Weiß nicht weiter

#1
Hallo ihr,

Ich weiß grad nicht mehr weiter mit mir. Ich bin nun seit fast 4 Monaten ohne Therapie. Ist ja nicht so das Problem. Ich hatte auch keinen Rückfall in der Zeit, aber ich bin grad kurz davor. Ich habe einfach so furchtbare Angst in mir, die ich nicht raus bekomme und nicht weiß wie ich damit umgehen soll. Die Angst ist begründet auf meine Zukunft, auf meine Vergangenheit. Mir steht im August eine humangenetische Diagnostik bevor, die meine genetische Disposition zu einer Erbkrankheit und damit meiner Zukunft voraussagt. An dieser Krankheit sind schon meine Mutte und meine Tante vor vielen Jahren gestorben, meine Schwester, die grad mal 2 Jahre älter ist als ich, ist mehr als deutlich davon gezeichnet, kann weder laufen, sprechen, essen, sich um sich selbst kümmern usw. Momentan ist Urlaubspause in der Beratungsstellle. Ich kann grad nicht mehr, die Angst frisst mich langsam auf. Ich weiß nicht, ob ich mich an meine Therapeutin wenden kann oder soll. Ich hab Angst, sie schreibt mir auch nur, ich soll in die Psychiatrie gehen, wenn es akut ist. Aber was soll ich in der Psychiatrie? Ich weiß, die Therapeutin ist nicht meine beste Freundin, die ich anrufen kann in der Not. Ich habe mittlerweile wieder einen recht stabilen Freundeskreis, an den ich mich bisher gewendet habe. Nur kann der mittlerweile meine Angst nicht mehr kompensieren. In der Regel verstehen sie das Problem nicht, können es verständlicherweise nicht nachvollziehen oder sagen eben, na dann teste dich doch nicht. Aber letzteres steht absolut nicht mehr zur Debatte. Diese Warterei und damit verbundene Quälerei macht mich fertig, zermürbt mich. Ich will es endlich wissen, was nun ist, hab gleichzeitig furchtbare Angst davor. Diese Krankheit ist meine komplette Vergangenheit, damit stehen Traumatisierung und Vernachlässigung im Zusammenhang, Trauer, Verlust, Angst und Wut und dahinter steht wieder so unendlich viel.
Ich weiß, dass ich eigentlich damit umgehen lernen muss, mich erwachsen mit der Angst auseinander setzen muss. Aber momentan sehe ich keinen Plan wie. Ich stehe irgendwie alleine damit da. Ich weiß einfach nicht mehr, wann ich mich überhaupt wieder an meine Therapeutin wenden darf. Ich habe immer das Gefühl, ich muss die Krisenzeiten alleine meisten lernen. Aber wozu ist dann eine Therapeutin da? Wann bin ich als ehemalige Essgestörte gerechtigt wieder mich in Therapie zu begeben? Die Therapeutin und ich wollen weiter machen an Traumatisierungssachen, nur wann weiß ich nicht. Sie meinte, wenn ich stabil bin im Alltag. Und sie weiß auch von der Humangenetik im August. Aber was heißt das, wenn ich stabil bin? Wenn ich grad keine Probleme habe und eigentlich alles in Ordnung ist? Dann denke ich ja grad nicht an Therapie? Was muss ich alleine aushalten bzw. bei welchen Sachen muss mein Freundeskreis herhalten? Ich weiß auch, dass es jetzt im Moment völlig sinnlos ist, sich der Angst hinzugeben, weil im August eben erst das Eingemachte kommt, die genetische Wahrheit sozusagen. Aber es ist einfach so existentiell. Ich weiß einfach nicht, ob ich bis August warten muss, bis ich das Ergebnis habe und ich dann erst berechtigt bin Hilfe von meiner Therapeutin zu erhalten.

