Krankhafter Ehrgeiz - Anfällig für Essstörungen?

#1
Hi,

Ich wollte euch mal fragen, ob es vielleicht einigen auch so geht. Ich mache jetzt mein Abi mit 1,4 wahrscheinlich und finde das total schlecht. Das ist jetzt keine Verarschung, das meine ich todernst. Nicht vom Schnitt an sich her, wenn ich halbwegs gesund wäre, dann würde ich 2,0 auch okay finden.
Aber ich kann mich nicht freuen, denke nur, was für eine faule Schlampe ich bin, die sich nichtmal angemessen anstrengen kann, um 1,0 zu schaffen.
Alles, was ich denke, ist, dass ich zu schlecht bin, eben extreme Minderwertigkeitsgefühle und das ist natürlich nicht gerade heilsam, macht mir das Leben mit der Krankheit, mit der ich jeden Tag kämpfe , noch schwerer.

Dazu kommt noch, dass ich keine Ahnung habe, was ich machen werde. Ein Studium traue ich mir aus den verschiedensten Gründen nicht zu, würde eigentlich eher lieber eine Ausbildung zur Krankenschwester machen. Und das wäre auch nicht anders, wenn ich noch viel besser wäre... Das ist so verrückt, weil ich dafür ja kein sehr gutes Abi brauche.

Denkt ihr auch, dass so ein extrem ehrgeiziges Verhalten eine ES begünstigt? Denn man kann ja nie gut genug oder stolz sein, immer nur zu schlecht, egal, ob man nun k*** oder nicht..

Würde mich echt mal interessieren!

Alles Liebe, Colourful
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

#2
ich glaub da hast du recht, colourful.
ich geh in die 6. klasse einer Privatschule und hab im Semesterzeugnis(wie schon oft davor) einen Notendurchschnitt von 1,0.
Ich mein, ich freu mich ja drüber, aber andere würden luftsprünge machen etc. aber mich lässt das eher "kalt".
wenn ich mal ne 2 oder 3 schreibe fühl ich mich schlecht.
ich weiß dass is so bescheuert... aber ich bin mein ganzes Leben lang ehrgeizig...
ich denke auch, dass das zu meiner essstörung führte.

#3
Exakt wie bei mir. Werd mein Abi zwar nicht mit 1,4 *ärger* machen, aber ich kann mich über eine wirklich gute Note auch kaum freuen, ich vergleich mich immer mit anderen, mit einer Freundin ist da schon ein richtiger Kampf um die bessere Note draus geworden...Schade eigentlich...
Bin auch sehr ordentlich, überpünktlich und beobachte jetzt einen neuen Tick an mir: Ich kontrolliere immer alles zwei- oder dreimal. Bin die letzten Tage auf halbem Weg umgedreht, nur um zu kontrollieren ob das Auto abgeschlossen ist, obwohl ich es noch NIE offen gelassen hab.
Ich glaub auch, dass es mit der Krankheit zusammenhängt, man will einfach perfekt sein, aber im Grunde weiß man, dass man es nie sein kann, schon allein wegen der Krankheit, die allen Perfektionismus zerstört. Vielleicht versuchen wir so in anderen Bereichen unseres Lebens den Perfektionismus reinzubringen, wenn es uns schon beim Essen/beim Gewicht nicht gelingt.
Naja, hoffe es hat dir was gebracht ^^
LG Douleur
Ich fürchte mich vor dem Zerbrochenwerden nicht, denn ich zerbreche mich selbst dauernd.

