essen als ersatz

#1
so heißt der titel eines buches, das ich momentan "wieder" lese.. es ist schon länger her, als ich es zum ersten mal gelesen habe, aber es ist mir vor kurzem wieder unter die finger geraten.
als "ehemalig essgestörte" ist es für mich interessant, sich wieder mal bewusst zu werden welche bedürfnisse wir alle mit unserem essverhalten kompensieren (können). wenn ich manches mal in stressigen zeiten "zu viel" süßes erwische, bin ich müde, ausgelaugt, genervt, verärgert gereizt.. und doch eigentlich, sollte ich für diese "warnungen" dankbar sein, denn es zeit mir, dass mir meine lebenssituation dann wieder mal nicht gut tut..

für was wird bei euch das essen manchmal zum ersatz?

das letzte mal ist es für mich zum ersatz von ruhe und ausgeglichenheit geworden.. ich hätte mich nicht so mit aktivitäten übernehmen und den tag langsamer angehen sollen...

lg

Re: essen als ersatz

#2
Hallo,
As_I_Am hat geschrieben:für was wird bei euch das essen manchmal zum ersatz
Ohne groß nachzudenken und spontan würde ich sagen, Ersatz für das Leben!

ES haben viele Facetten und ich hoffe du weißt, das ES nicht gleich ES ist!
Ich finde es allerdings toll, dass du dich hier angemeldet hast, um zu helfen. Sicherlich wirst du auch für dich noch einiges mitnehmen.

liebe Grüße
„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“
Albert Schweitzer

Re: essen als ersatz

#4
ich kompensiere damit auch mein leben, grob gesagt meine gefühle, mit denen ich meine nicht umgehen zu können, überfordert zu sein, nicht empfinden möchte, glaube, nicht ertragen zu können oder von ihnen zerrissen zu werden.
im endeffekt weiß und wusste ich schon immer, dass es mir mit ES nur noch schlechter geht, aber es ist ein ausschalten - ich katapultiere mich damit ins aus - dadurch nehme ich nicht mehr am "rennen des lebens" teil, sondern lege mich an den rand. es ist irgendwie eine auszeit für mich. aber keine entspannende und erholsame. obwohl ich dann genau das bräuchte. ich schalte mich aus bzw es ist mehr ein "sich wirr machen" und im höllischen chaos versinken, ein dämpfen, kein wirkliches abtöten oder ganz abschalten. die schreie werden nur erstickt.
dabei bräuchte ich in diesen momenten genau das gegenteil. wenn es in mir rebelliert und kocht und gefühlsmäßig kocht brauche ich ein stehenbleiben und reifühlen, zuhören. und kein weghören und ersticken.

im endeffekt, rückblickend, hat die ES nur eines gemacht: mein leben zerstört und es zu einer höllenqual werden lassen. genuss, entspannung, jegliche angenehme empfindung geht flöten, alles verschwimmt zu einem schmerzhaften, chaotischen brei.

ich kann nur sagen, jeder schritt, der mich weiter raus aus der krankheit bringt, tut im ersten moment weh, weil ich wieder anfange zu fühlen, ist ein ankämpfen gegen ein anfängliches sich sträuben gegen das leben, ein empfinden der beklommenheit und des unwohl-seins - aber jedes mal, sobald ich diesen anfänglichen hügel des sich-dagegen-wehrens überwunden habe, fühlt es sich soooooo unglaublich gut an.

es dauert, aber jedes ertragene unwohl-sein, dass ich nicht mit der ES kompensiere, dass ich benutzt habe, um zu lernen, um auszuhalten, um zu lernen, um stark zu sein, um es mehr für mich als gegen mich einzusetzen, war es wert und das spüre ich auch im nachhinein - ich habe mehr energie, ich fühle mich besser, ja, ICH FÜHLE - und es fühlt sich gut an!!
und jedes mal, wenn es mir dennoch sehr schlecht geht, ich mir aber nicht noch zusätzlich schade, komme ich viel schneller wieder auf die beine und habe schneller wieder energie um dort weiterzumachen, wo ich aufgehört habe.

ich muss mich jetzt auch nicht mehr 24h am tag schlecht und schuldig fühlen und mich vor und für mich selbst schämen. ich kann mehr zu mir stehen und zu dem was ich tue und ich kann endlich anfangen, glücklich zu werden und die dinge tun, die ich möchte und die sich für mich richtig und gut anfühlen.

ich kann endlich anfangen, ich selbst zu sein!!

Re: essen als ersatz

#5
Hallo,

ja, das kenne ich auch (leider zu gut). Gerade jetzt vor Weihnachten. Am liebsten würde ich mich jetzt irgendwohin wegtun. Mir fällt schon der Alltag nicht leicht, Feiertage, Urlaub usw. sind kaum auszuhalten.
Wie geht es dir mit dem Alltag?