Ach man, ich will mich einfach nur verkriechen, verstecken und es soll endlich aufhören weh zu tun.
Ich kann mich auch gut ablenken, strukturiere mich, mache meine täglichen Aufgaben, aber sobald ich auch nur eine Sekunde mit mir alleine bin, ist die Angst wieder da. Und ich habe das Gefühl, ich laufe ihr nur davon, wenn ich mich ablenke. Wie setzt man sich denn um alles in der Welt adäquat und erwachsen damit auseinander?

Ich hab irgendwie das Gefühl, ich stehe mir wieder selbst im Weg, nur sehe ich nicht wo ich stehe.

Vielleicht hat jemand von euch einen Rat oder einen Durchblick. Mir fehlt der jedenfalls

Re: Weiß nicht weiter

#2
Hey loxonema!

Klingt nicht gerade leicht was du da schreibst :(
Darf man fragen, um was für eine Erbkrankheit es sich handelt? Ist aber völlig okay wenn du dazu nichts sagen willst!

Was aber die Therapie betrifft: Ich finde du hast eindeutig ein Recht auf eine! Ist doch völlig egal ob man in dem Moment eine ES hat oder nicht - sie tut einem sicher gut! Und es sind ja auch viele Menschen in Therapie die überhaupt keine konkreten Probleme haben sondern einfach mal wen zum reden brauchen also zerbrich dir darüber bitte nicht den Kopf! Wenn du das Gefühl hast sie würde dir helfen dann bitte geh mit gutem Gewissen zu deiner oder auch einer anderen Therapeutin!!!
loxonema hat geschrieben:Ich kann mich auch gut ablenken, strukturiere mich, mache meine täglichen Aufgaben, aber sobald ich auch nur eine Sekunde mit mir alleine bin, ist die Angst wieder da. Und ich habe das Gefühl, ich laufe ihr nur davon, wenn ich mich ablenke.
Das mit den Problemen bzw. halt der Angst die aufkommt sobald man mit sich alleine ist kenn ich. Sicher muss man sich mit ihr auch auseinandersetzen aber prinzipiell denke ich, dass eine Ablenkung trotzdem gut ist! Glaub kaum wer würde all seinen Gefühlen stand halten wenn er sich gar nicht mehr ablenken würde!

Ich wünsche dir alles Gute und vor allem dass der Test für dich gut ausgeht!!!
GLG und dicke Umarmung,
Louve
Wenn du heute aufgibst,
Wirst du nie wissen,
Ob du es morgen geschafft hättest!

Re: Weiß nicht weiter

#3
Hallo Louve,

Du bist ja schnell.... Danke, tut echt gut.

Die scheiß Krankheit heißt Chorea Huntington. Nein, ist echt nicht leicht, aber eben notwendig. Immerhin bin ich mit Hilfe der Therapie den Schritt gegangen und hab den Test in Angriff genommen. Nur das zieht sich eben schon seit Ende Februar hin mit Gesprächen und Gesprächen. Und nun auch noch die Zwangspause. Ablenkung funktioniert wirklich recht gut, ist immer Überwindung was zu tun, aber ich tu es und bin froh und dankbar, wenn es funktioniert. Und wie gesagt, ich hab ja mittlerweile Freunde mit denen ich mich ab und an treffe und wir auch mal alles mögliche bequatschen, nicht nur Krankheit, Angst und Sorgen. Und das tut gut.

Weshalb ich so ein Problem aus der Therapie mache ist eigentlich eben der Fakt, dass ich eben lange keine Freunde hatte und irgendwie viel in der Therapie kompensiert habe und die Thera mich sehr bestimmt und konsequent darauf aufmerksam gemacht hat, bis ichs geschnallt habe. Und das müsste ich erst der Thera klar machen, dass ich eben nicht wieder wie ein kleines Kind in Mutters Schoss flüchten will, denke ich jedenfalls, dass ich das dann müsste. Ich weiß mittlerweile wieviel Verantwortung ich für mein Leben habe und will auch nichts davon abgeben. Nur ist das eben diese Auseinandersetzung mit der Krankheit, die Angst um die Zukunft und die bescheidene Vergangenheit. Und das ist verflucht viel. Ich will auf eine Anfrage auf weiterführende Therapie keine Antwort bekommen, ich soll bei Angstanfällen in die Psychiatrie gehen, mir noch sagen lassen, durch welche Türen ich da gehen muss, wo ich klingle und so was eben ausgeführt. Ich brauche keine Psychiatrie, keine stationäre Aufnahme, keine Tabletten. Ich habe eben keine unspezifischen Angstanfälle, die eine medikamentöse Behandlung erfordert. Ist irgendwie mein gedankliches Verwirrspiel, bei dem ich mir letztlich so viel Berechtigung entziehe Hilfe einzufordern.

