Re: danke bulimie...

#32
@ pustekuchen ..oder blume?
Eben, du konntest/ ich konnte meinen inneren Kuddelmuddel nur über die Bulimie verarbeiten (zeigen würde ich nicht sagen, zumindest nicht zu Beginn, da ich alles vermied, wodurch mir andere auf die Schliche gekommen wären) ...nur über die Bulimie...andere/gesunde Menschen suchen sich dafür gesunden Kanäle, die sie nicht selbst zerstören sondern konstruktiv zu einer (mehr oder weniger, je nach Mensch) hilfreichen Lösung kommen lassen.
Warum habe ich das nicht drauf, noch nicht komplett zumindest?
Ja, die Frage is knallhart und legt offen, was ich nicht gern wahrhaben möchte. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass das direkte Ansehen und Realisieren dieser meiner Unzulänglichkeit zwar für die eigene Ehrlichkeit mir selber gegenüber nötig ist, aber noch nichts daran ändert, an dem Manko.
Ich geh jetzt aber auch nicht in Selbstmitleid (im Kotzen) unter wegen der Klarstellung dieses Fakts, ich denk mir mittlerweile: okay, dann pack ich´s halt an.
Dennoch find ich´s essentiell, mir das einzugestehen...weil es eben die Ursache ist für meine Krankheit.
Andere brauchen nicht über das Symptom Bulimie gehen, damit sie sich ihrer psychischen Probleme bewusst werden und sie verarbeiten können. Ja, diese Leute beneide ich, ich geb´s zu, diese Leute haben mir einen gesunden Umgang mit ihren Bedürfnissen, ihrer Psyche und ihrer Gesundheit voraus...und viel Lebenszeit, die sie schöner verbracht haben als ich beim F/K.
Zuerst ist da das psychische Problem (Trauma in der Kindheit, alles was eine problematische Vergangenheit so hergibt halt) ...das existiert ja fast bei jedem/r in unterschiedlichem Ausmaße.
Dann trennen sich die Wege:
die einen gehen gesund damit um und kommen viel schneller und unbeschadeter zu einer Aufarbeitung/Lösungs...auch mit Hilfe aller möglicher Therapien etc. ..indem sie sich selbst helfen auf jede (gesund-) geartete Weise.
die anderen machen´s mal vorerst so wie wir: Übersprungsverhalten / Verdrängung /..

Die "Gesunden" haben die (oftmals lange) qualvolle Krankheit nicht nötig, die überspringen das und lernen sich gleich kennen...denn ohne dem würden auch die nicht glücklich werden und mit den Problemen umgehen lernen.

Wir nehmen einfach den härteren Weg, verleugnen zuerst...bis wir dann endlich mal zu arbeiten beginnen...klar, das bringt dann viel Einsicht und Heurekas über uns, unsere Seele etc. ...es ginge aber auch einfacher!
Ich will nicht behaupten, dass sich alle, die nicht an Bulimie leiden, eingehend mit ihrer Gefühlswelt oder auch ihrer Umwelt auseinandersetzen, natürlich nicht...aber das macht unseren steinigen Weg nicht richtiger oder besser oder "erleuchteter". Selbstreflexion funktioniert auch ohne psychische Krankheit. Ich sehe mich jetzt nicht als Mini-Freud, weil mich meine Krankheit zu einer differenzierten Beschäftigung mit meinen Problemen/Bedürfnissen etc. gezwungen hat.
Außerdem gibt es ja auch jene Beispiele, die sich dagegen wehren, Pro-Foren besuchen, Pro-Seiten anlegen und sogar in den Tod gehen. Zumindest den letzteren hat die Krankheit ja wohl kaum etwas gebracht.
Ich denke, es gibt keinen einheitlichen Bulimie-Charakter...jedeR "nützt" die Krankheit anderes bzw. nützt sie nicht ...abhängig von seinem/ihren ursprünglichen Charakter...der schon vor der Bulimie bestanden hat.
apropos:
@pablo:
ok, wenn man es zu einer Charakter-Entwicklung zählen kann, dass man gelernt hat, wie man in positiver Weise mit sich selber umgeht, dann hab ich mich verändert...aber eben erst in der Aufwärtsphase. Die kranke Phase, in der ich die Bulimie genutzt hab, um zu verdrängen, hab ich genau nach meinem Charakter gehandelt...der mir den offenen Umgang mit "schwachen" Gefühlen verboten hat...nach dem Teil meines Charakters, der durch die Kindheit/soziales Umfeld/ Vorbilder etc. ...wozu die Traumatas etc. dazugehören...geprägt wurde. -> ich bin nicht schuld an der Krankheit, aber ich hätt mir schon längst einen anderen Weg suchen können oder nie damit beginnen....denn dass F/K eine mistige Lösung ist, das war mir beim ersten Mal Kotzen schon klar....aber, leider....
Vielleicht passt´s eher zu sagen, ich hab mich kennengelernt und hinschauen getraut...auf das was und wie ich bin...mich aber nicht wirklich verändert. Eher eine Bewusstwerdung.

