Das Leben gar nicht mehr mitbekommen- bin ich die Einzige?

#1
Hallo hallo,

ich hab schon lange nichts mehr geschrieben... es hat sich nichts geändert ...

Ich habe mich gestern Abend/Nacht noch während eines FA (...) hier durchgelesen und es hat mir doch ganz schön gut getan im Thread "Peinlichkeiten" zu sehen, dass ich wohl doch nicht die Einzige bin, die all diese beschämdenden, schlimmen, verrückten, kranken Dinge tut... Sachen nachkaufen, wieder essen, wieder nachkaufen, früh morgens den Wecker stellen, Bad sauber machen und hoffen, man hat alles aber auch wirklich alles beseitigt, hoffen dass niemand etwas hört, feste Kuchenglasur essen ... hab ich auch alles durch.

Aber sagt mal, es hat sich ganz oft so angehört, als würden sich viele so mit ihrer ES arangiert haben, so als würden sie daneben noch am Leben teilnehmen. Bei mir ist das leider gar nicht so. Ich habe das Gefühl alles zieht seit Jahren(!) an mir vorbei, ich versuche zu funktionieren... es ist alles auf die Sucht ausgelegt, ich kann dann auch gar nicht mehr an was anderem Spaß haben, mich was anderem öffnen, weil alles was dann irgendwann so übermächtig da ist, dieser Fressdrang ist... einfach schrecklich ...

Also bei mir ist das auch JEDEN Tag Bestandteil meines Tages. Also wirklich einfach jeden Tag. Und so ein FA zieht sich auch über Stunden... :cry: :cry:

Wie ist das bei euch? "Lebt" ihr auch so?

Liebe Grüße
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Re: Das Leben gar nicht mehr mitbekommen- bin ich die Einzig

#2
hallo!

nein, das verhalten das du beschreibst kenne ich auch. bei mir schwankt es allerdings sehr, ich habe im laufe der jahre viele verschiedene phasen durchgemacht die sich auch immer mal abwechseln. momentan z.b bin ich in einer sehr passiven phase. das heisst, ich übergebe mich zwar wenn die möglichkeit besteht, aber wenn sie nicht besteht, dann lass ichs bleiben. das ist nicht immer einfach, aber es ist zumindest irgendwie -machbar-. ich kann also einem geregelten tag nachgehen, mit dem partner mal eine kleinigkeit essen etc. natürlich ist es immer irgendwie präsent, aber eben auszuhalten.
dann gab es da phasen, da rannte ich den ganzen tag zwischen küche und bad hin und her, ging mehrmals täglich einkaufen, kroch abends erschöpft ins bett und fing am nächsten tag wieder an, sagte alles mögliche ab weil ich kein geld hatte oder einfach lieber gefressen habe, ich litt an schweren depressionen und konnte an gar nichts anderes mehr denken.
dann gab es phasen, in denen es eher anorektische bulimie war, ich verzichtete also so weit wie möglich auf essen, nahm aber mit familie und freunden gezwungenermaßen mahlzeiten zu mir, die ich meist heimlich mit den wildesten ausreden wieder loswurde. dieses verhalten hat mich z.b auch wieder sehr im alltag beeinflusst, weil essen wieder absoluter stress für mich war und sich alles nur ums hungern drehte und die frage, wo werd ich das essen wieder los... man stritt mit dem partner, mit der familie, sogar mit kollegen..

es ist also alles dabei gewesen bzw es wechselt immernoch hin und wieder. es gibt zeiten, da lebe ich geradezu für und durch die störung, und dann gibt es zeiten, da lebe ich neben ihr her.

Re: Das Leben gar nicht mehr mitbekommen- bin ich die Einzig

#3
um ehrlich zu sein, ist es mir ein rätsel, wie man der in fachbüchern so gern gebrauchten beschreibung "die bulimikerin wahrt den schein, ist schlank, ehrgeizig und erfolgreich" oder so in der art, gerecht werden soll.
für mich ist diese krankheit, ähnlich wie bei dir, absolut nicht mit einem normalen-, oder gar erfolgreichrn leben zu vereinbaren. ich vernachlässige alles, alles geht unter in einem strudel aus einkaufen, fressen, kotzen, wieder einkaufen...zwischendurch packt mich dann das schlechte gewissen und die abscheu vor meinem körper, sodass ich die nächsten drei tage damit beschäftigt bin, akribisch ein paar lächerliche kalorien zu zählen, die ich in dieser zeit esse. und dann gehts wieder von vorne los. aber platz für ein normales leben? nö.
ab und zu treffe ich mit einer freundin. aber nur während der drei provisorischen hungertage zur gewissenberuhigung.
zuerst war mein stundenplan auf drei tage in der uni ausgelegt. inzwischen ist er auf einen tag geschrumpft. und selbst das ist mir zu viel.