Alleine das hier zu schreiben tut gut. Ich bin sonst wie Rumpelstilzchen, der mit allem hinterm Berg hält. Es kostet mich viel Überwindung, weil das Thema Chorea Huntington mit soviel Zäsur und familiäre Geheimniskrämerei, Scham in meinem Leben besetzt war und ein Stück weit noch ist.

Liebe Grüße

Re: Weiß nicht weiter

#4
Hallo,

Zu dir möchte ich auch was schreiben. Es klingt in der Tat nach keinem leichten Unterfangen sich einer noch ungewissen Gewissheit zu stellen. Mit Ungewissheit lebt es sich deutlich schlechter als mit einer veränderten Gegebenheit, der man tapfer ins Auge sehen kann, egal wie sie ausfällt. Ich hab, da du den Namen der Krankheit verraten hast, einfach gegoogled und ich muss sagen, dass klingt gar nicht schön. Ich kann deine Angst nachvollziehen. Sie ist doch mehr als berechtigt. Was für dich alles dahinter steht, weiß ich natürlich nicht, dass kommt ja zu dem was man so lesen kann auf speziellen Seiten zu der Krankheit, noch hinzu und tut ihr übriges. Ich finde es gut, dass du von deinem "Rumpelstilzchen"-Dasein, wie du schreibst, weg kommst und dem Kind einen Namen gibst in aller Öffentlichkeit. Rechne dir das hoch an. Sich das einfach mal von der Seele zu schreiben kann segensreich sein und schon ein Schritt zur Ordnung im Kopf darstellen.

