Von Christin am 05.09.2001
Hallo! Ich schreibe heute zum ersten Mal hier im Chat. Vielleicht erzähl ich erstmal was zu meiner Vorgeschichte. Ich hab die Bulimie schon seit zwei Jahren. Nach einem Jahr hab ich dann zu Hause davon erzählt. Meine Eltern waren natürlich völlig schockiert und sind in Panik verfallen. So dass wir anschließend irgendwie nicht mehr normal miteinander umgehen konnten. Da hielt ich es eben für das Beste einfach zu behaupten, dass alles wieder in Ordnung wäre. Normal gegessen habe ich die ganze Zeit über nicht. Entweder habe ich diätet oder übermäßige wieder zugenommen. Nebenher schien mir es das Einfachste oder "Sinnvollste" zu sein, dass ich nachdem ich gut oder etwas zu viel gegessen hatte. Alles wieder loszuwerden. Anfangs glaubte ich das könnte man so wieder abstellen, aber schon bald merkte ich das ich wirklich süchtig war und keine Kontrolle über mich selbst hatte. Nach wiederum einem halben Jahr hab ich es mit ca. 3 Anfällen an manchen Tagen nicht mehr ausgehalten und bin wieder zu meinen Eltern. Dann war das Drama perfekt und seit dem (Anfang diesen Jahres) herrscht bei uns die reinste Unnormalität zu Hause. Es fällt uns sehr schwer normal miteinander umzugehen und wir käffen uns ständig an. Ständig hat man das Gefühl kontrolliert zu werden. Irgendwie weiß jetzt gerade nicht ob das hier überhaupt interessiert was ich schreibe. Aber vielleicht ist es doch wichtig zu wissen was sich bisher so bei mir getan hat. Also die Situation zu Hause ist echt zum Kotzen. Ich bin aber sehr froh, dass ich den Weg zum Psychologen gefunden habe, weil ich das Gefühl habe woanders nicht solche Hilfe finden zu können. Natürlich hab ich da noch meinen Freund, der mich so akzeptiert und mir versucht zu helfen. Aber ich denke schon, dass ein Experte mir in der Hinsicht echt mehr helfen kann. Nach meinem diesjährigen Abi-Abschluss hab ich eine Ausbildung zur Steuerfachangestellte angefangen. Und nicht nur bei der Arbeit sondern egal was ich tue, ich beschäftige mich ständig mit den Gedanken ans Essen. Und wenn ich dann nach Hause komme bietet sich eben die Möglichkeit mich voll zu fressen und alles wieder loszuwerden. Auch das macht mich ziemlich fertig und erschöpft mich völlig. Aber die Nebenwirkungen und die Schuldgefühle die man dadurch bekommt sind Euch bestimmt auch nicht fremd. Jeden Tag nimmt man sich vor es nochmal ohne Anfall zu versuchen. Und sich zusammen zureißen, ja, irgendwie ständig gegen sein vielleicht "wichtigstes Bedürfnis" anzukämpfen.
Und ziemlich enttäuschend und entmutigend ist es eben auch wenn man immer wieder sagen muss, ich bin nicht dagegen angekommen. Hoffnung habe ich nur dadurch bekommen, dass man die Bulimie nicht als was schlechtes sondern eher als die Überwindung einer Krise oder als eine Chance sehen muss. Leider muss ich jetzt aufhören, denn wir treffen uns mit ein paar Freunden. Vielleicht erzähl ich anschließend ja noch weiter. Bis dann!
Akzeptiert vielleicht auch die Chance;
Alles Liebe
Christin
bisherige Antworten:
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Betreff: Re: wieder mal von vorne anfangen?
Von Karin am 06.09.2001
Ich hab seit ca. 5 Jahren Bulimie und es ist schrecklich. Du glaubst gar nicht, wie bekannt mir alles, was du geschrieben hast, vorkommt. Bitte melde dich bei mir!! BITTE! BITTE!!!
