Kann mir wer in den Arsch treten?

#1
Hallo ihr.
Ich habe jetzt lange Zeit sehr wenig und nur gesundes gegessen. Ich war jetzt stark untergewichtig und konnte nicht mehr aufhören, ist bei mir immer so in solchen Phasen. Dank einem Erlebnis mit einer "besten Freundin" gestern durfte ich mal wieder erfahren, dass man sein Glück von sich selbst abhängig machen sollte und nicht von anderen. Das ist jetzt sehr nett ausgerückt, es war schrecklich. Auf dem Rückweg war ich mal wieder in so einer ganz leichten Trance oder sowas. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich bin mir allerdings sicher, das lag am Nahrungsmangel. Mir war auch total schwindelig und mir wurde ENDLICH klar, so KANN ich gar nicht glücklich werden. Dann sah ich auch noch so ein Mädchen, dass eine Vorbildfunktion für meinen Kopf hat und bewunderte sie und wollte auch so sein. Ohne Essstörung. Etwas besonderes, ohne Krankheit, einfach sie selbst sein.... :cry: :cry: Hier kommen mir auf einmal die Tränen...
Jedenfalls war ich dann total motiviert mich jetzt gesund und ausgewogen zu ernähren und auch öfter mal zu sündige, wie früher eben. War schon immer etwas untergewichtig, konnte fressen wie ich will.
Und heute Abend ist alles eskaliert! Genaue Aufzählungen sind ja glaube ich nicht erlaubt, also es sind sehr große Mengen sehr ungesunder und fettiger Nahrungsmittel in meinem Bauch, genau jetzt. Meine Haut war so rein. Jetzt ist sie wieder total gereizt und unrein, das passiert bei mir immer sehr schnell bei ungesunder Ernährung, schrecklich! Fresse schon den ganzen Tag. So und was hab ich jetzt von meinem Lichtblick gestern? Jetzt bin ich hässlich, habe mir hart erarbeitetes Gewicht versaut und oh man... Ich nehme mir schon wieder vor, wieder so wenig wie möglich zu essen um das wieder gut zu machen und es nochmal zu probieren. Aber das ist doch alles Müll! Ich muss JETZT mich gesund und normal ernähren und JETZT anfangen, mein Leben in den Griff zu kriegen! So ein Scheiß! :(

Dieser Beitrag tut mir total Leid, der klingt bestimmt total irre, total pro und wahnsinnig und dumm und naiv, keine Ahnung. Aber das denke ich halt alles so. Habe Montag auch wieder Therapie und werde von meinem Essverhalten da berichten. Aber es ist ja auch nur SELBSThilfe und dazu bin ich seit zwei Jahren NICHT in der Lage. Kann mir mal wer in den Arsch treten?! Ich will doch nur hübsch, etwas besonderes und begehrenswert usw. sein. Im Prinzip erreiche ich das Gegenteil, oder? Ich verstehe das nicht, dass ich das Gegenteil erreiche.
Tut mir Leid.
Aber mir geht es jetzt besser.

Re: Kann mir wer in den Arsch treten?

#2
Hallo Fluffious,

wir alle wären nicht essgestört, würden wir solche ambivalenten Gedanken und Gefühle hinsichtlich des Essens und der Akzeptanz einer eventuellen Gewichtszunahme nicht allzu genau kennen.
Ich denke, wenn wir einfach akzeptieren würden, dass nur ein Gewicht im NG (mit geringen Ausläufern nach oben oder unten) gesund ist; wenn wir reinhauen und uns keinen Kopf darum machen könnten, dann wären wir so gut wie gesund. Denn dann würden sich unsere Gedanken ja vom Essen weg, hin zu den wirklich wichtigen Dingen bewegen, die man eben gerade durch die gedankliche Fixierung auf's Essen verdrängt.

