Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belastend

#1
Hallo Ihr Lieben,

mich interessiert einmal, wie Euer Umfeld auf Eure Krankheit reagiert.

Mir geht es schon länger total schlecht und darf in Kürze meine nächste Thera stationär antreten. Darüber bin ich sehr froh.

Mein Umfeld allerdings "verplant" mich weiterhin, als wäre ich kerngesund. Null Rückhalt und wenns mal ganz arg ist, dann bekommt man nur fragende Blicke oder ein verständnisloses Gesicht zu sehen. Die schnallen irgendwie überhaupt nichts und ich habe das Gefühl, ich müsste mich ständig entschuldigen oder vorgaukeln, dass es mir super geht, damit die "anderen" ein gutes Gefühl haben. Ich bin so dermaßen enttäuscht. Das geht schon seit Jahren.

Es interessiert auch keinen, es macht auch keiner Anstalten, sich mal zu informieren. Neulich fragte mich eine Freundin, die bereits seit Jahren eingeweiht ist: "Was muss ich mir denn unter der Krankheit vorstellen". Oh man ... Sie beschäftigen sich lieber mit anderen Dingen ... ich kann das einfach nicht verstehen. Das ist irgendwie so stumpf.
Menschen, die mir sehr nahe stehen, wenden sich ab und gucken komisch.

Mich würde Eure Meinung interessieren. Verlange ich da vielleicht zuviel? Ich verstehe das einfach nicht.

Ist das in Eurem Umfeld genauso?

Ich freu mich auf Antworten ....

Liebe grüße :|

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#2
Hallo Kalinka,

bei mir war das ganz genau so. Man hat es ignoriert. Und sogar eine Therapie zunächst "verboten" - völlig abstrus.

Ich kenne das Gefühl sehr gut, dass es einem gut gehen muss, damit die anderen ihren Frieden haben. Es ist aus meiner Sicht völlig unfair, führte bei mir aber dazu, mich total für meine Krankheit zu schämen und dauerhaft zu verstellen. Als wäre man eine Art böser Mensch, dabei wollte man lediglich Hilfe.

Bei mir ging das so weit, dass ich dachte: Okay, alle wollen Hilfe, und deshalb kann auch ich sie nicht verlangen, weil ja alle irgendwie alleine klarkommen müssen. Der Punkt ist nur - und das haben in meinem Umfeld die allerwenigsten verstanen - dass das wirklich eine Krankheit ist und man (anders als Gesunde) Hilfe BRAUCHT.

Ich weiß es nicht, warum die Leute da so ignorant sind bzw. zuweilen dachte ich, dass ich mich halt einfach zu wacker schlage, und die Leute dadurch vielleicht denken: Och, so schlimm kann es ja nicht sein, oder: die kommt alleine klar. Ich habe jedenfalls keine Erklärung dafür, da ich selbst nahezu immer ein offenes Ohr für Sorgen anderer habe.

Dir wünsche ich aber von Herzen alles Gute und dass Du Deinen Weg findest.
Liebe Grüße
Laona

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#3
Hallo Laona und vielen Dank für Deine Nachricht.

Was Du beschreibst, trifft auch auf mich zu. Ich bin zu sensibel, was die Probleme anderer angeht und opfere ich dann ewig dafür auf. Vielleicht denke ich dabei auch "ach, wenn ich was für andere tue, helfen sie mir sicher auch". Ist wohl eher nicht der Fall. Ich kanns nur schlecht ablegen.

Wie bist du denn dann damit umgegangen? Und wie geht es dir heute? Ist es immer noch so? Bei mir sind es auch die nächsten Angehörigen. Das ist das Schlimmste finde ich ...

LG Kalinka

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#4
Hi Kalinka,

ja, bei mir sind/waren das auch die nächsten Angehörigen. Ich weiß, wie schlimm das ist, weil immerhin: sollten Eltern nicht helfen????

Also wenn es mir gut geht, habe ich absolut kein Problem damit, dann ist es mir egal, wie meine Eltern und Co. damit umgegangen sind. Schwerer fällt mir das, wenn es mir mal nicht so gut geht, weil ich weiß, dass ich an sich so niemanden wirklich habe, an den ich mich wenden kann, aber mit der Zeit wird man da robuster.

Mich freut es, mal jemanden kennenzulernen, der das auch kennt. Weil wenn man es nicht kennt, kann man das auch nicht nachvollziehen.

Ich dachte lange Zeit, ich sei ein schlechter Mensch, wenn ich anderen nicht helfe. Es gehörte zu meinem Ideal (das sicherlich irgendwie auch so von meinen Eltern vermittelt wurde, und zwar im Bezug auf sie selbst...), mich selbst komplett zurückzunehmen, um anderen zu helfen. Genau das war ja letztlich auch das 'Motiv' meiner Essstörung gewesen: Nicht den anderen Sorgen machen, mich nicht beschweren, nichts einfordern, sondern eben lieber krank werden. Ist das bei Dir ähnlich?