Karin
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Betreff: Re: wieder mal von vorne anfangen?
Von meli am 06.09.2001
hallo christin. deine geschichte kommt mir sehr bekannt vor. ich bin vor jahren auch zuhause ausgezogen, weil es einfach nur ärger gab. und das schlimme ist, daß wennich heute darüber nachdenk, dann war ich die schuldige an dem ganzen ärger. ich war durch meine magersucht und bulimie einfach nur unausstehlich. vor allen dingen hab ich nur gelogen. immer. egal bei was.
das war echt ne schlimme zeit. ich bin dann wie gesagt ausgezogen und hab meine eltern von august bis weihnachten nicht gesehen und nur ganz selten telefoniert, weil jedes mal am telefon gabs wieder nur ärger. meine mutter hat versucht mich zu kontrollieren und das war echt ätzend.
nun gut, irgendwann wurde das verhältnis dann wieder supergut. und bin dann wieder nach hause gezogen, weil ...
ja, weil ich einfach wieder das gutmachen wollte, was ich in den jahren mit meiner krankheit kaputtgemacht hatte. ich hab wirklich viel in der familie zerstört, das muß ich schon zugeben. meine mutter war auch psychisch meinetwegen am ende. das tut mir heute noch sehr leid. sie hat genauso abgenommen wie ich in der zeit, aber aus sorgen um mich.
wie gesagt, ich bin wieder nach hause zurück und alles war ok, relativ zumindest, klar gibt es immer irgendwann mal ärger, wenn mehrer leute zusammen sind.
was ich meiner mutter damals zugute heißen muß war, daß sie sich vollkommen von meiner kotzerei distanzierte. es war ihr egal, ok egal vielleicht nicht, aber sie hat mich nicht mehr kontrolliert und hat sich wirklich psychisch wieder gefangen. sie hat sich nicht mehr reingesteigert und wohl akzeptiert, daß man mir nur helfen kann, wenn ich das selbst will.
ich wurde auch nicht mehr gedrängt in therapie zu gehen. es war ok.
mittlerweile wohne ich wieder seit 1 jahr allein. ist besser so. und das verhältnis zu meinen eltern ist spitze geworden, zum großteil zumindest.
ich erzähle auch nichts davon wie es mir geht, sie wiessen auch nicht, daß ich seit ein paar wochen wieder in therapie bin. sie wissen eigentlich gar nichts mehr von meienr kotzerei. und so soll es auch sein. weil wenn ich was erzählen würde, dann würde die fragerei wahrscheinlich wieder losgehen.
ich vermeide es auch ganz arg, bei meinen eltern zu kotzen wenn ich am wochenende daheim bin. und ich versuche auch immer, mich am wochenende zusammenzureißen und normal zu essen, mit meinen eltern.
und ich sehe dann immer das glitzern in den augen meines vaters, wenn er sieht mit was für einem appetit ich essen kann. und ich kotze dann auch wirklich nicht. das bringe ich nicht fertig.
liegt vielleicht daran, daß ich meinen vater das erste mal hab weinen sehen als ich magersüchtig war und 4 monate in einer klinik war. damals war ich an einem wochenende zuhause und ich gebs zu ich sah damals schrecklich aus. hatte noch *kg. war echt nicht viel. jedenfalls haben wir damals ganz vernünftig und rational über die krankheit geredet. und da mußte mein vater weinen, weil er sich solche sorgen machte. mein vater ist ein typ mensch, der eigentlich noch nie gefühle hat zeigen können. aber an dem tag saß ich bei ihm auf dem schoß, wir haben uns im arm gehabt undnur geheult.
und ich glaub, deshalb krieg ich das jetzt auch nicht fertig, zuhause zu kotzen. ich sehe jedesmal daß sich meine eltern freuen, wenn ich esse. richitg freuen. nicht kontrollieren. es ist auch gar kein problem wenn ich nur salat esse oder gar ncihts.
so, ihc hoffe, ich hab dich nicht zusehr zugemüllt. aber irgendwie bin ich heute in einer ganz komischen stimmung. ich komm vom hundersten ins tausendte und die gedanken schwirren mir nur durch den kopf, völlig unkontrolliert.
trotzdem danke fürs zuhören.
würd mich über eine antwort freuen. liebe grüße, meli
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Betreff: Re: wieder mal von vorne anfangen?