Re: essen als ersatz

#6
ich habe die aufgabe bekommen die vor- und nachteile der ES aufzuschreiben! bzw. wozu ich sie nutze und was besser ohne sie waere!
die ES hat bei mir so viele funktionen!!! sie hat sich in jeden bereich meines lebens gebracht! echt erschreckend.
die schein-loesung fuer jedes problem!

-gefuehle nicht ertragen muessen
-abfuehrung von druck, selbsthass, angst, stress, enttaeuschung, etc.
-Es als ausrede/ entschuldigung warum ich bestimmte dinge nicht schaffe (ich bin ja krank)
-flucht! keine bewusste entscheidung fuer oder gegen das leben treffen muessen
-es als verdraengungsmechanismus
-konrolle! essen kontrollieren, mit immer weniger auskommen und den koerper ueberlisten (ist natuerlich schwachsinn, nicht wahr!)
-bestrafung
-perfektionismus (der perfekte koerper, immer weniger nahrung, mehr sport usw)

wie ist das bei euch so? seit ihr euch den gruenden bewusst? welche gruende sind das?
Enemies
They stick to my head
They run with my feet
I'm doomed to be bad

Re: essen als ersatz

#7
Hey mary jane,
ich denke auch, es wird mal wieder Zeit, darüber nachzudenken.
Ein ganz wichtiger Grund ist die Angst vor dem Leben, dass das Leben mich nicht ausfüllt, sinnlos ist.
Die ES ist auch bei mir der Mittelpunkt des Lebens. Jeder Tag muss genau durchdacht und geplant werden und wenn mal was unverhofftes kommt...Krise.
Den perfekten Körper werde ich wohl nie haben, weil immer zu viel Körper da ist.
Ja und zu den Gefühlen ist mir in der letzten Zeit wieder aufgefallen, dass es "einfacher" oder vertrauter ist, sich fett und hässlich zu fühlen, als traurig und verzweifelt zu sein.
Um die ES als Ausrede (bin ja krank) zu benutzen, dafür ist mein Selbsthass viel zu stark, geht nicht, gibt es nicht. :roll:
Wenn ich dann diese Grenzen spüre, macht es mich fast wahnsinnig.
mary jane hat geschrieben:-flucht! keine bewusste entscheidung fuer oder gegen das leben treffen muessen
Das könnte für mich auch noch ein Grund sein.

Ich werde mir das auch mal als Hausaufgabe aufgeben, Vorteile und Nachteile!
Es interessiert mich, wie es bei anderen hier im Forum so ist.

liebe Grüße
„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“
Albert Schweitzer

Re: essen als ersatz

#8
Hallo!

Ich finde die Fragestellung sehr essentiell.

Was ich bisher für mich ausmachen konnte:

- Füllen von emotionalen Loch
- Druck/Stress/Unsicherheit/Angst abbauen
- und leider mit der Zeit dann auch Langeweile als Auslöser von Essanfällen

Liebe Grüße,
Cooky
auf Urlaub

Re: essen als ersatz

#9
Um die ES als Ausrede (bin ja krank) zu benutzen, dafür ist mein Selbsthass viel zu stark, geht nicht, gibt es nicht.
ja verstehe!! ich bin meist auch eher gnadenlos. aber kennst du vielleicht, dass man dinge hinauszoegert, die unangenehm sind weil man ja unbedingt kotzen muss?! :oops: weiss nicht wie ich das besser ausdruecken koennte...

...essen als ersatz... vor und nachteile.... man betrachtet das ganze je nach fragestellung unterschiedlich oder?! pro & cons zeigen einem wo's hilft, wo's stoert und wie motiviert man ist...
Enemies
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I'm doomed to be bad

Re: essen als ersatz

#10
Hallo mary jane,
mary jane hat geschrieben:aber kennst du vielleicht, dass man dinge hinauszoegert, die unangenehm sind weil man ja unbedingt kotzen muss?
Nee, so richtig weiß ich nicht, was du meinst!
Ich habe schon ewig keine ungeplanten FA mehr. Das Essen ist für abends geplant und bis dahin habe ich alles erledigt, was ansteht.
Ich kann auch nicht sagen, dass ich so richtige FA habe. Ich esse nur was mir schmeckt, koche sogar und setze mich dazu hin.

Das Schlimme ist, dass mich dieser Gedanke ans Essen über den Tag bringt. Wenn ich an das Essen denke freue ich mich darauf und das ist so krass.
Phasenweise habe ich beim Essen auch große Gefühlsausbrüche, also lenke ich mich ab.

Essen als Ersatz kann nach meiner Meinung nur Nachteile haben, obwohl es hilft das Leben zu bewältigen.
Ich persönlich habe keine Sehnsüchte nach Liebe und Geborgenheit mehr. Ich nehme mir diese durch das Essen.

Meine Motivation, die Essstörung aufzugeben, ist momentan kaum vorhanden. Ich weiß nicht mehr, wo ich ansetzen soll und habe in der Therapie schon alles durchgekaut :roll:

liebe Grüße
„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“
Albert Schweitzer