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Die ES als Identität

Verfasst: Mo Mai 18, 2009 23:12
von Maresa_01
Sagt mal, liege ich falsch, oder definieren wir uns nicht einfach wahnsinnig stark übder unsere ES??

Haben wir nicht alle ein bisschen Angst, ohne die ES ganz nackt und hilflos dazustehen?
Nicht nur Trostspenderin und Kraftfresserin, schlimmste Feindin und engste Freundin, sondern auch Teil der Identität.

Wie soll das gehen, auf eigenen Beinen zu stehen, wenn der Krückstock wegfällt, der uns stützt und der uns doch immer wieder zwischen die Beine gerät und uns zum Stolpern bringt.

Ist das nicht Wahnsinn, dass wir vielleicht nie die selbe Unbekümmertheit erreichen werden, wie "Normale"?
So, wei ein Alkoholiker einer bleibt, auch wenn er den Rest seines Lebens trocken sein wird....

Schlimm! Und Grund, sich darauf zu konzentrieren, dass man Anna ist, oder Sandra oder Julia und nicht nur die Magersüchtige oder die Bulimikerin oder die Dicke...

Worum hat sich früher eigentlich das ganze Leben gedreht? Als das Essen noch alltäglich war und unbekümmert nebenher passierte? Als es noch nicht so schlimm war, wenn man sich mal überfressen hatte oder sich eine Tafel Schokolade reingehauen hat. Als man noch nicht entsetzt die Kalorien hochgerechnet hat, wenn man eine Pizza oder eine Lasagne vorgesetzt bekommen hat. Als man noch grosse Pommes bestellt hat - ohne schlechtes Gewissen, schliesslich wollte man ein grosses Mädchen werden.

Letztens habe ich es abends nicht geschafft, zu erbrechen, obwohl ich es eigentlich eingeplant hatte, als ich mir die zweite Portion genommen hatte, weil es ja auch gut schmeckte.

Und verdammt, es ging nicht. Und als ich so im Bett lag, hatte ich gar keine Lust mehr, mir über diese scheiss zweite Portion (die ja ernährungstechnisch und auf meinen Verbrauch und Hunger hin gesehen gar nicht nötig war) noch länger nachzugrübeln, da kam mir nur noch ein Gedanke:

"Na und, dann werd ich halt fett."

Und ich konnte erstaunlich gut schlafen mit diesem Gedanken.

Hey und verdammt, heute Abend hatte ich auch einen FA. Und es ist NICHT alles wieder draussen (was ja eh nie geht), es ist sogar noch ziemlich viel drin. Aber scheisse, ich hab einfach keine Lust, mich jetzt noch weiter zu quälen und vor der blöden Toilette zu sitzen.

Ich bin müde, ich will ins Bett und dann gehe ich eben mit halbprallen Bäuchlein da hin.

Mein Gott, deswegen lass ich mich ja auch nicht bei jeder Mahlzeit gehen, aber ich hab echt keine Lust mehr, dass so vciel Zeit und Kraft für so eine Sch* draufgeht (pardon für die Kraftausdrücke, aber ich bin so wütend! Wütend auf mich, wie ich mit mir umgehe und mit den Lebensmitteln und meinen Mitmenschen und meinem Freund und meiner Seele)

Das ist eine verdammte Wohlstandskrankheit! Vielleicht haben wir auch einfach zu viel Zeit, um unsere Gedanken dauernd um uns selbst kreisen zu lassen? Um das Essen und die ES und warum wir sie haben und dass unsere Kindheit schlimm war...

Und dann wollen wir jemanden, der uns zuhört und der uns versteht und uns tröstet.
Uns tröstet, obwohl wir wieder heimlich gefressen haben (oder heimlich nichts gegessen haben) und gelogen und betrogen haben.

Vielleicht nehmen wir uns selbst manchmal zu wichtig?

Um Gottes Willen, eine ES ist schlimm, es ist eine SUcht, eine Krankheit und muss behandelt werden, das weiss ich auch.

Aber vor allem in unseren Dickschädeln muss etwas passieren!