Von Christin am 09.09.2001
In letzter Zeit merke ich irgendwie immer mehr wie sehr mich die Bulimie einschränkt und wieviel sie mir an Freude und Gelassenheit nimmt. Ständig ist man von verwirrenden und besorgenden Gedanken umgeben. Von Schuldgefühlen und schwindenden Selbstwertgefühl ganz zu schweigen. Das hört sich jetzt alles sehr negativ und pessimistisch an. Aber im Moment kann ich mich halt auch über schöne DInge weniger freuen als früher. Es fällt mir eben auch sehr schwer über meine Gefühle zu sprechen. Besonders bei meinen Eltern halte ich mich liebe zurück, weil die sich davon zuviel annehmen und mein Problem zu ihrem machen. Und gerade das ist nicht sehr förderlich. Bei mir "soll" das mit der Bulimie eben echt daran liegen, dass ich mich einerseits von meinen Eltern loslösen will, andererseits noch viel zu verbunden,oder besser gefesselt bin. Hast du bei dir ne Ahnung wo die Ursachen bei Dir zu finden sind? Ich bin gerade mit einer Psychotherapie angefangen. Und ich wüßte nicht was mich sonst aus der Sucht rausholen könnte. Irgendwie sehe ich da jetzt meinen Lösungsweg. Obwohl sich noch keine Besserung bei der Häufigkeit meiner Anfälle gezeigt hat, meine ich doch etwas mutiger und hoffnungsvoller geworden zu sein. Welche Art von Therapie hast du den gemacht?
Die Beziehung mit meinem Freund leidet irgendwie auch ganz schön. Ich glaub zwar, dass Christoph das nicht ganz so wahrnimmt wie ich, aber ich hab eben das Gefühl, dass ich eben nicht so viel geben kann, wie ich gerne wollte. Vielleicht hab ich auch zuviel Angst ihn durch die Bulimie zu verlieren. Wenn ich davon erzähle wie es mir geht und wie beispielsweise so ein Anfall abläuft, hab ich einerseits das Gefühl ihm dadurch näher zukommen und eben einen, im Moment für mich entscheidenen, Lebensinhalt mit ihm zu teilen. Andererseits hab ich aber auch Sorge, dass er eben eine große Schwäche an mir erkennt und ich Ihm fremd werde. Andere Frauen haben eben nicht solche Probleme, und geben nicht so für Außenstehende, unverständliche Kommentare in Bezug auf ihre Figur ab. Oder man muss als Partner nicht ständig darauf achten was man sagt (gerade beim Thema Essen. Und das wonach ich mich im Moment am meisten sehne heißt dann wohl: NORMALITÄT! Seitdem ich die Bulimie habe ist vieles für mich unnormal geworden. Vor allem natürlich zu Hause, die Bulimie dominiert eben doch über allen anderen Themen.
Wir müssen uns glaub ich immer öfter klar machen, dass die Bulimie eben nicht nur unsere Persönlichkeit ausmacht. Sondern öfters mal unsere anderen Fähigkeiten schätzen lernen. Wobei ich auch weiß wie schwierig das ist.
Zum Schluß wollte ich Dir noch ein Gedicht was mir meine Freundin mal "geschenkt" hat:
Spüre
die Kraft,
die in dir steckt.
Verzage nicht.
Besinne dich
auf deine Fähigkeiten,
und du
wirst überrachscht sein,
wenn du
dich neu
entdeckst.
Alles Gute
Christin
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