Hallo liebe Kittycat!
Wie ist dein Sommer? Fährst du noch weg, oder warst du schon weg, oder fährst du gar nicht auf Urlaub?
Auch wenn du in deiner Familie nicht wahrgenommen wurdest, ich denke du hast einen wunderschönen Namen bekommen! Wieviele Geschwister hast du denn, und wieviele wart ihr in der Familie (mit Großmutter und/oder Großvater?)
Meine Mutter macht mir auch heute noch Vorwürfe, dass ich "nie etwas gesagt hätte". Sehr witzig...Ich KONNTE nichts sagen - erst haben die mir nicht zugehört, zweitens war ich sowieso immer die kleinste, die jüngste, und somit auch die dümmste und unwichtigste von der ganzen Familie. Alle wußten es immer besser als ich. Meine Meinung hatte absolut keinen Wert, alles was ich sagte war unwichtig und unsinnig. Bald machte ich nur mehr das, was die anderen von mir wollten. Ich war zu keinen eigenen Handlungen mehr fähig. Eine sehr gescheite Therapeutin meinte einmal zu meiner Geschichte "das Einzige, das Sie sich aussuchen konnten, war das Essen." Ja, so war es. Die einzige Aufmerksamkeit, die irgendwie passierte, war, dass man mir Essen anbot. Ich war schon immer eine Wenigesserin, und wenn ich etwas angeboten bekommen hatte, sagte ich spontan "nein", dann ich hatte wirklich keinen Hunger. Als sie sich dann wieder von mir abgewandt hatte, überlegte ich es mir und sagte "oja, doch". Das Alles wegen ein bisschen Aufmerksamkeit... *heul*
Wegen meines Vaters...Mein Vater war praktisch nicht vorhanden - er tat nur das wozu ER Lust hatte. Und das hatte sehr sehr wenig mit der Familie zu tun. Er hätte am liebsten sechs Kinder gehabt "damit das Haus voll ist". Da hat aber meine Mutter gestreikt, ihr waren eigentlich schon die zwei, die sie hatte, zu viel. Er hatte eine schlimme Kindheit, die Mutter war Alleinerzieherin, der Vater starb als er 16 war. Allerdings lebten die zwei schon lange getrennt. Mein Großmutter war eine fürchterliche Mutter - sie hat sich gar nicht um ihr Kind gekümmert. Es gab Hausangestellte. Auch finanziell ging es der kleinen Familie nicht gut. Wie auch immer ...Er war ein schlechter Vater für meine Schwester und für mich. Meine Schwester mag ihn auch heute noch nicht. Meine Gefühle gegenüber meinem Vater sind ambivalent. Einerseits mag ich ihn, und schätze ich ihn, andererseits bin ich ihm böse, dass er seine Kinder so vernachlässigt hat. Er war stolz auf seine Familie, er konnte nur nicht damit umgehen. Es war alles sehr schwierig.. *seufz*
Natürlich konnte ich dann keine gesunden Männerbeziehungen aufbauen. Ich konnte eigentlich gar keine Beziehungen aufbauen, zu niemandem. Ich traute keinem mehr nachdem ich so viele schlechte Erfahrungen in der Urspungsfamilie gemacht hatte. Männer sind für mich noch immer befremdend. Mein Mann ist leider dem Vater sehr ähnlich. "Was man kennt das sucht man". So ist das leider. *seufz*
Was ist mit deinem Vater, Janine?
Ach Gottchen, mein Vater...Ich wollte ihm immer gefallen, nicht in körperlichen Sinn, sondern vor allem in wirtschaftlichen Sinn. Er war und ist so stolz darauf Kaufmann zu sein, und wenn ich mich nicht so für Finanzen interessiere wie er, dann macht der zwei böse Falten zwischen den Augen und sagt "Die Tochter eines Kaufmannes".