Man, ich wär so gern normal! :shock:

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Di Mai 19, 2009 2:46
von Mango
Hi Maresa,
toller Beitrag, spricht mir aus der Seele, kann da eigentlich nichts mehr hinzufügen. DANKE!
Lg Mango

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Di Mai 19, 2009 4:03
von Nads
Hallo!!

Ja da ist viel viel Wahres dran! Und glaub mir..mit den Gedanken bist Du schonmal ein ganzes Stück weit in die richtige Richtung gekommen!!

Liebe Grüße Nadine

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Di Mai 19, 2009 20:08
von clueless
Wow, ja toller Beitrag! Da fällt mir jetzt leider nichts dazu ein.

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Mi Mai 20, 2009 20:56
von Maresa_01
Und glaub mir..mit den Gedanken bist Du schonmal ein ganzes Stück weit in die richtige Richtung gekommen!!
*seufz*
ja, in die richtige Richtung habe ich mich gewendet, nur trete ich dennoch schon so laneg auf der Stelle....

Ich fürchte, ich hab mich einfach so sehr an die B* gewöhnt.... dass ich nicht weiss, ob sie zu mir gehört oder ein Parasit ist, der mir den Saft aussaugt....

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Do Mai 21, 2009 9:53
von Para
Maresa_01 hat geschrieben:Und Grund, sich darauf zu konzentrieren, dass man Anna ist, oder Sandra oder Julia und nicht nur die Magersüchtige oder die Bulimikerin oder die Dicke...
Du meinst wir suchen oder schaffen oder erhalten uns eine Identität als "die Bulimikerin" , weil wir es nicht schaffen einfach nur Sandra oder Julia zu sein?

Woran mag das liegen, dass wir keine "richtige" , "normale" Identität haben? Vieleicht trauen wir uns auch nur nicht sie zu leben, weil wir Angst haben sie könnte zu fehlerbehaftet sein?

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Do Mai 21, 2009 11:52
von mimi
hi maresa du hast es auf den punkt gebracht...leider ist es ganz genau so wie du es schreibst,zumindest bei mir...schön zu wissen das man verstanden wird

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Do Mai 21, 2009 14:44
von Kätzchen
Es ist echt wahr...
Ich hab so große Angst vor dem, was von mir überhaupt übrig bleibt, wenn ich endlich mal aus der ES raus bin (auch gedanklich)...ich hab keine Ahnung mehr, worum sich meine Gedanken gekreist haben, als ich noch klein war..ums Essen auf jeden Fall nicht.
Ich kann mir ehrlich gesagt auch gar nicht vorstellen, nicht jeden Tag die besch* Kalorien auszurechnen...ich glaub, mein Kopf wär dann einfach nur leer.. :roll:

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Fr Mai 22, 2009 9:20
von yes
Hi! Ich bin neu hier!

Der Grund warum ich hier bin ist Maresa_01!
Dein Beitrag hat mich so angesprochen, dass ich endlich bereit bin mit anderen darüber zu reden.
Dein Beitrag bringt meine Gedanken und Fragen auf den Punkt.

Weiters hat mir Para klar gemacht, das wir wirklich alle Angst haben "nur wir" zu sein.
Doch ist es bei eich nicht auch so, dass ihr euch für andere aufopfert, andere umsorgt und sie vor allem "Bösen" beschützen wollt. - Nur an euch selbst denkt ihr nicht. So nach dem Motto Für andere bewegen wir die Welt - nur unsere eigene zerstören wir! Ich denke wir wollen nicht, dass es uns gut geht. Aus irgendeinem Grund kämpfen wir gegen unser "nur-ich". Was ist der Grund, dass wir andere samt ihren Fehlern und Makken in die Arme schließen, nur uns selbst nicht annehmen können.

