Wie rede ich mit einer Bulimie?

#1
Von shell Am 07.02.2001

Hallo allerseits!
Erst mal: ich bin keine Betroffene. Aber ich habe eine Bekannte, auf deren Bulimie ich durch Zufall aufmerksam geworden bin. Ich habe ein paar Mal versucht mit ihr darüber zu reden, weil sie es nicht tut. Ich komme mir dabei vor, als rede ich manchmal mit ihr und dann wieder mit der Bulimie selber. Die Bulimie sagt dann "hau ab, das ist meine privatsache, meinem körper geht es doch gut, ich spüre keine schädlichen wirkungen...ich will nicht mit meinen freunden darüber reden." Diese ganze Totschweigerei. Sie sagt dann Sachen, die sich schon so anhören, als wollte sie drüber reden.
Ich glaube, ich gehe jetzt nicht noch mal zu ihr, oder doch? wenn sie mir sagt, ich soll nicht darüber reden, und ich rede trotzdem, komme ich mir vor wie ein fucking Vormund. Wer bin ich denn? Ich hab halt keine Ahnung von Erfahrungen mit Bulimie, nur theoretisch.
Soll ich es lieber lassen? Oder "steter Tropfen.." oder was?

Übrigens, liebe .... wenn du das liest und mich erkennst, dann erkennst du vielleicht auch daß ich im Gegensatz zu vielen anderen in diesem Forum keine Ahnung habe, aber in dem Fall daß du mit wem über deinen frust reden willst: Mir ist nichts lieber als zuzuhören. Ich weiß es eh. Und es würde mir das verdammte Stammeln nutzloser Belehrungen ersparen. Weißt ja wo ich wohne.

Nu, was machen wir jetzt?

#2
Von Tiggy Am 08.02.2001

ich hab die erfahrung gemacht, dass man mit essgestörten nicht sehr gut reden kann; vielleicht bist du einfach nur für sie da, für den fall dass sie mal reden will?
sie sollte jemanden haben, der sie auffängt, wenn sie begreift, was sie da tut...
tiggy

#3
Von shell Am 08.02.2001

Hallo Tiggy!
Ich glaube, das habe ich auch gemerkt. Ich denke, wenn es mal ausgesprochen wird, kann auch ich offener sein. Sonst habe ich das immer im Hinterkopf, wenn ich sie treffe, daß ich mit meinem Schweigen ihre Krankheit mittrage. Und ertappe mich dabei, wie ich Gespräche vermieden habe, weil ich immer dieses Schuldgefühl habe, eigentlich wolltest du ihr es schon lange sagen...
Dadurch wurde schon der alltägliche Kontakt kontaminiert. Ich habe sie heute wieder getroffen und fühlte mich viel besser, als ich lächelte und "hallo" sagte. Das Lächeln ist dann nicht mehr so gequält. Ich denk, Menschen haben feine Antennen. Unterbewußt bekommt man sowas schon mit.
Es ist halt ein beschissenes Gefühl, wenn man eine Mitwisserin ist. Und nix tut. Ganz klar Schuldgefühle. Aber nicht in dem Sinn, daß ich mich für die Erkrankung schuldig fühle. Nein. Sondern dafür, daß ich sie durch Stillhalten und Wegschauen so lange (Ich denke, mehr als ein Jahr) mitgetragen habe.
Was unternehmen kann nur sie, und ich akzeptiere jetzt, wie Du auch sagst, daß ich jetzt nichts tun kann. Ich kann anderen FreundInnen von Betroffenen sagen: Wenn es Euch auch sauschwer fällt, mit Freundinnen drüber zu reden, und auch wenn ihr Monate braucht, wenn es draußen ist, geht es Euch auch besser.
Lügen verpesten das ganze Klima.

