Leere und Unruhe...

#1
Ich habe hunderttausend Ziele, arbeite an so vielen Sachen gleichzeitig, mache soviel und fühle mich so leer.

Ich habe kaum noch Lust das immer auszuhalten, ich meine, ich promoviere, studiere, gehe arbeiten und habe einen interessanten Job, ich mache dann doch Fortschritte was mein Baby-Schreibprojekt angeht, und habe Spaß mit Freunden, laufe nebenbei wie eine Bekloppte. (Mehr oder weniger - ich achte auf die Ruhephasen, und auch Ausgleichssport. Passiert aber schon, dass ich zwei lange 20km Läufe in einer Woche mache, und dann noch Tempotraining, usw.)
Ich laufe auch, um die Unruhe loszuwerden. Ich weiß, dass das manche von euch wahrscheinlich auch hochpathologisch finden. Ich nicht. Ich finde es auch nicht gesünder jetzt damit anzufangen Ritalin zu nehmen, nur, weil ich unruhig bin. (Und ich auch eine ADHS-Diagnose kriegen würde, wollte ich denn.)

Und ich stehe da und alles langweilt mich, jedes gute Buch, jedes Bisschen, was nicht Aktion ist und Konzentration und Selbstbesinnung erfordert, das langweilt mich zu Tode, ich werde kribbelig, kriege es nicht auf die Reihe auch mal ein bisschen zu lesen, springe eigentlich andauernd rum und ich würde echt gern mal abschalten und diese Leere mal loslassen. Fällt mir gerade so schwer.
Ich kann mich gerade nicht mal auf eine Serienfolge konzentrieren, bin immer noch so aufgedreht.

Klar, ich habe diesen Sommer auch sehr, sehr viel gemacht. Zwei Praktika, nur sehr wenig Ferien und jetzt geht es auch wieder weiter. Und ich kenne mich, mir fällt es sehr schwer mich dann wieder daran zu gewöhnen nicht gehetzt zu sein, mich nicht in all diesen Dingen zu verlieren. Mich auch mal ruhig hinsetzen zu können, ein Buch zu lesen. Zu malen, was auch immer.

Ich habe übrigens auch keine Lust Yoga oder so zu machen, da mir das jetzt bestimmt gleich jemand vorschlägt. Vielen Dank, ich weiß ja wie großartig das alles ist und blablabla, aber ich kriege es nicht auf die Reihe. Und ich habe auch keine Lust mich immer überall zu zu zwingen. Das kotzt mich so an und ich habe da echt keine Lust mehr drauf. (Ich werde gerade so aggressiv.)

:(

Kennt ihr das auch? Habt ihr einen Tipp? Was kann ich tun? (Mal mit einem Psychiater darüber quatschen? Noch mehr laufen?)
Tut aber auch gut, dass ich das einfach mal schreibe und somit kanalisiere, geht mir schon ein Bisschen besser.

Alles Liebe, eure Colour

P.S. Ja, ich habe mich mit den ADHS-Sachen dezidiert und differenziert auseinandergesetzt, das ist nichts, was mir mal eben so einfällt, und es ist auch so, dass eigentlich keine Indikation besteht das medikamentös zu behandeln, denn wenn ich anfange mich darüber zu beschweren, dass mich meine mangelnde Konzentrationsfähigkeit in meinem alltäglichen Leben sehr einschränkt, dann grenzt das an Lächerlichkeit. Tut es zwar, aber es beeinträchtigt meine Leistungsfähigkeit nicht in einem sichtbaren Maße...
Zuletzt geändert von Colourful am Do Okt 07, 2010 11:11, insgesamt 2-mal geändert.
If defeat is for quitters, then the victory remains in the try.

Re: Leere und Unruhe...

#2
Hallo Colour,

ich kenne das auch... dieses nicht zur Ruhekommen, immer in Aktion sein um die Leere zu füllen.
Dass mich auch ein wirklich gutes Buch langweilt und ich es sofort weglege, dass ich nicht mal eine Folge einer Serie, die ich eigentlich mag, fertig schauen kann...

Ich glaube, bei mir ist es, dass zur Ruhekommen bedeutet, dass ich mich mit mir selbst beschäftigen müsste/könnte... nur eine Vermutung! Einen Rat habe ich leider auch nicht für dich, aber ich wollte dich wissen lassen, dass es nicht nur dir so geht.

Ganz liebe Grüße
fairygirl
“You are never too old to set another goal or dream a new dream” -Les Brown

Re: Leere und Unruhe...

#3
Hey fairygirl!

Vielen lieben Dank! :)

Ja, schön, dass du herausfindest, was es bei dir ist. Wie kannst du das ändern?