Die Frage ist doch vielmehr, was heute tatsächlich passiert ist.
Du hast den Stolz auf deine Disziplin beschmutzt, weil du dich für's Leben entscheiden wolltest.
Die Entscheidung FÜR etwas bedeutet ja leider immer, dass man sich auch GEGEN möglicherweise nicht ganz unnützliche Dinge entscheiden muss.
Also, wenn du gesund werden willst, dann erfordert das auch die Bereitschaft, eine gewisse Kontrolle aufzugeben und sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen.
Dass das nach langem Hungern eindeutig nach Völlerei schreit, ist wohl nicht verwunderlich.
Natürlich erlebt man es als schreckliches Scheitern, die Kontrolle aufgegeben und sich vollgestopft zu haben. Das ist nicht von der Hand zu weisen und typisch essgestörtes Denken. Nach dem Motto "Einmal über die Stränge geschlagen und ich werde tonnenweise zunehmen."
Dem ist nicht so, das weißt du ja.
Ich hatte ein ähnliches Erlebnis vor nicht allzu langer Zeit und es hat in mir ebendiese Gedanken hervorgerufen.
Aber ich habe auch gemerkt, dass dieser Einschnitt eigentlich nur meine sonstige Machtlosigkeit offenbar hat. Ich wurde wieder daran erinnert, dass ich das Gefühl, irgendetwas in meinem Leben im Griff zu haben, lediglich dank des Hungerns aufrecht erhalten konnte. Ansonsten war und ist da immer noch wenig.

Was du brauchst, ist kein Tritt in den Hintern, sondern ein Bewusstsein für die Frage, wie du diese Situation nun für dich interpretierst.
Die Person, die du da beneidest, hat sicherlich andere sie als lebendig charakterisierende Eigenschaften als ein gesundes Essverhalten.
Vielleicht war der FA ein Versuch, den Hunger nach Leben zu stillen. Natürlich auf dysfunktionale Weise - aber wachrütteln kann sowas auf alle Fälle.
Dass Hungern eine Sackgasse ist, wissen wir ja leider alle - heißt nicht, dass wir davon loskommen.
Aber vielleicht lässt sich über diesen Perspektivwechsel zumindest ein gedanklicher erster Schritt in Richtung Kurswechsel gehen.

So, das war nun etwas weit ausgeholt und vermutlich auch wenig Neues, aber manchmal hilft's vielleicht, sich die Dinge nochmal bewusst vor Augen zu führen.

Nightmare
Du hast geschlafen für so lange Zeit, eingesperrt in eine Möglichkeit. Tocotronic - Andere Ufer

Re: Kann mir wer in den Arsch treten?

#3
Hey Nightmare!

Dein Text hat mir wirklich sehr geholfen! Und neu ist das Ganze für mich tatsächlich. Bisher waren meine verschiedenen Symptome immer so stark, dass andere Dinge als eben diese kaum besprochen wurden und wenn, dann eben nur oberflächlich und ich habe immer abgeblockt. Kann wohl sein, dass ich das unterbewusst als Schutzmechanismus benutze. Vor diesem Erlebnis jetzt wollte ich meiner Therapeutin einen Text über ein Essverhalten schreiben und da es nun mal lebensgefährlich war, wäre es wieder nur um das Symptom gegangen. Das ist ja zu vermeiden bei mir, jedenfalls vorerst.
Aber ich habe auch gemerkt, dass dieser Einschnitt eigentlich nur meine sonstige Machtlosigkeit offenbar hat. Ich wurde wieder daran erinnert, dass ich das Gefühl, irgendetwas in meinem Leben im Griff zu haben, lediglich dank des Hungerns aufrecht erhalten konnte. Ansonsten war und ist da immer noch wenig.
Diese Stelle hat irgendwas, dass sehr zutrifft. Dass ich ohne meine Symptome (momentan eben das Hungern) nichts habe, bzw. denke nichts haben zu können.
Vielleicht war der FA ein Versuch, den Hunger nach Leben zu stillen.
Ja, ich denke diese Rolle übernimmt Nahrung bei mir. Ich stelle mir den ganzen Tag so oft vor, wie meine nächste "Mahlzeit" schmecken wird, aussehen wird, ich kauen werde, schlucken werde... Und wenn irgendwas in der Mikrowelle oder so ist, springe ich vor Vorfreude schon rum wie sonst was. Das kann man gar keinem erzählen, so merkwürdig ist das. Wenn es denn allerdings nur ein bisschen zu viel von dem war, was ich mir erlaubt habe, war das Gegenteil der Fall. Hass und Angst kamen dann hoch.
Und diese Person, die ich beneide (gibt einige davon), haben eben dieses "andere", was ich in mir vermisse und glaube nicht zu haben. Dass mein Körper nach dem langen Hunger sich einfach nur vollfressen will, scheint auch irgendwie logisch, wenn man so drüber nachdenkt.

Falls ich was wichtiges vergessen habe, tut mir das Leid, kann gerade nicht so gut denken.
Zuletzt geändert von Fluffious am Sa Feb 25, 2012 4:51, insgesamt 3-mal geändert.