Hey Ihr,
habe mich gerade hier angemeldet. Lustig, dass ich eigentlich jetzt erst diesen Schritt getan habe. Jetzt, wo ich seit ca. 5 Monaten (weiß nicht mehr genau, alles etwas nebelig) bis auf ganz wenige Rückfälle (glaube etwa 4-5, ja für mich ist das unglaublich gut) mich auf dem Weg aus der ständigen Kotzerei befinde.
Ich habe seit ca. 5 Jahren, also seit ich 15 bin mit Bulimie gelebt. Es gab immer mal bessere Phasen, in denen es nur selten in der Woche oder sogar mal eine ganze ohne ging (eher selten), aber auch schlechte, wie z.B die Zeit letztes Jahr im Dezember/ Januar, als ich für mein Abitur im März 2013 lernte (das ich natürlich bestand, sogar mit 2,3 ) und panische Versagens- und Zukunftsängste mal wieder hatte.
Zu dieser Zeit war ich beispielsweise auch ziemlich deppressiv. Ich hatte aber auch wieder gute Phasen, zum Beispiel war der Sommer 2013 einer der schönste meines Lebens. Ich bestand meine Führerscheinprüfung (auch davor hatte ich wieder panische Angst) , mit meinem FSJ 800 km entfernt in Berlin (dort zu wohnen war mein Traum seit ich 14/15 war und meine Wohnung da hatte sich geklärt und ich genoss den Sommer im Schwimmbad und mit Grillen etc mit meinen Freunden, die nach dem Abitur auch alle viel Zeit hatten. Zu dieser Zeit erbrach ich mich auch wenig, glaube ich. Wog auch gute **kg bei 1.54m.
So wie meine Stimmungsphasen, änderte sich auch mein Gewicht seit ich in die ES rutschte immer wieder. Wirklich dick war ich glaube nie, mit 14 war aber schon "gut was an mir dran", hörte manchmal dumme Sprüche und hatte eben auch da schon meine Bäckchen, die eben eigentlich zu mir gehören und nichts mit dick sein zu tun haben. Wegen denen durfte ich mir aber immer öfter mal was anhören. Begonnen hat alles wegen einer Fast- Trennung meiner Eltern, was mein Bild meiner Familie , von der ich immer dachte sie ist perfekt, ziemlich zerstörte, einer unglücklichen ersten großen Liebe , Probleme in für mich wichtigen Freundschaften.. aber wahrscheinlich hatte sich bei mir das alles schon ein bisschen angestaut über die Jahre, ich bin oft an die falschen Freunde gekommen , mit mir wurde oft schlecht umgegangen und meine Offenheit, Menschenliebe und mein eigentlich großes Herz, dass ich schon als kleines Kind hatte, oft ausgenutzt und mit Füßen getreten. Auch das Verhältnis zu meiner Mutter spielt wahrscheinlich eine Rolle. Aber das alles würde hier zu weit führen, vielleicht schreibe ich irgendwann anders nochmal darüber. Es gibt so vieles, was ich eigentlich mal loswerden wollen würde/ müsste.
Aber erstmal will ich auf das letzte Jahr zurück kommen. In Berlin war am Anfang alles gut, ich fühlte mich stark, unabhängig, selbstständig (mal davon abgesehen , dass ich ungehindert FA's nachgehen konnte, nachdem ich alleine und nicht mehr im Elternhaus wohnte). Ich lies meine Heimatstadt und die oft schlechten Erinnerungen und Erlebnisse zurück. Dachte ich. Meine Arbeit , an einer Schule mit geistig und körperlich Beeinträchtigten machte mir nachdem ich mich ans harte Arbeitsleben einer 38h Woche gewöhnt hatte viel Spaß. Ich bekam nur unglaublich gute Rückmeldungen. Aber mit den Freunden und engen Kontakten knüpfen klappte es nicht so, wie ich es mir vorstellte. Die Stadt, die Distanzen , die zurück gelegt werden mussten, die Unverbindlichkeit machte mir mehr zu schaffen , als gedacht. Viele Freunde (ich komme meistens besser mit Jungs aus, schon immer) , die ich kennen lernten, wollten auch was s*x**ll*. In meiner Seminargruppe sprachen mich die Leute nicht so an , wie gehofft hatte und auch da entwickelten sich keine tiefen beständigen Kontakte. Nur wenige Freunde von Zuhause besuchten mich und es klappte mit dem Kontakt halten. Ich fühlte mich oft allein und in meiner Wohnung nicht wohl. Es war eine scheiß 23qm Platte.. Es gibt auch hier eigentlich noch viel mehr zu sagen, aber auch das führt nicht zu dem was ich gerade am Meisten loswerden will und ich weiß nicht, wie lange ich noch schreiben kann, weil ich doch schon wieder ziemlich müde bin..
