so schön wie ein model?
Verfasst: Mo Aug 27, 2007 8:59
Ein Gedankenaustausch mit Kimberly hat mich vor kurzem dazu angeregt, ein Thema aufzugreifen, welches auch mich lange Zeit beschäftigt hat und welches wohl für den ein oder anderen von euch eine ähnliche Rolle spielen dürfte.
Es ging darum, dass viele von uns hier das Problem haben, dass wir den falschen Idealen hinterherlaufen, dass wir uns an ein Schönheitsideal versklavt haben, von dem wir glauben, dass es die Lösung all unserer Probleme zu sein scheint. Die Medien bestärken uns in diesem Gedankengang, ja manchmal lösen sie ihn auch selbst aus.
Wir sehen tagtäglich die schlanksten Models in Zeitung, Fernsehen und Werbung, Models, die meiner Meinung nach nicht durchgehend gesund sein können. Es ist ein gefährliches Spiel, was die Medien mit uns treiben. Sie gaukeln uns eine Welt vor, die der Norm entsprechen soll, die sich aber weit davon abhebt und wohl eher in Betrug und Krankheit gründet. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es eher eine Seltenheit ist, ein gesundes Model anzutreffen. Es ist gar nicht möglich, dass es so viele Frauen gibt, die lebensbedrohliches Untergewicht haben – und das einfach so, von Geburt an, ohne dafür etwas tun zu müssen. Was ich nicht abstreiten will, ist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die eine solche Figur haben und sich sehr gesund und auch ausreichend ernähren können. Doch sie sind eher der Einzelfall – die breite Masse der Models dagegen musste sich ihren Status erst durch viel hungern erkämpfen. Schon oft habe ich Reportagen über den Alltag eines Models mitverfolgt, überhaupt mich viel über deren Beruf erkundigt und war jedes Mal aufs Neue geschockt: superdürre Frauen, die in ihrer Mittagspause mit einem winzigen Teller vor einem riesigen Buffet stehen und sich Portionen zugestehen, die einfach nur noch lächerlich sind. Ich möchte hier keine genauen Angaben machen, um keinen zum Nachahmen anzuregen, aber ich war bei diesem Anblick einfach nur noch entsetzt. Das ist wahre Magersucht.
Und? Sie wird verkauft. Diese Menschen, die eigentlich Hilfe brauchen, werden buchstäblich verkauft, dafür dass sie krank sind, gelobt und anerkannt. Sie haben ihren Erfolg nur, weil sie krank sind. Sie werden gefeiert und uns als schön dargestellt. Als eine Art Idealmaß. Diese Frauen lächeln in die Kamera, sie wirken meistens - wenn man nach den Idealen urteilt – hübsch, aber was mir auch jedes Mal ins Auge sticht, sind ihre leeren, ausdruckslosen, ja manchmal auch traurigen Augen. Ich empfinde heute Mitleid, wenn ich das sehe und nicht wie früher Respekt und Anerkennung. Vor Menschen, die für eine Krankheit werben, die in den Tod führen kann, die tausende von verunsicherten Jugendlichen mit sich reißt, vor solchen „Idealbildern“ habe ich keinen Respekt mehr. Absolut nicht. Und würde ich nicht Mitleid empfinden, an dieser Stelle würde Verachtung stehen. Wohl auch Wut, denn sie sind es, die einen großen Einfluss auf diese furchtbare Bewegung haben. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass für unsere Gesellschaft ein Ideal gilt, welches so gut wie keiner gesund erreichen kann. Warum gibt es dieses Ideal überhaupt?
Ideale hängen von den jeweiligen Umständen der Zeit ab. Wo es noch wenig zu essen gab, war schön, wer etwas mehr auf den Rippen hatte und – gesund aussah! Meiner Meinung nach ein viel vernünftigerer Gedankengang. Heute haben wir Nahrung im Überfluss und was jetzt eben selten und einzigartig ist, ist die sogenannte Kunst, so dünn wie möglich zu sein. Gesund sehen ja im Prinzip alle aus – und Ideale müssen schließlich etwas Besonderes sein. Dass heute das Verlieren von Gewicht so hoch gepriesen wird, liegt allein daran, dass es mit Disziplin und Erfolg gleichgesetzt wird. Zwei „Werte“, die in unsere Gesellschaft immer mehr bedeuten. Wir haben uns zu einer Masse von Menschen entwickelt, in der nur noch das Äußere zählt. Durch die wirtschaftlichen Entwicklungen stellen wir immer höhere Ansprüche an die Technik. Wir sind gnadenlos verwöhnt, wir erwarten Dinge, die nicht selbstverständlich sein sollten, wir bewundern neue Erfindungen, die uns Arbeit abnehmen, gewinnen immer mehr Kontrolle und Macht über unser Leben – und verlieren immer mehr den Blick über das eigentlich Wesentliche im Leben.
