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Ich komm so langsam aus der Bulimie raus, glaub ich...

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 10:12
von Röschen
Meine B hat sich "entwickelt" und ich glaub, ich mich mit ihr (oder umgekehrt).

Die B war für mich immer Verachtung, Ekel, Scham. Am Anfang war es ein Drama (aber nur für mich, nach außen wollte ich das nie transportieren). Nach meinem stationären Aufenthalt (bei dem ich magersüchtig wie nie wurde..), verlor sich diese Dramatik der B. Seitdem hab ich einfach mit ihr gelebt. Sie hat mich wohl beschützt, so doof das klingt.

Und offensichtlich wird die B unwichtiger so erwachsener und stärker ich werde. Ich entwickel unter dem Schutz der B eine Identität. Das klingt wirklich suspekt- aber ich hab durch Therapie gelernt, dass die B eine sinnvolle Funktion und ein Teil meiner selbst ist, den ich lieben muss (!) um ihn zu akzeptieren, den Hass zu besiegen- und einen neuen Weg zu finden.
Es gibt mehrere Wege aus der B. Und das ist gut so!

Schön, dass es dieses Forum gibt. Es tut mir gerade in meiner jetzigen Phase sehr gut!

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 10:34
von Cassandra
Teil deiner selbst den du lieben musst oder verdeckt sie den Teil deiner selbst, den du dringend kennenlernen solltest?

Ich verstehe nicht wie man die Bulimie lieben kann. Ich hasse sie. Die hat mir einiges an Leben versaut und verschwendet...

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 12:51
von Röschen
Du hast es genau gesagt. Beides nämlich. Die B ist Teil Deiner selbst, warum auch immer und sie steht für einen Teil deines Selbst, was Du ev. nicht kennst.

Wenn man etwas abspaltet von seinem Ich, kann man nicht dagegen kämpfen. "Das bin nicht ICH (bsp. während einer FA)". Na eben doch, Ich bin Ich, ob mit oder ohne B.
Als ich wusste, das ich es bin, die frisst und niemand oder etwas das mit mir macht (ich also nicht kleines, hilfloses Opfer bin), da konnte ich akzeptieren, dass es eine Funktion in meinem Leben erfüllt. Die gilt es zu ergründen und neu zu definieren- aber bis dahin mag ich mich trotzdem und verdamme nicht meine (teilweise mehr als beschissene) Vergangenheit. Ich bin nicht sauer auf die B, sie ist ja Teil von mir und ich bin auf die Art nicht sauer auf mich (möchte ich nicht sein).
Ich lerne die Funktion der B neu zu definieren um sie nicht mehr zu brauchen.

Ich liebe sie nicht, richtig. Aber ich hasse sie nicht mehr.

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 13:21
von Cassandra
Interessant...bei mir ist es eine Mischung. Einmal bin ich viel Täter und nicht nur Opfer. Aber es ist das nicht nur, ich bin auch Opfer - denn irgendwann verselbstständigt sich die Bulimie von ihrer ursprünglichen Funktion - aber man muss sich halt bewusst machen, dass man es selbst war, der sich irgendwann für diesen Weg entschieden hat und da muss man wieder anfangen, dann kann man auch Kraft haben, den Opferteil seiner Rolle in ein Täterprofil umzuwandeln und etwas zu unternehmen.

Wir sind demnach, sowohl Opfer als auch Täter, aber wir müssen die Täterrolle ausbauen um die Opferrolle zu überwinden. Und dazu müssen wir wissen wann und wieso wir uns entschieden haben Täter zu sein und alles von da wieder aufzurollen, dann wissen wir auch, wann aus dem Täter ein Opfer seiner selbst wurde und wenn der Täter aufhört Täter zu sein muss das Opfer kein Opfer mehr sein.

Doch, das gefällt mir. :)

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 13:43
von Röschen
:shock: Jo, hundert Punkte für den, der es beim ersten Lesen versteht. :D

Ja, ich weiß, aber was Du meinst- und Du hast mich absolut richtig verstanden. Ich würd nicht sagen, dass es nur am Anfang war, dass ich mich entschieden habe, ich würd sagen, ich entscheid mich jeden Tag neu mich der Bulimie hinzugeben, oder nicht.

Die Ansicht ist krasser und ich hätte das vor 1-2 Jahren nicht unterschrieben! Ich fühl mich selbst immer noch als Opfer des verselbstständigten Teils. Aber ich weiß, dass dem im Grunde nicht so ist. Ich fresse aktiv um etwas in mir ruhig zu stellen. Also, warum? Weil ich etwas ruhig stellen will, ich entschieden habe, das nicht an mich ran zu lassen. Heute, nicht vor 3 Jahren.
Ich hätte mich für etwas anderes entscheiden können, dafür zu heulen, zum Sport zu gehen, beispielsweise.

