Wenn der Ozean alles mitreißt

#1
Hallo zusammen!

Es ist etwa ein Jahr her seit meinem letzten Beitrag und es soll nicht den Anschein erwecken , ich nutze das Forum nur als Kummerkasten, aber momentan weiß ich nicht wohin mit mir selbst.
In diesem letzten Jahr habe ich es tatsächlich geschafft, einen längeren Zeitraum clean zu bleiben. Nach meinem Uni-Abschluss habe ich diesen Januar beschlossen, vorrübergehend zu meinen Eltern zurückzuziehen. Einfach, weil ich mit dieser Zeit und den Räumen abschließen wollte. Es hat mich viel Überwindung gekostet, einen Schritt ins Zurück zu tun... aber ich habe auch diese unangenehmen Gefühle ausgehalten.

Nach emotionalen Ups-and-Downs ist es wieder passiert... ich habe mich übergeben. Zwar kann ich mir keine FA's mehr erlauben, weil meine Eltern da sind, dennoch erbreche ich heimlich nahezu jede Mahlzeit. Ich sage mir immer... "Die B gehört zu dir, ein lebenlang und solange ich keine Fressanfälle habe, ist es nur halb so schlimm". Dadurch habe ich einige Kilos abgenommen. Meine Mutter ahnt etwas, also ich denke es zumindest, weil sie manchmal so andeutungen macht wie "Ich dachte, sobald du zu uns ziehst, nimmst du zu .... stattdessen wirst du immer weniger". Natürlich versuche ich alles zu vertuschen und erbreche so leise wie möglich.

Wie dem auch sei... am 10.Juni ist meine geliebte Großmutter gestorben. Die Nachricht hat mich sehr getroffen. Während meine Mutter und mein Vater weinten, habe ich mich angestrengt meine Gefühle zu kontrollieren und nicht zu weinen.Es war mir peinlich. Ja es ist mir peinlich "mensch" zu sein.
Je mehr ich an sie denke, an ihr 3 monatiges Leiden, desto mehr wird mir klar, dass sie fort ist und ich alleine bin. Durch ihr Fortgehen habe ich aber auch Erfahren, dass ich durchaus Liebe empfinde. Ich habe sie gut gekannt, wenngleich ich sie nur wenig gesehen habe ( bei Ü 2000 km Distanz auch schwer möglich ). Ihr Tod kam unerwartet, weshalb meine Eltern auch nicht ihren Urlaub absagen konnten. Sie sind heute weggeflogen. Vor einigen Stunden bin ich von der Arbeit gekommen und zusammengebrochen. Gebrochen in mein altes Muster.
In den 5 h , die ich jetzt zurück bin, hatte ich so ziemlich einige FA's. Ich fühle mich elendig, ich schäme mich, dass meine Großmutter mich eventuell so sieht und ich einfach nicht weinen will. Es ist einfach furchtbar und ich weiß nicht wohin mit mir. Es ist als spüle das Meer der Traurigkeit meine ganzen Emotionen weg und es bleibt nur eine Leere.

Der einzige Trost der mir noch bleibt sind meine gepflanzten Dahlien, die exakt an diesem besagten 10. Juni ihre erste Blüte geöffnet haben. Das ist auch kein Märchen und ich glaube auch nicht an Schicksal,aber nach vielen Monaten des Wartens haben sie sich geöffnet und blühen sogar in Magenta, der Lieblingsfarbe meiner Großmutter.

