Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#1
Hey Ihr,
habe mich gerade hier angemeldet. Lustig, dass ich eigentlich jetzt erst diesen Schritt getan habe. Jetzt, wo ich seit ca. 5 Monaten (weiß nicht mehr genau, alles etwas nebelig) bis auf ganz wenige Rückfälle (glaube etwa 4-5, ja für mich ist das unglaublich gut) mich auf dem Weg aus der ständigen Kotzerei befinde.
Ich habe seit ca. 5 Jahren, also seit ich 15 bin mit Bulimie gelebt. Es gab immer mal bessere Phasen, in denen es nur selten in der Woche oder sogar mal eine ganze ohne ging (eher selten), aber auch schlechte, wie z.B die Zeit letztes Jahr im Dezember/ Januar, als ich für mein Abitur im März 2013 lernte (das ich natürlich bestand, sogar mit 2,3 ) und panische Versagens- und Zukunftsängste mal wieder hatte.
Zu dieser Zeit war ich beispielsweise auch ziemlich deppressiv. Ich hatte aber auch wieder gute Phasen, zum Beispiel war der Sommer 2013 einer der schönste meines Lebens. Ich bestand meine Führerscheinprüfung (auch davor hatte ich wieder panische Angst) , mit meinem FSJ 800 km entfernt in Berlin (dort zu wohnen war mein Traum seit ich 14/15 war und meine Wohnung da hatte sich geklärt und ich genoss den Sommer im Schwimmbad und mit Grillen etc mit meinen Freunden, die nach dem Abitur auch alle viel Zeit hatten. Zu dieser Zeit erbrach ich mich auch wenig, glaube ich. Wog auch gute **kg bei 1.54m.
So wie meine Stimmungsphasen, änderte sich auch mein Gewicht seit ich in die ES rutschte immer wieder. Wirklich dick war ich glaube nie, mit 14 war aber schon "gut was an mir dran", hörte manchmal dumme Sprüche und hatte eben auch da schon meine Bäckchen, die eben eigentlich zu mir gehören und nichts mit dick sein zu tun haben. Wegen denen durfte ich mir aber immer öfter mal was anhören. Begonnen hat alles wegen einer Fast- Trennung meiner Eltern, was mein Bild meiner Familie , von der ich immer dachte sie ist perfekt, ziemlich zerstörte, einer unglücklichen ersten großen Liebe , Probleme in für mich wichtigen Freundschaften.. aber wahrscheinlich hatte sich bei mir das alles schon ein bisschen angestaut über die Jahre, ich bin oft an die falschen Freunde gekommen , mit mir wurde oft schlecht umgegangen und meine Offenheit, Menschenliebe und mein eigentlich großes Herz, dass ich schon als kleines Kind hatte, oft ausgenutzt und mit Füßen getreten. Auch das Verhältnis zu meiner Mutter spielt wahrscheinlich eine Rolle. Aber das alles würde hier zu weit führen, vielleicht schreibe ich irgendwann anders nochmal darüber. Es gibt so vieles, was ich eigentlich mal loswerden wollen würde/ müsste.
Aber erstmal will ich auf das letzte Jahr zurück kommen. In Berlin war am Anfang alles gut, ich fühlte mich stark, unabhängig, selbstständig (mal davon abgesehen , dass ich ungehindert FA's nachgehen konnte, nachdem ich alleine und nicht mehr im Elternhaus wohnte). Ich lies meine Heimatstadt und die oft schlechten Erinnerungen und Erlebnisse zurück. Dachte ich. Meine Arbeit , an einer Schule mit geistig und körperlich Beeinträchtigten machte mir nachdem ich mich ans harte Arbeitsleben einer 38h Woche gewöhnt hatte viel Spaß. Ich bekam nur unglaublich gute Rückmeldungen. Aber mit den Freunden und engen Kontakten knüpfen klappte es nicht so, wie ich es mir vorstellte. Die Stadt, die Distanzen , die zurück gelegt werden mussten, die Unverbindlichkeit machte mir mehr zu schaffen , als gedacht. Viele Freunde (ich komme meistens besser mit Jungs aus, schon immer) , die ich kennen lernten, wollten auch was s*x**ll*. In meiner Seminargruppe sprachen mich die Leute nicht so an , wie gehofft hatte und auch da entwickelten sich keine tiefen beständigen Kontakte. Nur wenige Freunde von Zuhause besuchten mich und es klappte mit dem Kontakt halten. Ich fühlte mich oft allein und in meiner Wohnung nicht wohl. Es war eine scheiß 23qm Platte.. Es gibt auch hier eigentlich noch viel mehr zu sagen, aber auch das führt nicht zu dem was ich gerade am Meisten loswerden will und ich weiß nicht, wie lange ich noch schreiben kann, weil ich doch schon wieder ziemlich müde bin..
Jedenfalls habe ich auch immer mehr gekifft (damit hatte ich in dem entspannten Sommer 2013 angefangen, damals war das noch eine entspannte Sache, kein Suchtproblem oder alltägliches.. getrunken habe ich schon immer viel, zwar nie alleine, aber doch eigentlich jedes Wochenende und in der Zeit nach dem Abitur oft fast jeden Tag.. meistens trinke ich auch zu viel bis ich irgendwo zwischen betrunken und seehr betrunken bin) , erst täglich, aber "nur" 1-2 Tüten abends mit Freunden zum Ausklingen des Tages. Doch irgendwann im Winter (neige eh sehr zu Winterdepressionen) begann ich immer mehr zu rauchen, auch allein, irgendwann auch schon vor der Arbeit,in der Mittagspause und so den ganzen Tag über. An Ostern war ich z.B komplett zu zwischen meinen ganzen Familienmitgliedern.
Meine Arbeit machte ich trotzdem noch gut. ich funktionierte, wie schon immer. Gegen Ende bestand mein Tag aus morgens um vier Uhr aufstehen, einer Stunde Sport (Joggen und Hometrainer begleiteten mich auch schon seit ich in die ES rutschte, allerdings nie so exzessiv und zwanghaft wie in dieser Zeit, sondern immer mal mehr und mal weniger) auf dem Hometrainer, duschen, einen Rauchen, zur Arbeit gehen um 6.15 Uhr, bis drei Uhr durchhalten, einen rauchen, 1-2h putzen meiner Wohnung und anderen (eigentlich oft unwichtigen Dingen), die ich in meinem Kopf aber unbedingt zu erledigen hatte. Ich schrieb mir Listen ins Handy, mit allen Kleinigkeiten und größeren Dingen, die ich zu tun hatte (ich musste ständig Sachen nachkaufen, weil ich Zustände bekam, wenn ich nicht alle Dinge des alltäglichen Lebens mindestens doppelt auf Vorrat da hatte). Dann wollte ich natürlich auch noch etwas mit Freunden machen, die immer so gegen Sieben / Acht kamen , nachdem alles erledigt war. Ich konnte nämlich auch schon immer schlecht alleine sein (außer natürlich Zeit für meine FA's). Mit denen kiffte ich, aß mich dabei voll und wenn sie gingen, ging ich meistens kotzen , rauchte noch einen und schlief dann. Aber nie mehr als 4h eigentlich. Verschob das immer aufs Wochenende, wo ich dann aber meistens auch nie schlief, Sport machte ,obwohl ich mir eigentlich Pause gönnen wollte, viel unterwegs und feiern war, immer