Ich werde mal überlegen, ob es das zumindest teilweise bei mir sein könnte... Danke!
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Re: Leere und Unruhe...

#4
Hallo ihr 2 :)

So extrem wie ihr es beschreibt ist es bei mir nicht, aber auch ich werde kribbelig wenn ich mal "nichts" zum tun habe, sprich ich kann nicht einen gemütlichen TV-Nachmittag machen ohne das ich immer aufspringen muss und irgendetwas tun möchte. Dann setz ich mich halt mehrmals auf den Heimtrainer und schaue nebenbei TV. Wenn ich Stress auf der Arbeit habe, also viel zu tun, wünsche ich mir nichts mehr als nach Hause zu gehen und ein bisschen Ruhe zu haben und ein Buch zu lesen oder TV zu schaun. Aber wenn ich dann die Gelegenheit dazu habe, mache ich im Endeffekt immer irgendetwas!? Bei mir ist auch oft das Problem, wenn ich "zuviel" Zeit habe fallen mir zuviele Sachen ein die ich essen könnte und auf die ich Lust hätte sprich ich könnte dann permanent irgendetwas essen. Ist es auch so das ich mich nicht mit mir selbst beschäftigen möchte?Habt ihr das schon mal in eurer Thera angesprochen?

LG sadangel

Re: Leere und Unruhe...

#5
sadangel hat geschrieben:Bei mir ist auch oft das Problem, wenn ich "zuviel" Zeit habe fallen mir zuviele Sachen ein die ich essen könnte und auf die ich Lust hätte sprich ich könnte dann permanent irgendetwas essen. Ist es auch so das ich mich nicht mit mir selbst beschäftigen möchte?Habt ihr das schon mal in eurer Thera angesprochen?
Hm, ja, das Essproblem habe ich ja schon ewig nicht mehr. Und ich kann eben auch echt nicht sagen, dass ich mich nicht mit mir selbst auseinandersetzen will, denn das tue ich gern (ist ja auch notwendig) und Angst habe ich auch nicht. Hm. Ist echt eher so eine motorische Unruhe, bei mir, denke ich. :?

Was sagt deine Thera denn dazu?
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Re: Leere und Unruhe...

#6
Hallo Colourful,

habe gerade über Deinem ersten Beitrag gesessen und gedacht: Und, was soll ich jetzt schreiben? Du weiß doch schon alles. Du hast alles medizinisch ausdiagnostiziert und weiß, was Du willst und was Du nicht willst. Du bist vermutlich die einzige Person, (die ich kenne,) die es schafft, über Gefühle zu reden und dabei steril, analytisch zu klingen. Als würdest Du Dich von außen sezieren und gar nicht in Dir leben.

Wollte ich nur mal zurückmelden.

lg

aire

Re: Leere und Unruhe...

#7
aire hat geschrieben:Als würdest Du Dich von außen sezieren und gar nicht in Dir leben.
:lol:

I am very much alive, thank you. :D

Aber mal im ernst, natürlich lebe ich auch diese Gefühle, aber deswegen kann ich sie doch trotzdem auch von Außen betrachten, oder?
Ist das so unnormal?
Ich habe übrigens geweint, als ich den Text geschrieben habe.
Aber du hast Recht, das ist schon leicht befremdlich. Ich weiß.

Alles Liebe, die Colour

P.S. Wenn du mich persönlich kennen würdest, dann wäre die kognitive Dissonanz noch größer. :P
Zuletzt geändert von Colourful am Fr Okt 08, 2010 9:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Leere und Unruhe...

#8
Hallo Colour,

natürlich lest Du, das weiß ich schon.... Ich lese nur Deinen Eintrag und er klingt einerseits nach viel Leidensdruck, weil innere Leere und Unruhe ja shcon schlimm sind. Andererseits ist da wieder dieses 'Hey, alles okay, ich komme schon zurecht, mir geht's schon besser durchs Schreiben und überhaupt weiß ich, wie ich mich an der eigenen Nasespitze aus den Problemen ziehen kann.' Und dann weiß ich nicht, wie ich Deinen Beitrag einordnen soll....

lg

aire

Ps: Was ist "kognitive Dissonanz"? :? *mich blöd fühle* Ich kenne Dissonanz nur aus der Musik. Da ist Dissonanz für mich etwas, das schräg klingt. Scheppernd. Üerhaupt wirfst Du mit so viel Fchwörtern um Dich, dass ich mich immer wie ein Depp fühle. (Und das mit Ausbildung im medinzinischen Bereich.) Ich weiß, Du willst nicht "angeben", es ist Dir einfach schon "in Fleisch und BLut" übergegangen. Aber wenn Du mit Patienten redest, kannst Du ja auch nicht mit so hochtrabenden Begriffen wie "pathologisch" etc. kommen.... Und davon ausgehen, dass jeder genau weiß, was Ritalin ist. Und was so böse daran ist.

lg

aire
Zuletzt geändert von aire am Fr Okt 08, 2010 10:24, insgesamt 2-mal geändert.