Was ich noch nicht verstanden habe ist das mit der Sorge um die Psychiatrie. Sagt das deine Therapeutin zu dir, ist das deine Erfahrung mit ihr? Oder unterstellst du ihr das einfach? Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Therapeutin ihre Klienten mit dem Kommentar wegschickt, dass die in eine Psychiatrie gehen sollen, wenn sie akute Probleme mit Angst haben. Klar, kann eine medikamentöse und stationäre Behandlung angebracht sein, aber nicht generell. Zumindest gehört wird man, damit zusammen überlegt werden kann, was angebracht ist. Ich bin mir sicher, wenn du deiner Therapeutin klar und deutlich mitteilst, dass es für dich an der Zeit ist, die Behandlung fortzusetzen, dass sie dich nicht abweist. Du hast in den vier Monaten bewiesen, dass du stabil bist. Du hattest keinen Rückfall, du hast Freunde, an die du dich wendest. Was willst du noch mehr Stabilität? Stabiler geht es schon fast gar nicht. Und ich glaube, deine Therapeutin weiß das selbst, du musst nichts erklären, dich nicht rechtfertigen. Selbst wenn du eins oder zweit oder fünf mal einen Vorfall gehabt hättest, aber dich wieder aufgerappelt hättest und dich nicht hingegeben, dann ist das für mich immernoch als stabil zu bezeichnen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man klare Ansagen auch an Therapeuten machen musst. Wenn du anfängst sie mit all deinen Gedanken ob oder ob du berechtigt bist, jetzt eine Therapie weiter zu machen, zu bombardieren, dass sie dann nachfragt, was sie denn damit anfangen soll. Sie kann dir das nämlich nicht zuschreiben, wie du dich entscheiden sollst. Das musst du selbst tun. Das ist dein Verantwortungsbereich. Sie wird dir nicht hinterher laufen und darum betteln, dass du in Therapie gehst.
Du scheinst noch sehr ambialent zu sein, ob du Hilfe brauchst oder ob du genügend eigene Ressorcen hast, die Zeit bis zum Test oder vielleicht noch etwas länger zu überstehen. Ich lese da schon Vertrauen heraus. Vielleicht ist es dann einfach noch keine wirkliche Zeit, dem Prozess der Therapie weiter zu führen. Und du hättest mit dieser Krisenzeit eine Möglichkeit dir selbst weiter zu helfen - und dir das Erreichte dann selbst zuzuschreiben ist ein einmaliges wunderschönes Gefühl. Solche Krisen sind zwar wirklich bescheiden und bringen einen zum verzeifeln, sie kosten Kraft und Nerven, aber sie befähigen einen, neue Wege zu beschreiten, Ressorcen zu mobilisieren. Das heisst aber nicht, dass du nicht berechtigt bist auf eine Therapie. Nein, du hast genauso das Recht darauf wie jeder andere auch oder auch mehr. Und das hat nichts damit zu tun, dass du "in Mutters Schoss flüchtest". Du willst das ja nicht zum Spass machen, weil du Freunde brauchst oder einfach jemanden zum Reden. Ich finde, du hast einen großartigen Schritt getan, wenn du dich dieser Angst um den Test stellst, diesen konsequent verfolgst. Und dich dieser Angst stellst und nicht in die Essstörung zurück gehst. Ich weiß, die Verlockung ist manchmal groß, wenn im Kopf die Capriolen stattfinden, die Gefühle und Affekte keine Richtlinie für das Handeln mehr darstellen, weil sie Kopf stehen. Mich hält ganz oft das Vertrauen davon ab meine Therapeutin zu kontaktieren, dass alles was gerade in mir stattfindet und mich in Mitleidenschaft nimmt, auch wieder aufhört. Ich habe meine Stategien, die mich ablenken, die mich in das Hier und Jetzt zurückholen, die brauchen um wirksam zu greifen, aber sie greifen.

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du deinen Weg gehst und dass der August ein für dich segensreicher und wunderschöner Monat wird.

Was mir noch als Option einfällt: Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen aus? Da kann man sich doch auch Rückhalt suchen (die ersetzt letztlich natürlich keine Therapie).

Re: Weiß nicht weiter

#5
Das ist der Hammer. Was alleine so ein Zuspruch und Verständnis bringen kann! Mensch, ich fühl mich auf einmal viel klarer und leichter. Warum um alles in der Welt, kann ich mir so einen Zuspruch nicht selbst geben?
Es tut so gut, wenn ich einen Standpunkt bekomme. Es stimmt, Vertrauen hab ich schon noch gehabt und das war ja das Verwirrende. ich hab das Gefühl, ich brauche Hilfe, aber gleichzeitig verwirrt mich ein beschleichendes Gefühl, ich krieg das wieder hin.
Und nun bin ich mir wieder sicherer auf meinem Weg und meine, die Therapie kann noch etwas warten. Das jetzt war eben "nur" eine vorübergehende Krise. Ich kann mich auf einmal wieder etwas von der Angst lösen. Mal sehen was der August bringt.

Noch was zu der Angst um die Psychiatrie: Das wurde in der Therapie mal zum Selbstläufer als es bei mir trotz Therapie nicht vorwärts ging, stagnierte und ich immer wieder zurück fiel. Sie sagte so oft was von Zwangseinweisung und/oder beschrieb mir sehr detailliert den Weg zur Psychiatrie, durch welche Türen ich durch gehen und wo ich klingeln muss um auf besagte Stadion zu kommen, beschrieb bildreich, was mich dann erwarten könnte, welche Konsequenzen das alles hat. Und das hat sich eingeprägt. Auch als ich eine Krisenanfrage hatte am Anfang der therapiefreien Zeit (diese Option steht mir offen), war bei der sehr hilfreichen Antwort auch wieder die Psychiatrie als eine mögliche Option wieder dabei.


