Wie habt ihr euch "geoutet"?

#1
Hallo,
ich habe gerade ein bisschen nachgedacht und dabei mal wieder in meinem alten Tagebuch geblättert. Da, wo ich so richtig tief in der magersucht gesteckt hab und überhaupt nicht begriffen hab, was mit mir los ist. Um ehrlich zu sein, ich dachte, ich wäre normal und der rest der Welt würde zu viel essen. Allen Ernstes, das ist doch krank, oder? Naja, ich war ja auch krank...
Dann habe ich weiter geblättert, irgendwann war ich da, wo ich es begriffen habe. Das war in der 6. Klasse nach einer Sportstunde. ich war mal wieder umgekippt. Nach der Stunde ist meine Lehrerin zu mir gekommen und hat mir ganz ruhig erzählt, dass sie Angst um mich hat. Sie sagte, ich sei dünner geworden und sie hätte sich über Magersucht informiert. natürlich hat sie noch mehr gesagt, ist ja auch fast eine Stunde drauf gegangen, aber das interessiert jetzt nicht. Dann hat sie mir ein Buch in die Hand gedrückt und meinte, ich solle mal reinschauen. erstmal hab ich es drei Wochen zu Hause versteckt, weil ich Angst hatte. Irgendwann hab ich mich dann getraut. Ich hab es einfach mal durchgeblättert, zuerst vereinzelte Stellen gelesen und dann das ganze Buch. Ich muss sagen, es hat mich echt erschreckt, was die da geschrieben haben und so langsam wurde mir dann wohl bewusst, was geschehen war. ich hab es dann meiner allerbesten Freundin gesagt. Sie hat leider nicht gewusst, wie sie sich verhalten soll und hat sich zurückgezogen. Autsch, das tat weh! Mittlerweile wusste schon das ganze Lehrerkollegium Bescheid, wieder ein Schlag ins Gesicht. Aber da ich merkte, dass meine Sportlehrerin es offenbar fast allen erzählte, wollte ich es meinen Eltern selber sagen. ich hatte absolut null peilung, zu welchem Zeitpunkt. Einfach dann beim Abendessen ist es passiert. Meine Mom hat mich genervt und gesagt, ich solle endlich mehr essen. Ich schüttelte mit dem Kopf, mir kamen die Tränen, ich wusste, dass ich es ihnen nicht länger verschweigen konnte, ich musste es endlich sagen! "Warum isst du denn nicht?", diese Frage war zur Gewohnheit geworden. Aber diesen Abend gab es eine Antwort darauf. Ich habe den Dialog vorher stundenlang geübt, also wie ich es ihnen sagen würde, aber eben nicht, wann. "Ich kann nichts essen, Mom! Es geht nicht, ich kann einfach nicht.", war der erste teil. Ich wusste, was Mom sagen würde. "Aber warum denn nicht, mein Schatz?", genau, wie in meiner Überlegung sagte sie das. "Mom, ich kann nicht, ich bin krank. Ich habe Magersucht" und raus war es. Meine Eltern saßen da und haben mich einfach nur angestarrt. Konnten nichts sagen. Ich saß da und hab geheult. Wir haben nach einer Pause endlos lange darüber geredet, dieses ganze Warum-Zeug. ich weiß es doch aber selber nicht. Sie haben dann eigentlich super reagiert. Haben sich angeboten als Gesprächspartner, waren sozusagen Polizei (dein Freund und Helfer). Naja, wir haben uns geeinigt, dass sie es für sich behalten. ja, das haben sie dann auch. Wenigstens hatten sie nun eine Antwort darauf, warum ich nichts aß. Doch einen Tag später ist mein vater ausgerastet und hat mir erzählt, ich würde mir das alles nur ausdenken, um ihn zu ärgern. Seitdem habe ich kaum mit ihm geredet, es tut verdammt doll weh! Wir haben es vermieden, uns über den Weg zu laufen, ich war immer abweisend, wenn er versuchte, sich mir wieder zu nähern. Aber jetzt geht es wieder einigermaßen, da er es versteht. Seit ich in Thera bin...das ist gar nicht so lange her...die zeit war schwer, jaja...
Wie war es bei euch? Wie habt ihr euch "geoutet"? Wie haben die Leute reagiert?

Gruß, Trixi :?

#2
Ich bin im Sportunterricht zusammengebrochen. Nach dem 12 Minuten Lauf. Dann hat meine Sportlehrerin den Krankenwagen gerufen, weil ich nicht mehr aufgewacht bin.
Zu der Zeit hab ich seit einem halben Jahr gekotzt und bis dahin hat es niemand gemerkt, nicht mal mein Freund.
Der Notarzt hat mir dann etwas für den Kreislauf gespritzt und ins Krankenhaus gebracht.
Im Krankenhaus haben sie mir Blut abgenommen und die Ärztin hat in meinen Hals geschaut. Sie hat dann mit ein paar anderen Ärzten über mich gesprochen. In meinem Blut waren fast keine Elektrolyte, also Na, K und so. Dann hat sie mich gefragt, ob ich Bulimie habe und wie lange ichs schon mache. Dann hab ich voll angefangen zu heulen und sie hat mir alles erklärt, wies jetzt weitergeht und so und gesagt, dass das viele machen und es gut ist, dass ichs gesagt habe, weil um so früher ichs behandeln lass um so besser sind die Heilungschancen.
Ich musste fast zwei Wochen im Krankenhaus bleiben, bis die meinen Kreislauf wieder einigermaßen stabil hatten. Am Anfang wollte ich überhaupt nichts essen, aber eine andere Ärztin hat es immer wieder probiert und schließlich hab ich dann doch was probiert. Ich habs dann aber gleich wieder von alleine rausgekotzt, weil mein Magen überhaupt kein Essen mehr gewohnt war. Sie hat dann gesagt, dass das ganz normal ist. Ich war voll verzweifelt, weil ich endlich wieder essen wollte, aber ich konnte nicht.
Danach bin ich zur Therapie. Der Anfang da war echt hart, lauter neue Leute. Aber meine Therapeutin war echt nett.
In der ersten Stunde hat sie zu mir gesagt, ich soll mich im Spiegel anschauen und was ich sehe. Ich wollte mich nicht anschauen. Dann hat sie sich hinter mich gestellt und mich festgehalten und zu mir gesagt, dass sie ein hübsches intillegentes junges talentiertes Mädchen sieht, dass viel zu dünn ist und kein Selbstvertrauen hat und dass wir hier daran arbeiten werden. Das werde ich nie vergessen.
Wir hatten nur zwei Stunden die Woche Schule. Therapiestunden und einmal die Woche eine Untersuchung durch den Arzt mit wiegen und so. Ich war über zwei Monate bei der Therapie und gehe jetzt immer noch zu meiner Therapeutin. Ich bin froh, dass ichs geschafft hab, aber es ist immer noch ziemlich hart für mich, wenn ich Leute sehe, die das Essen nur so in sich hineinstopfen.