Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#1
Hallo zusammen,

... heute bin ich es, die mir den Frust von der Seele schreiben muss und sich fragt, ob andere damit ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Im August 2009 habe ich das letzte Mal gekotzt und ich habe wirklich lange darum gekämpft und auch hinterher und auch jetzt noch ist die Rückfallmöglichkeit doch sehr hoch, man muss doch öfter mal ernsthaft mit sich ringen, um nicht zurückzufallen, weil es wieder als eine so direkte, scheinheilige Universallösung erscheint.

Im Oktober 2009 habe ich dann auch die Schule abgebrochen (12. Klasse, habe guten Realabschluss), weil ich drauf und dran war, wieder hinzufallen und mir endlich aufgegangen ist, wie viel Bulimie und Schule für mich zusammenhängen. Egal, darum gehts jetzt auch nicht.
Seither bin ich auf der Suche nach einer Zukunft und habe zwei Bücher geschrieben.

Von der Bulimie wissen genau drei Menschen: Mein Freund, mein Ex, meine ehemals beste Freundin.
Dass meine Eltern und Verwandte und wie sie alle heissen, mir jetzt Vorwürfe machen und mir vorwerfen, ich wäre gescheitert und wertlos (nicht so im Wortlaut, aber man ist ja nicht blöd), ist an diesem Punkt noch irgendwie verständlich.

Aber zumindest von den anderen drei hätte ich doch mehr Zugeständnis erwartet.
Ich habe niemals eine therapie gemacht, mich immer alleine damit rumgeschlagen, heimlich und ohne, dass es jemand bemerkt hätte.
Und anscheinend zählt dieser Erfolg nun nichts - weil soooo schlimm kann es ja wohl nicht gewesen sein, wenn man sich nichtmal Hilfe holen musste.

Mein Freund macht ständig Witze über Bulimie. Nicht direkt an mich, aber in meiner Gegenwart - zB., wenn jemand meint, dass man zu viel gegessen hätte: Da kommt dann dieser "Brauchste ne Feder?"-Witz.
Oder wenn ich meine, dass ein anderes Mädchen rissige Lippen hat, sagt er: "Och, kommt wahrscheinlich vom kotzen." (Mädchen war doch recht dürr).
Schon mehrmals habe ich gebeten, darüber keine Witze zu machen - doch er fragte nur: "Wieso nicht?"
Als ich (mehrmals) versuchte zu erklären, dass mich das verletzt, es rücksichtslos ist und es nicht lustig ist, respektlos und gemein - kam wieder nur ein: "Warum? Versteh ich nicht."
Und ich verstehe nicht, wie er es nicht verstehen kann....?
Übertreibe ich? Ist es echt überzogen von mir, wenn ich sage, dass ich es nicht fair finde, wenn er Bulimie verharmlost und sich drüber lustig macht, dass ich mich dann nicht respektiert fühle?

Genauso mein Ex Freund (mit dem ich noch Kontakt habe), der noch nicht einmal anerkennt, dass Bulimie eine Krankheit ist. Er meint dazu, dass jeder das Recht hat, mit seinem Körper zu tun, was er möchte - fertig.
Und anschließend wirft er mir vor, die letzten anderthalb Jahre nichts gemacht zu haben - dass es auch eine Art von Leistung sein könnte, wenn man mit sich selbst und der Bulimie kämpft und es schafft sich da wieder rauszuholen, auf die Idee kommt er gar nicht.
Als wäre es mein Hobby und fertig. Und als ich noch meinte, dass ich stolz darauf bin, wieder ganz normal essen zu können - da hat er mich angeschaut, als wäre ich eine Außerirdische. Oder als hätte ich gesagt: "Ich kann jetzt endlich das kleine Einmaleins, yey!"


Bin ich zu eingebildet?
Verlange ich wirklich zuviel?
Ich möchte nun wirklich keine tolle große Anerkennung, aber doch spüren dürfen, dass ein anderer das auf irgend eine Weise zumindest respektiert und wenigstens versucht, es nachzuvollziehen
- anstatt entweder blöde Witze darüber zu machen oder mir vorzuwerfen, ich hätte nichts geschafft und Bulimie ist auch nur, wie regelmäßig mal ein bissl betrunken sein, um die Welt zu vergessen. Da ist doch nix dran.