Ich könnte euch alle umarmen vor Dankbarkeit!

Liebe sonnige Grüße

Re: Weiß nicht weiter

#6
Liebe loxonema,

halte durch, du hast schon so viel geschafft, jetzt kommst du da auch noch durch!
Es ist wirklich schwierig, so eine Situation. Ich kenne das selbst auch - ich lebte einmal vor nicht allzu langer Zeit in Ungewissheit, weil ich auf ähnliche Ergebnisse warten musste. Bei mir ging es da um Leben und Tod.

Ich wusste überhaupt nicht, wie ich damit umgehen soll - ich habe einerseits darüber gesprochen, wenn ich mit Vertrauten zusammen war, aber mich auch durch allerlei "Scheiß" ;D abgelenkt, wenn ich alleine war. Niemals jedoch mit Essanfällen. Ich wusste ja, dass ich damit die Gefühle nur kurz unterdrücken konnte, und die Gefühle danach umso heftiger sein würden. PLUS die unendliche Trauer über den Rückfall, der in dieser Situation vielleicht den Weg zurück in die Bulimie bedeuten würde. Wenn du die Kraft hast, wende sie dafür auf, dich von der ES fortzuhalten!

Ich kann verstehen, dass es sehr sehr schwierig ist, sich von dieser existenziellen Angst abzulenken, bzw. sich damit auseinanderzusetzen. Denn irgendwann hat die Ablenkung mal Lücken.... ich kenne das ja.
Mir hat es sehr geholfen, neue Aktivitäten aufzunehmen, mit anderen Leuten über alles mögliche zu sprechen und dem Leben so für die Zeit des Wartens auf das Ergebnis einen neuen Rahmen zu geben. Quasi der außergewöhnlichen Situation auch neue außergewöhnliche Inhalte und Rahmenbedingungen zu geben. Dann stießen die Situationen des Nachdenkens nicht voller Wucht in den gewohnten Alltag. So konnte ich besser damit umgehen.

Wie geht es dir zur Zeit?

Liebe Grüße und alles Gute!
Lari

Re: Weiß nicht weiter

#7
Hallo Lari,

Schön, dass du dich gemeldet hast. Das tut mir gut.
Auf deine Frage wie es mir geht, kann ich dir sagen, dass ich sehr hin und her geworfen bin in meinen inneren Zuständen. Ich weiß, dass ich das auch noch bewältige, sehne mich aber gleichzeitig nach emotionaler Unterstützung, nach einem Ort wo ich alle Gedanken deponieren kann, Rückmeldung und emotionale Regulation bekomme. Dazu weiß ich, dass ich das mir selbst geben sollte, mir auch ein Stück weit die Sicherheit und das Vertrauen entgegenbringe. Und dieses Auf und Ab schlaucht etwas. Ich kann mich einerseits gut ablenken, habe aber gleichzeitig totale Angst vor dem Leben. Unsicherheit ist wirklich nichts schönes. Ich hab noch 19 Tage bis die humangenetischen Gespräche wieder beginnen. Und wir haben uns vor den zwei Monaten Urlaubspause darauf verständigt, dass ich das Ergebnis noch vor dem Geburtstag meiner Tochter am 25. August möchte. Und sie haben zugesagt.
Mein Körper beginnt zu reden. Ich habe eine kleine Skoliose in der Brustwirbelsäule. Die schmerzt wieder und zieht sich bis zum Hals hoch. Es fühlt sich verspannt an. Ich scheine mich doch zu verbiegen in dem Ringen nach Leben und der Verweigerung durch die Angst davor. Wenn ich es allzu arg mit den Gedanken treibe, dann bekomme ich Durchfall. Ich bin wohl ein Schisser, will es aber nicht wahr haben, kann es nicht ausleben, weil ich ja keine Angst haben will, sondern mich ihr stellen.