Ich war stets bemüht es allen recht zu machen. Von wem will man denn mehr geliebt werden als von den Eltern?, frage ich dich. Mein Antwort auf diese Frage: "Von niemandem". Diese Liebe hat mir Zeit meines Lebens gefehlt, das Gefühl angenommen zu werden, so wie ich bin. Ich konnte gar nicht ich sein, denn das Leben lehrte mich, dass es nicht gut sei, wie ich bin, und dass ich anders sein muss.
Ich werde im Herbst eine Familienaufstellung machen. Ich möchte wissen was meine Eltern, und meine Großmutter bei meiner Geburt möglicherweise gesagt hatten. War ich willkommen, oder war ich unerwünscht?
Um das Ganze noch abzurunden. Meine Mutter war genauso Opfer wie wir Kinder, also meine Schwester und ich. Alles ging nach meinem Vater. Alles hing an ihm. Er hat mit seinem kleinen Geschäft alleine die Familie versorgt. Wir mußten so sparen, und wo spart man am leichtesten? - bei den Kleinsten natürlich. Meine Mutter stammt aus bäuerlichen Verhältnissen. Für sie war es ein enormer sozialer Aufstieg den Adeligen zu heiraten. Damals war ein Adelstitel noch etwas wert, damit gehörte man zur "guten Gesellschaft". Meine Mutter meinte später einmal, dass sie sich ihr Leben "anders vorgestellt hatte". Wie anders, weiß ich leider nicht, damals hatte ich nicht nachgefragt, sondern ich hatte mir für mich ausgedacht, was sie sich anders vorgestellt hatte. Manchmal, wenn wir miteinander redeten, kam doch ganz spontan etwas Unmut von meiner Mutter, meistens ist sie aber unangenehmen Fragen ausgewichen.
Für mich war dieser Adelstitel nur lästig. Wir leben in einer Villa am Stadtrand, die dringend renoviert gehört hätte, nur fehlte das Geld. Verarmter Adel eben. Meine Großmutter hat meinen Vater erpreßt, sie wollte nicht alleine sein. Sie hatte ja keinen Mann, und sie war schon relativ alt. Sie betrachtete ihren Sohn auch als "ihren Mann". Sie alleine hätte die große Wohnung in der alten Villa nicht erhalten können, und sie wäre einsam gewesen. Was macht eine ältere Dame alleine in einer 150 m² Wohnung? So hat sie ihm die Ausbildung bei der Bahn ausgeredet, eben weil diese Ausbildung 2 Jahre ca. 150 km weit weg gewesen wäre. Meine Mutter bedauert heute noch, dass der Papa nicht zur Bahn gehen konnte, es wäre uns damit VIEL besser gegangen. In den Firmen, in denen er gearbeitet hat, hat er sich nicht wohl gefühlt, und jede Firma nach max. 2 Jahren verlassen. Schließlich hat er sich selbständig gemacht. Er hat sich gerade in der Zeit selbständig gemacht als meine Mutter sich Kinder gewünscht hatte. Sie bekam insgesamt 3 Kinder, allerdings hat sie das 1. Kind im 6.Monat verloren. Wenn der überlebt hätte wäre ich nicht auf die Welt gekommen. Immer hat sie mir das erzählt, und sie hat die Fehlgeburt sehr bedauert. Wenn man ein Geschäft aufmacht sind die ersten Jahre meist die schwierigsten, und viele überleben den Anfang nicht. Er hat die Anfänge durchgestanden, meine Mutter spracht von dieser Zeit von einer "katastrophalen finanziellen Situation". Gerade als wir Kinder so klein waren hatte sie allergrößte Angst vor dem Nichts zu stehen! Als ich Säugling war machte sie noch eine Ausbildung zur Lehrerin, 2 x in der Woche war sie am Abend weg, und ich war bei der Omama und brüllte die ganze Zeit. Was für ein Stress für alle...Sie bekam nach ein paar Monaten Unterrichten ein Burnout, nahm Antidepressiva, und half danach als "Mädchen für Alles" beim Vater mit. Er war glücklich, er