Wir behaupten, reich zu sein durch unser Wissen und sehen nicht, dass wir im Grunde furchtbar arm sind. Wir sind so oberflächlich geworden. Innere Werte, die früher noch eine viel größere Rolle gespielt haben, bedeuten immer weniger. Wenn wir uns heute irgendwo vorstellen, dann wird zunächst auf die Kleidung geachtet, es wird darauf geachtet, wie wir uns hergerichtet haben und wie wir auftreten. Dann wird in unsere Zeugnisse geschaut, nach der Leistung. In der Schule, die wir jahrelang besuchen, wird uns beigebracht, dass eben diese Leistung über allem steht. Wie erbärmlich ist das nur… Ist es nicht völlig unwichtig, was letztendlich an Leistung herauskommt, wenn die Schule es schaffen würde, die Menschen, die sie „ausbildet“, eher in ihrem Sozialverhalten positiv zu beeinflussen? Zu Menschen zu erziehen, die Zivilcourage besitzen, Mitgefühl, Nächstenliebe. Zu Menschen, die den Nächsten eben nicht als Konkurrenz auszuschalten versuchen, sondern ihn unterstützen und ein Stück gemeinsam mit ihm gehen? Warum lassen wir uns so völlig in die falsche Richtung lenken? Warum gehen wir eigentlich mit der Masse mit? Um dann den Erfolg zu haben, die Anerkennung, nach der wir uns so sehnen? Oder einfach deshalb, weil es der einfachere Weg ist? Ich persönlich erachte diesen als absolut falsch. Es kann nicht sein, dass ich mir einen Standpunkt ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Mitgefühl und Nächstenliebe erkämpfen soll. Diese Werte stehen für mich viel höher, so gering sie die Gesellschaft auch darstellt.
Leistung. Wir definieren uns durch sie. Wie leben für sie. Doch was ist an ihr so Besonderes? Doch nur, dass sie es ist, auf die geschaut wird, wenn uns ein Mensch beurteilen will, ein Mensch in einer Position, die wichtig für die Weichen unserer Zukunft sein mag. Leider passiert es oft, dass wir den Blick dafür verlieren und die Wichtigkeit von Leistung auf alles übertragen. Plötzlich scheint sie in einer Freundschaft eine Rolle zu spielen. Sind das nicht zwei Gegensätze? Entsteht eine Freundschaft durch die Anerkennung von Leistung des anderen? Eine wirkliche Freundschaft wohl eher nicht.
Warum um alles in der Welt jagen wir dann diesen Idealbildern nach? Kim meinte neulich zu mir, sie könne sich mehr darüber freuen, wenn man sie mit einem Model vergleiche, als wenn man ihr einfach sagen würde, dass sie hübsch sei. Warum?
Nun, ich denke, dass das auf das Bild von Models zurückzuführen ist, welches bei ihr entstanden ist. das, was sie mit diesem Beruf verbindet. Eben Selbstdisziplin, Anerkennung, Erfolg, Schönheit, Stärke, Eleganz, und was noch alles. All das, was uns ständig vor Augen gehalten wird, all das, was ich persönlich langsam echt nicht mehr sehen und hören kann.
Es scheint so, als würde man mit diesem Schönheitsideal vieles auf einmal erreichen. All das, was ich eben aufgezählt habe und noch viel mehr. Es wird etwas verkörpert, was zu Anerkennung und Bewunderung führt. Es wird etwas verkörpert, was einzigartig und selten ist, was nicht jeder haben kann. Das Streben danach weist darauf hin, dass man sich nach all diesen Dingen sehnt. Etwas Besonderes sein. Hübsch aussehen, verkörpern, dass man die Kontrolle über sich hat. Und das Tollste an der Sache: die anderen sehen es auf den ersten Blick. Man muss nichts erklären oder sich irgendwie sonst beweisen. Es scheint alles so furchtbar einfach zu sein – wenn man erst einmal dieses Zielgewicht erreicht hat.
ABER DAS IST ES NOCH LANGE NICHT.
Auf dem Weg dahin verlieren wir so viel, was noch viel wichtiger wäre. Wir perfektionieren unser Äußeres und verkommen innerlich. Zerstören damit die eigentlichen Werte. Werden leer und kalt, abgestumpft und verzweifelt. Im schlimmsten Fall übertragen wir das Ganze noch auf unsere Mitmenschen und beurteilen sie nach dem, was sie wiegen, nach dem, wie sie gekleidet sind. Das finde ich sehr traurig.
Das Streben nach diesen Dingen ist im Prinzip etwas völlig Natürliches, etwas Menschliches und Normales. Krankhaft wird es, wenn wir beginnen, uns ein Ziel zu setzen, welches wir niemals gesund erreichen können. Ein Ziel, welches so furchtbar viel verspricht und letztendlich nur Verzweiflung, Angst, Ekel, Hilflosigkeit, vielleicht sogar den Tod mit sich bringen wird.
Wir beginnen zu hungern, weil wir glauben, dadurch die Kontrolle zu bekommen. Wir würden doch so gerne unser Leben kontrollieren können und immer wieder gibt es Dinge, die uns entgleisen. Beim Gewicht erscheint dies so einfach. Wir fühlen uns stark und glauben, diese Stärke auch nach außen verkörpern zu können.