Angst etwas zu verpassen. Irgendwann lebte ich nur noch im THC- Nebel, was auch der Grund ist, dass ich von vielen Dingen gar nicht mehr sagen kann, wann was anfing und wie viele Dinge genau waren. Ich konnte auch nur noch Essen, wenn ich einen geraucht hatte irgendwann. Ansonsten schmeckte das Essen nicht. Warum ich glaube ich auch anfing vor der Arbeit zu kiffen, um Essen zu können. Aber irgendwann stellte ich dann fast das Essen ein. Das war denke ich so ca. Anfang März. Das mit der Putzneurose und dem Listen- Zwang war immer schlimmer geworden und ich konnte mir nur noch etwas gönnen (wozu auch essen gehörte) , wenn ich die ganze Liste abgearbeitet hatte. Meistens war ich nach so einem 20 h Tag oder wenn ich zerfeiert aus dem Club kam viel zu müde für Alles und wollte nur noch schlafen. Durch das Kiffen war ich faul, die Lust mir Essen zu machen hatte ich verloren und da ich nur noch Karotten, Frischkäse, Äpfel und sonst kaum noch Geld für Anderes Essen übrig hatte ernährte ich mich auch nur noch davon. Da ich eh vom Kotzen loskommen wollte, fand ich das mit dem vielen Kiffen und der Lustlosigkeit am Essen eigentlich gut. Aber ohne FA's zu Leben war anstrengend, wusste gar nicht mehr wieviel ich Essen durfte , wenn ich nicht kotzte, ohne zuzunehmen. Also bliebs bei bisschen Obst, Karotten, Frischkäse und entrahmter Milch hauptsächlich. Oft dazu noch Abführmittel, womit ich auch irgendwann in Berlin angefangen hatte.
Die FA's wurden immer weniger, ich immer dünner. Und ich kam immer weniger klar. Damals dachte ich, das wäre wegen dem vielen Kiffen. Jetzt im Nachhinein glaube ich, dass es hauptsächlich Entzugserscheinungen waren. Am 01.06 diesen Jahres hatte ich dann einen kompletten Zusammenbruch. Körperlich wie psychisch. Auf der Waage hatte ich glaube ich ca. **kg, als Freunde mich nachdem ich zwei Tage lang fast bewegungslos und nur rauchen auf der Couch eines Bekannten in meinem Haus , den ich verzeifelt angerufen und der mich auf der Straße aufgelesen hatte vor mich hin vegitiert hatte.
Seit dem Tag hatte ich auch das tägliche Kiffen eingestellt. Am Anfang nur noch ab und zu, momentan eigentlich so gut wie gar nicht mehr (bekomme doch wieder Heißhunger-attacken davon- FA- Gefahr!!). Seitdem ist alles aus den Fugen. Ich rief meine Eltern an, von meiner ES und dem Kiffen erzählte ich nichts, nur, dass ich nicht pfleglich mit mir umgegangen wäre, die letzte Zeit. Verlernt hätte, mir Gutes zu tuen. Mir etwas zu gönnen. Habe ich auch nicht meinem aktuellen Freund. Auch in keinem Arztgespräch usw. Immer nur, dass ich Zwänge entwickelt habe, Angstzustände habe, u.s.w.
Meine Eltern holten mich raus aus Berlin, zu sich wieder heim. Ich wollte das auch. Für den letzen Monat meines FSJ's war ich krank geschrieben. Hier begann ich eine Theraphie mit Akkupunktur und Tees nach chinesischer Tradition, bei einer meiner Meinung nach sehr fähigen Frau. Ich wollte keine Antideppressiva. Auch immer noch nicht. Ich kam wieder ein bisschen mehr klar, an guten Tagen schaffte ich viel zu erledigen. Nahm mein Leben wieder ein bisschen in die Hand. Von den **kg ,die ich wog als ich hier ankam, habe ich es auf **kg geschafft. Und komm ganz gut klar damit, weil ich positive Reaktionen aufs Zunehmen bekomme und da auch viel Muskelmasse dabei ist (zu meinem gestörten Verhältnis zum Sport, dass ich gerade habe, komme ich später oder wann anders). Ich werde ab Oktober studieren, diesmal in einer Stadt nur knapp über eine Stunde Fahrt von hier. Gott es gäbe auch noch so viel über die Monate hier zu sagen.
Aber jetzt endlich mal zu dem warum ich mich eigentlich hier registriert habe: Wollte fragen ob es hier Leute gibt, die auch so wenig klar kamen ohne Bulimie? Ich bin nicht mehr glücklich. Ganz selten. Alles zieht wie in einem Film meistens an mir. Ich fühl entweder zu viel, aber meistens zu wenig. Ich habe krasse Panikattacken, dass ich irgendetwas vergesse ohne meine Listen (schreibe sie nur noch selten). Habe Zukunftsängste. Fühle mich meistens zu antriebslos, unfähig, schwach für Alles. Alles ist mir zu viel. Ich habe an kaum etwas Spaß. Ich fühle mich wie unter einer Glocke. Ich weiß nichts mit mir und meiner vielen Freizeit anzufangen, aber kann auch nicht Nichts tuen und chillen, weil ich mir dann sinnlos vorkomme. Ich habe krasse Konzentrationsstörung. An ein Buch lesen ist nicht zu denken. Ich fühle mich nicht wie ich. Ich weiß nicht, wer ich bin. Und eigentlich auch nicht wer ich war. Alles fühlt sich so unwirklich an. Mein Leben jetzt, aber auch die letzten Jahre. Keine Ahnung. Einfach alles. Selbst schöne Momente, wie ein Konzert Besuch am Wochenende wieder in Berlin, ein Abend Feuerwerk usw mit meinem Freund letzte Woche.. ich fühle sie kaum.
Wisst ihr was ich meine? Kennt das jemand? Diese schreckliche Leere und Unruhe ohne die Bulimie? Das man sich so hilflos und kraftlos fühlt und gar nicht mehr weiß, wie man früher das Alles so selbstverständlich (obwohl es dem Körper da wahrscheinlich schlechter ging als jetzt und man auch da Stimmungsschwankungen und deppressive Phasen hatte) hinbekommen hat?
Ab und zu hatte ich auch mal einen guten Tag. Einen Tag an dem ich mich kraftvoll und selbstständig fühlte, wieder den Hauch einer Ahnung hatte, wie ich früher mal war. Meistens war das nach einem der Rückfälle (nicht direkt danach, das war grausam) , aber meistens so 2 Tage später oder wenn ich den Abend zuvor einen geraucht habe (und trotzdem keinen FA hatte). Oder wenn ich trinke. Aber das ist ja keine Lösung. Das kann ja nicht so weiter gehen. Wann hört das auf? Wann geht es bergauf? Die Glocke weg? Wann kommt man wieder klar? Wann kommt die Lebensfreude wieder zurück? Heute war wieder ein schlimmer Kopfschmerz- Depressions - Tag.. mein letzter Rückfall ist knapp über 2 Wochen her.
Das hier alles klingt bestimmt total wirr, aber auch das klar denken und Konzentrieren fällt mir heute wieder schwer. Ich hätte einfach nur mal gerne eine Rückmeldungen, wie es euch ging, nachdem ihr mit FA's aufgehört, bzw. nur noch ab und zu Rückfälle hatte ging. Und auch so, einfach Reaktionen. Oder so. Jetzt bin ich müde. Gute Nacht
Zuletzt geändert von Caruso am Mi Aug 27, 2014 11:47, insgesamt 1-mal geändert.
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen. Hugo von Hofmansthal

