I want a perfect body, I want a perfect soul

#1
Hallo ihr Lieben.
Ich habe jetzt die 4 Jahre Bulimie voll, wow 4 Jahre. ICh hatte schon beim ersten Mal kotzen ein schlechtes Gewissen und wollte das NIEEEE wieder tun. Sah es als absolute Ausnahme an. Davor habe ich 4 Jahre streng mein Gewicht kontrolliert mit Zwangsport und extremst kontorlliertem Essen.

NAtürlich habe ich schnell die Kontrolle verloren, mein Leben ist mir damals entglitten, ich war am Ende und Essen war das Einzige was mich noch interessierte. Ich habe die Sucht gebraucht um zu überleben. Da ich immer viel gelobt wurde für meine Schönheit, wollte ich natürlich keinenfalls zunehmen. Trara willkommen in der Sucht.

Ich habe es in der Anfangszeit wirklich extrem praktiziert, überall und immer und ohne Skrupel. MEin steter BEgleiter war der Selbsthass. Ich habe nicht nur gekotzt, ich habe mich auch ansonsten schlecht behandelt. Ich habe zB oft meinen Kopf gegen die Wand geknallt.

Ich habe alles persönlich genommen, ohne mich zu verteidigen. Alles als Kritik angefasst, mein Herz hat durchgehend geschmerzt und ich habe mir immer gesagt, "Siehst du, du bist ein schlechter MEnsch, niemand liebt dich, du bist soooo scheiße und fett und hässlich..."

Irgendwie habe ich aber immer weiter gekämpft, ich habe studiert, mich im Job nach oben gearbeitet, meine Wohnsituation verbessert, schlechte Beziehungen beendet, Sport betrieben und neue Sachen ausprobiert. Ich habe weitergekämpft und es ist immer besser geworden.

Heute hab ich selten Rückfälle und wenn dann eher spontan und in einem überschaubaren Ausmaß, nicht geplant und nicht mit extra dafür besorgten Lebensmittel. Ich habe mir das immer so freigehalten, wollte nie ganz mir der Bulimie brechen, wer weiß für was ich sie noch brauche. Aber nun bin bereit, Ich brauche die Bulimie nicht mehr, sie hat keinen Platz in meinem Leben und ich will sie hier nicht mehr haben.

Wie sich mein Leben verändert hat:

Essen: Ich esse mittlerweile auf was ich Lust habe. Bin sowieso eher auf gesunde Sachen scharf. Langsam merke ich wieder was ich gern hätte. Oft habe ich noch schlechtes Gewissen, aber nicht mehr so lebensbedrohend. Ich schreibe auch jeden Tag auf was ich esse. Zum einen als Kontrolle, zum anderen weils mich intreressiert, schreibe da auch andere Eckdaten rein. Habe mein hormonelles Verhütungsmittel umgestellt und mein Körper hat verrückt gespielt, rein deswegen schreibe ich schon mit, um alles zu dokumentieren. Meinen letzten Rückfall hatte ich vor zwei Wochen. Bin oft wochenlang ohne FA und kotzen, hatte auch schon Monate ohne die Sucht.

Gewicht: Bin im NG. Nehme natürlich zu wenn ich mal n FA habe. Es ist für mich schon noch ungewohnt, aber ich kann gut damit leben. Auch wenn ich mir denke, dass es so bleibt, dann ists OK. Mein Gewicht verändert sich auch nicht wenn ich mal mehr esse. Natürlich schaue ich manche Kleider und Fotos nicht ohne Wehmut an, aber ich finde mich auch jetzt schön und würde keine großen Opfer bringen um meinen Umfang geringstmöglich zu halten.

Sport: Ich mache Sport wenn ich Lust habe und ich mache gern und viel Sport. Aber wenn ich jetzt mal fertig bin und tagelang nichts mache, dann ist das genauso OK für mich. Praktiziere verschiedene Sportarten, von entspannend, bis extrem anstrengend. Ich zwinge mich zu nix mehr, nur um meinen Körper im Zaum zu halten.