Geht es noch wem so?

Liebe Grüße,
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#2
Hey Wispy!

Brauchst du wirklich jemanden, der deine Leistung anerkennt? Verstehe mich bitte nicht falsch, Anerkennung ist schon ein sehr menschliches und natürliches Bedürfnis, daran ist garantiert nichts falsch, aber dennoch ist es manchmal zuviel verlangt.

Denn in erster Linie bist du dafür verantwortlich dir selbst die Anerkennung zu geben, die du brauchst. Und vielleicht können wir hier im Forum auch anerkennen, was du geleistet hast, aber für viele Außenstehende ist es einfach verdammt schwer überhaupt zu begreifen, was das Überwinden einer Suchterkrankung für eine Leistung ist und sein kann. Die meinen das auch nicht böse - die verstehen das nur nicht.
(Und wenn sie es auch nicht verstehen wollen (z.B. dein Freund) ist das natürlich kränkend und schwierig, aber durchaus verständlich.)

Und ich glaube, dass dieses "sich allein durchbeißen" es noch mal schwieriger macht, weil da dann eben auch nirgendwo schwarz auf weiß (als ICD-10-Diagnose) steht, dass du wirklich krank warst.

Hm, ich finde es toll, was du geleistet hast, was du leistest! Das ist großartig. :) Hoffe, du kannst das von mir annehmen.

Ich habe übrigens ähnliche "Probleme" damit, mich stört das aber auch nur, wenn alle Leute einfach immer vergessen, dass ich mal eine ES hatte und die mich dann blöd anmachen, weil z.B. nachts um zwei kein Maxi-Menü esse, wenn ich keinen Hunger haben. Und so weiter...

LG!
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#3
Liebe wispy,

ich finde auch, verständnis ist zu viel verlangt und anerkennung sollte man sich selbst geben.
aber von leuten, die mir nahestehen, verlange ich doch, ernst genommen zu werden.
bei solchen kommentaren, wie dein freund sie da bringt wäre ich persönlich warscheinlich sehr schnell sehr deutlich geworden.
jeder, der keine ahnung von sucht hat, sollte meiner meinung nach schwer dankbar dafür sein und sich nicht anmaßen, darüber zu urteilen, was andere durchgemacht haben.
"You," he said, "are a terribly real thing in a terribly false world, and that, I believe, is why you are in so much pain."

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#4
Ich finde auch das die eigene Wertschätzung die allerwichtigste ist...das dein Freund solche witze reißt ist nevoulos und man merkt das sich diese Leute nie mit der Krankheit auseinandergesetzt haben egal ob es vorbei ist oder nicht...mein Freund hat das gleich getan als wir uns kennenlernten...dein Ex naja was soll ich da sagen..ist halt dein Ex bist ja nicht ohne Grund nicht mehr mit ihm zusammen...
Das du es allein geschafft hast verdient hochachtung...aber die meiste von dir selber denn nur du weißt wie schwer die zeit war.

Alles was du vielleicht dadurch also durch den Kampf verpasst hast kannst du nachholen wenn du es möchtest...Abi usw..du musst niemanden etwas beweisen oder eine Erklärung abgeben warum du was wie gemacht hast...es war gut so was du gemacht hast und alles was die anderen sagen und über dich denken muss dir egal sein denn sie sind nicht du...nämlich wie wir alle hier etwas besonderes

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#5
Huhu!

Danke für die Antworten :)

Nein, Anerkennung ist vielleicht das falsche Wort.
Eher der Hauch, der Versuch von Verständnis.

Es ist nur frustrierend, dass es so abgetan wird. Wenn ich weiss, dass ein Bekannter mit Müh und Not das Rauchen aufgeben konnte, werde ich auch keine Raucherwitze anbringen.
Oder gar behaupten, das wäre ja keine Leistung, der ist doch selber schuld.