irgendwie ist das hier nicht gerade konstruktiv. aber wenn es dir schon hilft, zu wissen, dass du nicht die einzige bist...dann gern geschehn ;)

LG

Re: Das Leben gar nicht mehr mitbekommen- bin ich die Einzig

#5
Hallo,
eher während der Ms konnte ich beides...in der heftigen B-Phase nicht mehr, als die Ms dann aber nach mehreren Jahren auch stark wurde und ich dauernd umgekippt bin, ging gar nichts mehr. Weder beruflich noch sonstwie. Erst jetzt wieder, aber ich merke immer noch, dass so vieles an mir vorbeiläuft. Erst am Freitag ist mir aufgegangen, es gibt ja Farbzeugs, das man der Wäsche beifügen kann, damit die Farbe aufgefrischt wird. Solche Dinge waren niemals in meinem Kopf, ich wäre nie drauf gekommen, dass man es tun könnte, dass ICH es tun könnte, ich hatte keinen Platz in meinem Kopf für diese Dinge. Auch jetzt noch nicht wirklich, obwohl inzwischen schon jede Menge anderes als die Es in meinem Kopf ist. Ich sah es auch nur, weil ich Waschmittel für Reisen gesucht hatte. Mal schaun, ob ich es mir wirklich mal zulege, und ausprobiere. Die Welt kann ganz schön erstaunlich sein. Solche Erlebnisse habe ich immer wieder mal.

Aber was wirklich so ist, und ich ja nie glauben konnte: Je mehr die ES geht, umso mehr kommt das Leben rein. (Was aber nicht heißt, dass andere blöde Dinge ebenfalls gehen, das leider nicht. Und ich weiß immer noch nicht, ob es mit ES nicht doch besser ist - abgesehen davon, dass dann Ärzte Stress machen und einem noch mehr die Kontrolle klauen!)

Tine

Re: Das Leben gar nicht mehr mitbekommen- bin ich die Einzig

#6
Hallo Tine!
Ohne die MS jetzt beschönigen zu wollen, aber ich habe auch so oft den Eindruck, dass ich mein Leben viel eher im Griff hatte, als ich noch magersüchtig war. Ärzte haben mir ständig gedroht "wenn sie nichts ändern, können sie ihr Studium vergessen, da brauchen sie gar nicht erst hinzugehen...". Und ich konnte mir überhaupt nicht erklären, wie man dazu kam, mir solche Dinge zu sagen. Ich dachte nur "seht doch her, ich kriege doch alles hin, WAS wollt ihr von mir?". Und es war auch so. Ich meine, im Nachhinein erkenne ich schon, wie sehr ich mich dafür gequält habe, dass ich furchtbar unglücklich war ( das bin ich aber immer noch), dass ich einfach nur mein Programm abgespult habe, ohne wirklich zu leben. Aber ich habs halt gemacht. Ich habe wenigstens irgendwas gemacht. Wenigstens das "Pflichtprogramm" konnte ich zufriedenstellend erfüllen. Es hätte mich, früher oder später, ruiniert, schon klar. Aber es hat sich, für mich, trotzdem erträglicher angefühlt, als das, was jetzt ist.
Jetzt geht gar nichts mehr. Ich bin nicht mal mehr in der Lage, das aller Nötigste zu tun. Ich bin ohnmächtig, kann mich zu nichts mehr aufraffen, kriege nichts mehr mit.

Bei deinem Wäschebeispiel musste ich schmunzeln :) . Eine ähnliche Erleuchtung hatte ich letztens, als mir wieder "eingefallen" ist, dass man sich seine Haare ja tatsächlich auch schneiden lassen kann, anstatt sich einfach mit dem Spliss zu arrangieren ^^. Dass ich wirklich zum Friseur gehen könnte, um der Sache Abhilfe zu verschaffen.


Die ES geht und mehr Leben kommt rein? Ich gebe zu, es fällt mir schwer das zu glauben. Nicht, weil es so schwer vorsellbar wäre. Macht ja durchaus Sinn. Das etwas Altes zunächst weichen muss, damit etwas Neues kommen kann. Bloß, wenn das Alte geht, warum sollte das Neue automatisch dessen Platz einnehmen? Muss man sich nicht wenigstens um das Neue bemühen? Und wenn man das nicht tut, z.B. weil man nicht wüsste, wie, ist das Ergebnis nicht zwangsläufig ein riesen Loch, das bleibt?
Oder muss vielleicht doch schon ein wenig des Neuen da sein, bevor das Alte weichen kann, damit eben keine Löcher entstehen?

LG
Zuletzt geändert von Flicker am Mo Jun 02, 2014 10:08, insgesamt 3-mal geändert.