Kennt ihr das Gefühl...

#1
Von Nici Am 09.02.2001

ca. vor einem Jahr hab ich mal einen Artikel in einer Zeitung gelesen. Es ging um eine Bulimie-Kranke, die ihre Empfindungen niedergeschrieben hat. Als ich den Artikel gelesen habe, ist mir das erste mal wirklich bewusst geworden, dass es immer das gleiche Schema ist. Sie hat von diesen dichflüssigen Schleim geschrieben, den man so schwer von den Händen bekommt. Von den Verletzungen an den Fingerknöcheln, von den Ausschlag rund um den Mund usw. Ich bin mir damals das erste Mal richtig verstanden vorgekommen. Nur eine Betroffene kann eine Betroffene verstehen. Leider. Nur eine Betroffene versteht, dass man sich jeden Abend denkt: Nein, morgen ess ich nichts, und am nächsten Tag ist der Bauch, bevor man noch weiß was passiert schon wieder bis zu platzen voll. Stimmt´s nicht. Und leider hängen wir alle viel zu sehr an dieser tyrannischen Krankheit. Ist es nicht so. Fühlen wir uns nicht alle manchmal als etwas besonderes, den anderen Überlegen. Ist es nicht so? Und interessiert es uns nicht leider viel zu wenig was wir unseren Körper damit antun? Ich war im Spital, nur so durchchecken lassen (wegen meiner Mutter) nachdem was die mir alles für Leiden aufgezählt haben, müsste ich doch so gscheit sein und etwas ändern, oder? Aber bin ich es, es ist mir so egal was innen drinnen passiert. Aussen muss es passen. Wie oberflächlich, wie dumm!

#2
Von aneleh Am 10.02.2001

Ich geb dir vollkommen recht: Ein Mensch, der niemals Bulimie hatte, wird uns nie verstehen können.
Was mich jedes Mal von Neuem stutzig macht, ist die Tatsache, dass wir uns den anderen überlegen fühlen. Nur durch die Krankheit.
Gibt es nichts anderes, was uns anderen überlegen machen könnte?
Oft denke ich mir, ich habe nur zu kotzen angefangen, damit die Menschen um mich herum mich endlich wahrnehmen, sehen, dass ich existiere und dass es mir schlecht geht. Aber dann, wenn ich eine Person "eingeweiht" habe, habe ich immer ein schlechtes Gewissen, weil ich glaube, ich habe es ihr nur erzählt, um mich zu vergewissern, dass sie sich um mich kümmert.
Dabei sollte sie sich doch auch so um mich sorgen, oder etwa nicht? Ich sollte sie doch nicht dazu zwingen müssen? Ist das dann ernstzunehmende Sorge? Ich bin mir da nicht so sicher.

#3
Von Mell Am 12.02.2001

Ich glaube jemanden davon zu erzählen ist unheimlich wichtig. Ich habe angefangen es meiner Family zu erzählen und die wussten das schon. Jetzt ist es schwierig darüber zu reden, als es geheim war, haben es alle gewusst aber keiner hat darüber gesprochen. Jetzt wird darüber gesprochen und einerseits nervt das und anderer seits möchte man das ja auch. Ich glaub, ich vertehe jetzt was meine Therapeutin immer sagt. Bulemie, besteht immer aus 2 Extremen, hin und her gerissen sein, genauso wie das Essen, rein, rauss.

#4
Von aneleh Am 14.02.2001

Hi Nici!
Anscheinend gehts uns da allen gleich.
Auf der einen Seite bin ich froh, wenn ich drüber reden kann. Teilweise ist das echt erleichternd, und ich bin froh, dass ich zumindest eine Freundin hab, der ich ALLES erzählen kann. Andererseits wird man aber nach einer bestimmten Zeit auf seine Krankheit reduziert. Da wird dann die Krankheit zum einzigen Gesprächsthema.
Beispiel: Mein Ex-Freund. Jedes Mal wenn ich ihn treffe, was meiner Ansicht nach sowieso viel zu selten ist, ist das einzige, worüber wir uns unterhalten, wie es mir geht. Da gibt es nichts anderes, weil es viell. für die anderen wichtig wäre zu wissen, dass es mir gut geht. Wenn ich dann zugebe, dass das nicht so ist (das fällt mir nicht immer so leicht, manchmal sag ich auch, dass es mir besser geht, nur um die "heile Fassade" wieder aufzurichten), dann - weiß ich nicht - geniert er sich irgendwie, dass er mich drauf angesprochen hat. Folge: Das Gespräch ist dann immer sehr schnell beendet. Helfen kann er mir ja nicht, und umgehen damit erst recht nicht.
Das ist alles so kompliziert!!
Ich weiß ja nicht einmal selbst, wie ich mit mir zurechtkommen soll. Da kann ich es ja von den anderen erst recht nicht verlangen.
Ich bin zur Zeit total überfordert!
Ich kenn mich nicht mehr aus, und an Tagen, wos mir ganz schlecht geht, frag ich mich echt, ob das Leben so wie es zur Zeit ist überhaupt noch einen Sinn macht. Es entspricht so überhaupt nicht meinen Vorstellungen, und das macht mich jeden Tag von neuem fertig...
Wie komm ich da nur raus?