Nur, weil Bulimie (noch) nicht ganz so eine "Volkskrankheit" ist und meist doch recht geächtet wird, finde ich es respektlos, wenn man es so mit einem Wink abtut oder gar lustig darüber macht, dass muss doch nicht sein.

Nur, was soll ich meinem Freund sagen, wenn er mir das nächste Mal sagt, dass er nicht versteht, warum es gemein ist und mich verletzt, wenn er sich über Bulimie lustig macht?
Gibt es denn keine 'gute' Antwort, wenn jemand behauptet, Kotzen wäre mehr ein Hobby, denn eine Sucht und ich solle mich mal nicht so anstellen?

Es ist einfach frustrierend :?
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#6
liebe wispy,

ich kenne das gefühl genau!! ich habe mir das auch oft gedacht: wann sieht endlich jemand mal, was ich geleistet habe?! wenn ich einen guten vortrag gehalten habe und man mir im anschluss sagt, daß er gut, interessant und spannend war, freue ich mich ja auch, das zu hören. man hat etwas geleistet und kriegt dafür anerkennung.

ich werde z.b. immer traurig, wenn ich leute von ihrer jugend erzählen höre. was sie alles gemacht und erlebt haben. da kann ich nicht mitreden, so erfahrungen habe ich einfach nicht gemacht. oder ich fühle mich wie der letzte looser, weil meine geschwister in meinem alter schon mehr erreicht hatten, weil schulkollegen schon jetzt mehr erreicht haben. aber da liegt das problem einzig und allein bei mir. und da wären wir auch schon bei dem, was all die anderen vorher geschrieben haben: die wertschätzung für das, was wir geleistet haben, kriegen wir nur von uns selbst. trotzdem finde ich, kann man von seinem umfeld ein paar sachen erwarten. in deinem fall, daß dein freund sich mal ein wenig am riemen reisst und mal dir seine wertschätzung damit beweist!

meine mutter sagt es mittlerweile manchmal zu mir: "ich bewundere deine stärke. was du schon alles geleistest hast". das tut gut. ich finde, von den menschen, die einem am nächsten stehen und die in die problematik eingeweiht sind, kann das auch ruhig ab und an kommen. mein bruder meinte mal "was bist du doch für ein tapferes kerlchen" das ist dann eben mehr so große bruder art, es einem zu verstehen zu geben ;) das tat SO gut!!!

meiner anerkennung kannst du dir auch sicher sein. ganz alleine aus dem schlamassel rauszukommen. UNGLAUBLICH!!!

liebe grüße
hanne

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#7
ja, ich schliesse mich der meinung derjenigen die hier geantwortet haben an, aber dennoch fuehl ich genauso wie du.
es geht mir dabei nicht um die anerkennung etwas geschafft zu haben, sondern generell darum, dass man krank ist. das heisst nicht, dass ich jetzt mitleid will. aber solche sprueche, die das ganze absolut verharmlosen und abtun und zudem einen fuehlen lassen als wuerde man masslos uebertreiben, sind so enttaeuschend und unnoetig.
meine freundin hat mir eben grade zu verstehen gegeben, dass ich mich nicht so anstellen soll und ich wuerde ja schliesslich gut essen und ueberhaupt haette ich doch frueher auch normal gegessen. was ich denn bitte mit einer therapie will...
:( :( :(
ich wollte so gern 'deutlich' werden, aber ich habs nicht ueber die lippen gebraucht. ich brauchte das grad nicht, mich selbst zu erniedrigen. sie weiss auch eh alles.

JAA, ich weiss, sie meint es sicher gut und moechte wahrscheinlich sogar helfen... aber ich hab mich grad wie ein haeufchen elend gefuehlt. ein versager.
NEIN, sie verstehen es nicht.

