Angst vor Rückfall

#1
Hallo liebe Community,

ich habe bis heute nie mit jemandem über meine Krankheit geredet oder geschrieben. Da ich nicht möchte, dass es eskaliert, möchte ich mit jetzt gerne mitteilen und danke schon mal fürs Zuhören.

Ich (w, 24) hatte letztes Jahr Bulimie für ca. vier Monate. Die Dauer ist nicht sehr lange, dafür war der Verlauf umso intensiver. Ich glaube, das einzige was ich nicht gemacht habe, war Geld zu stehlen und gefrorene Lebensmittel zu essen. Die Bulimie hatte sich damals daraus entwickelt, dass ich mithilfe einer Diät, die mich essenstechnisch stark eingeschränkt hat (Dukan-Methode) sowie regelmäßigem Sport ein *kg abgenommen hatte. Mit dem neuen Gewicht war ich ganz zufrieden. Als es dann darum ging, das Gewicht zu halten und ab und an Süßigkeiten und Kohlenhydrate wieder erlaubt waren, habe ich die Kontrolle verloren. Ich konnte nicht damit umgehen, diese Dinge zwei Mal pro Woche in begrenzter Menge zu essen, ich wollte mehr. Ich bekam täglich Fressanfälle und erbrach mehrmals täglich. Es gab zum Schluss keinen einzigen Tag mehr, den ich ohne Erbrechen ausgehalten habe.

Ich bekam Panik, meinen Körper und Seele zu zerstören. Ich wollte normal sein. Ich wollte nicht mehr F&K und begann zu hungern. Ich habe zwei Wochen kaum etwas gegessen, bekam zwischendurch immer wieder FAs. Es war sehr schlimm. Erst mit der Einsicht und Akzeptanz, dass ich zunehmen würde, wenn ich aufhöre, habe ich die Krankheit in den Griff bekommen und von einem Tag auf den nächsten aufgehört.

Das ist jetzt ein halbes Jahr. In der Zeit habe ich keinen Drang verspürt, mich zu übergeben. Ich habe etwas zugenommen und wiege jetzt wieder ungefähr so viel wie vor der Diät und Bulimie. Ich weiß es nicht genau, da ich panische Angst vor der Zahl habe. Trotz Abstinenz kreisen meine Gedanken noch viel um Essen und Gewicht. Ich fühle mich wieder zu dick für viele Dinge: ich gehe nicht mehr in die Sauna, gehe ungern shoppen und denke, dass mich jeder für fett hält, dass ich uninteressant und körperlich abstoßend auf Männer wirke. Mir graut es vorm Sommer, wenn ich gefragt werde, ob ich mit ins Freibad gehe. Ich schäme mich für meinen Körper!

In den letzten zwei Wochen habe ich ein paar Mal darüber nachgedacht, zu fressen und zu kotzen. Ich habe dem Drang aber nicht nachgegeben! Ich will nicht, dass die Krankheit je wieder zurückkommt. Doch je stärker der Drang wird, desto weniger schlimm finde ich es leider auch. Ich glaube, dass es jetzt wieder losgehen könnte, weil ich Druck verspüre. Ich muss meine Abschlussarbeit schreiben, stehe noch am Anfang und habe Angst, es nicht zu schaffen oder dass irgendwas Unvorhergesehenes passiert (z.B. dass mein Betreuer alles schlecht findet, was ich erarbeitet habe). Dass ich Bulimie hatte weiß niemand. Meine Familie hat nichts mitbekommen, obwohl ich damals eine Zeit lang Zuhause gewohnt habe. Ich war geschickt, aber gleichzeitig finde ich es schrecklich und denke immer, sie müssen das doch mal gemerkt haben. Ich möchte es auch niemandem von meinen Freunden erzählen. Ich möchte nicht „die mit der Bulimie“ sein. Bei GZSZ ist die Krankheit gerade Thema. Wenn da mal jemand von meinen Freunden was dazu sagt, krieg ich sofort Gänsehaut und will wegrennen oder das Thema wechseln. Ich will nicht hören, was sie darüber denken, auch wenn sie nicht wissen, dass ich auch betroffen bin.

Ich habe leider auch ein schlechtes Selbstwertgefühl, fühle mich manchmal wertlos. Denke auch, dass ich total uninteressant auf andere wirke. Ich habe einfach nichts zu erzählen, mache nichts Besonderes (außer Musik vielleicht). Denke manchmal, was wollen die Leute mit mir, wo es doch so viele hübschere, nettere, lustigere und v.a. zufriedene und lebensfrohe Menschen gibt? Dazu muss ich noch sagen, dass man mir mein schlechtes Selbstwertgefühl nicht anmerkt (enge Freundinnen waren überrascht, als ich ihnen das erzählte).

Was kann ich tun, um einem Rückfall vorzubeugen? Therapie kommt für mich nicht in Frage und ich denke auch nicht, dass es nötig ist. Aber gibt es irgendwelche Tipps oder einfach aufmunternde Worte? Ich möchte endlich zu mir stehen können und zufriedener werden. Ich möchte auch wieder etwas abnehmen (wirklich nur etwas), weil ich schon ganz schön angesetzt habe an Bauch und Hüften (das ist objektiv gesehen nicht schön und subjektiv erst recht nicht). Wahrscheinlich ist es dafür noch zu früh?

Danke, Mo.

