An Astrid | 4 Antworten

#1
Von Karin Am 01.08.2001

Hallo Astrid,
ich habe deinen Eintrag gelesen. Du hast mich gefragt wie es bei mir angefangen hat. Ich werde versuchen es so kurz wie möglich zu erzählen. Meine ersten Fressanfälle hatte ich schon mit 9 Jahren. Ich hatte eine schwere Kindheit. In der Pubertät fing ich dann an Diäten zu machen. Ich fühlte mich zu dick. So fängt es wohl bei vielen an. Natürlich nahm ich immer wieder zu. Mit 19 Jahren lernte ich dann meinen jetzigen Mann kennen. Ich war so froh endlich jemanden zu haben der "mich" liebte so wie ich bin. Wir sind ziemlich bald zusammengezogen. Ich habe mich von allem zurückgezogen und nur noch für die Wochenenden gelebt (mein Mann arbeitet auswärts). Ich wurde immer dicker, am Schluß wog ich so ca. *kg. Irgendwann ist auch die größte Verliebtheit vorbei und es kehrt der Alltag ein, und damit bin ich auch nicht klar gekommen. Ich wollte wieder abnehmen. In kurzer Zeit nahm ich dann über *kg ab und damit begann der Teufelskreis. Ich fing an zu kotzen. War ja auch ganz praktisch. Den Schuldigen fand ich in meinem Mann. Schließlich war er ja schuld wenn es mir schlecht ging. Ja, so ging es kann ein paar Jahre dahin und es wurde immer schlimmer. Ich kotzte bis zu 20 mal am Tag, am Schluß habe ich alles gekotzt was ich gegessen habe. Ich wog dann noch *kg. Ich arbeitete teilweise bis zu 14 Stunden am Tag, damit ich meine Bulimie finanzieren konnte. Oft habe ich mir gewünscht ich wenn ich zur Toilette gekrochen bin mir würde der Magen platzen und keiner würde mich finden und ich würde endlich sterben. Ich dachte in dieser Zeit sehr oft an Selbstmord. Leider oder Gott sei Dank war ich zu feige dazu. Irgendwann kam dann der Moment wo ich in der Arbeit einen Zusammenbruch hatte. Ich hatte "Todesangst"!!! Ich dachte mir mein Herz bleibt stehen und ich bekomme einen Infarkt. Da wurde mir klar das ich Leben wollte. Ab diesen Tag fing ich an mein Essen zu kontrollieren. Ich nahm nicht mehr als 500 Kalorien am Tag zu mir, damit ich ja kein Gramm zunahm. Natürlich ging das nicht lange gut. Schließlich ging ich dann zu einen Neurologen. Der sagte mir ganz klar das es für mich nur 2 Möglichkeiten gab. Entweder ich würde langsam sterben oder ich gehe in eine Klinik und mache eine Therapie. Ich wollte Leben und fing mit der Therapie an. Ich war 4 Monate in der Klinik. Einmal Hölle und zurück. Es waren (bis dahin) die schrecklichsten Monate aber auch die schönsten meines Lebens. Erst in der Klinik wurde mir richtig "bewußt" was mit mir los war und das die Bulimie nur ein Symtom war. Die Wurzeln einer Essstörung (egal ob Bulimie, Mager- oder Freßsucht) liegen wo anders. Meist in der Kindheit. Ich hatte eine liebe Therapeutin (sie hatte selbst einmal Bulimie). Sie war und ist bestimmt auch heute noch eine tolle Frau. Kein dürres Gerippe sondern eine Frau mit Busen, mit Po und mit einer wahnsinnigen Ausstrahlung. Ich denke noch oft an bestimmte Sätze die sie während der Therapie zu mir sagte. Als ich dann nach Hause kam dachte ich mir das ich gesund bin!!!! So war es leider nicht. Ich kotzte seit der Therapie nicht mehr, dafür nahm ich ganz schnell *kg zu. Da stand ich nun und mußte mir Gedanken machen wie es weitergeht. Manchmal war ich so verzweifelt, das ich dachte ich schaff es nicht weiter. Doch es ist zu schaffen. Das alles ist nun schon fast 10 Jahre her. Zur Zeit bin ich im 7. Monat schwanger. Das ist mein 3. Kind. Es gab immer wieder Höhen und Tiefen. Nur waren die Tiefen nicht mehr so tief. Vor 6 Jahren habe ich in unserer Stadt eine Selbsthilfegruppe gegründet. Damals dachte ich mir immer "Warum gerade ich!!" Heute bin ich manchmal ganz froh darüber so wie es gekommen ist. Ich habe soooooo viele liebe Menschen kennengelernt. Weißt du Astrid, du bist noch so jung und stehst am Anfang. Bitte hol dir Hilfe so schnell es geht. Die Heimlichkeit ist die Sucht. Geh raus aus der Heimlichkeit. Wenn sich der Kreis erst mal geschlossen hat wird es immer schwieriger ihn zu durchbrechen. Und je länger du wartest um so härter wird es!!!! Ich habe gelernt mit meiner Essstörung zu leben. Ich fange oft immer noch zu essen an wenn ich Probleme habe, nur weiß ich es heute und ich kann mich "bewußt" dafür entscheiden ob ich es will oder nicht. Manchmal will ich meine Probleme einfach wegessen und dann tue ich es auch. Aber ich tue es bewußt und ich halte es dann auch aus. Nur das ist mit den Jahren immer weniger geworden. Vor kurzen mußte meine kleine Tochter ins Krankenhaus, sie wurde Notoperiert, dann nahm sich eine meiner besten Freundinnen das Leben. Und seit Anfang Juli liegt mein Vater im Krankenhaus Diagnose "Krebs". Noch vor 2 Jahren hätte ich das alles wohl nicht ausgehalten, den ganzen Schmerz ertragen. Aber man kann so viel ertragen und aushalten auch ohne die Bulimie. Jeder der es wirklich schaffen will kann den Teufelskreis entkommen. Das kostet zwar wahnsinnig viel Kraft, aber genauso viel (wenn nicht noch mehr) Kraft kotzt du in die Closchüssel. Und diese Kraft kannst du wirklich anders nutzen. Es gibt so viele Mittel und soooooo viele Wege, du mußt sie nur lernen zu gehen. Doch das geht bestimmt nicht von heute auf morgen, das ist ein langer Prozess!!!! Liebe Astrid ich hätte dir noch sooo viel zu sagen. Wenn du mich was fragen möchtest, dann tu das. Weißt du, die Sonne scheint mit *kg genauso wie mit *kg. Es gibt viel schöner und viel wichtigere Sachen im Leben. Du bist noch so jung, geniese und leben "DEIN LEBEN". Ich wünsche dir dazu alle Kraft der Welt. Ich würde mich freuen, wieder von dir zu hören. Alles, alles liebe Karin