Gefühle: Ich bin wieder nahe bei mir. Kann sagen was ich will und was nicht. Ich bin nicht mehr so angepasst und wills jedem recht machen und jedem gefallen. Nein sagen, fällt mir nicht schwer.

Freunde: Habe wieder viel mehr Kontakte und gute Freundschaften. Fühle mich aufgehoben und habe viel Spaß und gute Gespräche. Endlich kann ich ich selber sein und suche nicht nach Bestätigung oder bin beleidigt weil eine erhoffte Reaktion ausbleibt. Früher habe ich mir erwartet, dass die MEnschen auf mich eingehen, meine Gedanken lesen und war so oft enttäuscht. Konnte auch nicht nein sagen oder Grenzen aufzeigen. JEtzt ist alles ausgeglichener, ich kann SChwächen zeigen und andere in ihrer Eigenheit akzeptieren und erfreue mich an der bunten Vielfalt menschlichen Verhaltens. Endlich kann ich auch wieder am Abend mit gehen essen oder frühstücken kommen ohne mein Müsli im Tupperware. Ich nerve auch nicht mehr wohlgenährte Freundinnen damit, dass ich mich darüber beschwere *kg zugenommen zu haben. Ich bin bestimmt greifbarer und menschlicher geworden und die Probleme die ich jetzt habe sind nachvollziehbar auch für andere. Für ich war *kg mehr ein schwerwiegendes Problem, wie zB eine schlimme Krankheit. Ich war dadurch wahnsinnig isoliert, meine Freundinnen sahen nur eine eh zu dünne Person und verstanden nicht wo das Problem lag. Sie dachten sich ich will sie verarschen oder beleidigen oder mich in den Mittelpunkt drängen. Ich hingegen konnte an nichts anderes denken und die Welt ist tatsächlich beinahe untergegangen. Man ist einfach so verdammt isoliert. Auch konnte ich niemandem nie wirklich sagen, wie schlecht es mir ging. Ich habe sogar essgestörte bzw. ehemalig essgestörte Freundinnen. Aber ich wollte nicht authentisch sein, sondern meiner Rolle gerecht werden.

Familie: Mit der Familie fängts an und dort liegt auch meist der Hund begraben. Ich merke immer noch wie mich bestimmte Themen aufwühlen und, dass der Kontakt mir oft nicht gut tut. Ich versuche es anzusprechen und auch meine Familienangehörigen zu akzeptieren und respektieren, mit ihren ganzen Fehlern und guten Seiten. Das fällt mir oft schwer, da ich mir von dieser Seite Sicherheit und Schutz wünsche, aber oft nicht bekomme. Ich bin selbst Mutter und versuche der Rolle gerecht zu werden. Allein deshalb will ich schon nicht mehr mein Essen kotzen und vor dem Spiegel stehen und sagen, dass ich fett bin und hässlich. Ich würde mein Kind auch lieben wenn es dick wäre, aber das würde es mir bestimmt nicht glauben, wenn es sieht mit wieviel HAss ich meinem Spiegelbild "Du fette Sau" entgegenschmettere.