hatte sein Geschäft, und seine "vier Frauen" (d.h. Mutter, Gattin, und zwei Töchter). Alle anderen waren unglücklich. Die Omama war ein bisschen depressiv, vor allem an Sonntagen. Die Mutter war überfordert und ängstlich. Die Kinder lebten in dem Spannungsfeld Schwiegermutter - Schwiegertochter. Die Mutter versuchte es allen Recht zu machen, manchmal weinte sie fast, aber nur fast!, und eigentlich hatte sie niemanden, der ihr zur Seite stand. Sie ist nach der Eheschließung zu ihrem Mann gezogen, d.h. in die Wohnung der Schwiegermutter. Mein Vater war froh, dass er von seiner Mutter endlich wahrgenommen wurde, die hatte ihn total vernachlässigt, er wuchs bei Dienstboten auf. So war das damals. Da meine Mutter ein Einzelkind war (mein Vater übrigens auch) wollte sie, dass es ihrem Kind (also meiner Schwester) einmal besser gehen würde. Also zwei Kinder, und kein armes Einzelkind. Ist ein Einzelkind wirklich so arm, frage ich dich? Es kommt doch darauf an wieviel man sich mit einem Kind beschäftigt, wieviel Zuwendung und Aufmerksamkeit es bekommt, denke ich. Hatte sie das damals nicht verstanden? Für mich war die schönste Zeit als meine Schwester einmal als 5jährige ein paar Wochen im KH war. Sie hatte eine Mumps-Meningitis. Zu der Zeit war nur ich zu Hause, und endlich wurde ich einmal wahrgenommen, man kümmerte sich um mich, wie es sich für Eltern gehört. Dann kam die Schwester aus dem Spital gesund wieder nach Hause, und aus war es mit meinem Leben. Es hat sich wieder nur alles um sie gedreht, noch dazu wo sie doch SO krank war...Wir Schwestern waren keine Freundinnen, wir waren Feindinnen, und jede war auf die andere eifersüchtig. Ich war eifersüchtig weil sie der Liebling der Mutter war, und die ganze Aufmerksamkeit bekommen hat, und sie war eifersüchtig weil ich der Liebling vom Papa war. Nur was hatte ich davon, dass ich Papas Liebling war? - nichts . Ich wünsche mir noch immer sie ODER ich wären Einzelkinder gewesen. Diese Eifersüchteleien machen mich ganz krank.
Ich merke jetzt beim Schreiben, dass ich auf die Frauen in der Familie ziemlich wütend bin, inklusive mir selbst. Niemand hat es geschafft Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. Alle Frauen sind Einzelkämpferinnen, entweder ohne Mann (Omama), oder dazu da dem Mann das Leben zu erleichtern. Gemeinsame Obsorge der Kinder, und gemeinsame Haushaltsführung, und Arbeit hat keine geschafft. Wir sind so rückschrittlich. Wird es die nächste Generation schaffen? Ich weiß es nicht. Liegt es in den Genen des Mannes, und in den Genen der Frau, dass ihnen gewissen rollenspezifische Aufgaben zugeteilt werden?
Vielleicht bin ich auch nur wütend weil ich als Frau geboren wurde, und wenn es nach meinem Vater geht, sollte ich arbeiten wie ein Mann. "Die Kinder machen sich doch von alleine", sagt er. Ich höre gerne Ö1, das ist ein Klassiksender, bringt aber auch hochinteressante Gespräche und Beiträge zu allen möglichen Themen. Zur Zeit geht es um die "Wichtigkeit von Körperkontakt". Vielleicht gibt es so etwas wie "endogene Depressionen" doch nicht. Es gab nämlich wissenschaftliche Forschungen, bei denen Kindern und Säuglingen NUR Nahrung und Trinken gegeben wurde, es wurde weder gesprochen, noch gab es Körperkontakte. - Diese Kinder starben. - Körperkontakt ist wichtig um das Gefühl zu haben "ich bin auf dieser Erde wichtig", ein Mangel oder gar kein Körperkontakt führen zu Depressionen.
