Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#1
Hallo ihr Lieben,

ich will mich heute mal mit dem Thema wiegen auseinander setzen.
Ich habe mich zunächst mehrmals täglich gewogen, dass nun erfolgreich auf einmal die Woche reduziert. Aber auch dieses einmal die Woche beeinflusst mich immens...

Hab ich ein "schlechtes" Ergebnis fühle ich mich die Woche fett, mag mich nicht. essenstechnisch, hab ich eine jetzt ist es eh egal Einstellung, oder eine jetzt muss ich mich aber mehr am Riemen reisen Einstellung
Hab ich ein "gutes" Ergebnis, fühle ich mich wohl, es führt aber essenstechnisch häufig zu dem sich belohnen wollen, oder jetzt kann ich mir die FA ja "gönnen", bzw. jetzt ist ne FA nicht so schlimm und so weiter...

So oder so die Zahl beeinflusst mich stark... sie lenkt meinen Blick wieder weg von dem wie ich mich wirklich fühle... und doch kann ich es nicht lassen und wiege mich an meinem Wiegetag dann auch gerne mehrmal, mal mit mal ohne Hose und so weiter...

Aber warum spielt die Waage so eine Rolle?

- Sie gaukelt Kontrolle vor. Ich kann durch meine Handlungen das Ergebnis auf der Waage kontrollieren (Hose aus Hose an) [dabei verschwimmt die Realität, dass sich an meinem Speckgehalt ja auch nichts wirklich ändert]

- Sie zeigt mir an ob ich mich gut fühlen „darf“ weil ich ja einen objektiven Beweis für „gutes“ Handeln habe (essen, sport, bla bla ) habe in der vergangenen Zeit.

- Sie dient als Alarmanlage für zu krasses FA-Verhalten, krasse Zunahmen in kurzer Zeit werden vor Augen gehalten, Notbremse wird so eher aktiv und FA-Verhalten wird unterdrückt, oder anders kompensiert (Probleme werden aber immernoch nicht beweltigt, denn wenn wieder ein ok ergebnis auf der Waage ist kommen die FAs auch wieder)

- Sie sorgt dafür, dass ich mich wieder mehr auf eine Zahl fokussieren kann. Ich kann so wieder meine Gedanken um essen, sport, kcals kreisen lassen und muss mich nicht mit anderen Problemen beschäftigen (ist positiv ausgedrückt, aber nicht unbedingt so gemeint)

- Dokumentation von Erfolg bei Abnahme, darauf kann man stolz sein


Warum brauche ich diese Zahl?
Wenn ich mich „gut“ ernährt habe, mich gut fühle schätze ich ab welcher Zahl auf der Waage mein Wohlempfinden gegenübersteht...
Ist bei mir ganz komisch vielleicht hat das ja noch jemand.

Beispiel:
Sagen wir ich wiege zunächst 15 Karotten. Die Woche war gut, ich hatte keine FAs ich hab mich ok ernährt n bisschen Sport gemacht und ich fühle mich ganz gut. Dann kommt der Wiegetag und ich schätze ab in wie fern mein Wohlbefinden sich auf der Waage widerspiegeln wird. Also schätze ich jetzt sind es bestimmt 14 Karotten.
Ist das Ergebnis 14 Karotten ist alles gut. Sind es 13 bin ich euphorisch und es kommt in der kommenden Woche zu mehr Fas (weil man kann es sich ja gönnen) ist es aber bei 15 oder gar 16 Karotten, zweifle ich an mir selbst... wie konnte ich nur glaube, dass ich mich wohl fühle... etc.....

Dabei ist es doch quatsch...
An meinem Gewicht hat sich vor und nach dem Wiegen nichts geändert, aber an meinem Empfinden und an der Art wie ich mich sehe (attraktiv oder fett) dagegen so einiges...


Wiegen oder nicht wiegen
Ich habe zunächst überlegt mein Wiegen nun auf alle 14 Tage zu beschränken, aber eigentlich ändert sich dadurch nichts an meinem Verhältnis zu den Zahlen auf der Waage. Ich werde dann nach 14 Tagen trotzdem die Zahl mit dem „Wie wohl darf ich mich fühlen“ abgleichen und das wird dann meine 14 Tage beeinflussen...

Ich überlege also jetzt den krassen Schritt zu gehen und meine Waage absolut zu verbannen...