Was letztendlich allerdings passieren wird, ist nahezu grotesk: wir verlieren die Kontrolle. Und das gnadenlos. Vollkommen. Selbst, wenn wir sie auf der einen Seite scheinbar noch zu haben glauben, nämlich über die Regulation des Gewichtes – über uns selbst haben wir sie schon lange nicht mehr. Warum? Weil wir als Menschen Dinge anstreben, die wir nicht erreichen können. Weil wir geradezu unverschämt mit unserer Situation umgehen, indem wir immer mehr verlangen, immer weniger zufrieden sind. Weil wir etwas kontrollieren wollen, was nicht in unserer Macht steht. Daran kann man nur scheitern.
Aber ist Kontrolle in unserer Gesellschaft nicht so unglaublich wichtig? Von klein auf bekommen wir es doch vermittelt. Sicher, das stimmt wohl auch. Und ein gewisses Maß an Kontrolle ist auch gut, aber sie darf nicht ausufern. Kontrolle bedeutet nicht, alles in der Hand zu haben. Kontrolle bedeutet – zumindest in Bezug auf uns selbst – uns soweit beeinflussen zu können, dass wir niemals so reagieren, dass wir einem anderen oder uns selbst schaden. Dass wir unsere Gefühle richtig einschätzen gelernt haben und wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollten. Viele von uns haben jahrelang etwas versucht, was dem so gar nicht entsprach – Gefühle einfach weggehungert oder ausgekotzt. Gefühle beiseite geschoben, da sie uns die Kontrolle zu nehmen scheinen. Doch Kontrolle über uns selbst – in einem gesunden und erreichbarem Maß bekommen wir erst, wenn wir uns selbst akzeptiert haben – und vor allem unsere Fehler und Schwächen kennen.
Wir brauchen nicht hungern, um Kontrolle zu bekommen. Wir werden sie dadurch nur verlieren. Es ist eine absurde Idee, in die wir uns verrennen, eine Sackgasse, aus der wir so schnell nicht wieder herausfinden werden. Haben wir sie einmal betreten, wissen wir nicht, dass wir die Mauer an deren Ende abbauen müssen, anstatt wieder und wieder mit Vollstoff dagegen zu rennen. Wir werden im Laufe der Zeit müde werden und an Kraft verlieren. Wer sich noch am Anfang befindet, sollte darüber nachdenken, sofort wieder umzukehren, wer schon etwas weiter gegangen ist, der sollte beginnen, endlich beginnen, seine Werte zu hinterfragen.
Sind sie wirklich so wichtig, wie sie immer scheinen? Was wäre, wenn das Leben morgen zu Ende wäre. Wäre dann nicht viel zu viel Zeit an diesen Wahn verschenkt worden? Ist es nicht viel wichtiger, glücklich zu sein? – und es IST eine Illsuion, wenn mir jetzt einer damit kommt, dass man nur damit, mit dem Erreichen dieses Ideals glücklich sein kann. Jeder, der schon etwas Distanz zur Krankheit eingenommen hat, wird mir das bestätigen können.
An dieser Stelle möchte ich dich, liebe Kim, noch einmal persönlich ansprechen. Das, was du dir von solchen Kommentaren erhoffst, kannst du auch anders erreichen. Nachhaltiger, tiefgründiger –auf gesunde Weise. Du fühlst dich sicher stark, wenn man dir sagt, du hättest Modelmaße. Warum fühlst du dich dann stark? Weil du etwas erreicht hast, was nicht jeder erreicht? Weil du nun die Erwartungen der Gesellschaft, dieser oberflächlichen Gesellschaft erfüllen kannst? Ich glaube, wenn ich dich richtig verstanden habe, wohl vor allem auch deshalb, weil dir dieses Untergewicht Unsicherheit nimmt. Gerade, weil du auch mal übergewichtig warst. Vielleicht wurdest du da oft fertig gemacht oder ausgelacht. Einen Zustand, den du nie wieder erreichen wolltest. Also hast du das Gegenteil angestrebt. Dich vollkommen ins andere Extrem geflüchtet, weil du Schutz gesucht hast. Wenn du dünn bist, dann spricht dich keiner von diesen oberflächlichen Tussen in deiner Klasse an. Mit jedem Gramm mehr auf den Rippen gibst du ihnen neue Angriffsfläche. Das ist es doch, oder? Die Kommentare geben dir Sicherheit, dass du nicht mehr so etwas wie früher hören musst. Vielleicht auch eine gewisse Genugtuung, wenn dir manche mit Neid begegnen. Vielleicht wolltest du auch einfach zeigen, dass du die Kontrolle haben kannst, wie sie ja oft Menschen mit Übergewicht entsagt wird. Es ist ein ständiger Kampf mit deinem Gewicht, der dich begleitet. Ein ständiger Kampf, dich selbst zu behaupten, dich durchzuboxen, dir eine Stellung zu erkämpfen, in der du eben anerkannt wirst.