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#2
Ich kenn das gut aus der Anfangszeit meines Cleanwerdens (hab jetzt seit über 3 Jahren nicht mehr gekotzt).
Innere Unruhe, Leere, eine unglaubliche Haltlosigkeit.... Und ganz oft das Gefühl tiefer tiefer Traurigkeit, keine Lust auf gar nix...

Ich hab damals mit meiner Hausärztin gesprochen und die hat mich an nen sehr kompetenten Psychologen überwiesen. Der Diagnostizierte mir nach vielen Gesprächen und Test eine mittelschwere Depression und verschrieb mir ADs. Fluoxetin und zwischendrin auch Topamax. Zusätzlich kümmerte ich mich um eine Verhaltenstherapie und fing an, mir Schritt für Schritt ein sicheres Gerüst aufzubauen aus Familie, Freunde, Uni, Tanzen und ehrenamtlicher Arbeit. So hab ich mich langsam aus dem Sumpf rausgearbeitet, aber ich glaube, ohne die ADs hätte ich das nicht geschafft.
Du klingst ehrlich gesagt auch so, als würden dir Antidepressiva zumindest für eine gewisse Zeit, sozusagen als Starthilfe ganz gut tun. Warum möchtest du denn partout keine nehmen?
Vielleicht redest du auch mal mit deiner Ärztin drüber?

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#3
Wann hat das bei dir dann wieder aufgehoert, sich gebessert? Ich habe eben Angst, dass die Antideppressiva, die ja oft eine sedierende Wirkung haben, mich noch antriebsloser machen.. Und dass ich mir damit sozusagen nur etwas vorspiele und danach wenn ich es absetze, es mir wieder genau so schlecht geht wie vorher.. Ich merke ja schon, dass ich einfach n krassen Endorphinmangel habe und mein Gefuehlshaushalt total durcheinander ist.. Merke, wie ich mich nur wie ich fuehle, die Zukunft und Alle Dinge mur entspannter sehe,wenn ich mir meine Endorphine ueber andere Dinge reinhole sozusagen wie Sport (Jeden Tag eine Stunde Ausdauersport, wenn ich das mal nicht machen kann fuehle ich mich noch unruhiger, deppressiver, kann mich noch weniger konzentrieren, werde gar nicht richtig wach, bin noch lustloser, verfalle in alte Putzzwangmuster o.ä). Alkohol trinke oder einen rauche e.t.c.. Hoffe eben, dass ich nur lange genug durchhalten muss, bis sich mein Hormonhaushalt wieder von selbst nach und nach reguliert und sich dann das auch mit den Suchtverlagerungen etwas legt..
Ueber meine Bulimie habe ich nie mit jemandem gesprochen, mein Umfeld weiss nur von den Begleitsymptomen, wie Schlafstörungen, Panikattacken, deppressive Phasen, Aengste und so weiter..
Im Vergleich zum Juni gehts mir jetzt ja auch schon viel viel besser, hoffe eben, dass es so fuer Monat zu Monat weitergeht, es geht nur soo langsam und ist soo anstrengend und ich will endlich wieder mein Lebensglück zurueck und wieder voellig ich sein..
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen. Hugo von Hofmansthal