Ich habe davor aber Angst. Meine kleinen Gedanken dazu:
Ich habe Angst die Kontrollfunktion der Alarmanlage zu verlieren... „was ist wenn ich immer mehr verfette und es nicht auf der Waage sehe und dadurch mich nicht zügeln werde und darum immer mehr und immer mehr fett werde?“

Ich kann mir auch die andere Seite vorstellen, wenn ich ne gute Zeit habe dann will ich die positive Zahl sehen, wie eine Belohnung... "yeah du hast es geschafft es geht dir besser..."

Das hält mich von dem radikalen Schritt ab...
Ich denke nicht das wiegen per se böse ist, aber im Moment verknüpfe ich damit die falschen Empfindungen und darum ist es für mich kontraproduktiv....

Wenn ich mir nun aber vornehme mich NICHT mehr zu wiegen... sagen wir so min. 1 Jahr... dann weiß ich nicht, ob das nicht eine zu große Überforderung für mich ist, kann ich das durchhalten?

Ich glaube das ist der richtige Schritt, ich darf die Zahl nicht sehen... aber es ist ein so großer Schritt....

Hab Angst davor...
Dann muss ich ja selbst entscheiden ob ich mich wohl fühlen darf (ein bisschen Selbstironie muss sein ;-)

Was sagt ihr dazu? Hat jemand von euch sowas schonmal gemacht?

LG
Flieder

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#2
ich hab aufgehört mich zu wiegen weil es einfach täglich meine stimmung beeinflusst hat und es mich fertig gemacht hat zu sehen das ich zugenommen habe .. allerdings habe ich das gefühd das ich die kontrolle vielleicht nicht ganz so krass verloren hätte wenn ich den gedanken an mein gewicht noch hätte. für mich ist es unvorstellbar mein gewicht jetzt zu sehen und ich glaube es würde mich förmlich umbringen weil ich weiß das noch einiges dazu gekommen ist, obwohl ich natürlich nur schätzen kann. ich kann mich einfach nicht dazu überwinden mich zu wiegen aber es hat auch das gute das ich nicht mehr so krampfhaft daran denke was wohl die waage sagt sondern eher auf das spiegelbild achte (was mich leider zurzeit auch nicht erfreut) und mich nicht mehr ganz so abhängig von einer zahl mache grade wenn es um die laune geht ..
pain is inevitable, suffering is optional.

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#3
Hallo!

Ich war auch schon oft total an die Waage gefesselt. Morgens wiegen, nach dem k* wiegen, nach dem Pipi machen wiegen usw. Dass sich dadurch meine Laune hob oder senkte, wie Du es schreibst, kenne ich...

Trotzdem habe ich es mir irgendwann vorgenommen, mich nicht mehr zu wiegen. Am Anfang waren schon das Verlangen oder Ausrutscher da. Aber mit der Zeit habe ich es einfach vergessen, mich zu wiegen :wink: und wenn ich daran dachte: Dann tat ich es einfach nicht - man hat schließlich noch anderes zu tun.

Dennoch fand ich immer wieder (aber immerhin nach Tagen oder manchmal Wochen) zur Waage zurück und war wieder voll drinnen im Wiege-Zwang.

War irgendwie immer so ein hin und her in der Zeitspanne von meinem 14. bis 23. Lebensjahr.

Aber es geht schon - es gibt auch ein Leben ohne Waage :-X)) "Einfach" mal durchziehen.

lg
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#4
Ich habe mich auch immer gewogen und die Zahl sagte mir dann ob ich mich gut fühle oder nicht... Ich habe mein tag von einer verdammten Zahl abhängig gemacht.

Die Therapeutin sagte mir dann mal ich solle es lassen.... ich soll mich nicht mehr wiegen.... Panik.... ein wirr warr hat das ausgelöst... Tage habe ich darüber nachgedacht..... Bis ich einmal aufgestanden bin, mich eigentlich gut gefühlt habe und mich dann gewogen habe.... Tja, die Wage sagte aber dass ich zugenommen habe! Mein Tag war am arsch und dann ist es mir eigentlich bewusst geworden! Wieso soll ich mich noch wiegen, wieso lass ich mir mein Tag wegen so ner Scheisszahl kaputt machen. Ich bin ja nicht dünner nur weil sie jetzt weniger anzeigt! Und niemand sieht 300g oder sogar 2000g!

Gut, ich bin mal abends zu einem Fluss gegangen und habe schön kerzlein angezündet, auf eine Brücke gestanden und die Drecksschlampe in den Fluss geworfen!

Jetzt stehe ich ab und zu noch im Fitnesscenter auf die Wage, aber meistens schaffe ich es vorbei zu laufen.

Es ist am Anfang immer schwierig auf so etwas zu verzichten und vorallem unvorstellbar. Es löst Angst aus und entsetzten, "hei das geht doch nicht" und nach einiger Zeit merkt man es geht ganz gut!

