Von Sonja am 04.08.2001
Hallo Karin,
ich finde Deine Antworten einfach Großartig. Der Satz "die Sonne scheint mit 53 genau so wie mit *kg" trifft den Nagel auf den Kopf....
Wie Du weiß versuche ich zur Zeit wirklich mit aller Kraft gesund zu werden! Mir fehlen nur ihrgendwie ein paar Leitlinien! Du warst oder bist doch in einer Selbsthilfegruppe! Denkst Du es wäre für mich der richtige Weg Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufzunehmen? Oder sollte ich mich gleich nach einem Therapeuten umsehen? Und wenn ja, wie finde ich den Richtigen? Wäre es eigendlich sinnvoll meinem Mann von der Bulimie zu erzählen?( Er weiß nämlich nichts davon und denkt ich bin halt auf Dauerdiät)
Ich wäre Dir wirklich dankbar für ein paar Ratschläge.
Liebe Grüße
Sonja
bisherige Antworten:
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Betreff: Re: Fragen an Karin
Von Karin am 05.08.2001
Hallo Sonja,
ein alter Spruch von mir lautet "Ratschläge sind Schläge"!!!!
Ich kann dir nur aus meiner Erfahrung erzählen, was ich mit Leuten von der Selbsthilfegruppe erlebt habe und was ich von mir kenne. Weißt du, jeder ist anders und reagiert auch anders und muß das wirklich für sich entscheiden.
Zuerst mal möchte ich dir sagen "Gib dir Zeit"!!!!
Die brauchst Du! Wenn du jetzt schon über 3 1/2 Jahre Bulimie hast, geht sie auch nicht von heute auf morgen weg! Ich habe in der Klinik aufgehört zu kotzen. Wenn ich einen Fressanfall hatte, habe ich ihn immer ausgehalten. Heute würde ich es nicht mehr tun! Es hat mich teilweise so viel Kraft gekostet, das es für mich noch schlimmer war als wenn ich ab und zu (das ist bestimmt kein Freibrief zum Kotzen) mal gekotzt hätte. Wichtig bei einem Rückfall ist, das du dir ganz genau (ohne das du dich selbst belügst) anschaust warum er gekommen ist. So hast du die Chance das nächste Mal schon im Vorfeld den Rückfall zu stoppen. Was für mich ganz, ganz wichtig war ist, das ich mir Entspannungsmöglichkeiten gesucht habe die mich echt befriedigt haben. Aber das ist auch bei jedem anders.
Ich würde mir sofort wieder Hilfe holen!!!!
Natürlich ist es schwer den oder die richtige Therapeutin zu finden. Aber du mußt ja nicht gleich den/die erst beste nehemen. Du hast die Möglichkeit sie dir anzuschauen und zu entscheiden ob du mit ihnen klar kommst.
Wenn in deiner Stadt eine Selbsthilfegruppe ist dann schau sie dir doch einfach mal an. Du bist zu überhaupt nichts verpflichtet. Wenn sie dir nicht zusagt oder nicht gefällt, brauchst du nicht mehr hingehen!!!!!! Ich sage das auch immer unseren "Neuen". Manchmal wenn es Mitgliedern schlecht geht(oder auch im umgekehrten Falle) kommen sie über Wochen hinweg nicht mehr und dann wieder regelmäßig. Du mußt dich da wohlfüllen und Du mußt gerne hingehen wollen, sonst hat es keinen Sinn. "Laß dich in nichts reindrücken"! Dazu hat niemand das Recht! Du mußt selbst entscheiden wer dir guttut und wo es dir guttut. Und glaube mir Sonja das lernst du zu spüren. Alle Leute die ich bis jetzt kennengerlernt habe die eine Essstörung haben oder hatten sind hoch sensibel. Und gerade deswegen weil sie eben so viel spüren, fallen sie in eine Sucht. Süchtig sein heißt, Gefühle nicht aushalten wollen. Aber es ist immer die Frage was besser ist. Die Gefühle die verdammt weh tun auszuhalten "kurzfristig". Denn sie gehen wieder weg. Wie bei einer Geburt. Die Wehen tuen verdammt weh, aber nach einer gewissen Zeit ist es vorbei. Oder die Gefühle wegzukotzen (wegzuhungern, wegzusaufen....) und über einen langfristigen Zeitpunkt hinweg unglücklich zu sein. Und das kann wirklich jeder nur für sich selbst entscheiden. Sonja, wenn du es wirklich schaffen willst, dann schaffst du es auch. Davon bin ich überzeugt. Aber tu es nicht für andere, nicht für dein Kind und auch nicht für deinen Mann oder deine Mutter oder, oder. Du mußt es für "dich tun". Das ist ganz ganz wichtig. Hol dir Hilfe wo du sie kriegen kannst. Ich habe eine sehr gute Freundin, sie hat keine Essstörung. Wenn ich schlecht drauf bin dann geh ich zu ihr und lade meinen "Müll" bei ihr ab. Sie kann nicht immer verstehen was ich ihr erzähle, schon gar nicht nachfühlen. Aber sie hört sich an was ich ihr zu sagen habe und das tut verdammt gut. Und umgekehrt ist es genauso. Ich kann auch nicht immer nachvollziehen was sie bewegt, aber sie kann jederzeit zu mir kommen und ich höre mir ihre Probleme an. Es muß immer ein Austausch stattfinden, sonst sind es die falschen Freunde.
Du hast mich gefragt, ob du es deinen Mann sagen sollst. Ich weiß es nicht. Aber wenn du ihn lieb hast und ihn vertraust, dann würde ich es gut überdenken, denn wenn er es merkt, ist er bestimmt enttäuscht und das ist ein Vertrauensbruch der so leicht nicht zu kitten ist. Er muß ja auch nicht alles verstehen, das wird er auch nicht, das tut mein Mann auch nicht immer. Wenn du es ihm sagst, dann sei ehrlich zu ihm, so ehrlich es geht. Gib ihm Bücher zu lesen, das hat mein Mann auch gemacht. Und rede, rede, rede mit ihm. Wir suchen uns immer einen neutralen Ort zum reden (wir gehen meistens Kaffeetrinken natürlich ohne die Kinder) denn wenn wir zu Hause anfangen dann geht das meistens (bei uns) in die Hosen. Mein Mann hat sich auch ganz schwer getan das alles zu verstehen und nachzuvollziehen und er hat sich große Vorwürfe gemacht es nicht bemerkt bzw. erst bemerkt zu haben als es schon fast zu spät war. Und wir streiten uns oft und viel, weil bei mir über die Jahre hinweg immer wieder eine Veränderung aufgetreten ist. Ich bin nicht mehr das Mädchen das er kennengelernt hat. Aber er ist auch mein Trainer. Ich muß immer wieder mein Selbstbewußtsein aktivieren, damit ich micht durchsetzen kann und das hat mir nicht geschadet, auch wenn ich es oft so empfunden habe.
Auch Sonja, ich kann fühlen wie es bei dir aussieht!!!! Geh es langsam an. Vielleicht schreibe dir einfach Punkte auf die dir wichtig sind und mache eins nach den anderen. Du kannst nicht auf einmal alles ändern. Kleine Schritte bringen dich ans Ziel. Ich wünsche dir alles alles liebe und ganz viel Kraft. Ich würde mich freuen, wieder von dir zu hören.
Karin
P.S. Bei mir dauert es manchmal ein paar Tage bis ich wieder die Zeit finde zu schreiben! Aber ich tu es ganz bestimmt!
Fragen an Karin | 1 Antwort
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