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#4
Das mit der Suchtverlagerung kenn ich auch. Aber man kann das in den Griff bekommen. Doch so wie Christie es gesagt hat - AD können einen dabei helfen. Und nicht alle ADs sind sedierend. Ich nehm zB ADs die mich aktiver machen, weil ich so mit Erschöpfung zu kämpfen habe. Bevor ich die genommen habe musste ich mich in jeder Therapiepause hinlegen und schlafen. Seitdem ich die nehme kann ich den ganzen Tag munter bleiben.
Muss man einfach durchprobieren bis man die richtigen gefunden hat. Das kann aber dauern. Aber wenn man die richtigen gefunden hat können sie wirklich wirklich helfen. Denn so wie du schreibst, klingt es wirklich so als würden dir die Depressionen zu schaffen machen.
Und mir ging es übrigens am Anfang auch nicht gut, wie ich mit der Bulimie damals aufgehört habe. Weil ich aber die Essattacken nicht in den Griff bekommen hab. Und dann das SVV nicht mehr im Griff hatte. Dann hatte ich das SVV wieder besser im Griff. Dafür irgendwann den Alkohol nicht mehr im Griff. Bis ich schließlich irgendwann die Bulimie auch nicht mehr im Griff hatte.
Momentan gehts mir echt gut. Weil ich die Bulimie wieder im Griff habe. Und diesmal ohne Suchtverlagerung (außer den Energy Drinks ;)). Weil bei dir ist es doch so viel mehr als die Bulimie....so viel mehr an dem man ansetzen muss...
Machst du eigentlich auch eine richtige Psychotherapie? Um die ganzen Themen aufzuarbeiten?
lg
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#5
Mh.. wie war es bei dir als du die AD abgesetzt hast wieder?
Nein, ich bin in keiner Psychotheraphie, nur wie gesagt, in der Behandlung von der Frau der inneren Medizin mit Akkupunktur e.t.c.. was meiner Meinung nach auch echt etwas hilft. Habe gerade keine Termine bei ihr seit über 2 Wochen, weil sie in Urlaub ist und freue mich ehrlich gesagt schon wieder auf meine Termine im September... merke, wie es mir jetzt die Zeit ohne schlechter ging.. Nach ihren Behandlungen war ich oft viel entspannter, hatte endlich mal innere Ruhe, konnte mir sagen, dass die Dinge eben so kommen werden , wie sie kommen und ich einfach nicht mein ganzes Leben auf einmal regeln und 'erledigen' kann und auch ich recht auf Fehler habe. So ist das Leben und Mensch sein naemlich. Auch wenn ich ihre Tees nicht ordentlich nehme oder falsch dosiere, merke ich das. Bekomme wieder Bauchschmerzen und bin Appetitloser.
Klar, würde eine Psychotheraphie und auch Verhaltenstheraphie etwas bringen, aber ich will eigentlich wirklich mit niemandem darüber sprechen. Und auch nicht jemand fremden davon erzählen.
Ich versuche eben auf meine eigene "Tour" die Dinge in den Griff zu bekommen.. das klappt teilweise auch echt gut. Habe mir eben beispielsweise Beschäftigungen gesucht, weil ich gemerkt habe, dass meine Laune, Kopfschmerzen und das "Glockengefühl" eigentlich am schlimmsten nach dem Essen sind. Klar, normal ist man kotzen gegangen, doch was tut man jetzt? Ich habe angefangen zu töpfern, Freundschaftsarmbänder zu flechten, zu malen (wie gesagt, für lesen fehlt die Konzentration).. ich habe mir eine CD Muskelrelaxion nach Jacobsen geholt, was mir sehr hilft. Ich esse wieder, auch wenn es oft nicht schmeckt und mein Körper selten mit HUngergefühl danach verlangt. Ich schaffe es meistens mir zu sagen, es ist für ein lebenswertes Leben. Ich brauche Essen, ich brauche Kraft. Auch für meinen Sport. Für mein Studium, dass ich im Oktober anfangen will. Ich muss aus dem UG raus, damit ich im Winter nicht so leicht krank werde u.s.w. Und ich habe eben gelernt auf andere Zeichen meines Körpers zu hören, wie Kopfweh, Müdikeit, obwohl ich ausreichend geschlafen haben..dann weiß ich, hey, auch wenn du keinen Hunger hast, du brauchst jetzt was.
Ab und zu habe ich sogar Spaß am Essen und die Angst zu dick zu werden ist nur ganz wenig da. Ich schaff es immer öfter mich aus meinen Panikfilmen, wie das Alles mit der Zukunft wird und mich an belanglosem Scheiß, wie den kleinsten Staubkruemel wegzuputzen, wieder selbst rauszuholen.
Ich schaffe es auch öfters pfleglicher mit meinem Körper umzugehen. Noch vor ein paar Wochen habe ich morgens immer auf nüchternen Magen Sport gemacht. Jetzt mache ich immer noch jeden Tag Sport und gebe auch zu, dass ich Panik bekomme, wenn ich es nicht in meinem Alltag unterbringen kann, aber ich schaffe es jetzt wenigstens mich davor gemütlich auf die Couch zu setzen, einen morgendlichen Kaffee zu geniesen und immer etwas kleines zu Essen. Damit ich nicht gleich ins "Minus" komme. Und dann erst laufe ich los. Ich habe auch eingesehen, dass ich einfach meinen Schlaf brauche. 4h pro Nacht wie früher, das gebe ich mir vielleicht mal eine Nacht, wenn ich mit Freunden weg war. Am nächsten Tag müssen sie dann auf mich verzichten. Früher wäre das nie möglich gewesen, ich war immer überall dabei, Angst etwas zu verpassen, den Anschluss zu verlieren. Jetzt sag ich mir, das wichtigste ist dein Körper und der will jetzt nach einer durchfeierten Nacht nicht nochmal Alkohol und neun Stunden Schlaf. Und die Freunde , die dich lieben, die mögen dich auch, wenn du nicht dabei bist.
Zunehmen tue ich (auch wenn ich nicht weiß, wie ich mit meinen gemischten Gefühlen auf der Waage umgehen soll, einerseits weiß ich, dass es mit steigendem Gewicht auch mit mir und meinem Lebensgefühl und Kraft bergauf geht, andererseits ist da natürlich immer noch die Stimme "Pass mal auf dass das nicht eskaliert und du dick wirst") . Aber ich schaffe es immer ganz gut, auch trotz kleiner Krise dann, an meinem Plan zuzunehmen, mit gesunder Ernährung.
Ich habe mir eine kleine Ecke gemacht in meinem Zimmer, mit lauter Dingen, die mich dran erinnern, wofür es sich zu kämpfen, zuzunehmen und ohne Bulimie zu leben lohnt.. Da sind Fotos von mir und meinem Freund, meinen Eltern, meinem Bruder, meinen Freunden, den Kindern, die ich während meines FSJ's betreut habe und die süßen selbstgemalten Bildern von mir. Da setzte ich mich oft rein, wenn ich nicht klar komme und alles hinschmeißen will und mich beschissen fühle.
So wird es mit jedem Tag besser. Heute ist es knapp drei Wochen seit dem letzten Kotzen, dass auch nur eines von 4 Malen oder so seit Mai war. Und ich habe heute einen guten Tag, das ist richtig schön. Kein Kopfweh mal, gute Laune.
Aber über eine längerfristige Psychotheraphie auf tiefenpsychologischer Basis habe ich auch schon nachgedacht.. Muss ja nichtmal unbedingt von der Bulimie erzählen. wie du schon sagst, es gibt bei mir viele Dinge zum Ansetzen. Ein verschobenes Selbstbild, dass ich nicht die Dinge sehe, die ich schon erreicht habe, dass ich mich so abhängig vom Lob Anderer und deren Meinung mache... dass ich so oft nicht weiß wohin mit meinen Gefühlen, vorallem Stress und Wut und vorallem auch gegenüber meiner Mama. So sehr ich sie liebe.. aber sie ist eine sehr sehr starke und gradlinige Frau, gegen die ich oft einen Kampf führte, den ich als totaler Gefühlsmensch nie gewinnen konnte. Um deren Anerkennung ich ganz oft kämpfte und nur manchmal so bekam, wie ich sie mir erwünscht habe.
Die mir oft zu viel abgenommen hat, mich vielleicht überannt.
Über so was wäre es vielleicht wirklich gut mal zu sprechen, aber ich kann mir nicht ganz vorstellen, dass da eine wildfremde Person helfen kann. Ich weiß diese Dinge ja. Ich sehe auch objektiv, was ich schon alles geschafft habe (Abitur, Führerschein usw).. ich weiß, dass ich eigentlich ganz hübsch bin. Aber es kommt selten im Herzen an.. weisst du wie ich meine?
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen. Hugo von Hofmansthal