Re: Leere und Unruhe...

#9
Hey aire,

Ja, kognitive Dissonanz bedeutet, dass zwei Dinge, die du siehst und die zusammengehören, eigentlich gar nicht zusammenpassen, weil man das aus der Erfahrung eigentlich anders weiß. Klingt nicht gut zusammen, ja genau das.
Und ja, ich mach das echt nicht absichtlich. :oops:

Ich finde deine Beobachtung sehr hilfreich, und so nehme ich das auch wahr, ist nur zeitlich bei mir sehr unterschiedlich wie ich das wahrnehme, ich bin meistens so, dass ich in dem Moment, in dem ich so etwas, so ein Muster, erkenne auch schon so weit, dass ich es akzeptiere und annehme. (So nach dem Motto - dann bist du jetzt eben mal unruhig und leer - das geht vorbei.)
Und in dem Augenblick, in dem ich das annehmen kann, ist es nicht mehr schlimm. Dann kämpfe ich nicht mehr dagegen, und habe mehr freie Energie - es geht mir automatisch besser und das "Muster, Gefühl, Gedankenkreislauf" hat viel weniger Macht, sodass ich mich befreit fühle.
Ist das nachvollziehbar?

Alles Liebe, deine Colour
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Re: Leere und Unruhe...

#10
Liebe Colour,

als ich Deinen Beitrag gelesen habe, musste ich fast ein wenig Lachen, denn der hätte wort-wörtlich von mir stammen können. Deswegen schon mal vorweg: ich habe für dieses Problem auch noch keine Lösung gefunden. Ich stehe auch ständig unter Strom, Studium, Doktorarbeit, Nebenjob, Freunde und natürlich laufen. Manchmal habe ich das Gefühl, so richtig gut geht es mir nur, wenn ich richtig Stress habe. Während der Examenslernerei war ich auch jeden Tag laufen, alles hat wunderbar geklappt. Dann habe ich mich verletzt und konnte einige Zeit keinen Sport machen und bin dann völlig dekompensiert, habe plötzlich Panik bekommen, dass ich das mit dem Examen nicht mehr schaffe etc. Ich war so wahnsinnig unruhig, konnte nicht mehr schlafen, bin dauernd von meinem Schreibtisch aufgestanden und durch die Wohnung getigert. Sobald ich halbwegs wieder gehen konnte, habe ich wieder mit dem Laufen angefangen - und schlagartig ging es mir wieder besser. Ich habe den ganzen Tag gelernt, war laufen, habe mich mit Freunden getroffen und nie eine Pause gemacht. Aber ausruhen geht nicht. Gestern war der letzte Examenstag, danach war ich total erledigt - 3 mal 5 h und die ganze Anspannung, das war schon krass. Ich habe mir fest vorgenommen, mich erstmal zu erholen und mich irgendwie auch darauf gefreut. Aber heute Morgen war ich trotz feiern gestern zur üblichen Zeit wach und wurde unruhig. Irgendwie kann ich mit diesem freien, "leeren" Tag gar nicht so recht etwas anfangen. Statt einfach im Bett zu bleiben, habe ich erst einmal angefangen aufzuräumen, dann war ich laufen. Ich kann mich gar nicht so recht auf den Leistungen der letzten Tage ausruhen. Mir würde es vermutlich leichter fallen, gleich anzufangen aufs Mündliche zu lernen.

Was mir manchmal hilft, ist mit anderen Leuten zusammen eine "Auszeit" zu nehmen. Mich mit meinem Freund zusammen aufs Bett zu legen und zu lesen oder mit Freunden im Sommer am Fluss auf der Wiese in der Sonne zu liegen. Das konnte ich früher überhaupt nicht, aber in Gesellschaft ist es leichter. Vermutlich, weil ich dann das eher das Gefühl habe, dass ich Faulenzen darf. Mir kommt sonst die Zeit so oft verloren oder verschwendet vor. Und vielleicht liegt darin auch ein Hauptteil des Problems - alles soll immer irgendwie effektiv sein, nur ja keine Zeit verschwenden, nicht nutzlos sein. Das es weniger um einen selbst geht, sich mal auszuruhen, sondern möglichst immer perfekte und volle Leistung zu bringen. So ist es zumindest bei mir.

Ich habe jetzt eigentlich nur über mich geschrieben. Aber ich wollte Dir nur sagen, dass ich Dich verdammt gut verstehen kann.

Sei ganz liebe gegrüßt.