Die Generation unserer Urgroßeltern war der festen Überzeugung, dass es ausreichend sei Kindern Nahrung zu geben, und die Elternliebe stelle sich sowieso von alleine ein. So wuchsen unsere Großeltern auf, ganz strikt. Unseren Eltern, also den Kindern von unseren Großeltern, ging es auch nicht gut, die mußten noch dazu den Krieg miterleben und die Folgen ausbaden. Und jetzt sind wir auf der Welt, und wir haben diesen ganzen Rattenschwanz von Erziehungsmethoden hinter uns. Manche, mit sehr fortschrittlichen Eltern, die vermutlich selbst schon gegen die Eltern revoliert haben, sind schon weiter gekommen als wir, die sehr konservative Eltern hatten. Meine Eltern haben sich den 1968er Bewegungen nicht angeschlossen, vielleicht waren sie damals auch schon zu alt dafür. 1968 kam meine Schwester auf die Welt, die hatten damals sicher andere Probleme als sich gegen die Gesellschaft auf die Beine zu stellen. Manche meiner Mitschülerinnen haben es wirklich zu etwas gebracht, manche auch nicht. Die, die beruflich etwas erreicht haben beneide ich wirklich, ich hatte diese Möglichkeiten nicht. Theoretisch ja, praktisch

Und du?
Auf jeden Fall kam in dieser Sendereihe von Ö1 ganz deutlich heraus, wie wichtig Körperkontakt ist, und dass man sich später unheimlich schwer tut wenn man diese körperliche Liebe im Elternhaus nicht bekommen hat. Ich bin kein Einzelfall in Bezug auf Manko an körperlicher Zuwendungen, das ist ein gewisser Trost. Es ist nur so unfair, dass ICH Bulimie bekommen habe, und meine Schwester nicht. Ich WEISS wie wichtig Körperkontakt ist, und ich bedauere, dass ich meine Tochter weder gestillt habe, noch im Tragetuch bei mir hatte. Das Stillen hat nicht geklappt, es gab bei der Geburt Komplikationen, die aber nur mich betrafen. Ich hatte mir auch ein total blödes Krankenhaus ausgesucht...total rückständig. Die brachten die Kinder mitten in der Nacht zum Stillen zu den Müttern, sonst waren die Kinder im Schwesternzimmer. Ich konnte nicht aufstehen, ich mußte 10 Tage liegen, und man brachte mir nur hin und wieder mein Kind. So versiegte natürlich die Milch, und die Säuglingsschwestern fütterten mit Fläschen zu. Tragetuch bekam ich von meiner Schwester, allerdings nur ein ganz kurzes. Ich war einfach zu geizig mir ein eigenes zu kaufen - wäre besser gewesen!! So war ich ständig mit ihr im Kinderwagen unterwegs - hm . Beim zweiten Kind war ich in einer andern Geburtenklinik, und dort war es toll! So wie ich es mir vorgestellt hatte...Ich hatte das Kind rund um die Uhr bei mir, er hat auch in meinem Bett geschlafen. So merkte ich IMMER wenn er unruhig wurde und ich ihn stillen sollte. Die machten alles auf natürlichem Weg, auch nach der Geburt wurde kein Schlauch in den Hals des Kindes gezwängt um "die Reste" herauszuholen. Du hast noch keine eigenen Kinder, oder? Willst du einmal Kind(er) haben?
Ich weiß ich habe jetzt unheimlich lange geschrieben, ich hoffe, es wurde dir nicht zu viel!
Ganz liebe Grüße an dich, allerdings ohne Knuddeln, das ist mir immer noch suspekt, deine Freundin Verena
P.S. Ich habe ein schlechtes Gewissen wenn ich so lange am PC sitze, und schreibe. Ich sollte mich doch um meine Kinder kümmern...