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#7
Hey!

Ich nehm die ADs noch immer. Weil ich immer noch phasenweise mit dem depressiven kämpfe und es auch wichtig ist um momentan stabil zu bleiben. Werd sie auch noch über einen längeren Zeitraum brauchen. Bin selber gespannt wie es irgendwann wird, wenn ich sie wieder absetze.
Ich kenn aber einige, die das absetzen auch gut geschafft haben wieder.
Eine hat sie alleine alle auf einmal abgesetzt. Das würd ich natürlich nciht raten. Die hat dann einige Zeit die Hölle durchgemacht bis sie sich wieder stabilisiert hat. Aber normalerweise setzt man sie ja Schritteweise ab und schaut dass sich der Körper mal dran gewöhnt und wie es einen damit geht und ob man schon bereit ist für eine niedrigere Dosis und wenn ja probiert man es dann wieder mit einer niedrigeren Dosis. Usw. bis sie weg sind.
Was ich abgesetzt habe sind die Spannungsreduzierer. Die hab ich immer in unterschiedlichen Dosen genomen. Das höchste war 200mg aber nur ein kurzer Zeitraum. Die hab ich dann selber ca. halbiert wie ich von der Akut entlassen wurde weil ich wusste dass ich es nicht brauche und dass ich mit so ner hohen Dosis nicht arbeiten gehen kann. Und dann hat mein Arzt sie weiter runter gesetzt auf schließlich 30mg die ich über ca 2 Monate dann genommen hab. Und in der Klinik jetzt haben wir sie ganz abgesetzt.
Das hab ich alles ohne Probleme geschafft. Obwohl ich die jetzt insgesamt doch eineinhalb Jahre genommen hab.
Der Körper hat sie auch relativ schnell abgebaut aus dem Körper und realisiert dass er sie nicht mehr bekommt. Weil ich durfte sie immer zusätzlich zur Tagesdosierung noch als Bedarf nehmen und das darf ich immer noch. Und früher musste ich mindestens 100mg nehmen damit ich überhaupt ne minimale Wirkung spür. Jetzt nehm ich 30mg und der Körper schraubt die Funktionen total runter.
Aber das is natürlich von Medikament zu Medikament unterschiedlich.
Sonst hatte ich nur viele Umstellungen. Die meisten haben gut funktioniert. Eine Umstellung hat eher negative Wirkungen gehabt drum haben wir mich 2 Monate später wieder zurück gestellt auf mein altes Medikament und seitdem passts wieder. Das war das richtige AD. und das haben wir jetzt a schon in deutlich geringerer Dosis eingestellt als ich es früher genommen hab und ich hab kein problem damit.
Also insgesamt denk i ma wenn ich mir noch einige Zeit geb und dann ein Medikament nach dem anderen langsam ausschleich über einen längeren Zeitraum funktioniert das schon. Aber ich mach ma keinen Stress. Ich mach das sicher nicht jetzt während meines letzten Studienjahres.

Redest du mit der Ärztin, bei der du wegen der Akkupunktur etc. bist? Wie geht es dir denn dort?
Du sagst sie hilft dir. Fällt es dir schwer dort zu reden?
Ich hab mir nämlich auch gedacht, dass es schwierig ist, mit fremden Personen zu reden. Aber es ist gar nicht so schlimm. Und man muss ja nicht gleich am Anfang mit den heftigsten Themen anfangen. Ich erzähl einfach immer am Anfang das was für mich passend ist. Und umso mehr Vertrauen ich hab, umso mehr erzähl ich. Bei meiner ersten Therapeutin hatte ich noch ziemliche Hemmschwellen wirklich alles zuerzählen. Aber das hatte auch andere Gründe.
Im KH und bei meiner letzten Therapeutin ging es eigentlich ganz gut. Weil ich gemerkt habe, dass sie nicht über mich urteilen wegen dem, was ich sag. Oder schlecht über mich denken. Sondern dass sie mir helfen wollen.
Und mir hilft es, mit jemanden außenstehenden zu reden. Den man eben nicht kennt. Und der mein Umfeld nicht kennt.
Ich weiß von meiner THerapeutin nichts privates (außer dass sie die schildkröten mit den großen augen gern hat^^ aber das wars auch schon). Und das ist gut so. Mir hilft diese Distanz zu ihr irgendwie, über mich reden zu können. Und zu wissen, dass das keine Freundin ist, sondern wer professioneller.
Und auch wenn man selber vieles weiß - manchmal ist es doch hilfreich, es nochmal von jemand anderen zu hören. Es bestätigt zu bekommen. Oder doch noch eine andere Meinung zu hören.

