#15
von jen
hallo kimberly,
soll ich dir ehrlich sagen, was ich denke? auf diesem weg wirst du nicht gesund werden. du beschäftigst dich allein mit deinem gewicht, überlegst fieberhaft, wie du dein gewicht halten, bloß nicht weiter zunehmen kannst udn glaubst, wenn du das geschafft hast und wieder einigermaßen normal ( in deinen augen!) essen kannst, dann bist du gesund.
doch es geht nicht nur darum, kimberly. vielmehr solltest du der frage auf den grund gehen, warum du deiner meinung nach nicht zunehmen darfst, warum dir dieses dünnsein so furchtbar wichtig ist.
du sagst selbst, dass du untergewichtig bist. zugleich aber siehst du dich wie eine birne, was deutlich zeigt, was für eine gestörte selbstwahrnehmung du schon hast. du kannst gar nicht so aussehen. und dein "dicker" bauch, von dem du schreibst, wird wohl eher ein ganz normaler bauch sein. es liegt in der natur von uns frauen, dass wir um den bauch herum immer etwas runder sind. es ist eher unnatürlich, wenn man dort kein gramm fett erkennen kann. viele von uns hier haben eine problem mit genau dieser körperstelle, weil man dort am ehesten sieht, wenn man zugenommen hat, oder es eben selbst am frühesten bemerkt. und keiner stellt sich einmal die frage, warum wir das so empfinden. warum das so furchtbar schrecklich sein soll. nein, wir vergleichen uns mit den modells in irgendwelchen magazinen, die so flache bäuche haben, dass man sich fragen muss, ob das nicht auch schon krankhaft ist. wir vergleichen uns und meinen, auch so aussehen zu müssen. immerhin haben die erfolg und bekommen anerkennung. immerhin werden sie offiziell als schön bezeichnet. - doch halt! kann ich mir anerkennung und erfolg nicht auch durch etwas anderes verdienen als durch mein aussehen? und ist das dann nicht viel wertvoller? für unser aussehen haben wir nicht viel getan. vielleicht haben wir es geformt, aber von grund auf wurde uns eine gewisse äußere erscheinung mitgegeben, die wir einfach nur angenommen haben. für charakterzüge, eigene leistungen, engagement, etc. - dafür liegt die verantwortung bei uns. wäre es dann nicht viel erfüllender, für etwas anerkennung zu bekommen, das wir uns selbst erkämpft haben? etwas, das wirklich etwas bringt? das uns vielleicht eher nutzt als schadet?
auch ich habe einen kleinen bauch, wie wohl die meisten hier. und ich will nicht abstreiten, dass auch ich hin und wieder eine krise bekomme, wenn ich mich mal wieder aus der falschen perspektive betrachte. mich zu selbstkritisch sehe. doch im allgemeinen denke ich darüber hinweg zu sein. mein bauch ist ein teil von mir. er ist kein waschbrettbauch und hat vielleicht auch ein bisschen zuviel an fett, aber mein gott, ich sehe deshalb nicht hässlich aus. nein, ich denke, es passt zu mir, es sieht natürlich aus. und heute denke ich, dass es falsch ist, sich mit biegen und brechen ( welch ein wortspiel...) ändern zu wollen, nur weil man glaubt, sich hinterher besser zu fühlen.
weißt du, als ich noch so dachte wie du, da hatte ich auch untergewicht. als ich dann in die klinik kam, wollte ich um keinen preis zunehmen. ich hatte panik davor. so wie du auch, wenn du ehrlich bist. ich hatte auch kapiert, dass ich nicht mehr abnehmen durfte. ich war damit einverstanden. aber zunehmen?
die tage vergingen und so nach und nach begriff ich, dass es wichtig war zuzunehmen. schon allein, um diese panik zu bekämpfen, um zu sehen, dass nichts schlimmes passiert, wenn ich zunehme.
ich habe die klinik mit einigen kilos mehr verlassen - und mich seltsamerweise hübscher gefühlt als zuvor.
wenn ich dir eines auf deinen weg mitgeben möchte, dann die erkenntnis, dass es nicht immer auf die äußerlichkeiten ankommt, die unser innerstes bestimmen, sondern auf unser innerstes, das die äußerlichkeiten bestimmt.
wenn du superschlank bist und dich innerlich dick fühlst, dann wirst du das auch ausstrahlen, diese unsicherheit, unzufriedenheit. du wirst nichts besonderes an dir haben, auch wenn du etwas besonderes bist. du wirst es nicht ausstrahlen können.
siehst du nicht perfekt aus, fühlst dich aber innerlich sehr hübsch, werden auch die anderen denken "wow, sieht die toll aus". einfach, weil du es ausstrahlst.
und das sage ich nicht nur dahin, diese erfahrung habe ich mehr als einmal machen dürfen.
du fragst, ob es normal ist, dass du dann gleich so viel zulegst. nun, ich würde dich fragen, wieviel es denn ist, möchte es aber nicht, weil du selbst auch ein maß dafür bekommen musst. ich kann dir nur sagen "so viel" in deinen augen ist sicherlich "ein bisschen" in meinen. genauso wie das müsli, von dem du erzähltest. wenn das für dich schon sooo viele kalorien hat, dann brauche ich nicht weiterfragen, wie du dich ernährst. ein müsli ist was total gesundes, was jeder normale mensch auch mal zwischendurch ist. du fixierst dich auf die kalorien. und dann sagst du, dünn sein, heißt nicht gleich krank sein. das mag sein. aber in deinem fall stimmt das nicht. du bist dünn weil du krank bist.
wenn du wirklich gesund werden willst, musst du zunehmen.
du solltest dich jetzt nur einmal ernsthaft fragen, was dir wichtiger ist:
ein scheinbar perfekter körper oder dein leben?
lg, jen