Männer: Ich bin Single und das ist gut so. Ich habe es nach dem Beziehungsende zum Vater meines Kindes immer mal wieder versucht. Hatte eine längere Beziehung, zwei sich anbannende Beziehungen und einige Affären. Ich werde dauernd angebaggert und die Männer mögen mich ziemlich gern. Da ändert auch das Mehrgewicht nichts dran, eher im Gegenteil.
Meine Beziehungen haben immer dazu gedient meine Komplexe zu bedienen. Die Partner, außer einem vielleicht, waren nicht passend. Meistens haben sie mich aus rein oberflächlichen Beweggründen (schön, lustig, unbeschwert, locker,...) ausgesucht und nicht weil sie sich wirklich mit mir befasst haben und ehrliches, tiefes Interesse vorhanden war. Sobald sie dann dahintergeblickt haben, dass nicht alles eitel Sonnenchein ist, ich schlecht drauf, Alltag stressig, kleines Kind nervig, wars dann vorbei mit der Bewunderung und Huldigung.
ICh habe die Beziehungen dann auch direkt oder indirekt (Aufzeigen von Grenzen und kein Abrücken von der Position) beendet. Ich bin jetzt soweit, dass ich das einfach lassen will, solange ich nicht bereit bin und ich habe einfach keine Lust und keine Nerven mehr für unverbindliche Männergeschichten hinter denen ich nicht stehe. Mein Exfreund ist leider richtig krank und hat einiges in mir zerstört. Er hat mich erniedrigt, manipuliert, geschlagen, v*rg*wa*ig*,... Ich wollte mir immer meinen Wert über Männer holen, mich dadurch bestätigen. JEtzt bin ich soweit, dass ich mir sage, ich bin mir zu schade dafür. Gerecht werden muss ich mir selber, was irgendwelche Männer davon halten, beeinflusst mein Denken und Handeln nicht mehr. Ich bin auch unaufrichtig gewesen, weil mich die Männer auch nicht wirklich interessiert haben. Ich wollte einfach nur Aufmerksamkeit und Bewunderung. Niemanden der meine Fehler sieht und damit leben kann und mich so nimmt wie ich bin, auch mal kritisiert und zusammen Probleme bewältigt. Ich habe mir immer jemanden gesucht, der mich idealisiert und meine Fehler totschweigt und Kritik genauso wenig austeilen als auch einstecken kann.

Es hat mich viel Kraft gekostet soweit zu kommen. Ich bin momentan auch richtig fertig. Ich bin müde und energielos. Trotzdem weiß ich das Leben ist schön und ich bin stolz und froh und möchte gesund sein und bleiben und vieles erleben. Früher wollte ich nur dünn sein, kompromisslos. Ich hätte alles geopfert. Ein Leben lang habe ich gegen mich selbst gekämpft und für das Bild nach außen gelebt. Ich wollte immer alles. Dünnsein und fressen. Rebellieren aber von jedem gemocht werden. Mit der eigenen Induvidualität jeden begeistern. Exklusiv aber angepasst leben. Nehmen ohne zu geben. Wahrgenommen werden ohne mich zu zeigen. Auffallen aber bitte nur wohlwollend wahrgenommen werden.

Jetzt möchte ich einfach nur mein Leben leben. Man kann nicht gegen Drachen kämpfen und gleichzeitig dem Kind die Nase putzen. Gesundsein steht für mich ganz oben, wenn die Lieblingsjeans jetzt für ne Weile oder für immer im Kasten ganz unten, ganz hinten ihr Dasein fristen muss, dann nehm ich das gerne in Kauf. Auch die Bulimie soll in der Vergangenheit bleiben, immer weiter zurückfallen und in Vergessenheit geraten. Sie passt mir nicht mir!

Re: I want a perfect body, I want a perfect soul

#3
WOW
Also als ich den Titel gelesen habe, hätte ich nie gedacht, dass du schon soo weit bist, weil der perfekte Körper im Titel an erster Stelle steht :-)

Finde es sehr beeindruckend was du schreibst, du bist unheimlich weit gekommen und ich finde es gut, dass du noch weitergehen wirst. Es wird sicherlich noch ein paar Stolpersteine geben, aber du bist so wie ich das lese hier auf dem richtigen Weg.

Mir hat bezüglich Beziehungsmuster erkennen das Buch "Wenn Frauen zu sehr Lieben" weitergeholfen, dass kann ich jedem empfehlen. Ansonsten weiter so :-)

Re: I want a perfect body, I want a perfect soul

#4
Vielen lieben Dank ihr Beiden!

Das was sich so schön liest, ist ein ewig langer Prozess, der wie du, liebe Flieder_, treffend bemerkt hast noch nicht abgeschlossen ist. Das wird einfach mein ganzes Leben ein Thema bleiben. Und ich habe hart gekämpft und Monate geweint und gelitten.

Aber ich habe jetzt einfach beschlossen glücklich zu sein.

Ich bin 30.

Danke für den Buchtipp :-)

Die Frage ist ja was man unter perfect body versteht, die von den Medien vorgegebene ausgezerrte, gephotoshoppte Modelfigur oder deinen, eigenen, individuell geformten, gesunden Körper, der dir ermöglicht dein Leben zu leben und zu gestalten so wie du es willst.