Es ist nachzuvollziehen, dies über das Gewicht zu tun, aber ein falscher Ansatz. Anerkennung kannst du dir auch anders erkämpfen. Allerdings wird das auch anstrengender. Der Weg, den du gerade gehst, ist der schwierigere, das ist mir vollkommen klar. Aber zugleich ist mir auch klar, dass es der richtige ist.
Den Schutzpanzer, den du dir über dein Untergewicht aufgebaut hast, musst du dir nun durch deine innere Stärke erneut aufbauen. Du musst dich selbst kennenlernen, deine Stärken wie auch deine Schwächen. Du musst lernen, mit beidem umgehen zu können. Dich selbst anzunehmen, irgendwann zu lieben, für dich einzustehen, dich selbst verteidigen.
Wenn du es geschafft hast, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, welches nicht auf dein geringes Gewicht gründet, dann wirst du auch alles andere schaffen. Das ist die Grundlage, die du brauchst um von diesem denken
Kim+Leistung=wertvoll oder auch Kim=Model=Perfekt wegzukommen.
Darum geht es nicht. Das ist verdammt oberflächlich, Kim. Damit kann man nicht weiterkommen im Leben, sosehr es die Medien und die Masse einem auch vorgaukeln. Du musst deinen eigenen Weg finden. Und dieser Gedankengang wird dich von deinem Weg abbringen. Im schlimmsten Fall ins Grab führen. Du musst versuchen, kritisch mit solchen Gedanken umzugehen, sie zu hinterfragen. Deine Werte nicht aus deinem Äußeren zu ziehen. Bist du dir so egal, dass es dir reicht, wenn du nur wegen deines Äußeren geliebt wirst? Es keinen interessiert, welch wertvoller Mensch eigentlich dahinter steht?
Meine Gedanken sind heute sehr verwirrend und etwas durcheinander. Wohl auch ziemlich viel auf einmal. Aber darüber könnte man nahezu Bücher schreiben. Es ist ein Thema, welches mich oft zu stundenlangen Diskussionen veranlasst.
Zum Schluss möchte ich dir noch etwas aus meiner persönlichen Vergangenheit mitgeben. Etwas, das vielleicht aufmuntert oder Zuversicht schenkt.
Wie du zum Glück schon erkannt hast, schreibe ich nicht aus einer belehrenden Sichtweise (auch wenn ich mal Lehrerin werde, hihi ;-) ), sondern sehe dich auf einer Ebene mit meinem früheren Ich. Ich verstehe sehr gut, warum du so denkst, wie du denkst und fühlst und was das mit dir macht.
Vor einigen Jahren hatte ich noch dieselben Einstellungen wie du. Mein Gott, was habe ich alles daran gesetzt, um mir durch Gewicht etwas Anerkennung, vor allem aber Kontrolle zu verschaffen. Irgendwann dann gings in die Klinik nach Bad Neustadt, wo ich lernte, mir ein richtiges Selbstbewusstsein aufzubauen. Und wie groß war meine Sorge, was meine Klassenkameraden nun zu meiner neuen Figur sagen würden, da ich auch einiges zugenommen hatte. Ich hatte richtige Angst, wieder zurückzukommen.
- und war ziemlich perplex über deren Reaktion.
Wo ich zuvor eher unscheinbar gewesen war, ich im Prinzip keine Anerkennung hatte, weil ich immer zurückgezogen, still, schüchtern, depressiv in einer Ecke gesessen war, bekam ich sie nun. Meine Mitschüler bewunderten mich für meine Offenheit, für meine Gelassenheit – für mein neues selbstbewusstes Auftreten. Nicht nur einmal wurde mir gesagt, dass ich durch die Therapie viel hübscher geworden war. Es kam mir absurd vor. Ich begriff diesen Gedankengang nicht.
Heute kann ich es sehr wohl verstehen: wo ich mich zuvor immer in weiten Klamotten versteckt hatte, scheute ich mich bald nicht mehr, im Minirock außer Haus zu gehen. Ich kleidete mich schick, ich fühlte mich schick.
Und letzteres ist wohl der Hauptgrund. Es geht nicht darum, wie weit wir an diesem verdammten Ideal sind. Es geht darum, wie wir uns damit fühlen. Fühlen wir uns hübsch, dann strahlen wir das auch aus. Diese Ausstrahlung kann keiner toppen. Es gibt nichts Schöneres als einen Menschen, der von Innen heraus strahlt.
Und genau das wünsche ich euch allen. Dass ihr versteht, dass die Schönheit nicht mit geringem Gewicht gleichzusetzen ist. Dass auch ein kleines Bäuchlein oder etwas dickere Oberschenkel an wahrer Schönheit nichts ändern können. Das sind die kleinen „Fehler“, wenn man so will, die noch liebenswerter machen können. Fehler, die jeder von uns hat. Wir sind Menschen. Wir sind nicht perfekt. Nicht so, wie wir es hin und wieder von uns selbst erwarten. Wir sind Menschen, Individuen – und Gott sei Dank keine Massenprodukte, so sehr wir danach manchmal streben wollen.
Ihr seid richtig so wie ihr seid. Genau so. Und das Einzige, an dem wir etwas ändern können, was wir verbessern (nicht perfektionieren) sollten, das sind unsere Einstellungen, unsere Ansichten und unsere inneren Werte.