#4
Von aneleh Am 10.02.2001

Hallo!
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe selbst Bulimie und kann aus Erfahrung sagen, dass es nicht leicht ist, jemanden an sich heranzulassen. Ich bin selbst total enttäuscht darüber, dass ich die Gier zu essen und damit meinen ganzen Körper nicht mehr unter Kontrolle habe, und damit will ich nicht noch andere Menschen belasten.
Im Endeffekt liegt das Problem ja bei uns, und auch nur wir alleine können es lösen. Da kann uns leider niemand helfen.
Das beste wäre es, uns wie ganz "normale" Menschen zu behandeln. Es gibt nichts ärgeres, als wenn man bereits im Blick des Gegenübers dieses "Oh-mein-Gott, du tust mir so leid" lesen kann. Soweit wir nicht von selbst auf euch zugehen, versucht nicht, uns dazu zu drängen!
Mir persönlich wäre es viel wichtiger, wenn mich meine Freundinnen von Zeit zu Zeit auf einen Kinobesuch z.b. einladen würden. Dann könnte ich meine Gedanken (die den ganzen Tag nur ums Essen kreisen) einmal ablenken und an etwas anderes denken.
Verabrede ich mich dann mit einer Freundin und sie kommt wieder auf die Bulimie zu sprechen, falle ich wieder zurück, muss wieder an meine Probleme denken. Das "Interesse" ihrerseits interpretiere ich dann oft als Einmischung in meine Privatsphäre - obwohl sie meine beste Freundin ist.
Das klingt etwas eigenartig, aber bei mir ist es so.
Ich würde dir raten, deine Freundin nicht direkt darauf anzusprechen, sondern ihr vielmehr das Gefühl zu geben, dass du sie gern hast, für sie da bist und sie so akzeptierst, wie sie ist. Kannst du all das trotz ihrer Krankheit, wird sie eines Tages auch offen mit dir darüber reden können, obwohl es sehr schwer fällt!
Aneleh

#5
Von stella Am 13.02.2001

du wirst es niemals lesen, mein engel. du respektierst immer noch meine privatsphäre, akzeptierst ohne worte, dass diese seiten heilig für mich sind, ich dinge preisgebe, die ich nur all jenen sagen möchte, die mich nicht kennen.
aber ich will es trotzdem schreiben: ich danke dir für alles. die letzten jahren müssen so an deinen kräften gezerrt haben, die angst, die du um mich hast, jeden tag aufs neue. die verantwortung, die du trägst, seit du von meiner krankheit weisst.
die bücher, die du anschleppst, die seiten im internet, die du suchst, findest; alles, was du in den letzten jahren gesehen hast, die abgründe meiner seele.

ich habe keinen grund, so unglücklich zu sein. ich habe keinen grund, mich so elend und krank zu fühlen. kein recht, eine leere stopfen zu wollen, die gar nicht sein dürfte, weil ich dich doch habe..

auch wenn es paradox klingt, aber nur deine anwesenheit in meinem kleinen, kaputten leben, hilft mir, nicht aufzugeben. ich würde mit niemandem tauschen - deinetwegen. nur deinetwegen. für dich ertrage ich diese elendige bulimie von mir aus bis an mein lebensende.

hey you - up in the sky... until the end of time, I´ll be there for you..

#6
Hey!

Hallo Aneleh, Ich glaube, Dir geht es genau so wie meiner Bekannten. Ihr und Dir möchte ich nur sagen, bitte denkt nicht immer an diesen "o-gott-du-tust-mir-so-leid-Blick", mir geht es ja gar nicht darum.
Wenn du so akzeptiert werden möchtest, wie du bist, und Deine Freundinnen das wörtlich nehmen, fragen sie dich halt auch mal danach, wie es dir wegen der bulimie geht. Das gehört ja auch mit zum akzeptieren.
Du als Mensch bist sicher sehr nett und du sorgst dich ja auch um deine freundinnen, du willst sie nicht belasten.
Aber es nützt doch nix, wenn du nur dich allein belastest, dir alles selber auflädtst.
Und wenn deine Freundin dich drauf anspricht, ist das doch ein Zeichen dafür, daß es für sie keine belastung ist, wenn du drüber redest. Vielleicht ist es mehr eine belastung, wenn du nie drüber redest, dann bleibt ihr nichts übrig als sich immer still und schweigend sorgen zu machen.

Ich kann sie mit ihrer krankheit akzeptieren, ich habe nur probleme damit, sie mit ihrem versteckspiel, ihrem schweigen zu akzeptieren. Wegen der bulimie ist sie weder ein schlechter Mensch, noch ein idiot, noch sonst irgendwie schwach und schlecht für mich.
Und du bist sicher auch nichts von alledem.
Ich habe zum glück wenig Erfahrungen mit Süchten, eine oder zwei habe ich aber auch. (Rauchen) Mein Vater ist auch Alkoholiker, und ich weiß, daß ab nem gewissen Punkt der Sucht man selbst nicht mehr so mir-nix-dir-nix alles ohne viel Kraftaufwand alles wieder beenden kann. Bitte, sei nicht so enttäuscht von dir selbst.
Ich wünsche dir alles Gute, daß Du es schaffst, gesund zu werden.
Und danke für die Hilfe, ich surfe gerade zum thema bulimie ein bischen durchs Netz und dieses Forum und die Menschen hier sind ganz besonders klasse!
Gruß an Euch alle, ich drücke euch die Daumen! Ihr seid hier sowas von lieb, echt!
Alles Gute für Euch

shell