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bisherige Antworten:

Betreff: Re: An Astrid
Von Sanne Am 01.08.2001


Sorry, der Beitrag war zwar nicht für mich bestimmt, aber ich fand ihn wirklich aufbauend. Was mich am meisten aufgebaut hat ist die Tatsache, dass du jetzt schwanger bist und schon 2 Kinder hast.
Ich hab seit ca. 11 Jahren Bulimie und ich möchte wirklich damit aufhören.
Die ganzen Jahre über hab ich durchgehend die Pille genommen und hatte dadurch auch immer meine Tage.Zwar nur ganz wenig, aber immerhin.
Vor ca. 2 Jahren hab ich sie abgesetzt und hatte danach keine Periode mehr.
Mein Frauenarzt hat mich jetzt schon seit über einem Jahr mit allen möglichen Hormonen vollgepumpt und regelmäßig Blutwerte genommen. Die waren aber immer nur dann einigermaßen gut, wenn ich wenig gekotzt habe. Aber sie waren halt auch nie überwältigend gut. Ich hab ihm auch nie gesagt was mit mir los ist. Und jetzt hab ich ganz ganz große Angst davor niemals Kinder bekommen zu können.
Und wenn ich jetzt lese, dass du trotz der schlimmen Zeit, die du durchgemacht hast 3 Kinder bekommen hast, dann gibt mir das wieder etwas Mut und Hoffnung.
Bald hab ich wieder eine Termin und bis dahin will ich so wenig wie möglich (eigentlich gar nicht, aber das klappt leider nicht) kotzen, dass die Werte gut sind.
Nochmal sorry, dass ich mich einfach so eingeklinkt hab. Ich mußte es einfach mal loswerden. Hab sonst keinen mit dem ich über das Thema Kinderbekommen reden kann.

LG Sanne


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Betreff: Re: An Astrid
Von Astrid Am 02.08.2001


Hallo Karin!

Ich danke dir für deine Antwort!
Sie hat mir wieder etwas mehr Kraft gegeben mit dem Scheiss aufzuhören...

Ich würde ja gern mit meiner Mutter oder einer guten Freundin darüber reden, doch meine Mutter würde sich dann unnötige Sorgen machen und bei einer Freundin hätte ich Angst sie könnte es weiterplaudern und dann weiß es plötzlich die ganze Schulklasse...und das wär das letzte was ich wollen würde.

Heute hab ich ein junges Mädchen im Autobuss gesehen...sie war total abgemagert...jede einzelne Sehne ist ihr hervorgestanden...sie hat mir schrecklich leid getan...ich nehme mal an das sie Magersucht hat...und trotz ihres schlimmen Aussehens hatte sie ein Lächeln am Gesicht...ich weiß nicht warum ich jetzt genau von dem Mädchen erzähle, nur sie hat so schrecklich ausgesehen ... ich bin direkt erschrocken wie ich sie gesehen habe...und weiß jetzt zumindest das ich nie so aussehen möchte...und dennoch fühle ich mich zu dick.