´tschuldigung für die Länge!
Ich find die Diskussion supa, danke Wollsocke für´s anreißen!
"Niemand weiß, was er kann, BEVOR er es versucht."
Publius Syrus

Re: danke bulimie...

#33
bibs, deinen beitrag fand ich sehr interessant. er wirft fuer mich so viele fragen auf...
du sprichst mehrmals an, dass gesunde leute die gleichen 'probleme' (traumas, einschneidende erlebnisse, etc) haben wie leute, die eine ES entwickeln!
ist da der einzige unterschied wirklich, dass die nen gesunden weg finden und wir versagen und ne es brauchen?
bitte nicht falsch verstehen, ich moechte jetzt nicht ne entschuldigung fuer die ES suchen. ich frage mich einfach warum einige menschen so extreme wege suchen...
bibs hat geschrieben:Andere brauchen nicht über das Symptom Bulimie gehen, damit sie sich ihrer psychischen Probleme bewusst werden und sie verarbeiten können.
aber was denkst du warum das so ist?
Wir nehmen einfach den härteren Weg, verleugnen zuerst...bis wir dann endlich mal zu arbeiten beginnen...klar, das bringt dann viel Einsicht und Heurekas über uns, unsere Seele etc. ...es ginge aber auch einfacher!
wenn es fuer uns einfacher ginge, wuerden wir es dann nicht tun? wenn wir koennten??
wenn kinder zb mit dem leid umgehen koennten, dem sie ausgesetzt sind - also den schmerz ertragen koennten, verstehen koennten warum ihnen so etwas angetan wird, verstehen, dass sie nicht schuld sind, dass sie trotzdem wertvoll und liebenswert sind usw - dann braeuchten sie nicht ihre gefuehle verschwinden lassen und frueher oder spaeter eine derartige krankheit entwickelt (gilt fuer alle psychischen krankheiten). aber was, wenn sie alleine da stehen mit ihrem schmerz und nicht weiter wissen? wenn ihnen die lebenserfahrung und einsicht noch fehlt um einen gesunden weg zu finden und die gesellschaft dich zusaetzlich erbaermlich fuehlen laesst, weil du nicht funktionierst und therapie noetig hast. und du fragst dich, warum du so versagst...

fuer mich war die einsicht, dass und warum ich die ES brauchte sehr wichtig, weil ich dann aufhoeren konnte mich selber noch mehr fertig zu machen und zu kritisieren. ich fand mich ganz schrecklich erbaermlich und dachte mir ich bin einfach nur abartig, nutzlos, usw. ich konnte anfangen an mir zu arbeiten als ich verstand, dass die ES eine funktion hatte.
Selbstreflexion funktioniert auch ohne psychische Krankheit.
so wie du schreibst, klingt es als wenn die meisten leute, die nicht eine schwerwiegende krankheit entwickelt haben, mit sich im reinen sind und an sich und ihren 'psychischen problemen' gearbeitet haben...
das kann ich so gar nicht bestaetigen. klar, viele menschen sind ganz sicher mehr oder weniger mit sich im reinen und haben wege gefunden klarzukommen. aber viele 'gesunde' haben auch so viele probleme mit sich selbst... oder vielleicht liegt es auch an meiner direkten umgebung oder daran, dass ich gern hinter die fassade gucke... mir scheint es als wuerden nur sehr wenige leute, die nicht durch etwas extremes wie eine ES gezwungen werden an sich zu arbeiten, auch etwas dagegen tun.
Larina hat geschrieben: Auch wenn du niemanden angreifen möchtest, du greifst genau das Thema meines Beitrages auf, also geh ich davon aus das du unter anderem auch mich meinst.
sorry, ich hab etwas ueberreagiert im letzten beitrag. :wink:
´tschuldigung für die Länge!
Ich find die Diskussion supa, danke Wollsocke für´s anreißen!
dito!
Enemies
They stick to my head
They run with my feet
I'm doomed to be bad

Re: danke bulimie...

