Durch Euch nach kurzer Zeit ehemalig - danke!!!

#1
Hi ihr Lieben,
ich bin neu hier, habe jetzt eine Zeit lang nur mitgelesen und euch echt bewundert, wie ihr eure Geschichte geteilt habt. Vor allem, wie ihr dranbleibt oder es sogar schon geschafft habt. Ich bin an einem Punkt hier ins Forum eingestiegen, an dem ich zwar von der akuten, ganz schlimmen Bulimie schon lange weg war, ich mich aber auch noch lange nicht als Ehemalige bezeichnet hätte. Aber als die B. vor kurzem wieder aufgeflammt ist, in einer Phase der akuten Überforderung, da habe ich den Weg ins Forum gefunden. Und ich muss jetzt echt erst mal „Danke!“ sagen, denn Eure Beiträge haben mich nun wirklich auf den richtigen Weg gebracht. Ich würde mich jetzt ENDLICH, TATSÄCHLICH als ehemalig betrachten.
Aber dazu später, damit ihr mich kennenlernen könnt, ein paar Worte, wie ich in die Bulimie gerutscht bin. Ich war schon immer schlank, bin dann durch eine Ernährungsumstellung während des Studiums wie von Zauberhand ins Untergewicht gerutscht. Aber ohne Probleme, normal, aber gesund gegessen, viel Gemüse, Fisch, Obst, Vollkorn. Dazu gern Sport, mal Joggen am Fluss, Tennis, Fitness-Center, Schwimmen und Gymnastik. Alles sehr abwechslungsreich und ich war konzentriert und körperlich fit und durchtrainiert. Das Gewicht habe ich mühelos gehalten, keine Kalorien gezählt, gern gegessen, ich war gesund und munter.
Durch eine Phase der Depression bin ich dann später leider von dem niedrigen Gewicht ins ungesunde Untergewicht gerutscht. Partnerschaftsprobleme, ich habe meinen egoistisch veranlagten Freund leider auch noch geheiratet und nach der Heirat hat er mich extrem lieblos behandelt, kaum mit mir gesprochen, ich musste in erster Linie seine Aufträge abarbeiten. Ich bin innerlich eingegangen wie eine Primel und habe keinen Sinn mehr im Leben und Essen gesehen. Leider nahm ich also noch mehr ab und fühlte mich dann nicht mehr wohl. Mir fehlte die Kraft für Sport, für Arbeit, für mich …meine Leistung fiel rapide ab. Ich war unglücklich, machte mir Gedanken, was ich falsch gemacht habe und wie ich meine Ehe retten könnte. Schade, dass ich damals nicht klarsichtig genug war, um diesen Typen zu verlassen. Aber Scheidung klang mir zu fremd damals. Nach einer Operation kam ich wegen meines schlechten Allgemeinzustands drei Wochen zur Reha, erholte mich da sehr gut. Und zog bei meinem Mann aus. Er bettelte so lange, bis ich wieder zurück kam. Es war dann sogar schlimmer als vorher, mir ging es so schlecht, er triezte mich und ich bemühte mich, seinen Anforderungen zu genügen. Mittlerweile sagten alle, ich sei magersüchtig und langsam glaubte ich es selbst. Und ich wollte gern Gewicht zunehmen, um Kraft für meine Zukunft zu gewinnen. Ich ging freiwillig in eine Klinik und muss sagen, das war ABSOLUT das Schlimmste und Schlechteste, was mir je passiert ist. Prüft also bitte die Klinik, in die ihr geht, z. B. über „Klinikbewertungen.de“, ich hatte damals noch kein Internet zur Verfügung (ist ca. 15 Jahre her). Ich musste dort unglaubliche Mengen essen, wenn ich heute daran denke, wird mir noch schlecht. Es ging nur ums Essen, nicht um innere Stärkung. Wir wurden unglaublich unter Druck gesetzt, wer nicht genug zunahm, bekam Zimmerarrest oder wurde mies vor der Gruppe denunziert. Generell gab es Sportverbot. Was ich hirnrissig finde, wie soll man denn wieder Zutrauen zu sich und seinem Körper gewinnen? Keiner traute dem anderen, die Patienten bespitzelten sich, verpetzten sich gegenseitig. Ich hatte eine schreckliche Therapeutin, sie war die Leiterin, wir haben sie alle verabscheut, aber wechseln durfte man nicht. Ich fing an das Essen „rein zu tun“. Ich (fr)aß aus Angst. Ich war vom Regen in die Traufe gekommen. Nach 5 Wochen Mast und Stress hatte ich etliche Kilos zugenommen, aber war innerlich tot, aber wurde als „geheilt“ entlassen - und fühlte mich kränker als zuvor. Nun fing ich an zu hungern, meine eigentlichen Probleme waren dort in der Klinik kein Thema gewesen, meine Depression blieb. Ich wollte sterben. Und rutschte in die Bulimie. Ich trennte mich zwar noch in dieser Phase von meinem Mann (er meinte, ich hätte ja aber auch gar nichts dazu gelernt in der Klinik…),aber das Gefühl des totalen Alleinseins und des Scheiterns ließ mich fressen. Ich hatte endlich etwas Neues in meinem Leben und etwas nur für mich... Ich fing an, meinen Körper kaputt zu machen, fing an mich zu hassen. Lange merkte niemand etwas oder besser gesagt, niemand wollte etwas merken. Ich hatte meine ursprüngliche Figur zwar bald wieder, aber um welchen Preis! Nun empfand ich es nicht mehr als gesund. Meine Zähne gingen mehr und mehr kaputt, ich quälte mich durch prekäre, schlecht bezahlte Jobs ohne Spaß daran, ohne Perspektive. Und dann nach ca. 7 Jahren hatte mein Körper wohl genug, ich fing plötzlich an rasant zuzunehmen, ohne anders zu essen (oder nicht zu essen…). Im zweistelligen Bereich. Warum passierte mir das? Es ist eine typische Folge der Bulimie, der Körper ist irgendwann so verwirrt, dass er jede Kalorie auch aus Rohkost oder so, speichert. Bin nun im Normalgewicht, sogar eher im oberen NG. Wo ich nie lag und was mir täglich fremd vorkommt. Ich habe aber durch Änderung meines Kleidungsstils in den letzten Jahren gelernt, mich TROTZDEM flott und weiblich anzuziehen. Ich habe mich TROTZ ALLEM fortgebildet und mir ein eigenes Leben aufgebaut. Habe seit 3 Jahren einen tollen und sehr lieben Freund an meiner Seite. Übergeben ist seit langem nun wochenweise kein Thema mehr gewesen. Aber ich habe mich nicht geheilt gefühlt, weil ich viele LM gar nicht mehr vertragen habe und STÄNDIG Bauchschmerzen hatte. Und als letztes Jahr nun in einer arbeitsfreien Phase böse alte Erinnerungen wieder aufgeflammt sind, rutschte ich durch eine Phase der Überforderung doch wieder ins extreme Übergeben. UND DANN las ich im Forum, dass es euch ganz ähnlich ging! Rapide Gewichtszunahmen, teilweise noch doppelt so viel wie ich, und – vor allem – noch weitaus schwerere körperliche Folgen als ich sie habe! Mich hat das sehr berührt, dass einige von euch durch die B. unheilbar krank geworden sind. Ich habe kürzlich durch das Übergeben mehrere Wochen durchgehend schwere Migräne und Übelkeit gehabt plus ernste Magen- und Nierenprobleme. Das hat mich schließlich bewogen, zu erkennen, dass ich eigentlich noch glücklich sein kann. Ich könnte schlechter dran sein. Ich traue mich ja noch, ein Sportdress anzuziehen und Sport zu machen. Das klappt gerade jetzt endlich wieder gut, nachdem ich wegen meines Magens mehrere Wochen nur Brei gegessen habe. Nicht toll, aber ging nicht anders und hat mich schließlich geheilt. Ab und zu, aber sehr selten, gibt´s einen Ausrutscher, aber den haben „normale“ Menschen auch. Ich habe nun intensiv mit Fitness wieder angefangen und will auch alte Sportarten von früher wieder anfangen. Und ich bin so glücklich, dass die Bauchschmerzen, unter denen ich mich manchmal bei der Arbeit fast gekrümmt habe und die ich JAHRELANG hatte, nun bis auf wenige Ausnahmen weg sind! Habe aber gemerkt, dass ich nicht wie früher Sport auf leeren Magen machen kann, das provoziert doch wieder FA bei mir. Also erst essen, dann Sport. Ich brauche mindestens 3 Mahlzeiten pro Tag, bin sehr frei, was ich esse (keine Essenspläne!). Ich fühle mich befreit. Meine Gedanken kreisen nun um gesunde Dinge und, da ich eine Gesprächstherapie begonnen habe, um tatsächliche Probleme. Das zweite Gespräch für einen neuen Job habe ich erfolgreich bestanden, wenn nichts mehr dazwischen kommt, werde ich bald auch beruflich neu durchstarten. Also bitte, gebt nicht auf, esst regelmäßig, so werdet ihr auch die Kurve kriegen! Drücke euch, LG Neili