Das gleiche war mit so einer Scheissapp... Ich habe dort immer schön brav mein Essen eingetragen, und wenn ich dann die Kohlenhydratanzahl überschritten habe hat es zum Teil FA ausgelöst. Meine Therapeutin hat mir dann befohlen es zu löschen. Panik "ich kann doch mein App nicht löschen, gehts noch" oh doch das geht, habe es dann gelöscht und jetzt überleg ich mir nicht mehr ob ich schon zu viele Kohlenhydrate gegessen habe. Klar weiss ich es noch ein bisschen, aber es stört mich nicht mehr so!

Tut gut, dass hier zu schreiben... ich mache Fortschritte....:-)
ich bin streng und böse- keine Angst, nur zu mir!

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#5
Vielen Dank für eure Antworten, die haben mir wirklich weitergeholfen.
Es tut gut zu hören, dass Andere ähnliche Erfahrungengemacht haben.

Und das es Leute gibt, die sagen, dass es sogar ein Leben ohne Waage gibt :shock: ^^
Ich hab das nun angefangen. 2 Wochen lang und es waren herrliche 2 Wochen...
Dummerweise waren es so herrliche 2 Wochen, dass ich irgendwann wieder mit dem dummen Ding geflirtet habe... ich wollte bestätigt sehen, dass es mir gut geht in einer Zahl... und das Ergebnis ist, dass es mir seid dem wieder schlecht geht ich zich FAs hatte... Es gibt natürlich für die FAs auch noch andere Gründe, aber die Waage ist ein Teil davon...

Zur App, die hatte ich bestimmt auch xD, die hat mir ne Zeitlang auch geholfen, wurde dann aber zu nem Störfaktor und damit gelöscht ^^

Ich muss noch eine Lösung mit der Waage finden...
Ich kann mich auch wenn ich es will nicht von einer Zielzahl lösen, da wo ich hin will....
Aber ich muss umdenken, ich muss mehr im Jetzt sein. Mich jetzt zurecht machen und gucken, dass es mir gut geht...
Dazu gehört jetzt die Waage in irgendeiner Weise loszuwerden...
Aber ich kann das Ding leider nicht in einen Fluss werfen, wüsste nicht wie ich das meiner Mitbewohnerin erklären könnte, auch wenn ich glaube, dass wäre auch für mich die beste Lösung.

Also dann CoCo frei nach dem Motto "enfach mal durchziehen" ;-) in den nächsten Tag starten
Gute Nacht ihr Lieben

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#7
Hallo Piggi,
ich musste eine Weile darüber nachdenken... aber ich glaube du hast für mich recht piggi.
Ich habe mich am Anfang mehrmals täglich gewogen und habe es geschafft das auf einmal die Woche zu reduzieren... ich habe daraufhin beschloßen es komplet zu lassen, aber ich glaube ich bin noch nicht so weit. Dennoch habe ich es geschafft es 2 Wochen zu lassen und das ist ja auch schonmal was... ach ich weiß auch nicht.

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#8
Flieder_ hat geschrieben: Dennoch habe ich es geschafft es 2 Wochen zu lassen und das ist ja auch schonmal was... ach ich weiß auch nicht.
also ob jetzt das die Lösung für dich ist oder nicht, du wolltest es und hast es geschafft...... das ist super.... wie du dich jetzt entscheidest kannst du morgen entscheiden, heute freude haben dass du es zwei wochen geschafft hast! super...
ich bin streng und böse- keine Angst, nur zu mir!

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#9
Aaaalso...
...Ich habe seit langem Bulimie und es fällt mir sehr schwer aus meiner ES rauszukommen, trotz Ernährungsberatung, Gesprächstherapie und Ergotherapie. Ich habe mich 3 Jahre lang jeden Tag gewogen und ich konnte mir nicht vorstellen es einen Morgen mal sein zu lassen. Meine Therapeutin und meine Ernährungsberatung haben mir immer wieder gesagt dass ich das Wiegen zumindest reduzieren soll und nicht die Waagen benutzen soll, die sogar Kommastellen anzeigen. Natürlich habe ich es trotzdem immer wieder gemacht und kam auch nicht mal auf den Gedanken es nicht zu tun! Ich habe mir gedacht dass das auch nicht viel ändert!

