Ich will es aber gar nicht los haben..

#1
Nach meiner Therapie, als endlich alles besser wurde, habe ich eine seltsame Entdeckung gemacht.
Irgendetwas in mir, und ich weiß nicht was, will die Bulimie behalten.
Verdammt, wenn ich das lese rege ich mich schon selbst drüber auf, weil ich endlich LEBEN will - ohne dieses scheiß Gewissen und ohne das Klo.
Aber irgendwas will, dass es ein Teil von mir bleibt.
Und ich weiß nicht warum und wo das herkommt.
Ich habe mich dabei ertappt, wie ich gedacht habe, nur das macht dich einzigartig.

Komische Sache. Ging oder geht es jemandem hier ähnlich?
Willst du die Unendlichkeit? Dann lass dich falln' und steig mit ein.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#2
Hallo Maya,

ich kenne das Gefühl sehr gut. Auch ich habe eine Therapie hinter mir und theoretisch weiß ich, wieviel besser ich mich ohne Bulimie fühle. Kraft zu haben für Freizeitaktivitäten, Freunde und die Arbeit, sowie psychische Stabilität, dass alles könnte ich haben. Aber oft kam das Gefühl in mir auf, dass ich diesen Preis nicht zahlen will. Ich dachte mir, dass ich dafür mich selbst aufgeben müsste. Diese eine Kraftquelle, mit der ich gelernt habe zu leben. Diese unaufwendige Methode mit der ich Gefühle im Zaum halten kann und mich der hemmungslosen Fresserei hingeben kann. Außerdem weiß niemand aus meinem Umfeld das ich krank bin. Ich trug die Bulimie wie einen Talisman in mir. Jeder dürfte mir alles wegnehmen, nur dieses eine nicht. Nur nicht die Bulimie. Dann kam der Moment an dem ich mir selber, meine Krankheit wegnehmen musste, wenn ich leben wollte. Das ist noch gar nicht lange her. Seitdem arbeite ich hart daran nicht zu erbrechen. Es klappt nicht immer, aber es geht. In dieser Zeit habe ich versucht Teile meiner Persöhnlichkeit zu reflektieren. Dabei entdeckt man, dass man doch "mehr" ist, als die Bulimie. Ich habe meinen Partner gefragt und Freunde, was sie an mir schätzen. Da kamen paar interessante Eigenschaften ans Licht.
Ich glaube wenn du dich als wertvollen Menschen annimmst, kannst du auch ohne Bulimie "du" bleiben, oder herausfinden, was dich ausmacht.

Liebe Grüße
Die Woelfin
Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: Erstens durch Nachdenken, das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmung, das ist der leichteste. Drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.

Schweigen ist ein Argument, das kaum zu widerlegen ist.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#3
Hi Maya,

Auch mir kommt dieses Gefühl bekannt vor, gerade jetzt, wo du es so konkret erwähnst.
Es ist irgendwie wie das Hintertürchen, das ich mir erhalten möchte, sollte ich mit der Veränderung nicht zurecht kommen.
Diese unaufwendige Methode mit der ich Gefühle im Zaum halten kann
.
-- Dieses Ventil, durch das ich Wut, Selbsthass, Leere, Verwirrung, Trauer, Einsamkeit so gut (ist es wirklich so gut :?: ) bewältigen bzw. auskotzen kann.

lg
Meli
Leben ist Zeichnen ohne Radieren.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#4
hallo

auch mir ging es (und geht es) öfter mal so wie du es hier beschreibst.
Wenn ich merke das ich gerade eine "nichtkotzt" phase habe,
fühle ich mich leer und denke darüber nach warum ich da bin, weil ich in nichts (seit jahren) soviel engergie gesteckt habe, wie in die Bulimie. Oftmals geht dieses Gefühl auch mit SVV einher. Habe auch schön öfter nur wieder gekotzt, um mir zu bestätigen, das es so besser ist. Aber wenn ich dann wieder voll drinstecke, merke ich wie beschissen ich mich fühle und der gedanke "hät ich doch nur..." Das kommt, und geht. Aber der grundgedanke muss halt abgelegt werden. :( tips?
Und mit jedem neuen Tag frisst uns der Alltag auf.

ich ziehe mich vorerst zurück.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#5
Na klar... das ist nichts ungewöhnliches. Die ES ist ja auch ein Helfer. Ohne meine ES hätte ich mich vielleicht versucht umzubringen in meinen schlimmsten Zeiten :shock: :arrow: also sie hat mir schon sehr geholfen. Aber man muss eben lernen sie loszulassen und mit sich selber wieder klar kommen. Wenn man sich selbst nicht mehr als Feind betrachtet, dann braucht man die ES auch nicht mehr.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#6
Ja unique,
das ist mir bewusst, natürlich greift man eher darauf zurück wenn es einem schlechter geht.
Nur das Problem ist, ich weiß es ja, die ES bringt mir nichts, nur Schaden. Ich weiß auch, dass es mir super gehen würde ohne Erbrechen. Aber ich will nicht..
Willst du die Unendlichkeit? Dann lass dich falln' und steig mit ein.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#7
Nur das Problem ist, ich weiß es ja, die ES bringt mir nichts, nur Schaden. Ich weiß auch, dass es mir super gehen würde ohne Erbrechen. Aber ich will nicht..
So geht es mir auch... aber wahrscheinlich nur, weil das Leben dann erstmal "schwerer" sein würde... man müsste die Mahlzeiten einnehmen, aushalten.. man müsste auf "glücklichmachende?" :roll: Fressgelage usw. verzichten...