Maybe the sky is really green, and we're just colorblind
Bart Simpson's Guide to Life

#4
Hallo meine lieben,

ich bin der festen ueberzeugung das ehrgeiz und essstoerungen im direkten bezug zueinander stehen. Ehrgeiz besteht in meinen augen sehr oft aus perfektionismus und den haben extrem viele von uns.
Mal ganz ehrlich, wer kennt das nicht, man steht morgens auf und ist positiv eingestellt, heute schaffe ich es, heute kotze ich nicht. Im idealfall sind schon alle mahlzeiten usw fertig, damit echt nichts dazwischen kommt (bei mir heute zB so. ein typischer "ich will es schaffen" tag), bisher lauft es sehr gut, muss ich sagen, aber ich kann genausogut sagen, das wenn heute etwas sehr enttauschendes unerwartetes passiert, der tag extremst umschlagen kann. A la: ich habe versagt in dem und dem bereich, jetzt ist auch alles egal. Und zack da ist der FA und das klo in greifbarer naehe. Wenn wir von uns selbst enttauscht werden wiegen wir das viel viel staerker, als situationen in denen wir stolz auf uns sein koennen. Bei einem Erfolg freuen wir uns evtl 5 minuten und vergessen ihn darauf hin schon wieder und sehen ihn nicht mehr als so wichtig an. Eine niederlage hingegen schleicht uns ewig nach und wir erinnern uns wesentlich oefter dran.

Da ich heute soweit einen recht guten tag habe, kann ich folgendes ueber mich sagen. Ich habe allen grund stolz zu sein auf mich. Und das selbst bei einem miserablen Abischnitt von 3,3 den ich gemacht habe.
Aber sehen wir es mal von der seite. Ich war auf der Hauptschule, wo das lernen nicht ansatzweise mit dem gymnasium zu vergleichen ist, wenn man dann seinen B abschluss macht und in die gymnasiale oberstufe geht, ist man trotzdem weit von dem standard derer entfernt, die immer auf dem Gymn. waren.
Klar, mein Abischnitt haette besser sein koennen, aber ich gebe zu das ich an 2 Baustellen gleichzeitig gearbeitet habe, und daher manchmal mehr lernen einfach nicht moeglich war. Ende der 11. habe ich mich entschlossen ins Ausland zu gehen nach dem Abi, also habe ich meinen schuelerjob an den nagel gehaengt und mir (glaubt es oder nicht) eine vollzeitstelle gesucht. Da habe ich dann nach der schule bis in den spaeten abend, manchmal nacht, hinein gearbeitet, um meinen sparstrumpf zu fuellen und mir einen sommerurlaub nach der 12. zu ermoeglichen. In diesem Sommer habe ich mich an einem Tag (von dem ich behaupten moechte mich noch an jeden Atemzug erinnern zu koennen) fuer das Land entschieden wo ich nach meinem Abi hinziehen wollte. Mein innig geliebtes Mexico. Am abend dieses Tages, lange nach dem ich meinen Eltern von meiner entscheidung mitgeteilt habe und sie gluecklich waren zu hoeren das ich meine entscheidung getroffen habe, habe ich meinen heutigen Verlobten kennengelernt. Anfangs habe ich die Situation natuerlich, bei aller verliebtheit, mit vorsicht genossen. Ich hatte angst mich in eine typische touristenliebe zu verrennen. Es stellte sich aber heraus das wir einfach nicht mehr ohne einander konnten, uns es geschafft haben fast ein Jahr lang jeden tag miteinander zu schreiben oder zu telefonieren (sorry, wie oft hab ich das jetzt schon erzahelt?????...100 mal und noch 1000000 male werden folgen wie ich mich kenne....).

Jetzt lebe ich hier auf der Karibikseite Mexikos seit nunmehr einem Jahr, habe einen wirklich erfolgreichen Job bei einem deutschen Immobilienmarkler gefunden, der mich weit aus mehr fordert als es die schule jemals kann, ich habe mich von der sekretaerin der sekretaerin stetig hochgearbeitet, regelmaessig mehr und mehr verantwortung bekommen und habe mitlerweile eine sehr gute Position in der Firma, zusaetzlich beginne ich jetzt im Verkauf, und habe seit mehreren monaten die Leitung der Werbeabteilung in der Hand.

Das mit einem 3.3 Abischnitt, und mit einem Haufen Mitarbeiter die alle Profis auf ihrem gebiet sind.

