Och Mensch...
Meine Stimmung ist heute etwas gedrückt.
Ich würde so gerne mal wieder ein Eis essen gehen -klar könnt ich das in einen FA "einbauen", aber das will ich nicht. Ich möchte durch die Oberstadt spazieren und ein Eis GENIEßEN!! Leider habe ich nicht den Mut, ich traue mich nicht. Habe seit Jahren kein Eis mehr gegessen. Fürchte wenn ich nun EIN Eis esse, will ich wieder die ganze Eisdiele.
Wie schade.
Vielleicht frage ich mal eine Freundin, ob sie mit mir ein Eis ißt und auf mich "aufpaßt". Das Eisessen bekommt dann nur leider wieder so schnell den Charakter einer "Übung" und keinem selbstverständlichen einfach-mal-so-Genuß.
Oft sehe ich Menschen mit einer guten Figur, vielleicht auch etwas mehr als Idealgewicht und ich finde diese Menschen schön und beneide sie.
Sofort würde ich den Körper tauschen und fände gar nichts dabei gedankenlos und genußvoll zu essen. Diese Körper verfügen über eine funktionierende Selbstregulation und balancierten Grundumsatz - denke ich dann immer neidvoll bei mir.
Nichts wäre einfacher als ebenfalls dorthin zu gelangen, aber an meinem eigenen Körper will ich das dann wieder nicht. Dem traue ich nicht und spreche ihm boshafterweise immer eine gewisse mobbende Willkür zu.
Ich lege mich wohl ersteinmal in die Sonne um primär nicht mehr meine Gedanken um den Eis-Konflikt kreisen zu lassen. Dann schaue ich mal, was ich eigentlich mag. Der Eis-Genuß ist mir für heute bereits verdorben.
Mit Verstand und Zweifel kann man nicht mehr genießen.
Und der Genuß ist ein so empfindlicher Zustand - schon allein die Reflexion über den Genuß schließt ihn aus.
Genuß hat immer etwas von Unschuld und Nicht-Verstand, von Unbedachtheit. Genuß ist vollkommen sinnlich und ein Verlieren im Sinnlichen. Der Gedanke stört die traute Zweisamkeit zwischen Eis und Geschmackssinllichkeit. Das wäre nur ein Ich-schmecke-Vanilleeis und nicht ich genieße das Vanilleeis.
Und eigentlich will ich nicht ein Mehr an Vanilleeis sondern ein mehr an Vanilleeis-Genuß. Ich möchte immer ein Mehr, ein Intensiver. Aber das Intensiver erreiche ich nicht durch mehr Geschmack, mehr Zucker, mehr Salz, mehr Gewürz. Die Intensivität, die ich will erreiche ich nicht durch eine Konzentration und Superlative, sondern im Gegenteil durch eine Dehnung. Durch eine Sensibilisierung unsere groben verrohten Sinne.
Unsere Sinne sind so auf Superlative fixiert.
Wie schade.
Liebe Grüße
Lupus
#2
Was du schreibst finde ich sehr interessant. Kluge und wichtige Gedanken sind das, die du da mit uns teilst. Stelle überhaupt fest, dass sich in viele Beiträge in diesem Forum eine gewisse Art, diese Krankheit zu diskutieren, „eingeschlichen“ hat, die ich persönlich für sehr gut, weil hintergründig, halte und die mir persönlich immer wieder Denkanstöße liefert. Fein ist das und gut.
Was mir auffällt: Du beschreibst den Essensgenuss mit Worten, die gut aus Abhandlungen über die Liebe stammen könnten:
Klingt für mich fast semi-s*x**ll* und eigentlich wie die Beschreibung eines Liebestaumels. Aber ist Genuss tatsächlich so exklusiv, so ausschließend für dritte bzw. sollte er das überhaupt sein? Und dieses Moment der Sehnsucht, das bei dir mitschwingt, bezieht sich das wirklich auf ein Vanilleeis? Kann man sich in einer Eiskugel tatsächlich so verlieren, dass einem Hören und Sehen vergeht und will man das überhaupt? Du solltest dir von diesem vermeintlichen Genuss beim Verzehr eines läppischen Eises vielleicht nicht ganz soviel erwarten – denn ein Eis ist ein Eis ist ein Eis und nicht die Er- und Ausfüllung aller Sehnsüchte und Leeren, die du in dir trägst. Komm weg vom Gedanken, dass im Essen mehr als Sättigung oder kurze geschmackliche Sinnesfreuden liegen, damit erhöhst du seine Bedeutung nur und machst es zu etwas, was es schlicht nicht ist. Wonach sehnst du dich denn wirklich?
Wie ist für dich der Gedanke, ein Eis mit jemandem zu teilen oder es nach der Hälfte wegzulegen, weil man es ins Museum nicht mit reinnehmen darf?
Grüße Asyl
Was mir auffällt: Du beschreibst den Essensgenuss mit Worten, die gut aus Abhandlungen über die Liebe stammen könnten:
Die traute Zweisamkeit zwischen Eis und Geschmackssinnlichkeit?Der Genuß ist ein so empfindlicher Zustand – schon allein die Reflexion über den Genuß schließt ihn aus. Genuß hat immer etwas von Unschuld und Nicht-Verstand, von Unbedachtheit. Genuß ist vollkommen sinnlich und ein Verlieren im Sinnlichen. Der Gedanke stört die traute Zweisamkeit zwischen Eis und Geschmackssinnlichkeit.
Klingt für mich fast semi-s*x**ll* und eigentlich wie die Beschreibung eines Liebestaumels. Aber ist Genuss tatsächlich so exklusiv, so ausschließend für dritte bzw. sollte er das überhaupt sein? Und dieses Moment der Sehnsucht, das bei dir mitschwingt, bezieht sich das wirklich auf ein Vanilleeis? Kann man sich in einer Eiskugel tatsächlich so verlieren, dass einem Hören und Sehen vergeht und will man das überhaupt? Du solltest dir von diesem vermeintlichen Genuss beim Verzehr eines läppischen Eises vielleicht nicht ganz soviel erwarten – denn ein Eis ist ein Eis ist ein Eis und nicht die Er- und Ausfüllung aller Sehnsüchte und Leeren, die du in dir trägst. Komm weg vom Gedanken, dass im Essen mehr als Sättigung oder kurze geschmackliche Sinnesfreuden liegen, damit erhöhst du seine Bedeutung nur und machst es zu etwas, was es schlicht nicht ist. Wonach sehnst du dich denn wirklich?