Ganz liebe Grüße
Eure Jen
Es ging darum, dass viele von uns hier das Problem haben, dass wir den falschen Idealen hinterherlaufen, dass wir uns an ein Schönheitsideal versklavt haben, von dem wir glauben, dass es die Lösung all unserer Probleme zu sein scheint. Die Medien bestärken uns in diesem Gedankengang, ja manchmal lösen sie ihn auch selbst aus.
Wir sehen tagtäglich die schlanksten Models in Zeitung, Fernsehen und Werbung, Models, die meiner Meinung nach nicht durchgehend gesund sein können. Es ist ein gefährliches Spiel, was die Medien mit uns treiben. Sie gaukeln uns eine Welt vor, die der Norm entsprechen soll, die sich aber weit davon abhebt und wohl eher in Betrug und Krankheit gründet. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es eher eine Seltenheit ist, ein gesundes Model anzutreffen. Es ist gar nicht möglich, dass es so viele Frauen gibt, die lebensbedrohliches Untergewicht haben – und das einfach so, von Geburt an, ohne dafür etwas tun zu müssen. Was ich nicht abstreiten will, ist, dass es tatsächlich Menschen gibt, die eine solche Figur haben und sich sehr gesund und auch ausreichend ernähren können. Doch sie sind eher der Einzelfall – die breite Masse der Models dagegen musste sich ihren Status erst durch viel hungern erkämpfen. Schon oft habe ich Reportagen über den Alltag eines Models mitverfolgt, überhaupt mich viel über deren Beruf erkundigt und war jedes Mal aufs Neue geschockt: superdürre Frauen, die in ihrer Mittagspause mit einem winzigen Teller vor einem riesigen Buffet stehen und sich Portionen zugestehen, die einfach nur noch lächerlich sind. Ich möchte hier keine genauen Angaben machen, um keinen zum Nachahmen anzuregen, aber ich war bei diesem Anblick einfach nur noch entsetzt. Das ist wahre Magersucht.
Und? Sie wird verkauft. Diese Menschen, die eigentlich Hilfe brauchen, werden buchstäblich verkauft, dafür dass sie krank sind, gelobt und anerkannt. Sie haben ihren Erfolg nur, weil sie krank sind. Sie werden gefeiert und uns als schön dargestellt. Als eine Art Idealmaß. Diese Frauen lächeln in die Kamera, sie wirken meistens - wenn man nach den Idealen urteilt – hübsch, aber was mir auch jedes Mal ins Auge sticht, sind ihre leeren, ausdruckslosen, ja manchmal auch traurigen Augen. Ich empfinde heute Mitleid, wenn ich das sehe und nicht wie früher Respekt und Anerkennung. Vor Menschen, die für eine Krankheit werben, die in den Tod führen kann, die tausende von verunsicherten Jugendlichen mit sich reißt, vor solchen „Idealbildern“ habe ich keinen Respekt mehr. Absolut nicht. Und würde ich nicht Mitleid empfinden, an dieser Stelle würde Verachtung stehen. Wohl auch Wut, denn sie sind es, die einen großen Einfluss auf diese furchtbare Bewegung haben. Es kann meiner Meinung nach nicht sein, dass für unsere Gesellschaft ein Ideal gilt, welches so gut wie keiner gesund erreichen kann. Warum gibt es dieses Ideal überhaupt?
Ideale hängen von den jeweiligen Umständen der Zeit ab. Wo es noch wenig zu essen gab, war schön, wer etwas mehr auf den Rippen hatte und – gesund aussah! Meiner Meinung nach ein viel vernünftigerer Gedankengang. Heute haben wir Nahrung im Überfluss und was jetzt eben selten und einzigartig ist, ist die sogenannte Kunst, so dünn wie möglich zu sein. Gesund sehen ja im Prinzip alle aus – und Ideale müssen schließlich etwas Besonderes sein. Dass heute das Verlieren von Gewicht so hoch gepriesen wird, liegt allein daran, dass es mit Disziplin und Erfolg gleichgesetzt wird. Zwei „Werte“, die in unsere Gesellschaft immer mehr bedeuten. Wir haben uns zu einer Masse von Menschen entwickelt, in der nur noch das Äußere zählt. Durch die wirtschaftlichen Entwicklungen stellen wir immer höhere Ansprüche an die Technik. Wir sind gnadenlos verwöhnt, wir erwarten Dinge, die nicht selbstverständlich sein sollten, wir bewundern neue Erfindungen, die uns Arbeit abnehmen, gewinnen immer mehr Kontrolle und Macht über unser Leben – und verlieren immer mehr den Blick über das eigentlich Wesentliche im Leben.