Jedenfalls habe ich auch immer mehr gekifft (damit hatte ich in dem entspannten Sommer 2013 angefangen, damals war das noch eine entspannte Sache, kein Suchtproblem oder alltägliches.. getrunken habe ich schon immer viel, zwar nie alleine, aber doch eigentlich jedes Wochenende und in der Zeit nach dem Abitur oft fast jeden Tag.. meistens trinke ich auch zu viel bis ich irgendwo zwischen betrunken und seehr betrunken bin) , erst täglich, aber "nur" 1-2 Tüten abends mit Freunden zum Ausklingen des Tages. Doch irgendwann im Winter (neige eh sehr zu Winterdepressionen) begann ich immer mehr zu rauchen, auch allein, irgendwann auch schon vor der Arbeit,in der Mittagspause und so den ganzen Tag über. An Ostern war ich z.B komplett zu zwischen meinen ganzen Familienmitgliedern.
Meine Arbeit machte ich trotzdem noch gut. ich funktionierte, wie schon immer. Gegen Ende bestand mein Tag aus morgens um vier Uhr aufstehen, einer Stunde Sport (Joggen und Hometrainer begleiteten mich auch schon seit ich in die ES rutschte, allerdings nie so exzessiv und zwanghaft wie in dieser Zeit, sondern immer mal mehr und mal weniger) auf dem Hometrainer, duschen, einen Rauchen, zur Arbeit gehen um 6.15 Uhr, bis drei Uhr durchhalten, einen rauchen, 1-2h putzen meiner Wohnung und anderen (eigentlich oft unwichtigen Dingen), die ich in meinem Kopf aber unbedingt zu erledigen hatte. Ich schrieb mir Listen ins Handy, mit allen Kleinigkeiten und größeren Dingen, die ich zu tun hatte (ich musste ständig Sachen nachkaufen, weil ich Zustände bekam, wenn ich nicht alle Dinge des alltäglichen Lebens mindestens doppelt auf Vorrat da hatte). Dann wollte ich natürlich auch noch etwas mit Freunden machen, die immer so gegen Sieben / Acht kamen , nachdem alles erledigt war. Ich konnte nämlich auch schon immer schlecht alleine sein (außer natürlich Zeit für meine FA's). Mit denen kiffte ich, aß mich dabei voll und wenn sie gingen, ging ich meistens kotzen , rauchte noch einen und schlief dann. Aber nie mehr als 4h eigentlich. Verschob das immer aufs Wochenende, wo ich dann aber meistens auch nie schlief, Sport machte ,obwohl ich mir eigentlich Pause gönnen wollte, viel unterwegs und feiern war, immer Angst etwas zu verpassen. Irgendwann lebte ich nur noch im THC- Nebel, was auch der Grund ist, dass ich von vielen Dingen gar nicht mehr sagen kann, wann was anfing und wie viele Dinge genau waren. Ich konnte auch nur noch Essen, wenn ich einen geraucht hatte irgendwann. Ansonsten schmeckte das Essen nicht. Warum ich glaube ich auch anfing vor der Arbeit zu kiffen, um Essen zu können. Aber irgendwann stellte ich dann fast das Essen ein. Das war denke ich so ca. Anfang März. Das mit der Putzneurose und dem Listen- Zwang war immer schlimmer geworden und ich konnte mir nur noch etwas gönnen (wozu auch essen gehörte) , wenn ich die ganze Liste abgearbeitet hatte. Meistens war ich nach so einem 20 h Tag oder wenn ich zerfeiert aus dem Club kam viel zu müde für Alles und wollte nur noch schlafen. Durch das Kiffen war ich faul, die Lust mir Essen zu machen hatte ich verloren und da ich nur noch Karotten, Frischkäse, Äpfel und sonst kaum noch Geld für Anderes Essen übrig hatte ernährte ich mich auch nur noch davon. Da ich eh vom Kotzen loskommen wollte, fand ich das mit dem vielen Kiffen und der Lustlosigkeit am Essen eigentlich gut. Aber ohne FA's zu Leben war anstrengend, wusste gar nicht mehr wieviel ich Essen durfte , wenn ich nicht kotzte, ohne zuzunehmen. Also bliebs bei bisschen Obst, Karotten, Frischkäse und entrahmter Milch hauptsächlich. Oft dazu noch Abführmittel, womit ich auch irgendwann in Berlin angefangen hatte.
Die FA's wurden immer weniger, ich immer dünner. Und ich kam immer weniger klar. Damals dachte ich, das wäre wegen dem vielen Kiffen. Jetzt im Nachhinein glaube ich, dass es hauptsächlich Entzugserscheinungen waren. Am 01.06 diesen Jahres hatte ich dann einen kompletten Zusammenbruch. Körperlich wie psychisch. Auf der Waage hatte ich glaube ich ca. **kg, als Freunde mich nachdem ich zwei Tage lang fast bewegungslos und nur rauchen auf der Couch eines Bekannten in meinem Haus , den ich verzeifelt angerufen und der mich auf der Straße aufgelesen hatte vor mich hin vegitiert hatte.