#34
Hallo mary jane! (gutes Neues Jahr auch!! :) )

[quote="mary jane"]

fuer mich war die einsicht, dass und warum ich die ES brauchte sehr wichtig, weil ich dann aufhoeren konnte mich selber noch mehr fertig zu machen und zu kritisieren. ich fand mich ganz schrecklich erbaermlich und dachte mir ich bin einfach nur abartig, nutzlos, usw. ich konnte anfangen an mir zu arbeiten als ich verstand, dass die ES eine funktion hatte.

Das hört sich super an und es freut mich sehr, dass zu lesen! Und diesen Prozess, den du da beschreibst, möcht ich auch in keinster Weise mindern! Du hast den "harten Weg" durchgezogen, viel über dich selber gelernt, dir selber geholfen und für dich selber Aufklärungsarbeit geleistet...was diese sch* Krankheit denn zu bedeuten hat und was sie soll. Chapeau! Das war und ist dein Weg, daran lässt sich so und so nix mehr rütteln..wäre auch ein Fehler, die Vergangenheit anzuzweifeln...du hast dir die konstruktiven Punkte ja rausgesucht, die richtigen Fragen gestellt und dir selber (mit Hilfer von Therapie?) beantwortet und bist dran die Krankheit los zu werden, indem du die Sachen angehst, auf die die Bulimie indirekt gedeutet hat. Und die optimale Zukunft wird doch dann so aussehen, dass du das alles erkennst ohne die Krankheit zuvor ausleben zu müssen, oder? Das ist wohl der Lerneffekt dahinter...und der ist ohne Zweifel lebenswichtig! In der Hinsicht kann ich "...danke Bulimie" nachvollziehen...aber der Aspekt macht die Krankheit gesamt nicht wirklich besser...wenn man sie als ganzes betrachtet und sich nicht nur die positiven Seiten heraussucht. Denn ich glaub nach wie vor, es ginge auch ohne. Aber dafür sind bestimmt viele Faktoren notwendig, die in dem Moment, indem sich der Körper bzw. eher die Seele eine Überlebens(Verdrängungs-)strategie sucht, um mit dem erfahrenen Leid umzugehen. Da kommts wohl auf das Alter drauf an, auf die Eltern...was einem beigebracht wurde, wie man mit schwierigen Situationen umgeht, wie man die eigenen Bedürfnisse anpackt, Emotionen auslebt...also Erziehung, eigener Charakter und sicherlich auch bisherige Erfahrungen außerhalb der Familie/ in der Gesellschaft (Werbung, Medien, Konsumdruck etc.). Unsere Geschichten waren wohl so geprägt, dass wir die Esstörung entwickelt haben. Essen ist etwas total Lustvolles mit dem ganz starke Emotionen verknüpft sind...die allererste Zuwendung und Liebe erfahren wir an der Mutterbrust. Also ist eine Esstörung ein naheliegender Mechanismus, um mit Emotionen "fertig zu werden".

naja, viel geschrieben...im Kreis.
Fazit, ich kann/will der Bulimie nicht wirklich danke sagen...klar, es ist ein amibivalentes Gefühl ihr gegenüber, man hat sich viel daraus erarbeitet...und die Bulimie gehört in der Zeit ja auch zu einem, sie ist keine fremde äußere Macht, ich habe sie selber unterbewusst erschaffen...und das muss ich akzeptieren, das Beste draus machen, mich nicht dafür verurteilen, klar. Aber es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben...am allerbesten jene, gleich von Anfang an gesund mit den Problemen/Traumatas/etc. umzugehen...aber dazu hätte viel anders laufen müssen, in meiner Kindheit/Jugend. Es war so wie es war. Aber jetzt form ich es selber...noch nicht vollständig, aber immer besser, ohne Bulimie.

noch mehr schreiben bringt nix, i wiederhol mich nur noch, Verzeihung!

lg
"Niemand weiß, was er kann, BEVOR er es versucht."
Publius Syrus

Re: danke bulimie...

#35
Der Überbrückungszustand zwischen Leben und Tod ist KRANKHEIT.

Man könnte auch sagen, wie Andreas Tenzer es ausdrückt:
Krankeit ist blockierte Energie.

Und auch ich bin jemand, der sich nicht davor scheut, Danke Bulimie! zu sagen – wie verquer es sich auch anhört.
Nein, ich bin nicht dankbar, dass ich monatelang meine Zeit mit Fressen und Kotzen verbracht habe – aber ich bin dankbar für die Einsicht und nicht zu vergessen: Dass ich noch am Leben bin.