...nur... das erwartet man doch auch nicht. nein, auch nciht nach all den bildlichen erklaerungen (ueberwindung, erniedrigung, zusammenbruch)...

keine ahnung wispy, ich verlange wohl auch zu viel und bin zu eingebildet. :(
das ist fuer mich sehr enttaeuschend und macht mich traurig.
Zuletzt geändert von mary jane am Di Jan 25, 2011 23:17, insgesamt 1-mal geändert.
Enemies
They stick to my head
They run with my feet
I'm doomed to be bad

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#8
Hallo, ihr beiden =)


Vielleicht habe ich den Threadtitel zu unbedacht gewählt - es war das Erste, was mir dazu eingefallen ist.
Aber wenn ich ihn jetzt noch einmal lese, merke ich wie falsch platziert das Wort "schätzen" ist, denn das meine ich nicht.

Ich verstehe doch, dass ich diejenige bin, die mir in erster Linie Liebe, Anerkennung und Wertschätzung geben sollte. Und das tue ich auch - für mich ist es eine große Leistung, es geschafft zu haben, egal, was die anderen darüber denken.

Viel mehr ist es das, was Hirnsgespinst erwähnt hat - Ernst genommen werden.
Ich glaube, ich meinte eher das und haargenau so, wie Mary Jane (danke :) ) es beschrieben hat.

Es geht weder um Mitleid, noch "Anerkennung" im Sinne von Wertschätzen - sondern eher so anerkennen, dass man es zu Kenntnis genommen hat und infolgedessen zumindest versucht, die -nennen wir es- Höflichkeit zu wahren.
Jeder Mensch lebt doch in unterschiedlichen Situationen und jeder trägt irgendein Päckchen - und wenn man weiss, was es in dem Fall ist, nimmt man darauf doch ein wenig Rücksicht oder nicht?
Wenn die Oma einer Freundin schwer krank ist, mache ich keine Scherze über alte, sterbende Menschen ... oder so.

Und ich weiss, es ist meine "magersüchtige Hälfte", wenn ich jetzt sage, dass jeder unwissende Idiot sofort mit einer Anerkennung (im Sinne von: Zur Kenntnis nehmen, Rücksicht) an Magersüchtige herangeht, aber ein (Ex)Bulimiker im NG Bereich, der ganz und gar nicht kränklich aussieht?
Es regt mich einfach auf... und wenn dann auch noch kommt, dass es doch nicht einmal ne echte Sucht ist, sondern nen Hobby, dann ja, fühlt man sich sowas von blöd und Aufmerksamkeits heischend und arrogant und egozentrisch, weil man etwas unnötig aufbauscht, was doch nichtmal ne richtige Krankheit ist.

Und es geht doch wirklich nicht um Mitleid oder jemanden, der sagt, dass er stolz ist - einfach jemand, der es respektiert, auch wenn er vielleicht keine Ahnung hat, was genau es bedeutet; der einfach glaubt und anerkennt, dass das nicht alles so leicht war und darauf Rücksicht nimmt.
Ja, wahrscheinlich nervts langsam, aber da fällt mir schon das nächste blöde Beispiel ein:
Wenn jemand Elektriker ist und mir sagt, dass er das Wohnzimmer komplett neu verkabelt hat, dann nehme ich ihm doch auch ab, dass das ne Menge Arbeit war - auch wenn ich keine Ahnung habe, wie diese Arbeit tatsächlich aussieht oder wie lange sie braucht, wie genau das funktioniert.

Ach Mensch, das macht mich wütend :(

Und auch ich spiele öfters mit dem Gedanken, mal dem ein oder anderen zu sagen, wie es tatsächlich ist, in sowas drinzustecken... und nein, das ist eine Erniedrigung, die möchte ich mir auch nicht antun. Schon allein deswegen, weil es wieder so Mitleid-haben-wollend rüberkommt und das will ich doch gar nicht :(


