Wie von der Bulimie erzählen?

#1
Hallo,

ich bin normalerweise eher die stille Mitleserin, hinterlasse hier und da mal einen Beitrag, aber das war's dann auch schon.
Aber zurzeit stehe ich vor einem Problem bei dem ich mir nicht allein zu helfen weiß und auch die Suche gab kein zufriedenstellendes Ergebnis.
Es gibt dutzende Threads zum Thema ob man jemanden von seiner Krankheit erzählen soll, oder auch wem, aber zum "wie" habe ich nichts gefunden.

Erstmal zur Situation, mit 12/13 (ich kann mich nicht genau errinern) habe ich das erste mal absichtlich nach dem Essen erbrochen, aber nicht sehr regelmäßig. Mit ca. 15 wurde es dann ernster und es wurde mir richtig bewusst das ich ein Problem habe. Jetzt bin ich 18, fresse mich täglich voll und kotze mir danach die Seele aus dem Leib :oops:
Mein Freund ist 21 und wir sind seit 10 Monaten zusammen, wir verstehen uns großartig, es läuft wirklich gut und er weiß nichts von meiner Bulimie. Nach langen Überlegungen bin ich zu dem Entschluss gekommen ihm davon zu erzählen. Ich vertraue ihm und auch wenn er mal eine etwas unüberlegte Äußerung zur Bulimie gemacht hat, glaube ich dass er, wenn ich ihm davon erzähle, es ernst nehmen wird.
Ein wenig mulmig ist mir dabei zwar schon, denn ich habe noch nie jemandem davon erzählt und kann nicht mit sicherheit vorraussagen wie er Reagieren wird, aber ich habe das Bedürfnis danach mich jemandem anzuvertrauen und er ist meine 1. Wahl.
Außerdem möchte ich ihm das einfach nicht mehr verheimlichen, es kommt mir vor als würde ich ihn belügen :?

So, die Entscheidung ist gefällt, soweit so gut, doch wie fange ich das Gespräch an? In welcher Situation? Während wir auf der Coch kuscheln und fersehen mal eben einwerfen: "Ach Schatz, ich hab Bulimie"? Hmm, scheint mir nicht Ideal, außerdem könnte ich mich in einem so harmonischen Moment wohl auch nicht recht dazu durchringen.
Und was soll ich eigentlich sagen? Wie viel soll ich ihm erzählen? Mit einem "Ich hab Bulimie" wird das wohl kaum getan sein.

Donnerstag haben ich abends Sturmfrei und er kommt vorbei, ich glaube das sind schon mal gute Vorraussetzungen, wir sind allein und ungestört und haben auch reichlich Zeit.
Vielleicht haben einige von euch bis dahin ja ein paar gute Tipps für mich und villeicht kann der ein oder andere auch aus Erfahrung sprechen.

Schon mal vielen Dank im Vorraus :)

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#2
Hallo Seven!

Ich kann mich sehr sehr gut in deine Situation hineinversetzen, da es mir vor kurzem erst genau so ging.
Ich selbst habe seit etwas über 2 Jahren Bulimie (bin 22) und bin nun auch seit etwas über 10 Monaten mit meinem Freund zusammen. Auch das mit den Kommentaren von ihm kenne ich.
Kann gut verstehen wie du dich fühlst, ich hatte auch den Drang mich endlich wem anzuvertrauen, vor allem wollte ich vor meinem Freund keine Geheimnisse haben.

Einfach ist das sicherlich nicht, ich glaub ich hatte noch nie in meinem Leben in irgendeinem Moment so große Angst. Ich hatte da (vor fast 4 Wochen) gerade beschlossen jetzt endgültig aufzuhören und was zu ändern und ich wusste wenn er falsch reagiert, dann kann ich das gleich vergessen.

Zum Glück ging bei mir alles gut, er hat sehr gut und verständnisvoll reagiert.

