Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selbst?

#1
Hallo Ihr Lieben,
ich bin noch sehr neu hier und verstehe eine Sache irgendwie nicht:
Es hört sich jetzt doof an, aber ich verstehe nicht, wieso in diesem Forum der Fokus hauptsächlich auf FA und Erbrechen liegt.

Bei mir ist es so, dass ich immer erst ein emotionales oder psychisches Problem habe, dass ich dann versuche mir Essen und Erbrechen zu unterdrücken. Zum Glück bin ich noch nicht so tief in der Essstörung drin, dass ich tatsächlich immer einen direkten Zusammenhang zwischen essen und emotionalen Problem habe und das ganze noch nicht automatisiert ist. Keine Ahnung, wie vielen anderen es noch so geht... Wenn man also annimmt, dass einem FA in der Regel ein psychisches Problem vorausgeht, dann verstehe ich nicht, wieso die meisten versuchen, die FAs zu bekämpfen und nicht das Problem selber. Oder anders gefragt: Wieso liegt in diesem Forum der Fokus mehr auf dem Unterdrücken der FAs als auf den psychischen Problemen? Ich stelle es mir so vor, dass man, wenn man die Bulimie überwunden hat, doch sehr schnell in die nächste Sucht reinrutscht, wenn das Ursprungsproblem bestehen bleibt.Daher würde ich, zumindest bei mir, die Essstörung eher als Symptom, statt als Krankheit bezeichnen.
Natürlich weiß ich, dass sich nicht alle psychischen Probleme lösen lassen, aber wenn ich schon so viel Energie in die Bekäpfung der Bulimie stecke, dann möchte ich doch nicht nochmal die gleiche Energie in die Bekämpfung der nächsten Sucht stecken...

Vielleicht bin ich da zu pragmatisch und ich möchte auch wirklich keinen für seinen Umgang mit der Bulimie kritisieren. Das läge mir fern!


Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass es einem Menschen wirklich besser geht, nur weil es sich nicht mehr erbricht.

Oder möglicher Weise haben alles diesen Ansatz und es ist ihnen nur zu persönlich, darüber zu sprechen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass es hilft, sich auch über die Bewältigung der psychischen Probleme auszutauschen...

Hoffentlich versteht das jetzt keiner als Kritik. Wie schon gesagt, ich möchte niemanden verbessern oder belehren, sondern einfach nur verstehen...

Alles Liebe,
Strahlemaus :)
Zuletzt geändert von strahlemaus am Sa Okt 08, 2011 19:26, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selb

#2
Hey strahlenmaus!

Also ich glaube, dass du es nicht verallgemeinern kannst, dass in diesem Forum der Fokus darauf liegt, das Symptom zu unterdrücken..ja, ich denke schon, dass der Einsruck entsteht, aber jeder Betroffene hier hat seinen eigenen Ansatz und ohnehin versucht man ja, die Essstörung auf verschiedenen Wegen loslassen zu können- probiert eben unterschiedliche Sachen aus.

Du hast vollkommen Recht damit, dass hinter der ES viel mehr steckt als nur das Problem mit dem Essen- andere psychische Probleme, wie du sagst.
Nur ist nun die Frage, wie man dahinter kommen kann, um welche Probleme es denn tatsächlich geht bzw. welche Gefühle man unterdrückt.
Ich muss für mich persönlich sagen, dass es schon viel hilft, indem man versucht die Symptomatik für einen gewissen Zeitraum einzudämmen. Nicht um die ES für immer auf diesem Wege loslassen zu können, sonden um den ganzen Gefühlen, die durch die ES immer wieder unterdrückt werden, die Möglichkeit zu geben, hochzukommen. Das ist dann meistens die belastenste Zeit, die es gibt- man wird meistens sehr sensibel und ist meist vollkommen überfordert, weiß nicht, wie man mit den Gefühlen umgehen soll, sie einen so plötzlich überschwemmen.
Aber das ist die beste Methode, um herauszufinden, was einen WIRKLICH belastet. Man konfrontiert sich in dem Moment quasi mit seinem Inneren, das unter der ES verborgen liegt.