Aber wie gehe ich mit so etwas um, weiss da niemand einen Rat?
Wenn mir wieder jemand blöd kommt (und weil mein Buch davon handelt und es deshalb auch bald ALLE wissen werden (oh mein gott, das macht mir solche Angst)), wie reagieren?
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#9
stell dir mal vor, du bist irgendwo neu, es gibt was zu essen und du sagst. "nein danke, ich habe bulimie" und alle nicken verständnisvoll. als, wenn du sagen würdest "bitte nicht, ich habe asthma" wenn sich der kollege neben dir eine zigarette anzünden möchte. oder: "nein danke, ich hab heuschnupfen" wenn du zu einem spaziergang im frühling eingeladen aufgefordert wirst. oder: "nein danke, ich bin schwanger" wenn dir jemand was zu trinken anbietet. meinst du das? die anerkennung der bulimie als krankheit? daß nicht nur wir wissen, daß es eine krankheit ist?


anerkennung, wertschätzung, ernst genommen werden...irgendwie umschreibt das alles doch ähnliches, oder? wir wollen kein mitleid (ich zumindest nicht, ich denke, den meisten hier geht es ähnlich). wir wollen eben anerkennung, wertschätzung ernstgenommen werden...
Wispy hat geschrieben:Und es geht doch wirklich nicht um Mitleid oder jemanden, der sagt, dass er stolz ist - einfach jemand, der es respektiert, auch wenn er vielleicht keine Ahnung hat, was genau es bedeutet; der einfach glaubt und anerkennt, dass das nicht alles so leicht war und darauf Rücksicht nimmt.
jo, so in der art meinte ich es ja auch :)

und maryjane: eingebildet sind wir ganz und gar nicht!!! das macht mich so wütend das zu lesen. ich habe eine große schwester, die trotz ihres sozialen berufs irgendwie so wenig verständnis für meine situation hat. die hat mir das auch immer eingeredet "stell dich nicht so an" andere schaffen das doch auch "ohne zu jammern" (z.b. bezogen auf das studium nicht auf die ES). das ist, verzeihung, BULLSHIT! als ich ihr mal gesagt habe, wieviel anstrengung mich das früher immer gekostet hat zu unseren verabredungen (wir haben damals sone dreiviertelstunde bahnfahrt auseinander gewohnt) immer pünktlich zu sein (ihr wisst schon, bahn kriegen, arbeit vorher erledigen, kein FA bekommen, bzw. rechtzeitig fertig sein :roll: ) meinte sie nur, was das denn jetzt soll, das sei doch vollkommen normal und absolut zu erwarten. dabei war es NICHT normal für mich früher. es ist ja auch nicht normal sich nach dem essen den finger in den hals zu stecken!!! von seinem allerengsten umfeld verlangt man, meiner meinung nach, nicht zuviel, wenn man um verständnis bittet, wenn man bittet, daß bestimmte sprüche sein gelassen werden sollen, wenn man ernst genommen werden möchte...

ich habe das früher tatsächlich geglaubt, war fest davon überzeugt, ich stelle mich nur an, ich sei zu eingebildet und ich müsse mit nur ein fünkchen mehr disziplin da doch von ganz alleine rauskommen. ich bin JETZT noch wütend, wenn ich dran denke, was ich mir von meiner schwester schon alles hab anhören müssen...

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#10
hanne hat geschrieben:stell dir mal vor, du bist irgendwo neu, es gibt was zu essen und du sagst. "nein danke, ich habe bulimie" und alle nicken verständnisvoll. als, wenn du sagen würdest "bitte nicht, ich habe asthma" wenn sich der kollege neben dir eine zigarette anzünden möchte. oder: "nein danke, ich hab heuschnupfen" wenn du zu einem spaziergang im frühling eingeladen aufgefordert wirst. oder: "nein danke, ich bin schwanger" wenn dir jemand was zu trinken anbietet. meinst du das? die anerkennung der bulimie als krankheit? daß nicht nur wir wissen, daß es eine krankheit ist?
Ja genau. Eher diese Richtung.
Wenigstens ein klein wenig rücksichtsvolle Höflichkeit (zumindest von den Leuten, von denen man meinen könnte, sie respektieren einen eigentlich).
Aber wenn dann so jemand beginnt der Bulimie ihren Krankheitswert abzusprechen, steht man schon blöde da und alles, was man dann versucht zu erklären klingt immer gleich so nach Selbstmitleid :?
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#11
vielleicht muss man das engen vertrauten gegenüber genau so sagen: ich bin krank! das ist kein hobby, ich mach das nicht weil ich spaß dran habe. es ist eine krankheit und mich hat es erwischt. man muss den ganzen psychen-krempel nicht erwähnen (wieso weshalb warum) und nicht, wie es genau in einem aussieht und was in einem vorgeht, sondern einfach sagen: ich leide an einer krankheit, die nennt sich bulimie. punkt.