Re: Wenn der Ozean alles mitreißt

#2
Hallo liebes Marsmädchen,

dein Beitrag hat mich sehr mitgenommen und berührt, und zuerst habe ich mich ein wenig gescheut zu antworten, weil ich befürchte kaum ein tröstendes Wort zu finden. Trotzdem wollte ich gerne antworten, weil ich deine Trauer und Verzweiflung sehr gut nachempfinden konnte. Du hast einen schweren Verlust gemacht und das tut so weh ( meine eigene Oma ist 86 und eine der wichtigsten Personen in meiner Familie, trotz des hohen Alters will ich gar nicht daran denken, wie es einmal ohne sie sein könnte)
....also erstmal mein ganzes Mitgefühl dir und deiner Familie!!
Wie geht es denn bei dir jetzt nach dem Studium weiter? Hast du Pläne für die Zukunft die dich vielleicht bald auf frische Gedanken bringen können? Im moment ist das sehr schwer bis unmöglich und das ist auch völlig okay finde ich.
ich weiss nicht ob ich das mit dem weinen und nicht weinen können/dürfen in deinem Beitrag so richtig verstanden habe, aber ich glaube dass weinen manchmal irgendwie ganz wichtig ist. Ich hab mich in so verzweifelten Situationen, in dene "der Ozean dann alles mitreißt" oft in einen Ozean aus Tränen ertränkt, sprich manchmal kann ich mich so einheulen, dass ich irgendwann gar nicht mehr weiss warum genau. Ich kann nicht sagen, dass es in schlimmen Situationen wirklich "hilft" aber dennoch war es irgendwie wichtig und macht einen dann so erschöpft, dass es bei mir Phasen der wilden Verzweiflung manchmal etwas beruhigt hat. Vielleicht ist es aber auch nicht dein Ventil, jeder Mensch ist ja anders....
Jedenfalls lange Rede...wollte ich dir von außen doch einfach mal ein bisschen Mut zusprechen, dass es doch irgendwann immer wieder ein bisschen bergauf geht, auch wenn man das momentan selbst kaum für möglich hält und denkt, dass es von außen leicht gesagt ist. Denn letztendlich kostes das viel Kraft, das weiss ich auch...aber trotzdem fühl dich mal gaaanz doll gedrückt und du wirst dich wieder besser fühlen...das weiß ich ganz doll!

Liebe Grüße von Schnuddel
Let me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about

Re: Wenn der Ozean alles mitreißt

#3
Hi liebe Schnuddel,

danke für deine lieben Worte und für dein liebes Mitgefühl. Sie waren auch sehr tröstend...

In den letzten Monaten habe ich für mich begriffen, dass Trost nicht einfach nur Trost ist und dass es elementar ist, seinen Mitmenschen welchen zu schenken, wenngleich es einem manchmal "sinnlos" vorkommt.

Vor einiger Zeit habe ich gegenüber meiner Mutter den Wunsch geäußert, ich möchte eine Ausbildung an mein Studium anschließen, weil ich es heute in der wirtschaftlichen Lage einfach sinnvoller und verlässlicher finde. Sie fand die Idee alles andere als gut und will , dass ich den Master mache. Ich habe mich diesbezüglich überall beworben und viel Energie in die Suche und Vorstellungsgespräche gesteckt. Jedenfalls haben wir uns gestritten und ich fing an zu weinen. Es war mir unangenehm, aber die Welle des Ozeans hat mich derartig mitgerissen, dass ich unaufhörlich weinte. Zum einen weil ich mich unverstanden fühlte, zum anderen weil ich dachte, alles falsch zu machen. Ich fragte sie , warum sie mich nicht einfach mal trösten kann oder einfach Mut zusprechen .... einfach so. Ihre Antwort darauf: Was bringt dir Trost? Einfach so trösten gibt es in unserer Familie nicht.

Von da an habe ich mich gefühlt, als wär ich der einsamste und trostloseste Mensch.

Ich habe es in meinem Beitrag zuvor unglücklich formuliert. Ich wollte weinen, habe mich in die Küche geflüchtet und meine Tränen unterdrückt, weil ich meine Schwäche nicht zeigen wollte. Weil es keinen Trost gibt.
Wenn ich mit mir alleine bin, dann weine ich sehr wohl und sehr viel. Die letzten Tage hat mich die B. das Fehlen meiner Großmutter und die Trauer betäubt.

Jedenfalls wollte ich sagen, dass du durchaus Recht hast, dass Weinen erleichtert, aber Reden bzw. Anvertrauen kann einem noch mehr die Last von den Schultern nehmen.

Ich mag auch nicht meine Eltern beschuldigen, dass sie mir nie einfach so (ohne grund) Mut zusprechen oder auf die Schulter klopfen und sagen "hej das wird schon" oder mir einfach ein Gespräch abnehmen. Ich rede sehr sehr wenig, wenn gar überhaupt nicht. Weder über Alltagsbelange noch über tiefgründigere Dinge. Das einzige worüber ich mich ausstausche, sind unpersönliche Sachverhalte oder Dinge der Kunstvermittlung. Was mir auch aufgefallen ist und vielleicht ist es ein Effekt des neuen Jahrunderts, istZeit für Gespräche, für Trauer etc. Es scheint, als wäre sie kostenpflichtig geworden. Mit meinen Freunden kann ich auch nicht reden, weil ich immer das Gefühl habe ihre Zeit ist limitiert und es ist wichtiger über neue Schuhe zu reden oder den neusten Tratsch auszuschlachten.

Und so türmen sich emotionale Blocks in meinem Inneren, die nur darauf warten gesprengt zu werden.

Herzlichst x
Zuletzt geändert von marsmaedchen am Mo Jun 16, 2014 20:39, insgesamt 1-mal geändert.