Allerdings war es bei mir ein bisschen anders, weil ich zu der Zeit in Finnland und mein Freund in Deutschland war, deshalb hab ich es ihm über eine e-mail gesagt. Selbst für Skype war ich zu feige. :roll:

Wir hatten davor öfter schon das Thema Figur und Komplexe deswegen und er hat mir oft gesagt "Hör auf damit, das wird irgendwann zu einer Essstörung!"... von daher hatte ich schon einen Ansatzpunkt wie ich ihm das sagen kann.
Ähnlich hätte ich es wohl auch getan wenn wir persönlich geredet hätten.

Für mich war das wichtigste das ich ihm klarmache, dass ich ihn nicht anlügen wollte (das war eine große Angst, bzw. schlechtes Gewissen von mir, dass er deshalb wütend sein könnte), sondern es einfach so wahnsinnig schwer ist sich selbst und anderen sowas einzugestehen.
Auch (was bei euch ja auch so ist) dass es mich nicht zu einer anderen Person macht, weil er mich ja so schon kennengelernt hat, auch wenn er nichts davon wusste.

Ich hab auch versucht ihm zu erklären, dass ich aufhören will und hoffe dass er mich dabei unterstützt und ich es durch ihn schaffe... und immerhin bin ich rückfallfrei seitdem. :)

Mir geht es auch sonst viel besser nachdem ich es ihm gesagt habe (und einer guten Freundin)... es fällt einem eine kiloschwere Last von den Schultern, endlich dieses Geheimnis mit jemandem teilen zu können.
Ich war auch oft total zickig deshalb, bzw bin es immer noch und dadurch dass er bescheid weiß, weiß er nun immerhin auch woran das liegt.

Ich kann dich also nur ermutigen.
Taste dich vorsichtig an das Thema ran, lass ihn Fragen stellen.
Du musst ihm ja nicht gleich alle Details erzählen, aber sollte er mehr erfahren wollen dann solltest du ihm das auch sagen.

Keine Sorge, das wird schon gut gehen, so schwer es einem fällt das Thema offen auf den Tisch zu legen.

Ich drück dir die Daumen, du kannst ja vielleicht erzählen wie es lief. ;)

Lieben Gruß,
jiji

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#3
hallo seven :)
ich würde versuchen ihm die krankheit zu erklären... mit den auslösern, dem psychischen druck und (evtl) den depressionen anfangen und dann von der bulimie erzählen und das all das zusammen hängt.
Ich hatte den Eindruck, als ich einer freundin davon erzählt habe, das nicht-betroffene sich nichts unter der bulimie vorstellen können... sie denken " okay.. die erbricht nach dem essen, damit sie nicht zunimmt" ...für nicht-betroffene ist es schwer zu verstehen, was es bedeutet bulimie zu haben, wie sehr man darunter leidet... das würde ich versuchen ihm zu erklären!
Hmmm... Beispiele für Sätze oder wie genau du anfangen könntest fällt mir leider nicht ein.. ich weiß auch garnicht mehr genau was ich gesagt habe als ichs erzählt hab :roll:
Alle Lebewesen außer dem Menschen wissen, das der Hauptzweck des Lebens darin besteht, es zu genießen.
(Samuel Butler)