Ich will mich weder toll dastellen, angeben oder sonstwas, koennte ich auch gar nicht wenn man bedenkt wie oft ich heulend dasitze und mich fuer nen nichtsnutz halte, aber irgendwie tut es gut die lage grad mal ganz trocken zu betrachten.

Zusammengefasst ist mein leben ein Jahr nach dem 3.3 Abi so:
- Ich arbeite in einem top job in der Karibik
- Ich habe jeden Tag mit menschen aus der ganzen Welt zutun, und lerne durch jeden von ihnen unglaublich viel
- Ich habe verantwortung in meinem Beruf
- Ich habe mir eine 4. sprache in weniger als einem Jahr angeeignet
- Ich und mein verlobter haben eine nette kleine wohnung die mit viel muehe, arbeit und liebe gemuetlich eingerichtet ist und fuer mich mein nest ist in dem ich abschalten kann... und wir haben wirklich bei 0 angefangen.
- Ich habe einen eigenen Haushalt der absolut funktioniert, sei es kochen , waesche waschen etc etc, einfach alle hauslichen pflichten die ihr euch vorstellen koennt.
- Und ich hab den weltbesten verlobten, der mein staendiger halt ist, mein partner und mein bester freund im gleichen sinne.

Was ich mit dieser ewig langen geschichte eigentlich ausdruecken will ist, das ihr euch nicht an einem Notenstandard messen braucht.
Ein schnitt von 1.0, 2.0, 3.0, 4.0 sagt noch lange nichts ueber eure menschlichen Werte aus und wieviel und was ihr leisten koennt, wie erwachsen oder verantwortungsvoll ihr seid.
Das Abitur ist eine Hochschul-zugangsberechtigung, aber keine aussage darueber was ich als mensch wert seit oder was einmal aus euch wird.
- Das Schulsystem kann euch in jeden fall auf eurem weg helfen und ihn ebenso ebnen, es ist aber nicht fuer jeden der schluessel zum Erfolg. Ich kenne zum Beispiel Steuerberater die die absolute 0 in Mathe waren.... und heute regeln sie eure steuerrechtlichen angelegenheiten..... und das mit erfolg.

ok... ich glaub das war so lang und so klugscheisserisch das keiner es lesen wird... nehmts mir nicht uebel.

Hab euch lieb

#5
Hi!
Ich bin neu hier. Ich leide seit ungefähr einem Jahr an Bulimie! Ein Grund war mit Sicherheit auch mein übertriebener Ehrgeiz! Bin im Moment auch im Abi-Stress! Und deshalb gehts mir auch nicht so gut...
Auch vergleiche ich mich ständig mit anderen und denke immer wie unfähr es ist, wenn eine meiner Freudinnen besser ist. Etwas Neid ist ok, aber manchmal übertreibe ich und bemitleide mich, weil es mir so schlecht geht. Egal wie viel ich lerne, egal wie gut ich bin, nie bin ich zufrieden.
Wie geht es oder ist es euch während des Abis gegangen? War in dieser Zeit die Krankheit schlimmer?
Lg

#6
@ Colourful: Ich bin mir sicher, dass starker Ehrgeiz eine ES verstärkt/verursacht. Ich fühl mich auch schrecklich, wenn ich mal einen Tag nicht gelernt habe, auch wenn das jetzt streberhaft rüberkommt. Ich leide regelrecht darunter und dann lern ich bis in die Nacht hinein. Wenn die Note dann feststeht, dann bin ich nie damit zufrieden, es muss eben immer die 1,0 sein und wenn nicht, dann habe ich so richtig krass Lust darauf, mich mit Essen vollzustopfen und es bis zum letzten Rest auszuk**, als Strafe, dass ich nicht "perfekt" war. Leider bin ich es eben meistens nicht, und das verstärkt auch die Häufigkeit der FAs, wobei ja noch andere Dinge dazu beitragen, dass ich mich regelrecht oral "v*rg*wa*ig*",´weil ich immer zu versagen scheine.
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.