
Und zwar möchte ich mal eines vorwegschießen:
Wir kennen alle dieses hilflose Gefühl, den überwältigenden Selbsthasst und den Gedanken, dass wir dieser Sucht halt verfallen sind und nichts gegen sie tun können.
Und hier möchte ich mal entgegenhalten: jeder, der diese Ausreden zulässt will nicht wirklich, sondern sagt das nur, um die Verwandten oder den Therapeuten zu beruhigen oder sich selbst das Gefühl zu geben, nicht ganz aufzugeben. Jeder, der sich so ergibt braucht seine Krankheit und gefällt sich in seinem Selbsthass. Ja, so ist das. Und gerade dass sollte euch erschrecken und motivieren etwas dagegen zu tun. Ihr seid nicht nur Opfer, ihr seid auch ganz viel Täter.
...:::(Jetzt dürft ihr mich hauen.):::...
...:::(Jetzt nicht mehr, ich muss weiterreden.):::...
Es geht beim gesund werden darum, wieder Kontrolle zu haben. Das ist aber etwas ganz befremdliches für unsereins, weil wir nur die kranke, bulimische Kontrolle kennen und uns daher aus Angst gegen jede Form von Kontrolle sträuben. Aber auch ein gesundes Leben läuft nicht ohne feste Regeln und Grenzen.
Viele denken, wenn man gesund wird, dann geht alles von alleine: das tut es nicht.
Der Mensch braucht sinnvolle Beschäftigung und feste Werte. Dazu gehören so banale Sachen wie morgens das Bett machen, den dreckigen Teler aus dem Zimmer mitzunehmen wenn man schon in die Küche geht oder regelmäßig die Zähne zu putzen. Aber auch Unternehmungen. der Job, die Schule, sich selbst weiterbilden, das gehört alles zu einem gesunden Leben.
Und dazu gehört, dass man einsieht, dass auch ein gesund essender Mensch Regeln hat. Wir müssen uns das vielleicht noch bewusst machen, aber auch ein gesunder Mensch hat Grenzen, die er nicht überschreitet. Die haben wir nicht mehr. Wir essen und essen und essen und danach kotzen wir. Und weil das viele essen für uns normal ist denken wir, das gesund essen regelloses aber maßvolles essen ist, das automatisch kommt. Aber das ist nicht so. Auch ein geistig vollkommen gesunder Mensch denkt sich : "Nich ein Eisbecher wär zu viel."
Es geht auch hier wieder darum, Kontrolle zu haben, aber gesunde. Regeln, die einem gut tun, die einen fit und aktiv halten und nicht krank machen udn kasteien.
Bulimiker haben keine Kontrolle mehr beziehungsweise eine kranke und alles was wir lernen müssen ist eine positive Kontrolle.
Über Gefühle...das heißt nicht, sich z.B.
Wut verbieten, sondern diese Wut anzunehmen und in vernünftige Bahnen zu leiten (Ist sie brechtigt, gegen wen geht sie, was genau stört mich, wie kann ich mich schützen/wehren, das Problem ansprechen?)
Über das Verhalten...man muss aktiv sein. Das heißt nicht auf jede Party rennen, sondern das heißt, sich über seine Bedürfnisse klar zu werden, den Geist zu füttern und ihn nicht verkümmern zu lassen.
Über Werte und Regeln....das heißt nicht verleugnen des eigenen ichs zugunsten übertriebener Schönheitsideale, sondern dem Leben eine Form zu geben, einen Tagesablauf, das heißt zu sich zu stehen und zu akzeptieren, dass gewisse Leute einen langweilig oder überdreht finden und scih mit denen zu umgeben, die einen verstehen.
Über den Selbsthass....gehört eigentlich zu Gefühle, aber gerade wir neigen dazu uns in vollem Mitleid richtig reinzuhängen, das muss man stoppen und sich fragen wie viel Wahrheit und wie viel Lüge darin ist.