Wie ich mir deinen Text durchgelesen hab hab ich mir gedacht "WOW"
Du tust wirklich aktiv viel. Das find ich super.
Ich verbind das gleich mit deiner Frage, wie ich meine Süchte in den Griff bekommen hab.
Nämlich eigentlich auf eine ähnliche Art und Weise.
Ich hab meinem Leben neue Aufgaben gegeben. Ich tue Dinge, die mir wichtiger sind, als die Süchte. DIe mich mehr erfüllen und die gesünder sind. Und Dinge, für die ich die Sucht nicht ausleben darf
Das wichtigste ist für mich die Tagesstruktur
Die ist mir durch mein Studium gegeben (Darf ich fragen was du im Oktober anfangen möchtest zu studieren?)
Ich bin nun mal unter der Woche tagsüber auf der Uni und dort will ich die Süchte nicht mehr ausleben sondern will die Pausen mit meinen Freunden/Studienkollegen verbringen, essen gehen, zu Kräften kommen oder mich vorbereiten. Das war früher auch nicht so.
Dann hab ich einige weitere Fixpunkte. Wie meine Psychotherapie. Früher 1-2x/Woche. Ab dieser Woche sollte ich fix 2x/Woche gehen.
Und nächste WOche werd ich endlich meine Flötenlehrerin anrufen, dass ich wieder einmal die Woche kommen möchte ab übernachster Woche.
Und dann hab ich die Punkte, die ich zu Hause tue. Ich muss nun mal arbeiten für mein Studium. Ich muss für meine Bachelorarbeit arbeiten und ich muss für Prüfungen lernen und ich muss Selbststudienaufträge erledigen. Das braucht Zeit. Die ich nur habe, wenn ich meine Süchte nicht auslebe.
Und neben den Verpflichtungen schau ich, dass ich Dinge tu, die ich einfach für mich tu. Die mir gut tun.
Wie eben Flöte spielen. Oder künsterlisch aktiv sein (tonarbeit, malen, Stofftaschen/t-shirts bemalen, fotografieren). Lesen. Musik hören. Meine Freunde treffen.
Ich bin auch noch viel in dem und in einem anderen Forum unterwegs. Weil es mir momentan gut tut. Ist nicht immer so. Dann zieh ich mich halt wieder mehr zurück aus dem Internet.
Dann versuch ich mir immer vor Augen zu halten, für was ich eigentlich meine SÜchte und mein Leben in den Griff bekommen möchte.
Ich möchte mein Studium abschließen und danach arbeiten. In meinen Beruf kann ich Narben absolut nicht gebrauchen. Und ein Alkoholproblem ist ein absolutes No-Go. Da würd ich meinen Job gleich mal wieder verlieren. Die Bulimie würde mich zu sehr schwächen um das Studium und die Arbeit überhaupt zu schaffen. Mein Studium/mein Job ist eine meiner größten Motivationen derzeit.
Dann ist da meine Familie. Meine Familie steht so hinter mir und hat mich die ganze Zeit während meiner Krankenhausaufenthalte etc. nicht im Stich gelassen. Sie lieben mich so wie ich bin. Und nichts wünschen sie sich mehr, als dass es mir gut geht.
Und vor allem ist da mein Patenkind. Sie wird in 2.5 Wochen 4 Jahre alt. Ich möchte für sie eine stabile Taufpatin sein. Ich möchte ihr zur Seite stehen können, wenn sie mich braucht. Ich möchte, wenn sie älter wird und selber mal Probleme haben sollte, egal welcher Art, dass sie zu mir kommen kann. Aber damit ich ihr dann helfen kann, muss ich mein eigenes Leben im Griff haben.
Dann sind da meine Freunde. Ich hab tolle Freunde. Und ich hab so viel Spaß mit meinen Freunden. Aber wenn ich den Süchten nachgebe, dann hab ich ja gar keine Zeit um mit ihnen etwas zu machen. Und dann könnte ich es ja gar nicht genießen. Weil ich nur nach Hause wollen würde um die nächste Sucht auszuleben.
Ich hab, so wie du dir deine Ecke eingerichtet hast, auch Dinge, die mich daran erinnern. Ich hab immer einen Gegenstand einstecken, der mich daran erinnert, wie viel ich schon erreicht habe, und wohin ich möchte. Und an bestimmte Gespräche erinnert. Der gibt mir irrsinnig viel Kraft.
Und ich hab im Zimmer viele Fotos hängen. Und hab auch meist Fotos mit. Und in meinem Geldbörserl klebt ein Foto von meinem Patenkind. Ich hab eine Kette umhängen, die ich von einer Freundin geschenkt bekommen hab aus dem KH. Um mich daran zu erinnern, dass es Menschen gibt, denen ich am Herzen lieg. Und ich hab eine Kette mit dem Wort "Freedom" umhängen. Um mich daran zu erinnern, dass ich frei sein möchte. Frei von den Süchten. Frei von der Krankheit. Frei von Krankenhäusern. Einfach frei leben können.
Und ich hab Notfallsnummern eingespeichert. Wenn ich gar nicht zurecht komm gerade dann ruf ich auch schon mal beim Krisentelefon oder der Ö3 Kummernummer an. Heute hab ich das nach langer Zeit mal wieder getan. Weil ich echt grad überfordert war. Die Dame vom Krisentelefon hat über 20 Minuten mit mir geredet. Und seitdem gehts wieder.
Und ich erinner mich auch immer wieder dran, wie viel lebenswerter mein Leben geworden ist, seit ich die Süchte besser im Griff habe. Ich les mir meine Tagebücher durch. Denn ich habe begonne, wie ich mein Studium unterbrochen hab letztes Jahr, regelmäßig Tagebuch zu führen. Und es ist traurig, wie tief ich vor allem in der Bulimie drinnen war. Und auch dem SVV. Und an den Alkohol kann ich mich nur zu gut erinnern an 2011 2012 wo es am schlimmsten war.
Und dann schau ich mir mein Leben heute an. Das leben das ich mir aufgebaut habe. Ein Leben das wirklich lebenswert ist. Das ich nicht mehr aufgeben und verlieren möchte.
Jo so hab ich es irgendwie geschafft meine Süchte derzeit in den Griff zu bekommen. Ich weiß, dass Rückfälle kommen werden. Aber davon werd ich mich nicht unterkriegen lassen.
Ich möcht mich jetzt auch tätowieren lassen. Um mich daran zu erinnern, was ich schon erreicht habe und was ich möchte. Einen Vogel, als Zeichen der Freiheit, mit den Wörtern "Vis! Aime! Rigole!" ("Lebe! Liebe! Lache!" Das Lachen auch im Sinne von hab Spaß oder hab Blödsinn im Kopf). Weiß nur noch nicht wo, damit man es sehen kann wenn ich will und vor allem damit ich es sehen kann, aber dass ich es in der arbeit verstekcne kann.... am liebsten wäre mir ja linkes handgelenk aber da wirds mim job schwierig. aber egal. ich schweif ab ;)