Re: Leere und Unruhe...

#12
Hey Colour,
Examen ist super gelaufen und ich bin total zufrieden...naja, fast....fange mich schon wieder an über fragen zu ärgern, die ich falsch gemacht habe, die ich eigentlich besser wusste.... -obwohl es für die Note egal ist... :? Naja, aber wahrscheinlich werde ich das nie ablegen können :wink:
Aber die drei Tage waren wahnsinnig anstrengend! Studierst Du eigentlich in Ö oder D? Und wann ist es bei Dir soweit?
LG

Re: Leere und Unruhe...

#13
Immer diese zwanghaften Leute, die ihr Hex super machen! ;) Nee, im ernst, herzlichen Glückwunsch! Jetzt rockst du das Mündliche auch!
Und Neuro als Wahlfach geht ja auch, ist zwar nicht so einfach, aber interessant. :)

Ich studiere in D und habe erst Halbzeit. :) Bin jetzt im siebten Semester.
Und ich weiß noch nicht, was ich machen will. ;)

Alles Liebe, deine Colour
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Re: Leere und Unruhe...

#14
Hi Colourful...

mir gehts wie dir, nur dass ich noch mehr laufe...

aber...

wenn ich so ab und zu gar nicht mehr will, diese ewige unruhe und die kreisenden gedanken nicht mehr aufhören...

fahre ich zu meinen lieblingsplatz, der zwar 400km entfernt ist und dies auch nicht immer meine zeit zulässt, aber dann setzte ich andere priories und gestehe mir das zu, was ich brauche - diesen ort.

es ist dort einfach nur still und ruhig...

vielleicht findest du so einen ort, der nicht unbedingt so weit weg ist, denn das kann dir auch eine "Ruhe" geben.

alles liebe und schönes WE
Try not to have a good time... This is supposed to be educational!

Re: Leere und Unruhe...

#15
Huhu!

Ich wollte nur schnell mal einen Begriff in die Runde werfen, der mich während meiner MS-Zeit sehr begleitet hat:
Produktivitätstrieb

Ich weiss nichtmal, obs das Wort tatsächlich gibt^^
Jedenfalls war ich genau so, wie ihr es beschreibt auch gute zwei Jahre lang, nie auch nur mal zwei Minuten Pause und nebenher immer irgendwie am exzessiven Sport treiben.
Weniger wegen der ES, sondern weil ich was zu tun brauchte, etwas 'produktives', etwas 'Ergebnis-bringendes'.
Das Ganze war letztlich wohl doch wieder nur das Weglaufen vor mir selbst, den Gedanken und der Frage, was mir dabei tatsächlich Spaß macht und wie viel ich davon nur tu, weil ich denke, ich müsste es.

Umgekehrt hat sich dieser Sachverhalt bei mir quasi als eine unterbewusst doch irgendwie selbstgewählte Art von Schocktherapie in Form von Bulimie.
Exzessiver Sport wurde von exzessiver Fresserei abgelöst. Den Sport hab ich komplett sein lassen, lag halb tot gefressen den ganzen Tag in meinem Bett und habe immer weniger gemacht. Dementsprechend auch zugenommen, klar. Aber das war zu dem Punkt auch nötig.
Vor allem jedoch merkte ich irgendwann, dass die Bulimie die Art Auszeit war, die ich mir nie erlaubt hatte aus lauter Angst vor Leere - ich war gezwungen die Füße still zu halten, weil es mir körperlich dreckig ging und psychisch auch alles lahm gelegt.
Also begann ich endlich damit anzufangen, mir bewusst zu sagen:
Auch ohne zu fressen und zu kotzen, darf ich unproduktiv und faul sein. Basta.

Bis das funktioniert hat, hat's noch ne Weile gedauert - die Übung macht's.
Allerdings bin ich jetzt endlich wieder wirklich befreit von diesen Gewohnheitsmustern, die auch eine Art von Sucht sind - wenn ich nun daheim rumfaulenze hab ich kein schlechtes Gewissen mehr, dass mich in Grund und Boden und drückt und mir befiehlt jetzt noch unbedingt was machen zu müssen.

Produktiv bin ich natürlich immer noch gerne :) Allerdings hab ich dadurch, dass ich ne Zeit lang alles fallen gelassen habe an Aktivitäten, auch wieder neu entdecken können, was ich tatsächlich mag, was mir gut tut und nicht nur scheinbar, was mich wirklich erfüllt und nicht nur ausfüllt.
Doch jede Art von zwanghaftem "ich muss was produktives machen, sonst bin ich faul und nutzlos" ist weg :)

Liebe Grüße
Wispy
Kraft kommt nicht aus körperlichen Fähigkeiten, sie entspringt einem unbeugsamen Willen.