Wir behaupten, reich zu sein durch unser Wissen und sehen nicht, dass wir im Grunde furchtbar arm sind. Wir sind so oberflächlich geworden. Innere Werte, die früher noch eine viel größere Rolle gespielt haben, bedeuten immer weniger. Wenn wir uns heute irgendwo vorstellen, dann wird zunächst auf die Kleidung geachtet, es wird darauf geachtet, wie wir uns hergerichtet haben und wie wir auftreten. Dann wird in unsere Zeugnisse geschaut, nach der Leistung. In der Schule, die wir jahrelang besuchen, wird uns beigebracht, dass eben diese Leistung über allem steht. Wie erbärmlich ist das nur… Ist es nicht völlig unwichtig, was letztendlich an Leistung herauskommt, wenn die Schule es schaffen würde, die Menschen, die sie „ausbildet“, eher in ihrem Sozialverhalten positiv zu beeinflussen? Zu Menschen zu erziehen, die Zivilcourage besitzen, Mitgefühl, Nächstenliebe. Zu Menschen, die den Nächsten eben nicht als Konkurrenz auszuschalten versuchen, sondern ihn unterstützen und ein Stück gemeinsam mit ihm gehen? Warum lassen wir uns so völlig in die falsche Richtung lenken? Warum gehen wir eigentlich mit der Masse mit? Um dann den Erfolg zu haben, die Anerkennung, nach der wir uns so sehnen? Oder einfach deshalb, weil es der einfachere Weg ist? Ich persönlich erachte diesen als absolut falsch. Es kann nicht sein, dass ich mir einen Standpunkt ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Mitgefühl und Nächstenliebe erkämpfen soll. Diese Werte stehen für mich viel höher, so gering sie die Gesellschaft auch darstellt.
Leistung. Wir definieren uns durch sie. Wie leben für sie. Doch was ist an ihr so Besonderes? Doch nur, dass sie es ist, auf die geschaut wird, wenn uns ein Mensch beurteilen will, ein Mensch in einer Position, die wichtig für die Weichen unserer Zukunft sein mag. Leider passiert es oft, dass wir den Blick dafür verlieren und die Wichtigkeit von Leistung auf alles übertragen. Plötzlich scheint sie in einer Freundschaft eine Rolle zu spielen. Sind das nicht zwei Gegensätze? Entsteht eine Freundschaft durch die Anerkennung von Leistung des anderen? Eine wirkliche Freundschaft wohl eher nicht.
Warum um alles in der Welt jagen wir dann diesen Idealbildern nach? Kim meinte neulich zu mir, sie könne sich mehr darüber freuen, wenn man sie mit einem Model vergleiche, als wenn man ihr einfach sagen würde, dass sie hübsch sei. Warum?
Nun, ich denke, dass das auf das Bild von Models zurückzuführen ist, welches bei ihr entstanden ist. das, was sie mit diesem Beruf verbindet. Eben Selbstdisziplin, Anerkennung, Erfolg, Schönheit, Stärke, Eleganz, und was noch alles. All das, was uns ständig vor Augen gehalten wird, all das, was ich persönlich langsam echt nicht mehr sehen und hören kann.
Es scheint so, als würde man mit diesem Schönheitsideal vieles auf einmal erreichen. All das, was ich eben aufgezählt habe und noch viel mehr. Es wird etwas verkörpert, was zu Anerkennung und Bewunderung führt. Es wird etwas verkörpert, was einzigartig und selten ist, was nicht jeder haben kann. Das Streben danach weist darauf hin, dass man sich nach all diesen Dingen sehnt. Etwas Besonderes sein. Hübsch aussehen, verkörpern, dass man die Kontrolle über sich hat. Und das Tollste an der Sache: die anderen sehen es auf den ersten Blick. Man muss nichts erklären oder sich irgendwie sonst beweisen. Es scheint alles so furchtbar einfach zu sein – wenn man erst einmal dieses Zielgewicht erreicht hat.
ABER DAS IST ES NOCH LANGE NICHT.
Auf dem Weg dahin verlieren wir so viel, was noch viel wichtiger wäre. Wir perfektionieren unser Äußeres und verkommen innerlich. Zerstören damit die eigentlichen Werte. Werden leer und kalt, abgestumpft und verzweifelt. Im schlimmsten Fall übertragen wir das Ganze noch auf unsere Mitmenschen und beurteilen sie nach dem, was sie wiegen, nach dem, wie sie gekleidet sind. Das finde ich sehr traurig.
Das Streben nach diesen Dingen ist im Prinzip etwas völlig Natürliches, etwas Menschliches und Normales. Krankhaft wird es, wenn wir beginnen, uns ein Ziel zu setzen, welches wir niemals gesund erreichen können. Ein Ziel, welches so furchtbar viel verspricht und letztendlich nur Verzweiflung, Angst, Ekel, Hilflosigkeit, vielleicht sogar den Tod mit sich bringen wird.
Wir beginnen zu hungern, weil wir glauben, dadurch die Kontrolle zu bekommen. Wir würden doch so gerne unser Leben kontrollieren können und immer wieder gibt es Dinge, die uns entgleisen. Beim Gewicht erscheint dies so einfach. Wir fühlen uns stark und glauben, diese Stärke auch nach außen verkörpern zu können.