Die Meisten sind irgendwann an einem Punkt, an dem sie sich fragen, was der Sinn des Lebens ist oder wieso sie leben. Manche kennen auch die inneren Zweifel, wenn man sich fragt, ob man überhaupt noch leben möchte – oder sich gar schon ausmalt, wie es wäre zu sterben.
Das muss ja nichteinmal bewusst ablaufen, meistens kapiert man es erst hinterher.
Und die Zeit dazwischen ist manchmal kein echtes Leben und auch kein echtes Sterben, es ist ein Überbrückungszustand, als würde man ein wenig schwanken und sich noch nicht so recht zwischen einem der beiden entscheiden können.

Es lässt sich wohl nicht abstreiten, dass gerade Süchte – also quasi 'selbst herbeigeführte Krankheitszustände' ein enormer Aufmerksam-macher ist. Noch in der Minute während des ersten Males selbst gewollten Kotzens habe ich mich schon WIESOO???!!! gefragt.
Und es hat über ein Jahr gebraucht, bis ich das endlich verstanden habe. Und selbst jetzt kommen stückchenweise immer wieder neue Einsichten und Aha's!

Manchmal braucht man einfach einen Stopp-Schalter, ein lautes hilfloses Kreischen der Seele bevor sie zerbricht oder man sich aus seiner Hilflosigkeit heraus lieber doch sofort umbringt.
Niemand kann mir erzählen, dass er gerne Bulimiker ist und dass er sich darüber freut und diesem Zustand an sich dankt.
Aber doch, dass es im Nachhinein vielleicht die nächstgelegene Möglichkeit war, sich selbst mal das Brett vor den Kopf zu hauen und einem unverdrängbar vor den Latz zu knallen, dass was schief läuft. Was genau es ist, muss man dann selbst herausfinden.

Aber genau diesem STOPP kann man dankbar sein – und ich kann nun akzeptieren, dass ich das gebraucht habe, dass es zwar ziemlich primitiv ist, sich selbst erst in ein Loch zu ziehen, um zu verstehen, was gerade passiert – aber dass ich das gebraucht habe. Und es mag eine Menge anderer Leute geben, die sich nicht erst selbst fertig machen müssen, um etwas zu verstehen – aber ich hab's wohl zu dem Zeitpunkt gebraucht und fertig.

Bulimie ist weder JA noch NEIN zum Leben - es ist die Unentschlossenheit. Ein Stillstand – man setzt sich selbst ausser Gefecht. Und zumindest bei mir hat das funktioniert.
Dass hinterher zum Warum der Sucht auch noch die Sucht an sich, also die Gewohnheit hinzukommt, ist eine andere Geschichte. Es sind zwei Paar Schuhe: Einmal nockt man sich selbst aus und gibt nicht eher nach, bis der Grund dafür gefunden ist – und einmal steht man dann vor einer zwanghaften Gewohnheit, einer Schein-Problem-Lösung. Und dass ist dann nichts mehr für das ich dankbar bin, eher ein ätzender Nebeneffekt mit dem man dann meist zu kämpfen hat – der aber zu besiegen ist.

Und zwar genau an dem Punkt, an dem man wieder mit ganzem Herzen JA zum Leben sagen kann, der inneren Überzeugung, dass man alle Gefühle aus dem Leben ziehen möchte und nicht aus selbstherbeigeführten Zuständen und auch lernen möchte, mit ihnen und aufkommenden Situationen (die das Leben nunmal so mitsichbringt) umzugehen - mit einer inneren Gewissheit und Zuversicht und ohne dabei auf Schein-Problem-Lösungen zurückzugreifen (die einem hoffentlich zuvor klargemacht haben, dass sie welche sind).

Liebe Grüße
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: danke bulimie...

#36
Hallo ihr Lieben...

Ja vielleicht geht man anders durch die Welt wenn man B* hat und ja vielleicht ist man menschlicher als andere aber dadurch auch viel verletzlicher.... ich kann nur von mir sprechen und was für ein Fluch es ist, immer alles zu hinterfragen... wie sehr es einen verletzt das Menschen nicht so zuvorkommend sind und höflich wie ich, wie alle nur an sich selber denken, als einmal an einen anderen Menschen... ich nehme es persönlcih wenn man mir nicht guten Tag sagt oder danke, wenn ich jemanden die Tür aufhalte, bin so enttäuscht von anderen Menschen und doch wünsche ich mir oft, ach könnte ich auch mal öfter an mich denken...ich kann mein Weltbild nicht allen anderen Aufzwingen, nicht aufzwingen das es selbstverständlich ist menschlich zu sein und auch an andere zu denken.... ich wünsche mir ein normales Leben, mit normalen Gefühlen, ohe das mir die Krankheit immer und immer wieder Steine in den Weg legt... ich danke dem Leben, das ich so ein feinfühliger Mensch bin aber ich danke nicht der Bulimie, ich hasse sie...