Ok, das ist jetzt mein persönlicher Ansatz, aber ich habe ja schon gesagt, dass hier jeder seinen eigenen Weg geht. Außerdem musste/muss ich das Essen an sich auch wieder vollkommen neu erlernen- ist ja nicht so, dass du deine wahren psychischen Probleme bearbeitet hast und dann plötzlich wieder vollkommen normal isst. Vielleicht, wenn man noch nicht so lange in der ES steckt, dann geht das vielleicht noch, aber wenn man jahrelang schon essgestört gewesen ist, hat man zunächst das Gefühl für das normale Essen verloren und muss auch das normale Essverhalten wieder "üben".
Meiner Meinung nach ist es ideal, an beiden Themen zeitgleich zu arbeiten - an der Stabilisierung des Essverhaltens und natürlich an den dahinterstehenden psychischen Problemen.
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selb

#4
Ich denke schon, dass in der Regel ein psychischen Problem dahinter steckt. Jeder Bulimiker ist sich, denke ich, über die Folgen von verätzen Zähnen bis zu lebensbedrohlichen Herzrhytmusstörungen bewusst und übergibt sich trotzdem (abgesehen von der Non-Purging Form, da kenne ich die Folgen nicht, aber ich tippe mal auf Gelenkprobleme und Herzmuskelentzüngung). Das ist meiner Meinung nach eine selbstzerstörerische Handlung, die von einem tiefen psychischen Problem herrührt. Ich spreche nicht vom Borderline-Syndrom, sondern eher von Selbstwertproblemen oder ähnliches...

@Kätzchen,
natürlich hat jeder seinen eigenen Weg mit der Bulimie fertigzuwerden und das ist auch richig so. Als Neuling viel es mir einfach nur schwer zu verstehen, wie andere damit umgehen, weil ich in erster Linie gelesen habe, wie sie darunter leiden, worüber man zur Verarbeitung auf definitiv reden muss. Mir würden nur Anregengen helfen, wie Menschen versuchen, dort wieder herauszukommen und nicht nur zu lesen, dass sie es versuchen. Ich denke, vielen Neuen geht das ähnlich. Man liest über son viele schlimme Schicksale und hat das Grauen vor Augen. Das macht mir schon etwas Angst und ich denke nur, so schnell raus aus den Problemen wie es geht! Solange ich noch nicht so tief drinstecke. Aus diesem Impuls heraus, habe ich den Beitrag geschrieben.

Re: Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selb

#5
ellixyz hat geschrieben:Steckt denn wirklich immer ein tiefes psychisches Problem dahinter?
Meiner Meinung nach auf jeden Fall.
Nur wird die Symptimatik irgendwann zum Selbstgänger, wodurch man nicht bei jedem Essanfall beispielsweise fragen kann "Warum habe ich das jetzt gemacht?", weil eben irgendwann keine Gründe mehr gebraucht werden, um so selbstzerstörerisch zu handeln.

Nur das Problem ist, dass einige Menschen das nicht wahrhaben wollen und meinen, dass sie ja nur kotzen, um abzunehmen und nichts anderes. Das ist aber immer nur der oberflächliche Grund.
Ich meine, allein DA muss man ja schon fragen: Warum investierst du all deine Energie ins Abnehmen? Denn wer sich so annehmen könnte, wie er ist, würde nicht über das Abnehmen nachdenken...wie ich schon gesagt habe, später verselbstständigt sich das. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, mich schon viel viel besser annehmen zu können als damals, aber die ES kann ich auch noch nicht 100%ig loslassen.
strahlemaus hat geschrieben:Mir würden nur Anregengen helfen, wie Menschen versuchen, dort wieder herauszukommen und nicht nur zu lesen, dass sie es versuchen.
Hmm, okay, also fändest du sowas wie eine Anleitung, um aus der Bulimie rauszukommen, nicht schlecht? Ich auch nicht. :mrgreen:
Nunja, es ist wirklich bei allen so unterschiedlich...aber was ich immer JEDEM ans Herz legen würde, der essgestört ist- eine Therapie zu machen!
Machst du eigentlich eine?
Denn dort geht es auf jeden Fall darum, rauszufinden, was deine eigentlichen Probleme sind (okay, es kommt auch auf die Therapieform und den Therapeuten drauf an..) und dann, wie du anders mit ihnen umgehen kannst.
In meinem Fall zum Beispiel ging es bei der ersten Therapie darum, mein Sebstwertgefühl anzuheben und mich das Gefühl der WUt wieder spüren lassen zu können, welches ich so lange Zeit nicht mehr gehabt habe. Denn wenn du erstmal ein gewisses Selbstwertgefühl aufgebaut hast, ist es viel einfacher, mit den ganzen anderen Problemen, die man hat, umgehen zu können! Ich sage gar nicht unbedingt, sie sofort zu können, das kann ich auch noch nicht, aber man wird generell ein wenig zuversichtlicher und innerlich stärker.
Also so ein Grobplan bei mir(!) war sozusagen: 1. Selbstwertgefühl aufbauen 2. verlorene Gefühle hervorholen 3. Schwarz-Weiß-Denken lockern und auhc Graustufen zulassen 4. sozialen Umgang wieder erlernen bzw. soziale Ängste überwinden 5. mich mit unterdrückten Gefühlen konfrontieren, indem ich phasenweise die ES runterschraube 6. Umgang mit diesen Gefühlen lernen 7. nebenbei ein lebenswertes Leben aufbauen mit Freunden, tollem Studium, tollem Wohnort, eigenen Träumen, Interessen, einfach Sachen, die mir Kraft geben