hm, keine ahnung, ob das funktioniert, aber ich glaub, ich versuch das mal, wenn mal wieder die sprache in irgendeiner weise darauf kommt. meinste, dein freund würde mal ein buch drüber lesen wollen?

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#12
Also ich muss sagen das ich das so ähnlich in meinem Freundeskreis gemacht habe und bin sehr positiv überrascht gewesen über die Reaktionen...aber das habe ich erst gemacht als ich immer tausendmal Treffen abgesagt habe und sich meine Freunde dann von mir entfernt haben weil sie dachten ich möchte nichts mehr mit ihnen zu tun haben sie haben es eben nicht verstanden...heute ist immer was für mich da wenn wir grillen oder kaffee trinken und das macht mich immer so glücklich...seitdem glaube ich fest daran das man mit ehrlichkeit am weitesten kommt...auch jetzt wo ich so krank bin kümmern sich meine freunde wahnsinnig um mich und da kam noch nie der spruch...selber schuld...der kommt dann ehehr von mir selber..

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#13
ich lese hier immer erniedrigung und selbstmitleid.
das ist doch quatsch und ich hänge mich einfach mal soweit aus dem fenster, zu behaupten, dass ihr und jeder der eine essstörung hat oder jemals gehabt hat das auch weiß.
tut mir leid wenn das etwas barsch klingt, ich will wirklich niemanden angreifen, aber wenn ihr schon von anderen nicht die anerkennung bekommt, die ihr braucht, dann gebt sie euch doch bitte(!) wenigstens selbst.

ich denke, diese ganzen kommentare zeigen doch nur, wie wenig aufgeklärt viele menschen auf diesem gebiet sind, was ja, bei den figuren der models, die über den laufsteg geschickt werden auch nicht weiter verwunderlich ist. oder man hat vielleicht zufällig im lateinunterricht von den orgien der alten römer gehört, die ja durchaus zum vergnügen stattgefunden haben.

unwissenheit finde ich nicht schlimm, schlimm finde ich nur, wenn diese krankheit mit einer unbelehrbaren arroganz lächerlich gemacht und/oderdurch den gesammten bekanntenkreis posaunt wird.
ich wäre beinehe gestorben an meiner essstörung, ich habe ganz einfach keine lust, mich auf dieser ebene mit der krankheit auseinanderzusetzen.
wenn jemand ernsthaft etwas von mir wissen will erkläre ich es gerne. und für mich ist es auch wichtig, feedback zu bekommen und zu wissen, wie mein verhalten auf "normale" leute wirkt.

ich finde wispy, wenn dein freund von sich aus fragen stellt, dann ist das doch eine ganz gute basis oder?
wenn er nicht weiß, warum solche kommentare daneben sind, kannst du es ihm ganz einfach, neutral, sachlich, nüchtern erklären. halt so oder so ähnlich, wie hanne geschrieben hat.
du brauchst dich doch nicht bloßstellen und jede entwürdigende kleinigkeit erzählen.
wenn er behauptet, es nicht zu verstehen, gibt er dir doch in dem moment die gelegenheit, dich zu erklären.

ich weiß nicht, vielleicht bin ich da komplett auf dem holzweg aber bisher habe ich nur positive reaktionen daruf bekommen.
Zuletzt geändert von Hirngespinst am Fr Jan 28, 2011 18:30, insgesamt 1-mal geändert.
"You," he said, "are a terribly real thing in a terribly false world, and that, I believe, is why you are in so much pain."