Re: Durch Euch nach kurzer Zeit ehemalig - danke!!!

#3
Hallo „ImLikeABird“,

vielen lieben Dank für Deine Antwort.
Ich hatte nach der Klinik echt erst einmal jahrelang das Vertrauen in ALLE Ärzte verloren. Habe dann ca. 5 Jahre danach aber noch mal für ca. 1 Jahr eine ambulante und echt hilfreiche Therapie gemacht.

Dass ich jetzt, wo das Thema Essen nun eigentlich nicht mehr im Vordergrund steht, nochmal eine ambulante Kurzzeit-Therapie mache, ist auf Anraten meines Arztes geschehen, der mich die letzten Wochen behandelt hat, als ich mit diesen ultraschlechten Werten so durchhing. Er meinte, ich hätte anscheinend ein Stressproblem, das diese akuten Beschwerden ausgelöst hat. Nun mache ich also kognitive Verhaltenstherapie und habe dort mit Stressmanagement angefangen, führe nun ein Stresstagebuch. Und merke jetzt tatsächlich, mit wie vielen Sachen ich mich jahrelang gestresst habe und wie mir vor allem die Mittel fehlen, Stress adäquat zu begegnen!! Und es tat so gut, ihm von meinen Erlebnissen in der Klinik zu erzählen, die Ängste von damals sitzen noch tief und haben leider dazu geführt, dass ich NOCH angepasster geworden bin, als ich es vorher schon war, anstatt zu lernen, für mich einzutreten. Denke also, da kann ich noch mal viel lernen!
Was mir in bezug auf das Essen übrigens noch sehr geholfen hat: Ich musste in der Klinik essen, auch wenn ich tatsächlich körperlich absolut satt war und ich habe dann auch gegessen – aus purer Angst (s.o.). Ich habe dadurch jegliches Gefühl für mich und mein Sättigungsgefühl verloren. Der Druck zu essen kam bei mir danach in erster Linie auf, wenn ich quälende (stressende!) Gedanken oder Angst hatte und dann aß ich, so wie ich es in der Klinik gelernt hatte... Entspannend wirkte in letzter Zeit für mich, mir immer wieder bewusst und ruhig zu sagen: „Du darfst essen, jederzeit, WENN DU WILLST!“.

Ich habe gelesen, dass Du auch symptomfrei bist, Du hast geschrieben, Deine ES sei „latent vorhanden, aber nicht mehr diagnostisch nachweisbar“. So würde ich das eigentlich bei mir auch beschreiben. Wie hast Du es denn geschafft?
Ganz liebe Grüße,
Neili