Seit dem Tag hatte ich auch das tägliche Kiffen eingestellt. Am Anfang nur noch ab und zu, momentan eigentlich so gut wie gar nicht mehr (bekomme doch wieder Heißhunger-attacken davon- FA- Gefahr!!). Seitdem ist alles aus den Fugen. Ich rief meine Eltern an, von meiner ES und dem Kiffen erzählte ich nichts, nur, dass ich nicht pfleglich mit mir umgegangen wäre, die letzte Zeit. Verlernt hätte, mir Gutes zu tuen. Mir etwas zu gönnen. Habe ich auch nicht meinem aktuellen Freund. Auch in keinem Arztgespräch usw. Immer nur, dass ich Zwänge entwickelt habe, Angstzustände habe, u.s.w.
Meine Eltern holten mich raus aus Berlin, zu sich wieder heim. Ich wollte das auch. Für den letzen Monat meines FSJ's war ich krank geschrieben. Hier begann ich eine Theraphie mit Akkupunktur und Tees nach chinesischer Tradition, bei einer meiner Meinung nach sehr fähigen Frau. Ich wollte keine Antideppressiva. Auch immer noch nicht. Ich kam wieder ein bisschen mehr klar, an guten Tagen schaffte ich viel zu erledigen. Nahm mein Leben wieder ein bisschen in die Hand. Von den **kg ,die ich wog als ich hier ankam, habe ich es auf **kg geschafft. Und komm ganz gut klar damit, weil ich positive Reaktionen aufs Zunehmen bekomme und da auch viel Muskelmasse dabei ist (zu meinem gestörten Verhältnis zum Sport, dass ich gerade habe, komme ich später oder wann anders). Ich werde ab Oktober studieren, diesmal in einer Stadt nur knapp über eine Stunde Fahrt von hier. Gott es gäbe auch noch so viel über die Monate hier zu sagen.
Aber jetzt endlich mal zu dem warum ich mich eigentlich hier registriert habe: Wollte fragen ob es hier Leute gibt, die auch so wenig klar kamen ohne Bulimie? Ich bin nicht mehr glücklich. Ganz selten. Alles zieht wie in einem Film meistens an mir. Ich fühl entweder zu viel, aber meistens zu wenig. Ich habe krasse Panikattacken, dass ich irgendetwas vergesse ohne meine Listen (schreibe sie nur noch selten). Habe Zukunftsängste. Fühle mich meistens zu antriebslos, unfähig, schwach für Alles. Alles ist mir zu viel. Ich habe an kaum etwas Spaß. Ich fühle mich wie unter einer Glocke. Ich weiß nichts mit mir und meiner vielen Freizeit anzufangen, aber kann auch nicht Nichts tuen und chillen, weil ich mir dann sinnlos vorkomme. Ich habe krasse Konzentrationsstörung. An ein Buch lesen ist nicht zu denken. Ich fühle mich nicht wie ich. Ich weiß nicht, wer ich bin. Und eigentlich auch nicht wer ich war. Alles fühlt sich so unwirklich an. Mein Leben jetzt, aber auch die letzten Jahre. Keine Ahnung. Einfach alles. Selbst schöne Momente, wie ein Konzert Besuch am Wochenende wieder in Berlin, ein Abend Feuerwerk usw mit meinem Freund letzte Woche.. ich fühle sie kaum.
Wisst ihr was ich meine? Kennt das jemand? Diese schreckliche Leere und Unruhe ohne die Bulimie? Das man sich so hilflos und kraftlos fühlt und gar nicht mehr weiß, wie man früher das Alles so selbstverständlich (obwohl es dem Körper da wahrscheinlich schlechter ging als jetzt und man auch da Stimmungsschwankungen und deppressive Phasen hatte) hinbekommen hat?
Ab und zu hatte ich auch mal einen guten Tag. Einen Tag an dem ich mich kraftvoll und selbstständig fühlte, wieder den Hauch einer Ahnung hatte, wie ich früher mal war. Meistens war das nach einem der Rückfälle (nicht direkt danach, das war grausam) , aber meistens so 2 Tage später oder wenn ich den Abend zuvor einen geraucht habe (und trotzdem keinen FA hatte). Oder wenn ich trinke. Aber das ist ja keine Lösung. Das kann ja nicht so weiter gehen. Wann hört das auf? Wann geht es bergauf? Die Glocke weg? Wann kommt man wieder klar? Wann kommt die Lebensfreude wieder zurück? Heute war wieder ein schlimmer Kopfschmerz- Depressions - Tag.. mein letzter Rückfall ist knapp über 2 Wochen her.
Das hier alles klingt bestimmt total wirr, aber auch das klar denken und Konzentrieren fällt mir heute wieder schwer. Ich hätte einfach nur mal gerne eine Rückmeldungen, wie es euch ging, nachdem ihr mit FA's aufgehört, bzw. nur noch ab und zu Rückfälle hatte ging. Und auch so, einfach Reaktionen. Oder so. Jetzt bin ich müde. Gute Nacht
Leben ohne Bulimie- Himmel oder Hölle?
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Zuletzt geändert von Caruso am Mi Aug 27, 2014 11:47, insgesamt 1-mal geändert.
Das ganze Leben ist ein ewiges Wiederanfangen. Hugo von Hofmansthal