Was letztendlich allerdings passieren wird, ist nahezu grotesk: wir verlieren die Kontrolle. Und das gnadenlos. Vollkommen. Selbst, wenn wir sie auf der einen Seite scheinbar noch zu haben glauben, nämlich über die Regulation des Gewichtes – über uns selbst haben wir sie schon lange nicht mehr. Warum? Weil wir als Menschen Dinge anstreben, die wir nicht erreichen können. Weil wir geradezu unverschämt mit unserer Situation umgehen, indem wir immer mehr verlangen, immer weniger zufrieden sind. Weil wir etwas kontrollieren wollen, was nicht in unserer Macht steht. Daran kann man nur scheitern.
Aber ist Kontrolle in unserer Gesellschaft nicht so unglaublich wichtig? Von klein auf bekommen wir es doch vermittelt. Sicher, das stimmt wohl auch. Und ein gewisses Maß an Kontrolle ist auch gut, aber sie darf nicht ausufern. Kontrolle bedeutet nicht, alles in der Hand zu haben. Kontrolle bedeutet – zumindest in Bezug auf uns selbst – uns soweit beeinflussen zu können, dass wir niemals so reagieren, dass wir einem anderen oder uns selbst schaden. Dass wir unsere Gefühle richtig einschätzen gelernt haben und wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollten. Viele von uns haben jahrelang etwas versucht, was dem so gar nicht entsprach – Gefühle einfach weggehungert oder ausgekotzt. Gefühle beiseite geschoben, da sie uns die Kontrolle zu nehmen scheinen. Doch Kontrolle über uns selbst – in einem gesunden und erreichbarem Maß bekommen wir erst, wenn wir uns selbst akzeptiert haben – und vor allem unsere Fehler und Schwächen kennen.
Wir brauchen nicht hungern, um Kontrolle zu bekommen. Wir werden sie dadurch nur verlieren. Es ist eine absurde Idee, in die wir uns verrennen, eine Sackgasse, aus der wir so schnell nicht wieder herausfinden werden. Haben wir sie einmal betreten, wissen wir nicht, dass wir die Mauer an deren Ende abbauen müssen, anstatt wieder und wieder mit Vollstoff dagegen zu rennen. Wir werden im Laufe der Zeit müde werden und an Kraft verlieren. Wer sich noch am Anfang befindet, sollte darüber nachdenken, sofort wieder umzukehren, wer schon etwas weiter gegangen ist, der sollte beginnen, endlich beginnen, seine Werte zu hinterfragen.
Sind sie wirklich so wichtig, wie sie immer scheinen? Was wäre, wenn das Leben morgen zu Ende wäre. Wäre dann nicht viel zu viel Zeit an diesen Wahn verschenkt worden? Ist es nicht viel wichtiger, glücklich zu sein? – und es IST eine Illsuion, wenn mir jetzt einer damit kommt, dass man nur damit, mit dem Erreichen dieses Ideals glücklich sein kann. Jeder, der schon etwas Distanz zur Krankheit eingenommen hat, wird mir das bestätigen können.
An dieser Stelle möchte ich dich, liebe Kim, noch einmal persönlich ansprechen. Das, was du dir von solchen Kommentaren erhoffst, kannst du auch anders erreichen. Nachhaltiger, tiefgründiger –auf gesunde Weise. Du fühlst dich sicher stark, wenn man dir sagt, du hättest Modelmaße. Warum fühlst du dich dann stark? Weil du etwas erreicht hast, was nicht jeder erreicht? Weil du nun die Erwartungen der Gesellschaft, dieser oberflächlichen Gesellschaft erfüllen kannst? Ich glaube, wenn ich dich richtig verstanden habe, wohl vor allem auch deshalb, weil dir dieses Untergewicht Unsicherheit nimmt. Gerade, weil du auch mal übergewichtig warst. Vielleicht wurdest du da oft fertig gemacht oder ausgelacht. Einen Zustand, den du nie wieder erreichen wolltest. Also hast du das Gegenteil angestrebt. Dich vollkommen ins andere Extrem geflüchtet, weil du Schutz gesucht hast. Wenn du dünn bist, dann spricht dich keiner von diesen oberflächlichen Tussen in deiner Klasse an. Mit jedem Gramm mehr auf den Rippen gibst du ihnen neue Angriffsfläche. Das ist es doch, oder? Die Kommentare geben dir Sicherheit, dass du nicht mehr so etwas wie früher hören musst. Vielleicht auch eine gewisse Genugtuung, wenn dir manche mit Neid begegnen. Vielleicht wolltest du auch einfach zeigen, dass du die Kontrolle haben kannst, wie sie ja oft Menschen mit Übergewicht entsagt wird. Es ist ein ständiger Kampf mit deinem Gewicht, der dich begleitet. Ein ständiger Kampf, dich selbst zu behaupten, dich durchzuboxen, dir eine Stellung zu erkämpfen, in der du eben anerkannt wirst.
Es ist nachzuvollziehen, dies über das Gewicht zu tun, aber ein falscher Ansatz. Anerkennung kannst du dir auch anders erkämpfen. Allerdings wird das auch anstrengender. Der Weg, den du gerade gehst, ist der schwierigere, das ist mir vollkommen klar. Aber zugleich ist mir auch klar, dass es der richtige ist.