Liebe Grüße
Laona

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#6
Hi Laona,

ja, das kenne ich. Man lässt in seiner Not bei Fremden ein Wort fallen und hofft, dass einer auf das Thema einsteigt. Allerdings muss ich sagen, dass ich mir das längst abgewöhnt habe. Ich glaube, es gibt wenige, außer selbst Betroffene, die sich damit auseinandersetzen wollen.

Ich finde es einfach nur so super enttäuschend. Man winkt und winkt um Hilfe und nix kommt, wie gesagt, außer ein dummes Gesicht .... ich verstehe es nicht .... selbst die Person, die mir am nächsten steht.

Wie gehst Du denn damit um? Mich belastet das wirklich sehr .... ich versuche das auch zu ignorieren. Ändern kann man die Leute eh nicht .... :(

LG Kalinka

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#8
Hi Kalinka,

war gestern eine sehr kurze Antwort. Deshalb schreib ich nochmal.

Eigentlich müsste ich mal meine Wut darüber zum Ausdruck bringen, und zwar vor den Menschen, diesen nahestehenden Menschen, um die es geht. Aber es ist alles so prima da, gewissermaßen heile Welt, und ich will das nicht zerstören. Irgendwie ist das einfach nicht möglich, zumal ich diese Leute ja auch liebe... das ist ja gerade das Problem.

Mein Weg damit klarzukommen, ist deshalb ein indirekter: ich versuche alles zu tun, damit es mir gut geht und damit andere Leute mich 'liebend aufnehmen'; das scheitert verdammt oft.

Ich habe meine Wut und Traurigkeit immer kreativ umgesetzt. Das hat mir immer etwas 'gebracht', weil ich für diese kreativen Umsetzungen immer Anerkennung und Lob bekommen habe. (Kunst habe ich fabriziert; sprich Musik, Malerei, Literatur) Die Traurigkeit ist damit nicht verschwunden, aber sie hat etwas positives dazu bekommen, so dass es nicht mehr nur noch Traurigkeit ist.

Aber das so zu machen war keine bewusste Entscheidung von mir, sondern etwas in mir wollte eben auf diese Weise etwas sagen, wollte sich melden, wollte anerkannt und gesehen werden. - Machst Du denn auch etwas künstlerisch kreatives?

Liebe Grüße
Laona

Re: Kein Rückhalt ... ständig Entschuldigungen - super belas

#9
P.S.: Und nicht zuletzt bin ich ja auch hier in diesem Forum. Hier muss ich keine Angst haben, jemanden zu belasten, abgewiesen, enttäuscht, verletzt zu werden. Ich muss keine Angst haben, auf Misverständnis und/oder Vorwürfe zu stoßen. Hier weis man, was diese Krankheit ist und ich muss mich eben nicht dafür entschuldigen.

Psychische und psychosomatische Krankheiten haben bei verdammt vielen einfach den Anschein, dass der Betroffene doch auch irgendwie selbst dran schuld sei. Weil es ist ja nichts körperliches ursächlich, wodurch man den Betroffenen von jeder Verantwortung und Selbstverschuldung freisprechen könnte. - Mir jedenfalls ist ein solchen Verständnis in der Familie begegnet. Und da kommt erschwerend hinzu, das darunter auch Psychologen sind, wo man sich dann echt fragen kann, wieso die sich überhaupt mit Psychologie befasst haben.

Naja, diese Wut jedenfalls hilft mir in anderen Momenten. Sie "hilft" mir oft dabei, über mich hinaus zu gehen bzw. sie bringt mich dazu. Und zwar um Aufmerksamkeit zu bekommen, um quasi zu sagen: hey, da ist etwas, was ich zu sagen habe!, ohne dass ich dabei jemals über die Bulimie sprechen würde. Sondern über Verantwortung, über 'Seele', über Hoffnung, über die Dinge, von denen ich selbst sehr gerne quasi natürlicherweise (was ist schon natürlich...) mehr gehabt hätte. Und da das bei mir sehr authentisch ist (ohne dass Leute den Grund dafür kennen), habe ich sehr oft Erfolg damit.

Und wenn ich irgendwann an einem Punkt bin, an dem ich all solche Dinge wie oben Beschrieben (Misverständnis, Ablehnung usw.) nicht mehr fürchten muss, dann werde ich ganz sicherlich auch mal über die B. sprechen.

Sry, langer Text. Aber irgendwie hoffe ich, dass Du das verstehst und vielleicht ja auch wirklich kennst.
Nochmal LG
Laona