Da ich mit meinem Freund zusammen lebe und er von meiner ES weiß, bekommt er sämtliche Handlungen welche mit der ES zusammenhängen mit. So auch das neurotische Wiegen! Eines Morgens gehe ich ins Bad und die Waage ist einfach weg! Ich wurde unglaublich sauer, unsicher und nervös. Er hat sie einfach weggeschmissen! :shock:
Die ersten Tage waren hart ABER das ganze ist jetzt 3 Monate her und ich wiege mich nur noch bei meinen Eltern (ca. alle 2 Wochen), wenn überhaupt. Es hat bei mir wunder bewirkt. Mein ganzer Tag wurde von dieser blöden Zahl bestimmt. Was kann ich essen? Kann ich überhaupt essen? Sehe ich heute schön aus? Was kann ich anziehen? Die enge Hose oder doch lieber die Weite? Bin ich heute gut gelaunt und extrovertiert (so wie früher) oder bin ich heute still und meide den Kontakt zu Menschen?
Das habe ich jetzt alles nicht mehr! Jetzt mache ich das nach Gefühl. Klar an manchen morgen fühle ich mich furchtbar (z.B. wenn ich abends gegessen habe) und ja dann ziehe ich auch weite Klamotten an, aber das schlechte Gefühl bleibt nur so lange bis ich unter Menschen bin und merke, dass die das gar nicht sehen geschweige denn interessieren.

Fazit: Mir hat es sehr geholfen einen Schritt näher an das Ziel "ES besiegen" zu kommen! Auch wenn es am Anfang schwer ist und Überwindung kostet, macht die Waage kaputt und haut das Ding in die Tonne! (und nicht wieder rausholen und reparieren :lol: )

Liebe Grüße
Um ein großes, weit entferntes Ziel zu erreichen, teilt man sich den langen, harten Weg dorthin am besten in kleine Ziele auf!

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#10
Hallo ihr beiden,
ich glaube auch das mir das unheimlich weiterhelfen könnte, wenn das Ding nicht mehr da wäre... aber ich hab ne Mitbewohnerin was soll ich der sagen, wenn das Ding weg ist? Kaputt, dann kauft sie halt ne Neue...
Im Moment schiebe ich das Ding immer GANZ weit unter den Schrank, sodass ich es auch nicht mehr sehe wenn ich im Bad bin... daran merke ich aber nun, dass sich meine Mitbewohnerin häufiger wiegt als ich gedacht hätte xD...
Im Moment will ich mich nicht wiegen, weil ich Angst vor mir habe, nicht vor der Zahl selbst, sondern von dem was die Zahl mit mir macht.

Ich danke dir Annika für deine lieben Worte, die haben mir weitergeholfen durchzuhalten :-)

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#11
Flieder_ hat geschrieben: Im Moment will ich mich nicht wiegen, weil ich Angst vor mir habe, nicht vor der Zahl selbst, sondern von dem was die Zahl mit mir macht.
Das kenne ich. Ich will mich jetzt grade auch nicht wiegen. Ich weiß dass ich zugenommen haben (irgendwann merkt man dass ja), und ich weiß, genau so wie du, nicht was passiert wenn ich die neue Zahl sehe! Auf der einen Seite denke "eventuell habe ich ja gar nicht soooo viel zugenommen wie ich vermute" auf der anderen Seite "eventuell habe ich ja sogar mehr zugenommen als vermutet". Naja da hilft nur, einfach nicht wiegen!!

Das mit deiner Mitbewohnerin stellt dabei natürlich ein Problem dar! Kannst du nicht behaupten die Waage stört dich im Bad, weil du da mit dem kleinen Zeh schon so oft morgens früh gegen gerannt bist und sie bitten die Waage in ihr Zimmer zu stellen? :P
Um ein großes, weit entferntes Ziel zu erreichen, teilt man sich den langen, harten Weg dorthin am besten in kleine Ziele auf!

Re: Nicht wiegen ist auch keine Lösung... oder doch?

#12
Hi Annika,

genauso ist das bei mir auch.
Ich sage mir im Moment dann immer wieder, dass das Wissen über die Zahl mich weder dicker noch dünner macht. Auch will ich mein Essverhalten und co ja weiterhin auf dem Mittelweg halten, also weder Fressen noch Diät halten, also macht es gar keinen Unterschied die Zahl zu kennen.

Wenn ich mich dann doch mal unwohl fühle, vergesse ich das auch irgendwann wieder und erlebe oft Momente wo ich mich wieder wohler in meinem Körper fühle. Wenn ich die Zahl aber weiß, dann tritt das sich wieder wohl fühlen nicht ein, was B.triggerfaktoren bei mir begünstigt, sei es Frustessen, oder Diäthaltenwollen

Darum ist es im Moment das beste für mich, mein Gewicht nicht zu wissen.