Nachdem ich eure Beiträge zu diesen Thema in den letzten Tagen immer wieder gelesen habe, nahm ich einen Stift zur Hand und kritzelte "nur" ....(name) auf einen Zettel ich wollte alle meine positiven Eigenschaften aufschreiben. Es fielen mir wohl einige ein, doch was mich sehr erschreckte war, dass mir so viele viele positive Eigenschaften einfielen, die ich früher einmal hatte und die ich durch meine Krankheit verloren habe. Z. B. früher konnte mich nichts so leicht aus der Ruhe bringen - heute bin ich total ungeduldig, .....
Doch am Schlimmsten ist es mit meiner Ehrlichkeit! Ich hasse es, wenn ich belogen werde und ich kann bis heute in vielerlei Hinsicht nicht lügen, aber in diesem Fall bin ich diejenige die mich selbst am meisten hintergeht!!!!!!!!!!!

Ist es das? Weil wir viele Dinge nicht hinkriegen, die wir gerne schaffen wollen, müssen wir uns mit unserer ES kontrollieren?

Wut steigt in mir hoch, denn ich will das nicht mehr! Anders wäre es viel leichter! Und ich habe keine Lust mehr, mich täglich aufs Neue geistig und körperlich so zu verausgaben! Ich will auch genießen, wie "normale". Ich will es mir gönnen können, einfach ich zu sein.
Die ES kann doch nicht das einzige sein, an dem wir uns festklammer können und ehrlich gesagt, sie macht uns auch nicht einzigartig. (Warum glauben wir das bloß?)

Ich danke euch allen, dass ihr mich wachgerüttelt habt! Nun liegt es an mir nicht wieder einzuschlafen! (auch wieder eine meiner positiven Eigenschaften (früher!) - Ausdauer)

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Fr Mai 22, 2009 14:23
von Kätzchen
yes hat geschrieben:Doch am Schlimmsten ist es mit meiner Ehrlichkeit! Ich hasse es, wenn ich belogen werde und ich kann bis heute in vielerlei Hinsicht nicht lügen, aber in diesem Fall bin ich diejenige die mich selbst am meisten hintergeht!!!!!!!!!!!
Tja, das ist wohl der Zweck der ES. Es ist eine psychische Störung, die du entwickelt hast, um von außen nicht mehr angreifbar zu sein.
Das Problem dabei ist, dass man sozusagen in seiner eigenen Welt lebt und sich einbildet, dass alles unter Kontrolle und in Ordnung ist...
Aber eigentlich ist überhaupt nix gut-die Welt ist noch immer voller Probleme,aber man selbst bekommt kaum noch etwas anderes mit als die eigene Essstörung.

Deshalb ist es auch so schmerzhaft, den Schleier der ES von sich runterzunehmen, denn mit einem mal wird man mit Gefühlen konfrontiert, die man zuvor so perfekt unterdrückt hat. :roll:

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Fr Mai 22, 2009 22:14
von aire
Liebe Maresa,

sdtimme Nads zu. Du bist shcon auf dem richtigen Weg. Das geht halt nicht so schnell.... Vielleicht kann ich dir den Druck in Bezug auf "Wohlstandskrankheit" ein bisschen nehmen. Das habe ich auch mal bei einem Therapeuten geäußert und er meinte, früher hätten dei Leute halt andere psychische Krankheiten bekommen, wenn ihnen alles zu viel wurde. Welche, die nicht Massen an Essen involvieren Sie sind z.B vor Angst erstarrt oder so. Aber es ist nicht so, dass sie nicht krak gewesen wären.

lg

aire

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Sa Mai 30, 2009 23:28
von Butterfly1992
Ja, ich kann mich nur den anderen anschlißen!!

Ich schaffe es auch mal nicht vor der Toilette zu hängen udn zu sagen, dass ich es einfach nicht bringe jetzt zu K****. Aber dann, wenn ich am näshyten morgen auf der waage stehe bekomme ich Angst udn esse den ganzen Tag fast nichts oder K*** alles wieder aus.... Und wenn ich Abends mal esse udn es nicht erbrechen kann, dann kann ich nicht einschlafen. Ich laufe alle 5 Minuten zum Klo und versuche es zu erbrechen. Es ist voll schlimm.


Aber irgendwie halte ich trotz 2 Wochen fast ganz ohne nicht aus, meine ES loszulassen. Vielleicht sehe ich nachher ganz alleibe da ohne was... Dafür war eigentölich meine ES ja immer da....