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#14
Hallo,
ich mische mich jetzt hier ein weil ich auch etwas zu sagen haben.
Der Wahnsinn an der ganzen Geschichte ist, dass die Krankheit dein LEBEN kaputt macht. Ich weiß nicht mehr wer ich bin, wie ich bin, was ich kann, was ich nicht kann. Ich hatte nie die Möglichkeit das alles und mehr herauszufinden, und ich bin jetzt 41.
Weder hatte ich die Möglicheit mich beruflich zu etablieren, noch hatte ich die Möglichkeit mir einen Mann nach meiner Wahl zu suchen.
Leider gibt es weder einen Richter, der Eltern zur Verantwortung ziehen, die dieses Verbrechen an ihrem Kind begangen haben, noch wird eine ES wirklich als Krankheit anerkannt. Meiner Meinung nach liegt die volle Verantwortung bei den Eltern, denn die haben für das körperliche und das seelische Wohlergehen eines Kindes zu sorgen. Wenn man keine emotionale Wärme von den Eltern erhalten hat, ist das ein grobes Unrecht, das dem Kind zuteil wurde. In meinem Fall haben sich die Eltern, d.h. eigentlich die Mutter, denn die war zu 100 Prozent für die Erziehung der Kinder zuständig, nur um das leibliche Wohl gekümmert. Bei Bauchschmerzen gab es einen Kamillentee statt einer fürsorglichen Bauchmassage, emotionale Probleme wurden auf rationaler Ebene gelöst, und alle Entscheidungen bezüglich Schule, Ausbildung, bis hin zur Ehe wurden von der Mutter getroffen. Auch meine Mutter wollte "nur das Beste" für ihre Kinder, doch es macht mich wütend WIE sie es gemacht hat. Besonders wütend macht mich, dass sie für meine Schwester da war, die meint für sie war sie "eine gute Mutter". Mir war sie eine schlechte Mutter.
Die Wut auf die Eltern, allen voran auf die Mutter, ist der Hauptfaktor zur Aufrechterhaltung meiner ES. Es scheint, dass mir wichtig ist, dass sie SIEHT was sie gemacht hat. Wie geht es euch damit?

Re: Warum weiß es niemand zu schätzen ??

#15
v_rena hat geschrieben:Meiner Meinung nach liegt die volle Verantwortung bei den Eltern, denn die haben für das körperliche und das seelische Wohlergehen eines Kindes zu sorgen.
dein beitrag hat mich sehr ergriffen.
ich denke auch, dass die eltern diejenigen sind, die einen entweder fertig machen oder einem den ruecken staerken (fuer die welt). sie sind der erste und groesste einfluss und kinder glauben den eltern alles. sie kennen das konzept von luegen nicht, sie reflektieren nicht. geben einem die eltern das gefuehl, dass man stoert und wertlos und ungeliebt ist, dann haben sie keine zweifel, dass das wahr ist.
einige menschen scheinen zu glauben, dass ein dach ueberm kopf, kleidung und essen fuer ein kind ausreicht.

das problem ist, dass man so etwas ja nicht aussprechen darf, weil man dann gleich zu hoeren bekommt, dass man ja jetzt erwachsen ist und sich seinn leben selber schaffen kann und man muss verzeihen und so weiter.
ich wuerde auch gerne, aber ich kann die verletztheit und enttaeuschung nicht abstellen!

du hast also versucht deinen eltern zu erklaeren!?
ich denke das bringt gar nichts. so etwas wuerde ich nie versuchen. sie wollen es naemlich nicht hoeren. sie wollen ncihts wissen. deshalb fragen sie nie etwas.
Leider gibt es weder einen Richter, der Eltern zur Verantwortung ziehen, die dieses Verbrechen an ihrem Kind begangen haben, noch wird eine ES wirklich als Krankheit anerkannt.
wuerdest du das denn wollen? ich will meinen eltern zb gar nichts schlechtes... die verstehen ja nicht mal... ich wuensche mir nicht mal bewusstsein fuer sie, denn das wuerde sie ja umbringen! sie haben's ja nicht boeswillig gemeint.
Enemies
They stick to my head
They run with my feet
I'm doomed to be bad