Ich genieße kleine, schöne Momente, meine Welt ist noch bunt, nicht depressiv grau oder schwarz. Aber sie ist im Kopf chaotisch bunt. Manchmal hab ich den Hang zur Schwarzmalerei, bin da aber leicht wieder raus zu holen. Brauche aber scheinbar andere und anderes noch dazu. Ich bin süchtig nach meinen Gedanken, die ich toll und anziehend finde, sie analysiere, reflektiere, betrachte, aber auch in Frage stellen kann und kritisch ihnen gegenüber. Aber entscheiden kann ich mich nicht, was denn nun für mich stimmt. Und das Gemisch aus beiden Seiten ist die Angst. Scheinbar mein Grundzustand, vertraut und doch so quälend.

Darf ich fragen, was die Diagnose zwischen Leben und Tod bei dir war? War es eine akute Erkrankung? Ich sollte ja mein halbes Leben darauf vorbereitet sein, die Krankheit zu 50%iger Wahrscheinlichkeit haben zu können, bin aber weg gelaufen, Kopf in Sand gesteckt und nie daran gedacht, der Ungewissheit ein Ende zu bereiten. Aber im unbewussten hat sie gewirkt und gewütet. Und da steckt sie immernoch zum Teil. Aber wenn man eine akute Erkrankung hat, bei der man von jetzt auf gleich mit einem potentiellen Ende konfrontiert ist, ist man ja so unvorbereitet...

Liebe Grüße

Re: Weiß nicht weiter

#8
Hallo Loxonema,

Meine Therapeutin hat zu mir gesagt, wenn der Körper schon anfängt zu reden, dann sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Und dein Körper spricht doch zu dir. Hör auf dich zu quälen, alles alleine machen zu wollen, stark sein zu wollen. Das scheint für dich ein riesiger Rucksack zu sein, den du zu tragen hast. Such dir Unterstützung. Freunde zu haben und Ablenkung, dass ist super und wichtig. Aber sie können nicht alles kompensieren. Vielleicht will dein Körper dir das erzählen, dass er dringend professionelle Unterstützung braucht, er eben nicht so stabil und stark ist, wie dein Kopf dir weis machen will. Sei demütig zu deinem Körper. Du hast nur den einen. Du machst sonst schlapp, wirst erdrückt von deinem Ego und dem Rucksack. Dein Körper wurde jahrelang gebeutelt von der Essstörung. Das ist nicht weg, auch wenn du schon eine Weile ohne ES bist. Du kannst ihm nicht auch noch die Last aufbürden, dass alleine durchzustehen.

Was du neben des Kontaktieren der Therapeutin machen kannst: Geh zu deinem Hausarzt, schildere deinen Zustand. Der ist immer eine gute Adresse. Er wird dir kompetente Hilfe sagen können, akute Unterstützungsmöglichkeiten. Der Hausarzt ist jedenfalls schneller und leichter zu erreichen als eine gut besuchte Therapeutin. Vielleicht hilft dir auch medikamentöse Unterstützung. Die zaubert nicht, aber kann u.U. sinnvoll sein.

Viel Kraft!

Re: Weiß nicht weiter

#9
Guten Morgen,

Das mit dem Hausarzt ist eine gute und akzeptierbare Zwischenlösung. Da werd ich heute hingehen.
Heute morgen beim Aufwachen hatte ich den Gedanken, meine Unruhe und mein Zwang nach Struktur und Ablenkung von den Zuständen und dem Wissen um meine Verantwortung zum Leben entwickelt sich für mich zu einem Jäger und Gejagte - Spiel. Ich bin beides. Ich jage mich selbst, treibe mich an, mache und tue. Aber ich vergesse in den Ansprüchen offensichtlich, dass irgendetwas von oder in mir da nicht hinterher kommt. Und ich weiß nicht, wie ich mich verlangsamen soll. Es ist immernoch Krieg zwischen Kopf und Körper. Nur auf anderer Ebene.