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#4
Hallo,
ich war in genau der gleichen situation. ich wohne mit meinem freund zusammen und er hat schon öfter mitbekommen, dass ich mich übergeben habe. ich habe aber immer nur gesagt "ja, mir war übel" oder so. er kann mit essstörungen auch nicht wirklich viel anfangen.
jedenfalls wollte ich es ihm auch unbedingt sagen, weil wir eigentlich keine geheimnisse voreinander haben und ich die heimlichtuerei satt hatte. ich war zu der zeit bei einer beratungsstelle von der uni und mit der frau dort habe ich auch darüber geredet und die meinte, dass es besser ist, wenn man sich bei solchen wichtigen gesprächen bewegt, also zum beispiel spazieren geht und dass es gut ist, wenn man sich quasi verabredet, zum beispiel "schatz, ich möchte heute abend etwas mit dir besprechen". dann kann auch er sich darauf einstellen, dass es was wichtiges ist und du kannst es dir nicht noch schnell anders überlegen. diese tipps habe ich dann umgesetzt. ich bin am frühen abend mit meinem freund spazieren gegangen und ich hatte so herzklopfen, das glaubst du nicht :D immerzu dachte ich "beim nächsten baum sagst dus" :D und dann habe ich gesagt "ja, was ich dir sagen wollte, ich habe seit längerem probleme mit dem essen und ich fange bald eine ambulante therapie an" dann hab ich angefangen zu heulen und er hat mich gleich in den arm genommen und wir haben dann darüber geredet. er war zunächst geschockt und wusste nicht recht was er sagen soll, er war auch enttäuscht, dass ich nicht schon früher zu ihm gekommen bin und er hat sich selbst vorwürfe gemacht, wei ler dachte er wäre schuld daran.
letztlich bin ich total froh es ihm gesagt zu haben, er unterstützt mich wo er kann.
ach, und noch ein tip, der auch von der frau von der beratungsstelle kam: sag deinem freund wie er dir helfen kann. weil sich die angehörigen oft hilflos fühlen und nicht wissen wie sie mit der krankheit umgehen können. ich habe ihm gesagt "du kannst mich unterstützen indem du mich in den arsch trittst, dass ich bei den ganzen therapeuten anrufe weil ich das ständig vor mich hin schiebe. was mir nicht hilft ist, wenn du mein essverhalten kontrollierst"
ich hoffe ich konnte dir ein bischen helfen. sag mal bescheid, wie das gespräch verlaufen ist.

alles liebe

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#6
Ein riiiiesen Dankeschön erstmal an euch, so schnell hatte ich nicht mit Antworten gerechnet, ihr seit echt klasse :)

@jiji: Erstmal toll das du seitdem Rückfallfrei bist, das ist ne tolle Leistung! :D
Bei uns werden Figur und Komplexe deswegen auch ab und an mal zum Thema (in den letzten Wochen nicht mehr so häufig, weil ich in seiner Gegenwart inzwischen einigermaßen vernünftig essen kann und ich mich, wenn er da ist, auch relativ wohl in meiner haut fühle), das könnte durchaus einen Ansatzpunkt geben.
Es macht Mut zu wissen das es bei dir so gut gelaufen ist :)

@whiteheavenbeach: Auch wenn du keine konkreten Beispiele nennen kannst hast du mir sehr geholfen, etwas weiter auszuholen und die Auslöser, etc. einzubinden ist gut. Früher habe ich mich selbstverletzt, was man auch heute noch unschwer an meinen Armen und Beinen erkenn kann, das es mir also nicht immer nur gut ging (geht) weiß er. Und die Essstörung knüpft da zum Teil an, dann kann ich mit was anfangen was er weiß und mich dann vorarbeiten. Endlich hab ich ne ungefähre Ahnung wie ich das Gespräch aufbauen kann :)

@OneDay: Das mit dem Bewegen ist super! Ich muss bloß gucken ob er dann nicht evt zu kaputt ist von der Arbeit, aber ich werds auf jeden Fall vorschlagen.
Das Gespräch quasi anzukündigen hatte ich auch schon überlegt, aber dann war ich immer zu feige, weil ich ja dann eben keinen Rückzieher mehr machen kann... Ich hab mir jetzt aber Zettel und Stift geholt und schon mal vorrab ne SMS-Kladde gemacht (Oh Gott, ich bin doch verrückt :lol: ) in der ich ihm sage das ich eben gerne mit ihm reden möchte und ihm was erzählen will/muss (ich bin mir nicht sicher was besser ist, ich MUSS es ihm ja nicht direkt erzählen, ich WILL es ja eher :? )

Vielen Dank, jetzt weiß ich zumindest schon grob wie ich das Gespräch gestalte :)

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#8
Hallo und nachträglich frohe Weihnachten :-X)

