Fúr Christine704

#1
Hallo liebe Christine,
ich habe gesehen, dass Du zur Zeit in Strassburg wohnst. Wie geht es
Dir mit den Franzosen, wie fúhlst Du Dich ? Ich komme aus Paris
(Umgebung) und wohne jetzt seit 17 Jahren in Kolumbien, Südamerika.
Als ich in Deutschland gewohnt habe, fühlte ich mich ganz gut. Die
Bulimie hat bei mir angefangen, als ich noch in Frankreich wohnte,
gerade als ich anfing zu arbeiten, wahrscheinlich aus Stress. Ich war
dick und hatte Minderwertigkeitskomplexe.
Jetzt k* ich seit Jahren nicht mehr, aber die Beziehung zum Essen ist nicht
normal und es beschaeftigt mich zu oft. Ich denke jeden Tag daran.
Wie ich Dir in meiner Antwort auf Deinem Bericht geschrieben habe,
finde ich es schon besser nicht alleine zu wohnen. Es kommt wirklich
darauf an, mit wem.
Ich habe noch nie über mein Problem mit meinem Mann gesprochen,
da er sowieso kein Verständnis dafür háttte, ganz im Gegenteil, ich
glaube, er würde wütend werden, da er als Kind hier an Essensmangel
gelitten hat. Seine Familie war arm, er konnte weiter studieren, nur
weil er ein sehr guter Schüler war und ein Stipendium fúr Deutschland
gewonnen hat.
Es würde mich interessieren, wie Du Dich in Frankreich fühlst. :?:
Viele Grüsse
Titine :D

#2
Liebe Titine,
hab deine Beitrag gar nicht gefunden, sonst hätt ich natürlich auch eher geantwortet... ja, wie fühle ich mich in Frankreich? Ich komme eigentlich aus Deutschland, und es war immer mein Traum, eine Zeit zumindest in Frankreich zu leben, weil ich das Land, die Leute und die Sprache sehr mag. Leider ging es eher nicht, weil es mir recht schlecht ging, in der Zeit nach dem Abitur- jetzt habe ich schon 2 Jahre studiert und eine 8monatige Therapie wegen der Bulimie hinter mir. Ich war dann tatsächlich ein halbes Jahr richtig clean und es ging mir wirklich so gut, wie nie zuvor. Seit ich hier bin, hat sich das jedoch alles sehr verschlechtert. Ich fühle mich hier oft etwas einsam, mein Freund hat mit mir Schluss gemacht, was mir auch sehr zu schaffen macht (ich fühle mich einfach minderwertig- er hat eine andere- und das wirkt sich sofort im Eßverhalten aus), das Studium gefällt mir hier leider nicht so... vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt, ich denke aber, das ich noch mal später nach Frankreich gehe, die Sprache kann ich ja jetzt schon besser, ich wäre nur gerne etwas stabiler, weil sonst ist es in einem fremden Land schon sehr schwer denke ich.
Du sagtest, du k* zwar nicht mehr, hast aber trotzdem kein normales Verhältnis zum Essen. So war das bei mir, in der Zeit, in der ich clean war, leider auch noch etwas. So richtig ohne nachzudenken und mit anderen zusammen konnte ich da auch nicht essen. Zum Beispiel hätte ich mir nicht einfach mal eben ein Eis mit einer Freundin in der Stadt kaufen können- undenkbar, und in den Gedanken ist die Frage "Eß ich's oder eß ich's nicht" einfach verankert... vielleicht liegt es einfach daran, dass wir nun schon zu lange damit Probleme haben (bei mir sind es zwar erst gut 8 Jahre aber immerhin) und dass man dann wohl damit Leben muss...
Ich habe mich sehr über deinen Beitrag gefreut, und finde es ganz toll, dass das Forum nun bis Kolumbien reicht! Du musst ja fließend deutsch sprechen, und in Kolumbien- spanisch, oder was?
Schade ist immer, dass sich an den Problemen, die man mit sich selbst hat, leider wenig ändert, egal wo man ist, denke ich...
Liebe Grüße
Christine