Wie ist für dich der Gedanke, ein Eis mit jemandem zu teilen oder es nach der Hälfte wegzulegen, weil man es ins Museum nicht mit reinnehmen darf?
Grüße Asyl
Vanilletraum eigentlicher Bedürfnisse
#3Liebe Asyl!
In dem was Du schreibst hast Du vollkommen recht, und Du schreibst nun in der Fortsetzung genau das, auf das ich hinauswollte, aber nicht mehr explizit gesagt habe: Die Befriedigung, der höchste Genuß, den wir beim oder vielmehr durch das Essen erwarten erreichen wir nicht.
Und das Vanille-Eis beispielsweise oder sonst was Essbares wird keine Befriedigung liefern - völlig selsbstverständlich, weil es nicht das ist, wonach wir uns eigentlich sehnen.
Da ich gemerkt habe, daß sich vor lauter Sehnsucht nach einem Eis wieder solche Übergenußerwartungen entwickelt habe, habe ich dann davon abgesehen mir eins zu gönnen, denn dann hätte ich wohl in der Tat die Eisdiele geplündert, wenngleich mit dieser Quantität sich doch kein erhoffter Genuß und keine Befriedigung einhergegangen wäre.
Stattdessen habe ich mich an einem riiieesigen Stück Melone erfreut und verschiebe das Eisessen auf ein ander mal - ich mag auch gar nicht allein Eisessen - ich würde mich im Eis verlieren und den Genuß suchen und es wäre weg bevor ich ihn gefunden habe.
Wonach ich mich eigentlich sehne ist nicht das Vanille-Eis (oder Schoko oder Erdbeer oder sonst was) sondern es ist eher symbolisch für Normalität, unbekümmertes Essenkönnen. Für andere ist es selbstverständlich sich mal ein Eis zu gönnen, für mich Inbegriff des Exclusiven.
Eigentlich gibt es unheimlich viel, wonach ich Sehnsucht habe, sei es, daß es Dinge sind, die ich nie hatte und die erst zur Bulimie geführt haben oder Dinge, die ich gerade durch die Bulimie nicht mehr habe/kann und entbehre. Aber ich mag jetzt gar nicht zum Individuellen kommen.
[das stört mich manchmal am Forum - das auf eine Frage hin kaum mehr kommt "bei mir..." "ich...." immer nur ich ich ich!! Verdammter Egozentrismus - OHNE DAS ABWERTEND ZU MEINEN!!! bin ja auch Egomanisch - sind wir wohl alle]
Liebe Grüße
Lupus
In dem was Du schreibst hast Du vollkommen recht, und Du schreibst nun in der Fortsetzung genau das, auf das ich hinauswollte, aber nicht mehr explizit gesagt habe: Die Befriedigung, der höchste Genuß, den wir beim oder vielmehr durch das Essen erwarten erreichen wir nicht.
Und das Vanille-Eis beispielsweise oder sonst was Essbares wird keine Befriedigung liefern - völlig selsbstverständlich, weil es nicht das ist, wonach wir uns eigentlich sehnen.
Da ich gemerkt habe, daß sich vor lauter Sehnsucht nach einem Eis wieder solche Übergenußerwartungen entwickelt habe, habe ich dann davon abgesehen mir eins zu gönnen, denn dann hätte ich wohl in der Tat die Eisdiele geplündert, wenngleich mit dieser Quantität sich doch kein erhoffter Genuß und keine Befriedigung einhergegangen wäre.
Stattdessen habe ich mich an einem riiieesigen Stück Melone erfreut und verschiebe das Eisessen auf ein ander mal - ich mag auch gar nicht allein Eisessen - ich würde mich im Eis verlieren und den Genuß suchen und es wäre weg bevor ich ihn gefunden habe.
Wonach ich mich eigentlich sehne ist nicht das Vanille-Eis (oder Schoko oder Erdbeer oder sonst was) sondern es ist eher symbolisch für Normalität, unbekümmertes Essenkönnen. Für andere ist es selbstverständlich sich mal ein Eis zu gönnen, für mich Inbegriff des Exclusiven.
Eigentlich gibt es unheimlich viel, wonach ich Sehnsucht habe, sei es, daß es Dinge sind, die ich nie hatte und die erst zur Bulimie geführt haben oder Dinge, die ich gerade durch die Bulimie nicht mehr habe/kann und entbehre. Aber ich mag jetzt gar nicht zum Individuellen kommen.
[das stört mich manchmal am Forum - das auf eine Frage hin kaum mehr kommt "bei mir..." "ich...." immer nur ich ich ich!! Verdammter Egozentrismus - OHNE DAS ABWERTEND ZU MEINEN!!! bin ja auch Egomanisch - sind wir wohl alle]
Liebe Grüße
Lupus
Re: Vanilletraum eigentlicher Bedürfnisse
#4LupusLunae hat geschrieben:[das stört mich manchmal am Forum - das auf eine Frage hin kaum mehr kommt "bei mir..." "ich...." immer nur ich ich ich!! Verdammter Egozentrismus - OHNE DAS ABWERTEND ZU MEINEN!!! bin ja auch Egomanisch - sind wir wohl alle]
hi lupus!
wurscht jetzt, ob wir alle egomanisch sind oder nicht, aber wenn ich auf eine frage oder einen beitrag antworte, dann bezieht sich das nun mal meistens auf MEINE erfahrungen, gedanken, gefühle ...was weiß denn ich, was bei bulimikerinnen "typisch" ist der bei euch im forum auch ähnlich erlebt wird!?! sicher zieht man oft schlüsse (also ICH zumindest