Lang, lang ist's her dass ich diesen Thread hier eröffnet hab und es tut mir leid, dass ich bisher nie berichtet hab wie es denn schlussendlich gelaufen ist. Irgendwie war ich nie dazu gekommen und hab dann irgendwann einfach nicht mehr daran gedacht :?
Aber jetzt dachte ich mir, besser spät als nie, erst recht da es ja sein könnte das meine Erfahrungen vielleicht mal wem helfen oder etwas Mut machen :)

Also, wie von euch geraten habe ich in einer SMS angekündigt dass ich etwas mit ihm besprechen muss, das hatte ihn dann schon etwas verunsichert :lol:
Dann hab ich an dem Abend ewig lang rumgedrugst und bin nicht so recht mit der Sprache rausgerückt, ich hatte solche Panik und solches Herzrasen, dass es mir jedesmal wenn ich endlich loslegen wollte die Sprache verschlagen hat :?
Irgendwann hab ich dann beschlossen, es einfach aufzuschreiben. Als ich ihm den zettel in die Hand drückte wurde mir schon ganz schwarz vor Augen, ich glaub ich hab noch nie in meinem Leben so eine Panik gehabt... ganz umsonst. Er war nicht wütend, nicht schockiert, er hat ganz ruhig reagiert. Ich saß wie eingefroren da, total verkrampft und panisch, hatte das Gefühl gleich umzukippen und er hat mich in den Arm genommen, mir gesagt das es nicht so schlimm ist (er hat halt keine Ahnung von Essstörungen, aber er meinte es gut und wollte mich nur beruhigen), dann saßen wir bestimmt ne halbe Stunde, wenn nicht mehr so da, ich irgendwo zwischen kurz vorm losheulen und völlig ausrasten und er, der versucht mich zu beruhigen und mich einfach nur in den Arm nimmt.
Ich war nicht in der Lage weiter darüber zu reden, obwohl ich es eigentlich wollte, aber er hat das so akzeptiert und mich nicht weiter gedrängt (wohl auch weil ihm nicht klar war, wie schlimm das ganze für mich ist und wie ernst Essstörungen im Allgemeinen sind).
Danach haben wir nur selten das Thema mal angeschnitten, aber nie weiter ausgeführt, ich weil ich das Gefühl hatte er blockt ab und möchte sich nicht zu sehr damit außeinader setzen (Vielleicht weil er es nicht versteht, vielleicht weil er sich nicht zu sehr damit belasten will?) und er, weil er ebenfalls das Gefühl hatte ich blocke ab und möchte nicht darüber reden. Wir lagen beide falsch :wink:
Erst vor kurzen haben wir es geschafft uns mal darüber auszusprechen. Er hat mir gesagt, dass er mich eigentlich gern mehr fragen würde und das es ihn sehr interessiert, also hat er alles gefragt was er fragen wollte und alles erzählt was ihm zu dem Thema auf dem Herzen lag. Ich konnte mich genauso aussprechen und das tat verdamt gut!

Im Endeffekt kann ich sagen, dass es auf jeden Fall eine gute Entscheidung war ihm davon zu erzählen, auch wenn es eine ganze Weile gedauert hat bis wir wirklich geredet haben :)

Ich wünsche allen, den so ein "Geständnis" noch bevor steht, alles Gute und viel Glück, dass es bei euch am Ende auch so gut läuft und dass ihr auch so viel Geduld und Verständnis bekommt!

Re: Wie von der Bulimie erzählen?

#9
Hallo Seven,

ich finde es super das ihr euch so ausgesprochen habt. Ich habe meinem Freund erst vor ein paar Wochen von der Essstörung erzählt und seine Antwort war "Oh nicht so gut"..... Da kann man sich vorstellen wie viel er darüber weiß.
Das war auch heute wieder der Fall. Ich hatte gerade mit den Kindern Mittag gegessen, da kommt er (wir wohnen mittlerweile nicht mehr zusammen) und fragt mich ob wir eine Pizza zum Abendessen machen sollen. Ich habe das Gefühl er weiß absolut rein gar nichts darüber. Einerseits will ich ihm auch nicht alles erklären, andererseits möchte ich das er begreift womit er es überhaupt zu tun hat...

Liebe Grüße
Dana