Und alleine dieses Wissen, dass ich mich selbst jage reicht nicht um was zu verändern. Ich weiß nicht umzusetzen, mich auf ein Tempo zu einigen, was alle Teile in mir akzeptieren können. Und das führt grad wieder dazu, dass ich krampfhaft nach einer Lösung suche und mich wieder antreibe, weil ich das eigentliche Ziel kenne.


Liebe Grüße

Re: Weiß nicht weiter

#10
Ich war früh morgens bei meinem Hausarzt, eher bei seiner Urlaubsvertretung. Ich bin so was wie emotional zusammen gebrochen. Ich hab mich auf Stadion1 ("geschützte" Akutpsychiatrie) wieder gefunden. Sie haben mich wieder gehen lassen, obwohl sie mich gern da behalten wollten. Die zwei Ärzte mit denen ich gesprochen hatte waren sehr freundlich und engagiert für meine Situation. Sie vermittelten mich in die Tagesklinik, in die könnte ich ab nächste Woche ohne die üblichen Wartezeiten. Ich war da und hab sie mir angeschaut. Ich kann mir bis nächste Woche überlegen, ob ich sofort dort hin gehe oder erst nach der Schließzeit des Kindergartens meiner Tochter. Aber das find ich irgendwie viel zu viel Intervention.
Was für ein erbärmlicher Abstieg. Die Welt war doch für mich vor Tagen noch in Ordnung.
Ich fühle mich aber grad wieder etwas gestärkt. Vielleicht die freundliche Unterstützung und die Verwirrung mit all den neuen Dingen heute. Nur in der Geschlossenen hatte ich schon die Sorge, wenn die mich für verrückt erklären, mich entmündigen und erst mal nicht mehr rauslassen, meine Tochter irgendwo in einer Pflegefamilie völlig verwirrt, traumatisiert und tief traurig die Zeit verbringt. Nein, die Tür öffnete sich für mich. Was für eine Erleichterung.

Ich habe meiner Therapeutin eine email geschrieben. Mal sehen wann sie sich meldet. Es ist ja grad überall Urlaubszeit. Das wird vor ihr auch nicht Halt machen. Ist jedenfalls mein Gefühl.

So, ich bin geplättet von heute.

Re: Weiß nicht weiter

#11
Hallo Loxonema,

Wow, das klingt heftig. Dein Körper hat weise entschieden, dass er an der richtigen Stelle so reagiert hat. Dein Ego und dein Stolz waren sehr fehl am Platz. Theoretisch ist es gut ein Ziel zu haben, aber auf das sollte man nicht blindlinks losrennen, sondern seine begehbaren Wege benutzen.
Ich glaube jeder würde irgendwann in dieser Situation am Rad drehen. Und jemand, der seine Psyche jahrelang mit einer Essstörung peinigt und dann diesen Weg vor sich hat, ist mehr bedürftig nach Unterstützung bei der Erreichung des Ziels.

Du bist nun bereit dich wieder in ein Hilfesystem zu begeben. Du hast gesehen, welche Grenzen dir dein Körper setzt und welche Mittel er hat, damit du es auch endlich verstehst. Rückenschmerzen, Kopfweh und Durchfall haben ja nicht als Wahrnung gereicht. Ob Tagesklinik oder ambulant die Hilfe sind, wird sich zeigen. Und oft ist es so, dass man erst mal absteigen und unten ankommen muss, um sich wieder aufzurappeln.

Viel Kraft und Alles Liebe und Gute

Re: Weiß nicht weiter

#12
Meine Liebe,

wie alt ist sie denn, deine Tochter? Ich verstehe gut, dass das eine zusätzliche Belastung ist. Du willst das Beste für sie, dabei zwingt dich dein Körper und auch dein Geist, dich zuerst um dich selbst zu kümmern. Ich wünsche dir, dass du einen guten Weg findest, beides in Einklang zu bringen.

Bei mir war es eine akute Krankheit. Aus dem heiteren Himmel stand ich plötzlich zwischen Leben und Tod. Ohne je daran gedacht zu haben. Und dann einige Zeit später kam die befreiende Erklärung, dass ich bis auf Trivialitäten kerngesund bin.

