche, die ich erreichen kann. Diese Woche geht es weiter.

Nur habe ich Angst, dass wenn ich die AD absetze, die Wirkung nachlässt und alles so ist wie vorher. Ich fühle mich ein wenig so, als hätte ich nichts getan, sondern nur die AD.

Ich hoffe, dass das Verlangen nach FAs so wenig bleibt und ich das mit 'nur' 1mal am Tag schaffe. Vielleicht auch irgendwann bald ohne.

Ich will davon meinem Freund nichts erzählen, dann fühl ich mich zu sehr unter Druck gesetzt. Ich würde gerne mal bei ihm den ganzen Tag bleiben, damit ich keinen FA habe, aber das Gefühl ...brr...furchtbar, so abhängig von ihm und seiner Anwesenheit. So als könnteich es nicht selber.

Lieben Gruß an euch da draußen
Schlafquala

Re: Ich bin süchtig

Verfasst: Mo Jun 08, 2009 12:36
von bumble-bee
Hallo Schlafquala,
1 FA ist natürlich schon besser als 2 oder 3 am Tag. In kleinen Schritten vorwärts. Aber ich denke nicht, dass sich der ausschließlichen AD-Lösung irgendetwas in Richtung vollständiger Heilung bewegen kann.
Und wieso ist das denn schon seit Jahrn so? Warst du nicht mal in einer Klinik und dann eine Zeitlang clean?
Schlafquala hat geschrieben:Ich würde gerne mal bei ihm den ganzen Tag bleiben, damit ich keinen FA habe, aber das Gefühl ...brr...furchtbar, so abhängig von ihm und seiner Anwesenheit. So als könnteich es nicht selber.
Glaub mir, selbst wenn du den ganzen Tag bei ihm bist, wird es eine unglaubliche Anstrengung sein, keinen FA zu haben, normal zu essen, und nicht abzuhauen, um deiner Sucht nachzugehen. Da musst du alleine durch, da hilft die Anwesenheit deines Freundes wenig.
Also machs doch einfach, bleib bei ihm, schaff den Absprung.
Selbst wenn du es dann nicht als deine eigene Leistung attribuierst: Wen interessiert das denn? Gehts nicht darum gesund zu werden, egal wie???? :roll:

Re: Ich bin süchtig

Verfasst: Mo Jun 08, 2009 14:40
von Schlafquala
Hallo Bumble-Bee,
Frage: Und wieso ist das denn schon seit Jahrn so? Warst du nicht mal in einer Klinik und dann eine Zeitlang clean?
Nein, ich war immer nur in der Klinik clean. Danach nicht mehr. Ich brauchte Anerkennung und Aufmerksamkeit. Beides bekam ich durch meine Kolleginnen in der Klinik. Dass ich mir das eigentlich alleine geben muss, hatte ich bis dahin noch nicht verstanden und daher auch in der Klinik nicht gelernt. Als ich zu Hause ankam, fiel ich in ein tiefes Loch und verzieh mir nichts.
Ich weiß, dass, wenn ich bei meinem Freund bleibe und mir den FA quasi verbiete, ihn nur aufschiebe und nicht daran wirklich arbeite. Klar habe ich dann meinen Körper mal einen Tag geschont, aber bringen tut das nichts. Auch als ich mit meiner Mutter im Urlaub war (dieses Jahr im Frühling) habe ich es nur nicht getan, weil ich kontrolliert wurde und kaum war ich zu Hause…ich konnte es kaum abwarten. Deshalb, so geht das nicht. Ich muss statt den Fas etwas anderes tun/fühlen in mir/ mit mir und mich nicht bloß davon abhalten. So sehe ich das.
Nein, AD sind kein Allheilmittel, aber mir ging es seit Jahren, auch stimmungsmäßig nicht mehr so gut wie jetzt. Ich bin antriebsvoller und gelassener. Ich steckte in einer tiefen schweren Depression und es war kaum auszuhalten für mich…

Lieben Gruß und danke für deine Antwort!

Schlafquala