Für diese Denkweise braucht man Kraft. Ich sag mir bei jeder FA (währenddessen!) "Du tust das jetzt bewusst, weil Du keinen anderen Weg heute gewählt hast". Erstaunlich, aber das hilft! Beim nächsten Mal, konnte ich sagen, ich wähle einen anderen Weg.
Ich war ja nicht Opfer, ich konnte selbst entscheiden, schon immer.

Diese Haltung macht stark! Ich entscheide mich jeden Tag neu, will ich oder will ich nicht heute bulimisch sein. Und wenn ich es doch bin, weil ich keine Kraft für einen anderen Weg hatte, dann war dies ein Vorfall und nicht ein Rückfall in alte Muster.
Ich kann mich schon morgen neu entscheiden!

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 14:52
von Cassandra
Ich denke das ist eine ganz gute Methode um sich seiner Macht wieder bewusst zu werden.

Ich weiß nicht, ich hab mir darum gar keine gedanken gemacht....ich hatte inefach die Schnauze voll - mehr kann man dazu nicht sagen, es war echt so. Einfach Schnauze voll. Is nich mehr.
Und damit war es gut. Ich hatte zwei schlechte Tage in den ersten zwei Wochen und seitdem bin ich stabil und entdecke jeden Tag neue Gedankenmuster zum in die Tonne kloppen.

Ich in auch aktiver und ausgeglichener - ich putz zum Beispiel öfter, damit ich es schön hab, anstatt in meinem Müll zu versinken wie früher, da hab ich imemr gewartet bis mein Zimmer ganz im Argen war und mich dann ganz schlecht gefühlt, weil nur noch Staub gatmet hab, jetzt wird einmal pro Woche gesaugt und Staub gewischt und jeden Morgen eben aufgeräumt, oder abends und dann ist gut. Sowas zum Beispiel. Oder das ich öfter mit meinem Hund rausgehe, wieder öfter meine Freundin hier anrufe, auch wenn sie kaum Zeit hat.

Verfasst: Mi Jul 23, 2003 14:58
von Röschen
Irgendwie ist es ja meist so, das man sich sagt: So, und nu is gut. Ende! Aber um das durchzuhalten, und eventuelle neue Vorfälle auszuhalten, sollte man sich präventiv klar darüber werden, dass man, wie Du sagst, die Macht hat zu entscheiden.

Jeden Tag auf´s Neue!

Verfasst: Fr Jul 25, 2003 7:14
von Röschen
Ich hatte gestern Therapie und möchte gern noch was ergänzen, was meine Aussage eventuell verständlicher macht.

Also, wenn man, wie in diesem Forum bereits oft vorgeschlagen, die Bulimie abspaltet von sich um sie zu bekämpfen, dann wird sie ein "Fremder". Jmd fremdes kann aber im Hinterhalt auf mich warten, mich verfolgen, mich bedrohen- er könnte stärker und mächtiger sein/werden als ich.
Ich muss ihn (also die Bulimie) "bekämpfen", muss mit Wut und Gewalt reagieren.

Wenn ich mich darauf einlasse, die Bulimie als ein Teil von mir zu betrachten, dann ist sie niemand fremdes, sondern dann gehört sie zu mir. Sie erfüllt einen Zweck, sie will mir helfen mit Situationen umzugehen für die ich keine bessere Lösungsstrategie gefunden habe (und leider tut sie mir damit weh). Einen Teil von mir kann ich verändern, beeinflussen. Ich kann mich entscheiden, ob ich die B brauche oder nicht. Ich habe die Macht!
Das ist ein ruhiger Prozess ohne Wut und Verzweiflung. Ich söhne mich mit der B aus, und damit auch mit mir selber, denn sie ist ja ein Teil von mir.
Hab ich eine FA, denk ich, okay, die brauchte ich wohl als Lösungsstrategie, was aber war mein eigentliches Problem, wie hätte ich es lösen können? Ich nutze den Warnschuss einer FA um zu hinterfragen, was schief läuft in meinem Leben.
Ich habe nicht mehr die Wut und Verzweiflung und Enttäuschung, dass es passiert ist. Ich akzeptiere die FA- und irgendwo mich damit.

Ich lese viel- wie wiederlich man bei einer FA vor dem Spiegel ist usw.
NEIN! Ihr seit alle liebenswert, ihr dürft euch auch mit der Bulimie lieben! Ekelt euch nicht vor euch selber, hasst euch nicht dafür.
Wenn ihr die Bulimie annimmt, wird sie -erstaunlicherweise- weniger. Ihr braucht sie nicht mehr als Lösungsstrategie!

In diesem Sinne, söhnt euch mit euch aus. Hasst die Bulimie nicht, sie ist Teil eurer selbst!