Hoffe das war jetzt nicht zu lang.
Wenn du noch Fragen hast oder einfach so schreiben magst jederzeit.
Du kannst hier auch immer schreiben wenn du dich gerade ablenken magst/musst ja?! Mach ich auch oft!

Lg
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#8
hey lilalisa,

ich melde mich auch noch kurz, habe jedoch nicht alles gelesen.
Ich habe nebst Bulimie eine Sportsucht entwickelt. Ich habe auch täglich gekifft, jawohl schon vor der Arbeit, wir haben eine ähnliche Geschichte! Mein Tagesablauf sah, oder sieht immer noch so aus.... 1000 Dinge, wichtige Dinge unwichtige, die ich zu erledigen habe, so dass ich nie zur Ruhe komme, und früher sogar einen Weinkrampf auslöste, wenn ich zu lange an einer Kasse anstehen musste und so gefährdet war, dass ich mein Programm nicht durchziehen kann.

Mit dem kiffen habe ich aufgehört... es war sehr schwierig. Dazu hat mich ein Satz von einem Menschen angetrieben: bist du auch mal nicht bekifft, es isch schade, wenn mir abmachen und ich vorher kiffen muss.... das macht mich traurig und ich finde das ist respektlos.

hmm.... jo dieser Mensch hatte recht und ich hörte von einem Tag auf den anderen auf. Ich habe gelitten, ich konnte mit den vielen Gefühlen nichts anfangen. Natürlich wurde in dieser Zeit die Bulimie schlimmer.

Der Sport hat mich so im Griff, dass ich es einfach machen muss.... egal wie, ich schaffe es täglich eine Ausdauereinheit dazwischen zu schieben. Obwohl ich schon tausend mal beim Anziehen meiner Laufschuehe geweint habe. Oft bin ich unheimlich müde und da mein essverhalten so scheisse ist, bin ich an manchen Wettkämpfen wirklich schlecht und oft macht es eigentlich keinen Spass.


Letzten November ist dann alles zusammengebrochen, hatte keine Freude mehr am Job und ich wusste nicht mehr was mir eigentlich Spass macht. Ich konnte nie einfach Fernsehen oder ein Buch lesen, das schlechte Gewissen hat mich zerrissen. Der Sport ist eine Suchtverlagerung, denn da muss ich nicht überlegen, muss mich nicht spüren.


Ich mache zur Zeit eine Gesprächstherapie und Gruppentherapie. Da wird der Sport behandelt und natürlich die Bulimie. Meine Monatsziel ist in den Kopf zu bekommen, dass es ok ist einen Tag keinen Sport zu machen. Und ich übe Bücher zu lesen oder einfach mal mit Freunden was trinken zu gehe, anstatt mi zu quälen mit Sport. Das hört sich alles so einfach an, aber es ist unheimlich schwierig. Mein Ziel ist es einmal an einem Sonntag auszuschlafen, zu frühstücken und einen faulen Tag zu geniessen.

Ich merke das ich unheimlich nervös werde wenn ich noch keinen Sport gemacht habe und ich erlaube mir dann leider nichts zu essen.

Das tönt jetzt alles nicht sehr positiv, aber die Gesprächstherapie hilft mir, mich zu hinterfragen wieso ich mich quälen muss, wer sagt das? Ich habe schon viele Antworten und ich mache kleine Fortschritte.... aber die grössten Fortschritte habe ich gemacht, dass ich wieder ein bisschen mehr weiss was ich will......was mir gefällt!
ich bin streng und böse- keine Angst, nur zu mir!

Re: Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?