Also das war jetzt SEHR grob, aber wie schon gesagt, es ist bei jedem anders. Nicht jeder hat ein geringes Selbstwertgefühl, nicht jeder hat soziale Probleme etc.
Und diese Punkte klappert man auch nicht nacheinander ab, sondern die laufen größtenteils parallel..
"Ein positiv denkender Mensch weigert sich nicht, das Negative zur Kenntnis zu nehmen.
Er weigert sich lediglich, sich ihm zu unterwerfen."

Re: Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selb

#6
Natürlich ist das Überessen und Erbrechen vornehmlich symptomatisch - denn wer unterzieht sich und seinen Körper schon freiwillig jeden Tag einer solchen Tortur? Das Problem ist, wie Kätzchen schon sagte, dass die Symptomatik irgendwann zum Selbstläufer wird. Und zur Sucht. Alle möglichen Gefühle - Angst, Überforderung, Wut, Einsamkeit, Langeweile, sogar Freude - werden damit kompensiert. Insofern muss nicht nur an grundlegenden psychischen Problemen gearbeitet werden, sondern auch daran, die Symptomatik vom Gefühlsleben und dem Alltag erstmal abzukoppeln. Erstens, um wahrzunehmen, was man da überhaupt verdrängt und zweitens für den Übungseffekt: umlernen, aushalten, Alternativen schaffen und sich immer wieder für diese entscheiden.

Klar lässt Du einen Alkoholiker nicht bloß dadurch genesen, dass Du die Schnapsflaschen wegsperrst. Aber es gehört dazu. Denn egal, wie fleißig Du an der grundlegenden seelischen Problematik arbeitest - bei den wenigsten verschwindet die Symptomatik dann ganz von allein, solange immer noch eine gefühlte psychische Abhängigkeit besteht.

Man kämpft also immer an mehreren Fronten. Ich für meinen Teil kenne meine Grundproblematiken sehr genau. Vieles konnte ich aus der Welt schaffen, mit anderen Dingen muss ich einfach klar kommen. Aber das praktische Ablösen von der Sucht als Krücke im Alltag fällt sehr, sehr schwer, wenn man sich ein paar Jahre lang schon darauf gestützt hat. Dann ist die eigene Stützmuskulatur nämlich schon etwas degeneriert und man kriecht zunächst oft mehr, als zu laufen ...
"Denn wenn es eine Sünde gegen das Leben gibt,
so besteht sie vielleicht nicht so sehr darin, an ihm zu verzweifeln,
als darin, auf ein anderes Leben zu hoffen
und sich der unerbittlichen Größe dieses Lebens zu entziehen."

Albert Camus

Re: Bulimie mehr Symptom einer Krankheit, als Krankheit selb

#7
Es ist ja auch so, dass die meisten ESler sich zwar wegen einem "traumatischen" oder unschoenen Erlebnis in die ES gefluechtet haben, jedoch wie gerade schon gesagt bei recht "normalen" Gefuehlen zu dem Mittel des Essens und Erbrechens greifen.

Verstehst du wie ich das meine ? Jeder Mensch, ob ESler oder nicht ist mal traurig, wuetend oder einsam. Aber der ESler fleuchtet sich dann in die Ess-BrechAttacken, statt sich mit seinen Gefuehlen auseinander zu setzen.

Ein Beispiel ist : Frau A. faellt durch eine Pruefung und ist traurig und fuehlt sich schlecht und frisst und erbricht. So danach fuehlt sie sich besser, aber sie wird naechstes mal wieder durch die pruefung fallen.

Wenn man jetzt an der Symptomatik arbeitet und essen und erbrechen nach der versiebten Pruefung wegfallen, dann sitzt Frau A da und muss sich zwangslaeufig ihren Gefuehlen stellen und kann sich sagen: Okay, an der und der Stelle hat es gefehlt und deshalb bin ich durch die Pruefung gefallen. Naechstes mal laeuft es besser.!


Also muss man Frau A doch erstmal das Suchtmittel (bzw. das Symptom) wegnehmen, damit sie sich ANSCHLIESSEND mit dem Gefuehl und der Situation auseinander setzt :)


so seh ich das ^^

vorallem weil, wie ja schon einige hier geschrieben haben sich das Erbechen irgendwann verselbststaendigt und man alles erbricht, OHNE irgendwelche emotionalen Vorkommnisse :/


Lg,

wollsocke