#3
Hallo liebe Christine,
Vielen Dank für Deine Antwort, ich habe mich sehr darüber gefreut.
Du sagst, dass es nicht einfach ist, in einem fremden Land zu leben.
So erging es mir auch damals, als ich nach Deutschland gezogen bin.
Ich war damals 20. Ich habe vorher in der Nähe von Paris gearbeitet
und war in Behandlung bei einer Ärztin, um abzunehmen. Ich habe
auch tatsächlich **kg abgenommen. Ich habe diese Diät múhelos gemacht, da ich mich unterstützt fühlte. Ich war mit der Behandlung noch
nicht ganz fertig, da war der Termin, nach Deutschland zu fahren.
Es war ein Austausch durch das Deutsch-Französische Jugendwerk -
ein Jahr in Deutschland arbeiten. Im ersten Monat mussten alle Teil-
nehmer in Tübingen einen intensiven Sprachkurs besuchen und hatten
den Nachmittag frei. Natürlich konnte ich die Diät nicht mehr einhalten,
da sie eiweissreich war (fast ohne Kohlehydrate) und ich habe dann
das gleiche wie die anderen gegessen und prompt wieder zugenommen.
Während dieses Monats sollten alle eine Arbeit durch die Carl Duisberg
Gesellschaft finden und dann sollte jede(r) zu der Stadt fahren, wo sie eine
Arbeit gekriegt hatten. In meinem Fall war es in Mühlheim an der Ruhr.
Natürlich war ich dann auf einmal ganz alleine. In dieser Zeit habe ich
dann mit dem K* angefangen - jeden Abend, als ich von der Arbeit
kam. Es hat dann mehrere Jahre gedauert. Ich habe nie daran gedacht,
eine Hilfe zu suchen. Es war bestimmt ein Irrtum. Ich glaube doch, dass
alle Hilfe brauchen, ja jemanden, der sie unterstützt und auf sie hórt.
Jetzt mit der Zeit ist mein Fall nicht mehr so schlimm, zumal wenn ich
die Bericht in diesem Forum lese, merke ich, dass es bei den meisten
schon zu weit gekommen ist. Ihr sollt alle einen hilfsbereiten Therapeuten
aufsuchen und euch nicht in Eurer Bude zurückziehen !
Jetzt wohne ich wieder in einem fremden Land. Eigentlich habe ich mich
gut eingelebt. Ich musste auch Spanisch lernen, aber ich lerne Sprachen
gerne, es ist ein Erfolgserlebnis für mich, wenn die Leute sagen, dass ich
die Sprache gut kann. Was Deutsch betrifft, kann ich es fliessend, aber
wenn ich lange Zeit nicht spreche, dann ist mein franz.Akzent stärker. Das
Lesen und das Schreiben machen mir viel Spass.
Christine, versuch bitte, Kontakte zu knüpfen, um mit den Leuten was
zu unternehmen. Treibst Du überhaupt Sport gern, mindestens spazieren
gehen oder was anderes ? ich glaube, es kann sehr gut ablenken.
Aus welcher Stadt kommst Du ? Mein Sohn wohnt jetzt in Berlin. Ich
habe ihn Ende Oktober begleitet, damit er sich zurechtfindet, da er
noch kein Wort Deutsch konnte. Jetzt besucht er einen Intensivkurs.
Bis bald
Titine :lol:

#4
Liebe Titine,
ich finde es bewundernswert, dass du es immer doch so gut geschafft hast, dich in einem fremden Land dann einzuleben. Ist dennoch wirklich auch gut nachzuvollziehen, warum du dann in die Bulimie reingeraten bist... ich finde es immer so schade, wenn es einem dann irgendwann besser geht, und man eigentlich damit leben kann und die Krankheit nicht mehr so schlimm ist. Gelöst ist das Problem dann oft trotzdem nicht. Ich war mit 13/ 14 magersüchtig (bin heute normalgewichtig), habe mit damals aber einfach nicht helfen lassen können, weil ich wohl nicht reif genug dazu war. Später hab ich dann wegen des unerträglichen Drucks zuhause wieder zugenommen, hatte aber schlimme Depressionen und bin in die Bulimie reingerutscht. Nach außen hin hat mir dann natürlich keiner mehr was angesehen, und alles war scheinbar in Ordnung. Es gab auch immer Phasen, in denen es mir besser ging, und ich glaubte, keine Hilfe zu brauchen, und einfach aufhören zu können...
Im nachhinein würde ich das als den größten Fehler bezeichnen. Eine Freundin, die auch mal essgestört war, hatte nach einem Jahr Magersucht eine stationäre Therapie gemacht und hat heute ein vollkommen normales Eßverhalten. Ich beneide sie so sehr darum, weil ich denke, dass es irgendwann einfach zu lange ist, um es wieder ganz abzuschalten.
Ich verstehe gut, dass die Bulimie noch so bedeutend ist, auch wenn du gar nicht mehr k*. Vielleicht solltest du ja trotzdem jetzt noch mal versuchen eine Psychotherapie zu machen, aus welchem Grund auch immer- wenn so etwas in Kolumbien möglich ist, und es deine Umstände auch zulassen. Schaden kann es ja auf keinen Fall, und ich muss nach meiner Therapie vor ca. 1 Jahr sagen, dass es das beste war, was ich je getan hab, die Schwelle ist dann irgendwie auch gefallen. Ich werde im Februar auf jeden Fall wieder in Therapie gehen, auch wenn es mir wieder besser gehen sollte...
Ich komme ursprünglich aus Dortmund, studiere aber sonst in Münster, wo ich mich auch sehr wohl fühle. Ich habe großes Interesse an anderen Ländern, und vor allem auch sehr viel Spaß an Fremdsprachen, und ich möchte auf jeden Fall auch nochmal längere Zeit ins Ausland gehen und könnte mir sogar vorstellen, Deutschland zu verlassen.
Ganz liebe Grüße in die Ferne
(in den nächsten Tagen werde ich wahrscheinlich nicht/ seltener antworten können, weil ich zu meinen Eltern fahre, worauf ich mich grad sehr freue!)
Christine