Wie geht es dir nun?
Hat deine Therapeutin dir geschrieben?

Alles Liebe
Lari

Re: Weiß nicht weiter

#13
Hallo,

Naja, lebensunfähig bin ich nicht...
Wenn es rein nach meinem Kopf geht, dann würde ich schon deutlich weiter sein, alles alleine machen und da durch spazieren, als sei das so einfach wie Karotten auf dem Markt kaufen. Ich muss sagen, ich wäre ja sogar da auf Stadion geblieben, eine innere Stimme wollte das gern, wenn ich meine Tochter gut behüten wüsste. Aber so schnell und zuverlässig kann ich sie nirgendwo für mindestens eine Woche unterbringen. So lange waren wir noch nie getrennt. Ihre Großeltern (es gibt nur die von ihrem Papa) sind im Urlaub und zu Freunden so lange stecken, weiss nicht, find ich zu krass. Zu ihrem Papa geht auch nicht, obwohl im Notfall, wäre er gekommen. Und so ein Notfall war es ja nicht, dass es so einen unheimlichen organisatorischen Aufwand und Einschnitt in so viele Leben rechtfertigen würde. Die Kleine wird übrigens am 25.08. 5 Jahre.
Die Therapeutin hat sich erstaunlicherweise aber glücklicherweise gemeldet. Dabei wähnte ich sie im Urlaub. Wir suchen grad einen Termin, der passt.

Es ist seltsam. Ein kleines Stück weit hat mein Körper von seiner Verspannung im Rücken/Schultern los lassen können. Das hab ich gestern abend richtig gemerkt, wie es plötzlich leichter wurde. Nervlich bin ich noch überlastet, emotional leicht instabil. Aber wenn ich mich weiter jage und mich bewege, was mache und tue, dann ist es auszuhalten. Nur Ruhe kann ich dadurch nicht herstellen, weil ich dann nicht mehr vor mir weglaufen kann. Mir wird noch immer von Essen übel, ich würd gern gar nichts essen oder trinken, aber ich gebe mir leicht verdauliche Kost, damit ich nicht wieder körperlich zu sehr abstürze. Ich überlege ob ich das Angebot wahrnehme, dass ich ambulant zur Stadion 1 am Dienstag gehe, damit die sehen, was sie für mich tun können. Sie würden mich gern körperlich durchchecken um zu sehen, ob nicht aus der Richtung was dahinter steckt. Außerdem denken die auch an Medikamente. Puhhh, das ist so unendlich viel Neues, was da grad auf mich einprasselt. Ich will, dass mein Körper einfach nur weiter funktioniert und aufhört so ein scheiß Eigenleben zu führen.

Wir werden heute erst einmal zu einer Freundin mit ihrem Sohn, der Geburtstag hat, fahren. Wir bleiben bis Montag. Da freue ich mich sehr. Wir haben uns 2008 das letzte mal in einer Mutter-Kind Kur gesehen. Da werd ich Ablenkung genug finden und fühle mich gut aufgehoben.


Ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende

Re: Weiß nicht weiter

#14
Ich will, dass mein Körper einfach nur weiter funktioniert und aufhört so ein scheiß Eigenleben zu führen.
Das ist sehr hart und ungerecht. Ich gehe davon aus, deine nächsten Schritte gehen in Richtung Akzeptanz deines Körpers. Irgendwas macht sich hart und unbarmherzig zu deinem Körper. Deswegen auch der Krieg zwischen Kopf und Körper trotz Beseitigung der ES. Ein kleiner Schritt dazu wäre das Angebot zur Stadion zu gehen und deinen Körper ernst zu nehmen und ihn untersuchen zu lassen.

Ist doch toll und segensreich, wenn deine Therapeutin so kurzfristig Zeit und Kapazitäten hat. Ich hoffe, du wirst die intensive Unterstützung erfahren, die du benötigst.

Ich wünsche euch einen entspannten Kurzurlaub. Lass den Stress in dir doch einfach zu Hause.
Gute Reise