Re: Die ES als Identität

Verfasst: So Jul 12, 2009 22:01
von Maresa_01
Doch am Schlimmsten ist es mit meiner Ehrlichkeit! Ich hasse es, wenn ich belogen werde und ich kann bis heute in vielerlei Hinsicht nicht lügen, aber in diesem Fall bin ich diejenige die mich selbst am meisten hintergeht!!!!!!!!!!!
Oh ja - ich glaube da sind wir alle ganz gross drin, uns was vor zu machen....

Was ich auch schlimm finde: wie sehr die Ehrlichkeit anderen gegenüber leidet!
Eine kleine Verschleierunglüge hier, ein bisschen vertuscht da... und schon wird man zur routinierten Lügnering und betrügt die Menschen, die einem am nächsten stehen mit erschreckender Kaltblütigkeit!!
:oops:

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Mo Jul 13, 2009 13:36
von Verry13
Wie ich / mann noch gesund war... ja dass waren Zeiten... total unbeschwert... man hat sich auf viele Dinge gefreut...und jetzt ???... kla freu ich mich auf manche Dinge.. .aber immer die Krankheit im Kopf, die mich den ganzen Tag quält...dass Beispiel vom Alkoholiker.. der muss sein leben lang clean bleiben.. und so bald er einen Schluck trinkt will er mehr...
und wir mit unsrer schei* ES... wir müssen ja essen.... da kommen wir nun mal nicht herum ...

zum Thema Essstörung und Identität...
mich hat meine Essstörung SEHR geprägt.. ich leide seit 7 Jahren darunter.. und ohne wäre ich ein komplett anderer Mensch (also vergl. vorher)...
ich muss sagen ich finde es gut so wie ich jetzt bin.... allerdings.. hm ja mein Aussehen.. scheiß kotzbacken usw...
und die ES ist ein Teil von mir..... nicht nur vlt kann ich nich ohne sonder ganz bestimmt kann ich nicht ohne (sonst hätt ichs ja schon längst nicht mehr) ... dass Leben könnte oh so unbeschwert sein..kla muss mann sich neue Beschäftigungen suchen.. dass der Kopf ( wie du/ ihr gesagt hast) nicht " leer " is...

Re: Die ES als Identität

Verfasst: Di Jul 14, 2009 21:54
von Feli
Maresa_01 hat geschrieben:
Doch am Schlimmsten ist es mit meiner Ehrlichkeit! Ich hasse es, wenn ich belogen werde und ich kann bis heute in vielerlei Hinsicht nicht lügen, aber in diesem Fall bin ich diejenige die mich selbst am meisten hintergeht!!!!!!!!!!!
Oh ja - ich glaube da sind wir alle ganz gross drin, uns was vor zu machen....

Was ich auch schlimm finde: wie sehr die Ehrlichkeit anderen gegenüber leidet!
Eine kleine Verschleierunglüge hier, ein bisschen vertuscht da... und schon wird man zur routinierten Lügnering und betrügt die Menschen, die einem am nächsten stehen mit erschreckender Kaltblütigkeit!!
:oops:
Wie verdammt Recht du hast... Es tut direkt weh, darüber nachzudenken, wie viele Lügen man anderen, lieben Menschen, auftischt :cry:


Ich finde deinen Beitrag übrigens wunderbar geschrieben. Es ist soviel wahres dran... Aber es ist so schwer. :|

Ist es nicht grausam, alles selbst zu wissen und es trotzdem nicht machen zu können...
Ich finde es grausam, zu wissen, das ich OHNE die Bulimie ein viel bessere, zufriedener, glücklicher, ausgeglichener etc etc Mensch sein könnte... Aber trotzdem zerre ich so sehr an ihr, als wäre sie genau das, was mich besser, zufriedener etc macht... Als wäre sie mein glücklichster Lebensmittelpunkt und ohne ihr wäre alles trüb und grau... Und man wär nur mehr irgendwer... Irgendwo... Weil man das größte Stück an sich verlieren würde...