Den Schutzpanzer, den du dir über dein Untergewicht aufgebaut hast, musst du dir nun durch deine innere Stärke erneut aufbauen. Du musst dich selbst kennenlernen, deine Stärken wie auch deine Schwächen. Du musst lernen, mit beidem umgehen zu können. Dich selbst anzunehmen, irgendwann zu lieben, für dich einzustehen, dich selbst verteidigen.
Wenn du es geschafft hast, ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen, welches nicht auf dein geringes Gewicht gründet, dann wirst du auch alles andere schaffen. Das ist die Grundlage, die du brauchst um von diesem denken
Kim+Leistung=wertvoll oder auch Kim=Model=Perfekt wegzukommen.
Darum geht es nicht. Das ist verdammt oberflächlich, Kim. Damit kann man nicht weiterkommen im Leben, sosehr es die Medien und die Masse einem auch vorgaukeln. Du musst deinen eigenen Weg finden. Und dieser Gedankengang wird dich von deinem Weg abbringen. Im schlimmsten Fall ins Grab führen. Du musst versuchen, kritisch mit solchen Gedanken umzugehen, sie zu hinterfragen. Deine Werte nicht aus deinem Äußeren zu ziehen. Bist du dir so egal, dass es dir reicht, wenn du nur wegen deines Äußeren geliebt wirst? Es keinen interessiert, welch wertvoller Mensch eigentlich dahinter steht?
Meine Gedanken sind heute sehr verwirrend und etwas durcheinander. Wohl auch ziemlich viel auf einmal. Aber darüber könnte man nahezu Bücher schreiben. Es ist ein Thema, welches mich oft zu stundenlangen Diskussionen veranlasst.
Zum Schluss möchte ich dir noch etwas aus meiner persönlichen Vergangenheit mitgeben. Etwas, das vielleicht aufmuntert oder Zuversicht schenkt.
Wie du zum Glück schon erkannt hast, schreibe ich nicht aus einer belehrenden Sichtweise (auch wenn ich mal Lehrerin werde, hihi ;-) ), sondern sehe dich auf einer Ebene mit meinem früheren Ich. Ich verstehe sehr gut, warum du so denkst, wie du denkst und fühlst und was das mit dir macht.
Vor einigen Jahren hatte ich noch dieselben Einstellungen wie du. Mein Gott, was habe ich alles daran gesetzt, um mir durch Gewicht etwas Anerkennung, vor allem aber Kontrolle zu verschaffen. Irgendwann dann gings in die Klinik nach Bad Neustadt, wo ich lernte, mir ein richtiges Selbstbewusstsein aufzubauen. Und wie groß war meine Sorge, was meine Klassenkameraden nun zu meiner neuen Figur sagen würden, da ich auch einiges zugenommen hatte. Ich hatte richtige Angst, wieder zurückzukommen.
- und war ziemlich perplex über deren Reaktion.
Wo ich zuvor eher unscheinbar gewesen war, ich im Prinzip keine Anerkennung hatte, weil ich immer zurückgezogen, still, schüchtern, depressiv in einer Ecke gesessen war, bekam ich sie nun. Meine Mitschüler bewunderten mich für meine Offenheit, für meine Gelassenheit – für mein neues selbstbewusstes Auftreten. Nicht nur einmal wurde mir gesagt, dass ich durch die Therapie viel hübscher geworden war. Es kam mir absurd vor. Ich begriff diesen Gedankengang nicht.
Heute kann ich es sehr wohl verstehen: wo ich mich zuvor immer in weiten Klamotten versteckt hatte, scheute ich mich bald nicht mehr, im Minirock außer Haus zu gehen. Ich kleidete mich schick, ich fühlte mich schick.
Und letzteres ist wohl der Hauptgrund. Es geht nicht darum, wie weit wir an diesem verdammten Ideal sind. Es geht darum, wie wir uns damit fühlen. Fühlen wir uns hübsch, dann strahlen wir das auch aus. Diese Ausstrahlung kann keiner toppen. Es gibt nichts Schöneres als einen Menschen, der von Innen heraus strahlt.
Und genau das wünsche ich euch allen. Dass ihr versteht, dass die Schönheit nicht mit geringem Gewicht gleichzusetzen ist. Dass auch ein kleines Bäuchlein oder etwas dickere Oberschenkel an wahrer Schönheit nichts ändern können. Das sind die kleinen „Fehler“, wenn man so will, die noch liebenswerter machen können. Fehler, die jeder von uns hat. Wir sind Menschen. Wir sind nicht perfekt. Nicht so, wie wir es hin und wieder von uns selbst erwarten. Wir sind Menschen, Individuen – und Gott sei Dank keine Massenprodukte, so sehr wir danach manchmal streben wollen.
Ihr seid richtig so wie ihr seid. Genau so. Und das Einzige, an dem wir etwas ändern können, was wir verbessern (nicht perfektionieren) sollten, das sind unsere Einstellungen, unsere Ansichten und unsere inneren Werte.
Ganz liebe Grüße
Eure Jen