in sachen "egozentriertes verhalten von bulimikerinnen" - hm, ich weiß nicht. einerseits ja, weil wir oft uns selbst und dem eindruck, den wir scheinbar auf andere machen (oder machen wollen) so unendlich viel gewicht beimessen, andererseits scheinen wir auch wieder uns selbst viel zu wenig zu sehen, weil wir ja meist unser selbstbild, komplett auf das vermutete fremdbild abstimmen ... und das ist ja eigentlich nicht grad egomanisch.
andererseits wollen wir uns ja nur anpasssen, um zu gefallen, und wenn wir gefallen, tut uns das gut - also bedürfnisbefriedigung

*grübel* - tja, finde den stein der weisen wohl doch nicht

jetzt hab ichs mal per "WIR" probiert, und damit sicher ganz vielen nicht aus der seele gesprochen - ICH werde damit leben


hab euren genuss-gedankenaustausch gelesen und stimme dem vorbehaltlos zu: hab für mich schon oft überlegt, wie dieses alles oder nix - kontrollwahn-verhalten beim essen mit meiner einstellung zur sexualität und zur genussfähigen hingabe zusammenhängt - es ist jedenfalls so, dass ich je länger ich bulimisch bin, alles an sich-fallen-lassen, ohne wen und aber genießen können, immer mehr in die phasen der FA gepackt werden ..das hat mich sehr erschüttert als ich das bemertk hab und seitdem versuch ich wieder, spontaner, intuitiver nich tnur mit anderen, sondern vor allem mit mir umzugehen (funktioniert erstaunlich gut, merke, dass ich (wieder!?) "selbst-bewusster" werde, nur aufs k* hats noch keinen großen einfluss

so - zum schluss ein dankeschön fürs durchkämpfen durch das posting, das mal wieder kürzer hätte ausfallen sollen

alles liebe
sarah
ps. hatt gestern nach jahrelanger eis-abstinenz das riesige vergnügen, durch "Überrumpelungs-taktik" einer kollegin, ein super-gutes eis zu g e n i e ß e n!! war durch arbeit so abgelentk, dass ich spontan zugegriffen hab und obwohl klar war, dass ichs sicher nicht auf die bekannte art hinterher wieder loswerden kann, hab ich meinem reflex gehorcht, hab mich zurückgelehnt, und mir das eis schmecken lassen.
keine ahnung, wie ich das dann hingekriegt hab aber das war sooo fein - und echt symptomatisch: wenn das hirn ausgeschaltet ist, und wir mehr auf unsere innersten instinkte und bedürfnisse höre, tun wir, was uns gut tut (gibts eigentlich auch "äußere instinkte"...!?!?!ähm, sorry, bin übers ziel hinausgeschossen *kicher*)