Re: Angst vor Rückfall

#2
Hallo OnlyHuman
herzlich willkommen im forum. Dass du im letzten Jahr die Krankheit offenbar ohne Hilfe von aussen hast bewältigen können, zeigt, welch grossen Willen du hast. Diesen Willen hast du auch jetzt noch, offenbar aber je länger je weniger die Kraft, diesen auch umzusetzen.
Die Bikinizeit ist für viele junge Frauen der reinste Horror. Recht oft jedoch völlig zu Unrecht. Mit regelmässiger sportlicher Betätigung lässt sich hier viel erreichen. Die richtige Ernährung spielt natürlich auch eine Rolle.
Und: Warum kommt denn für dich eine Therapie überhaupt nicht in Frage??? Dass sie nicht nötig ist, möchte ich hier mal bezweifeln. Denn so wie du dich beschreibst, bedarf es nur noch wenig, und du bist wieder drin.

Ich wünsche dir hier lebhaften Austausch.

liebe Grüsse
Peter
Auch mit in den Weg gelegten Steinen kann man ein gutes Bauwerk errichten

Re: Angst vor Rückfall

#3
Auch wenn mir außer Peter niemand geantwortet hat (was nicht schlimm, weil ich auch nicht weiß, was ich mit meinem Beitrag bezwecken wollte), hier ein kleines Update, wie es mir in den letzten Wochen ergangen ist.

Ich hatte einige Rückfälle. Es geht mir eher schlecht. Mein Leben erscheint mir derzeit so schwer und anstrengend. Ich habe Angst wegen meiner Abschlussarbeit, ich habe jemanden kennengelernt, dem ich gefallen möchte (mit ein *kg weniger).
Nun ja.. Wieder reingerutscht bin ich durch den Willen abzunehmen. Ich habe also ab und an eine Mahlzeit weggelassen und Sport getrieben. Das ging ca. 2 Wochen gut, aber dann verlief es eben in die falsche Richtung. War wohl noch zu früh.

Gerade bin ich mit allem überfordert, habe Angst wieder tiefer reinzurutschen. Ich will abnehmen, aber gesund.. Weiß aber gleichzeitig, dass es der falsche Weg ist. Ich muss erst die Ursachen bekämpfen, die ich glaube auch zu kennen. Aber es ist manchmal echt schwer..

Re: Angst vor Rückfall

#4
Hi,
tut mir sehr leid, dass es dir so schlecht geht!
Leider verstehe ich deine Denkweise. Ich habe wirklich viel rumprobiert in den letzten 3 Jahren und alles hat dazu geführt, dass ich wieder rückfällig wurde. Bin nun wieder seit über 6 Wochen clean, aber diesmal ist meine Einstellung anders. Mir ists ziemlich egal wenn ich jetzt mal etwas mehr auf den Knochen habe, ich brauche das jetzt einfach.

Ich finde Sport und Unternehmungen kann man gut einbauen wenn man raus will aus diesem Kreislauf, Diäten oder restriktives Essverhalten würde ich dir aber nicht empfehlen. Wenn du schon immer sportlich warst ist es leichter da ein gesundes Maß zu finden, ansonsten kann Sport auch wieder zu FAs führen.

Versuch den Abnehmgedanken mal beiseite zu schieben und tu einfach was du auch tun würdest, hättest du den Körper mit dem du zufrieden bist. Das ist natürlich schwer aber probier es aus.

Ich habe dates, Parties, Besuche, ALLEs verschoben weil ich mit der Zahl auf der Waage nicht zufrieden war. Aber eigentlich verbaust du dir damit dein Leben, denn interessieren tut es niemanden wirklich ob du nun UG, NG, ÜG bist, vorallem nicht die Männer.

Es ist alles Trug und Schein, wir machen uns das Leben schwer wegen einem Hirngespinst dem wir aufgesessen sind.

Alles Liebe

Re: Angst vor Rückfall

#5
Du hast absolut Recht!

Sportlich bin ich eher nicht, aber ich übertreibe es momentan auch nicht und sehe da auch keine Gefahr. Wenn ich abnehmen will, mache ich das meist über Essen (andersrum wäre es natürlich besser). Momentan mache ich etwa 1-2 Mal pro Woche 1h Sport und fahre ab und an mit dem Rad, auch so 1-2 Mal. Das sind kürzere Strecken, die ich aber sonst mit dem Auto gefahren bin. Ich denke, das ist okay so.

Das letzte Mal bin ich im Übrigen auch nur aus der Krankheit raus, indem ich eine Zunahme akzeptiert habe. Damit hat es dann immerhin mehr als ein halbes Jahr geklappt ohne jegliche Rückfälle oder Gedanken.

Re: Angst vor Rückfall

#6
Das ist toll! Und du wirst es wieder schaffen. Diäten und ganz wenig essen sind leider nur kurzfristig effektiv. Ansonsten würde ich dir raten einfach öfter mal aufs Rad umzusteigen und langsam die Ernährung umzustellen. Und gib dir ZEIT.

Es ist sehr verlockend innerhalb von kurzer Zeit viel Gewicht verlieren, indem man einfach mal nichts isst oder sehr wenig und ganz viel Sport macht, aber auf Dauer bringt das eben nichts und man fällt immer zurück.

Wenn man seine Ernährung langsam umstellt und mehr Bewegung einbaut kann es schon dauern bis sich Resultate zeigen, diese sind dann allerdings langfristig und an keine Verbote und Zwänge geknüpft.