Ich hab im Moment echt noch keine Ahnung wie ich da wieder raußkomme...jetzt wo das Wetter so heiß ist, werde ich sowieso wenig essen, also nur Obst und so...denn meine Mutter arbeitet und kocht dann eigentlich nichts mehr und in der Arbeit ess ich nur Obst...vielleicht schaff ich es ja so...weil dann brauch ich auch kein schlechtes Gewissen zu haben, bei Obst...und kotzen muss ich dann schon gar nicht...ich kotze ja auch nicht jeden Tag...ich kotze nur, wenn ich wirklich viel gegessen habe und einen schlechten Tag hinter mir hab...ich glaub jetzt hab ich schon 4 Tage nicht mehr gekotzt...es gab eine Woche da hab ich jeden Tag gekotzt....dann war eine Woche Pause...ich dachte ich hätte es geschafft, doch in der 3ten Woche kotzte ich wieder.

Jedenfalls danke ich dir nochmals für die wirklich nette Antwort :-)...und würde mich freuen wieder mal von dir zu hören :-)

glg Astrid


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Betreff: Re: An Astrid
Von Karin Am 06.08.2001


Hallo Astrid,
natürlich mußt du das selbst abwägen ob du mit jemanden darüber reden willst. Nur deine Mutter ist doch deine Mutter, sie darf sich doch ruhig sorgen darüber machen ODER? Deine Essstörung hat ja einen Grund! Irgendetwas ist schief gelaufen sonst würdest du ja nicht kotzen. Du solltest vielleicht mal versuchen die "wirkliche Ursache" für deine Bulime zu erforschen. Sonst rutscht du immer weiter rein und das geht sehr sehr schnell!!
Ich habe mir auch oft gedacht das ich nicht so dürr sein wollte. Aber irgendwann sah ich dann halt doch schrecklich aus. Wenn ich heute Bilder davon sehe dann denke ich mir oft "Bin das ich"?
Astrid auch wenn du jetzt noch denkst du willst nicht so aussehen, das alles geht sehr sehr schnell.
Weißt du, das mit der Ernährung ist so eine Sache. Fakt ist, das du wenn du den ganzen Tag nichts gegessen hast, im Unterzucker kommst. Daher kommen dann auch die Freßanfälle. Der Körper braucht einfach was. Mit dem Obst bescheißt du dich mit Sicherheit nur selbst. Der Fruchzucker von Obst wird wenn es zuviel ist in Fett umgewandelt. Das kannst du in jeden Ernährungsbuch nachlesen. Wenn du wirklich über die Ernährung kontrolliert etwas machen willst, dann les dich ein in gute Bücher. Du brauchst auf jeden Fall etwas "Vollwertiges" sonst ist der nächste Freßanfall vorprogrammiert. Wobei ich glaube, das das Problem ganz woanders liegt. Dein Körper läßt sich nicht bescheißen!! Ich will dir jetzt auf keinen Fall abraten Obst zu essen, besser als gar nichts aber glaube mir Astrid "DU BESCHEISST DICH SELBST"!!!
Je weniger du isst, desto mehr hungerst du deinen Grundumsatz herunter. Denn Grundumsatz kann man messen lassen. Deswegen ist ja auch der Jo-Jo-Effekt da, d.h. wenn du eine Radikaldiät gemacht hast hast du deinen Grundumsatz verringert und sobald du wieder anfängst "normal" zu essen baut der Körper die überschüssigen Kalorien in Fett ab und lagert sie irgendwo für "schlechte Zeiten", damit er dann darauf zurückgreifen kann. Den durch dein weniges Essen signalisiert du deinen Körper ja "Hungersnot". Er kommt in einen Notstand und schaltet dort seine Funktionen zurück wo er sie am wenigsten braucht. Astrid, ich will dir jetzt keinen Fachvortrag über richtige Ernährung geben. Aber wenn du wirklich dein Gewicht kontrollieren willst dann mach es wenigstens so weit es geht vernünftig. Denn du kannst eine Menge guter Sachen gezielt über den Tag verteilt essen ohne zuzunehmen.
Trotzalledem glaube ich das das Problem bei dir ganz woanders liegt. Das was jetzt bei dir abläuft ist nur der Anfang. Sei ehrlich zu dir selbst und schau ganz genau hin was los ist. Jetzt hast du noch die Möglichkeit. Du stehst wirklich noch am Anfang. Da läßt sich noch viel machen.
Wenn du bei dir im Umkreis keinen hast mit dem du wirklich ehrlich reden kannst, hier in diesem Forum sind viele tolle Leute, sucht dir dann hier einen!!! Ich freue mich auch über jede Antwort von dir. Alles gute

Karin


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Betreff: Re: An Astrid
Von Astrid Am 27.08.2001


hallöchen Karin!

sorry das ich dir so spät zurückschreibe, aber ich hatte leider in letzter zeit probleme mit dem pc.

wie geht es dir denn? ich hoffe besser?

lg astrid