Über das Essen...das heißt nicht, die Kalorienzufuhr auf unter 500 zu drosseln und jeden Eisbecher als Feind zu sehen. Das heißt drei hauptmahlzeiten und zwischendurch mal einen Joghurt, das heißt stopp sagen, wenn aus ein oder zwei Schokoriegeln fünf Packungen werden und man nicht mehr trinkt damit man nicht schwerer wird.
Über das Körperbild...sich einreden, dass man hübsch ist bringt nichts. Segelohren, Reiterhosen und Babyspeck im Gesicht lassen sich nicht wegreden, sie sind da. Aber man muss den extremen Vorwürfen, die einem die Bulimie deshalb macht die Stirn bieten und sich mit diesen Dingen auseinandersetzen. Ihr habt doch alle Freundinnen, die bestimmt auch Schönheitsfehler haben oder? Achtet ihr darauf, ist das ausschlaggebend für eure Zuneigung oder Bewunderung oder Ablehnung? Warum sollte das bei euch so sein? Sind die Schönheitsfehler des Körpers ein Grund eure Persönlichkeit zu verachten? Ihr merkt vielleicht dann, wie sehr die Bulimie übertreibt und könnt sie schön auslachen, beziehungsweise ihr schön die Fresse polieren, so viel Dummheit gehört bestraft.
Wir haben darüber Kontrolle, aber wir reden uns ein, sie nicht zu haben, zu Gunsten unserer Bulimie. Denn wenn wir uns Kontrolle eingestehen heißt das auch, dass wir uns unseren Problemen, Verletzungen, Einsamkeiten, Ängsten und Langeweilen stellen müssen und etwas gegen sie tun müssen. Das heißt sich selbst in den Arsch treten und sich selbst auffangen. Das heißt für sich da sein und das Leben selbt in die Hand nehmen.
Und jeder, der sagt, er kann es nicht, weil er süchtig ist, belügt sich selbst und will aus irgendwelchen Gründen nicht wirklich gesund werden. Aber gerade dann sollte er jetzt in diesem Moment erschreckt vor dem Spiegel stehen und sich fragen, wie man sich in seinem Selbstmitleid und Selbsthass so gefallen kann.
Man muss sich seine Lebensumstände selber schaffen und sich selbst für sich einsetzen. Wir Bulimiker tun das im Allgemeinen nicht, weil wir jegliche Form von gesunder Kontrolle mit kranker verwechseln.
Ich habe heute morgen gefrühstückt, ein Brötxchen mit Ei und Marmelade, dann hab ich mich ins Bad verzogen, frisiert, Gesicht gecremt, Zähne geputzt, mich angezogen, mein Bett gemacht, ein bisschen aufgeräumt, mir überlegt, was ich heute tue (die ägyptischen Dynastien lernen, skaten, heute abend mit Schwester aufs Schützenfest), mir ein paar gute Fernsehserien rausgesucht (damti ich nicht immer vor der Glotze hänge und zappe, weil das deprimiert und die Konzentration leidet) und beim Schokohunger zwei STücke abgebrochen und genossen und dann war gut.
Und das ist nichts, was mich krank macht oder mir die Luft zum atmen abschnürt. Ich hab meinem Tag eine Form gegeben. Sitze in einem sauberen, schönen, luftigen Zimmer, gucken nach drau0en, wo die Sonne scheint, die Blumen auf meiner Fensterbank sind schön gepflegt, ich hab keinen Hunger und langweile mich nicht.
Mir geht es gut. Ich habe kein Gefühl des Versagens und der Kontrolllosigkeit, weil mein Tag unter meiner Organisation liegt und nicht so vor sich hinschwabbert. Gleichzeitig bin ich aber auch nicht gezwungen, alles so zu machen, wie ich es mir vorgenommen habe. Es ist eben nur ein Gerüst, auf dem ich beliebig rumklettern kann, das aus Werten besteht, die mir persönlich gut tun.