#9
Du sprichst mir wirklich aus der Seele!
Das mit den wichtigen und unwichtigen kenne ich nur zu gut.. wie gesagt, meine Listen enthielten zwar auch wichtige Dinge, wie Bank etc, aber auch unwichtigen Scheiss, wie dass ich jeden Tag perfekt meine Nägel nachlackieren musste u.s.w.. Und ich hab auch Zustände und schlechte Laune bekommen, wenn dann z.B Freunde früher kamen und ich noch nicht fertig mit dem abarbeiten der Liste war.
Aufgehört zu kiffen habe ich eigentlich, weil ich dachte, dass all die Symptome wie Unruhezustände Panikattacken etc damit zu tun hatten, im Nachhinein weiß ich jetzt aber, dass das eher Alles davon kam, dass ich mit der Bulimie aufgehört hatte und der Graskonsum vielleicht nur das ein oder andere verstärkt hat..
Aber froh, dass ich nicht mehr nur zugedröhnt unterwegs bin, bin ich trotzdem, auch wenn ich's ab und an vermisse.
Dicht hatte ich manchmal noch Freude am einfach nur Gammeln und Fernseh schaun e.t.c. Wobei das zum Schluss auch fast nicht mehr der Fall war.
Das mit den Gefühlen hatte bzw. habe ich auch soooo krass gehabt, praktisch mit beidem aufzuhören, war schon heftig. Erstens fällt die THC- Sperre vorm Gefühlszentrum weg und dann noch die Bulimie als Ventil. Ich war bzw. bin heute noch oft ein Nervenbündel, das nur geheult hat oder irrsinnig gelacht. Jetzt ist es allerdings immer öfter leider nur noch eine tiefe Leere und Lustlosigkeit.
Auch das mit dem Sport ist exakt wie bei mir.. Mir fällt es eh schon schwer, mir etwas zu gönnen, was sich auch in meinem Esssverhalten wiederspiegelt, aber wenn ich keinen Sport mache, geht da echt wenig. Ein Tag an dem ich den Sport nicht irgendwie einbauen kann (muss den eben auch oft heimlich machen, weil ich ja eigentlich immer noch zunehmen soll, was ich zwar trotz Sport auch langsam tue, sind aber eben auch viel Muskeln, aber meine Eltern bei denen ich momentan noch wohne, wollen eigentlich nicht, dass ich jeden Tag eine Stunde Ausdauersport mache), ist immer ein Scheißtag, an dem ich deppressiv bin, mir das Essen zwar reinzwänge, aber alles total kacke schmeckt und ich nur am hängen und in sinnlosen Gedanken und noch mehr unter einer Glocke, wie sonst schon oft bin.
Was ich am Sport (ja ok neben dem Kslorienverbrennungsgedanken, der ja doch schon da ist, das muss ich zugeben) so liebe, ist auch was du sagst: Ich muss nicht denken. Ich renne davon, laufe meine Gefühle einfach raus, oder vor Ihnen weg, wie man es nehmen mag. Währenddessen spüre ich mich nicht, meine Gedankenrad hält endlich mal die Klappe. Ich bin nur mein Atem, nur die Geschwindigkeit, ich lös mich ein bisschen auf. Und danach spüre ich mich nur auf eine angenehme weise. Ich fühle, du hast etwas gemacht. Du hast durchgehalten. Du warst produktiv.
Wobei es nüchtern betrachtet für meine persönliche Entwicklung , Bildung und mein Leben wahrscheinlich sinnvoller gewesen wäre, mal ein Buch zu lesen oder sowas... Und ich mich auch oft zum Sport zwingen muss und es mir (vorallem wenn ich wenig gegessen habe, Treffen verschieben oder absagen musste oder Dinge, die ich eigentlich noch erledigen wollte hinten anstehen, oft keinen rechten Spaß macht und eher nur ein weiterer Punkt auf meinem Tagesplan ist den ich schnell-schnell abarbeiten muss.
Auch das mit der Lustlosigkeit was du beschreibst, ist exakt ,wie bei mir. Meistens weiß ich gar nicht, was ich eigentlich will. In meinem Kopf habe ich keine Ruhe , um ein Buch zu lesen oder fernzusehen. Ich merke dann so richtig, wenn ich es mal versuche, wie die Wörter einfach nur an mir vorbeifliegen und beim Fernsehn ich manchmal gar nicht mehr weiß, was ich schaue, weil ich im Kopf in irgendwelchen komischen Gedanken über die Zukunft bin, versuche Dinge vorzuplanen, die noch ganz weit weg liegen, eigentlich oder drüber nachdenke ob ich nicht noch was gaaaanz wichtiges vergessen habe, was ich heute noch erledigen müsste (was natürlich eigentlich nie der Fall ist).
Auch ich habe mir als Ziel genommen, dass ich damit klar komme , mal einen Tag ohne Sport zu machen- Am besten nur noch dann, wenn mir wirklich danach ist, aber das wird wohl wirklich noch ein langer Weg. Auch wenn ich Angst davor habe, hoffe ich da auch ein bisschen auf mein Studium ab Oktober. Momentan habe ich ja weder Arbeit ,noch Studium, also eigentlich "Chillerzeit" (die ich mir nach fast elf Monaten 38h die Woche durcharbeiten bei meinem FSJ objektiv auch eigentlich "verdient" hätte) ..merke aber, wie ich damit in meiner momentanen Situation eher weniger zurecht komme, eben Zeit für täglichen Sport habe und versuche meinem Tag mit oft anderen sinnlosen Dingen und Belanglosigkeit eine Struktur, einen Plan zu geben. Habe ja deswegen auch mit dem Töpfern und paar Anderen künstlerischen Sachen angefangen.. mir ist aber auch schon aufgefallen, dass ich die Sachen auch oft in meine Tagesliste aufnehme und sie manchmal gar nicht mache, weil ich gerade Lust drauf habe, sondern einfach nur ,weil ich mir fest vorgenommen habe, die und die Sache für den und den heute fertig zu töpfern und so. Man, hört sich das alles bekloppt an.
Jedenfalls habe ich Hoffnung, dass das mit dem Sport und so ein bisschen abnimmt, wenn ich mit dem Studium wieder eine wirkliche, eine richtige sinnvolle Aufgabe habe, auf die ich mich konzentrieren kann. Und ich habe ja in dem Monat auch noch ein bisschen Zeit an mir zu arbeiten. Bin z.B gespannt, wie die fünf Tage Urlaub im All- Inclusive Hotel mit meinem Freund Mitte September werden.
Meine Hoffnung und meine Zielsetzung ist da auch, ihn nicht mit täglichem Sport kaputt zu machen, im Kopf mal abschalten zu können. Wie du schön sagst: AM Morgen aufstehen, frühstücken, faulenzen, am Pool rumliegen und nicht darin Bahnen ziehen, mir leckeres Essen reinziehen..- Und das geniesen können und wirklich glücklich dabei sein und mit dem Kopf und Herz im Hier und Jetzt leben. Ich kann mir das nur schwer vorstellen, dass ich das so gut schaffe, aber ich will es versuchen und hoffe, dass es mir ein bisschen einfacher fällt , als hier Zuhause in meinem gewohnten Umfeld.
Ich danke dir für deinen Beitrag, weil man merkt, dass man nicht die Einzige ist, die vielleicht ein bisschen verrückt ist ;)
Ich wünsche dir weiterhin auch alles gute in deiner Gesprächstheraphie !

LG Lisa
Zuletzt geändert von lilalisa am Mo Sep 01, 2014 13:28, insgesamt 2-mal geändert.
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen. Hugo von Hofmansthal