Aber verdammt - später wird mit der ES alles den Bach runtergehen :evil:

Wir sollten jetzt aktiv werden - wenigstens in kleinen Schritten!

LG
Wie die Schauspieler eine Maske aufsetzen, damit auf ihrer Stirn nicht die Scham erscheine, so betrete ich das Theater der Welt - maskiert.

.Descartes.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#8
maya_ hat geschrieben: Nur das Problem ist, ich weiß es ja, die ES bringt mir nichts, nur Schaden. Ich weiß auch, dass es mir super gehen würde ohne Erbrechen. Aber ich will nicht..
:shock: genau so empfinde ich es auch :roll: die bulimie hilft und half mir nie wirklich, ich habe schon von ganz früh an darunter gelitten....aber wie CoCo es sagt, lieber die hölle in kauf nehmen und das leben an einem vorbeiziehen lassen, sich selbst einreden dass fressgelage befriedigend genug sind für alle seelischen und körperlichen bedürfnisse und man sonst nichts braucht, nur, um nicht die unangenehmen seiten des lebens zu spüren, nur, um nicht wirklich ganz bewusst in der realität zu sein, weil dann müsste man aushalten, ertragen, und eben auch veranwortung übernehmen.
ich klammere mich so dran, nciht, weil ich das F/k so toll finde, sondern weil ich schnell frustriert bin, mich oft leer fühle, wertlos, überfordert, mich selbst und meine gefühle oft nicht spüren möchte, meine, ihnen nicht standhalten zu können, es sowieso nicht zu schaffen.
es geht mittlerweile schon besser, ich k* weniger und habe weniger FAs, aber nach so langer zeit ES kommt es mir regelrecht so vor, als bräuchte ich nach einer bestimmten zeit umbedingt wieder einen Anfall, weil ich es so klar und mit so viel verantwortung in der realität meine nicht auszuhalten. obwohl ich schon vorher weiß, dass es mir nachher schlechter gehen wird. aber das nehme ich scheinbar in kauf, um mich selbst nicht so sehr spüren zu müssen und mich vor dingen zu drücken.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#9
ich bin da auch sehr hin und hergerissen.....nach einiger zeit mit ganz wenigen fas, hab ich nun doch wieder mehrere....ich hab zwar nicht das gefühl, durch die es was besonderes zu sein, aber sie ist etwas mir sehr vertrautes. wie eine insel, auf die ich mich zurückziehen kann, wenns mir zuviel wird....was würde ich machen, hätte ich diesen rückzug nicht zur verfügung?
ausserdem hab ich eine ziemlich sadistische seite, es bereitet mir freude, wenn ich mir schlechtes tue...und das kann ich, in dem ich esse und erbreche und meinen kaliumspiegel hinunter treibe...

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#10
Ich kann euch wahnsinnig gut verstehen... Mir gehts nicht anders..ich weiß rational, dass die bulimie eigentlich mehr schelchtes als gutes bringt, aber der Kampf zu essen und durchzuhalten ist am anfang einfach größer als sich einfach der bulimie hinzugeben...ich bin nichts ohne meine essstörung, wenn ich drüber nachdenken was ich in den letzten Jahren erlebt habe könnte ich tausend dinge aufzählen welche ausreden ich erfunden hab nichts zu essen, wo ich gebrochen hab, welche gelüste ich hatte, aber es gibt nur wenige ereignisse die mir einfallen die nichts mit dem essen zutun haben...Bei mir kommt noch hinzu dass in meiner näheren Umgebung viele wissen, dass ich eine es habe bzw die meisten denken ich hatte sie, denn ich war stationär deswegen in behandlung...Und dann ging es nur um meine ES, mein ganzen umfeld hat sich verändert und alle wollte irgendwas wissen...es drehte sich also nicht nur bei mir alles ums thema essen sondern auch bei allen anderen...ein therapeut von mir hat mal was ganz bedeutendes gesagt, was mir auch immer in erinnung geblieben ist..."du bist die mit problemen, du hast die Essstörung, alles was dich beschreibt hat etwas damit zutun..aber wer bist du ohne die krankheit?" die frage kann ich bis heute nicht beantworten und bis heute sagt tief in mir etwas, wenn ich weniger breche, dass ich es doch brauche, dass ich es nicht aufgeben will...denn es gehört zu mir, es definiert mich.
psychische Krankheiten sind der Krebs der Seele

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#12

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"du bist die mit problemen, du hast die Essstörung, alles was dich beschreibt hat etwas damit zutun..aber wer bist du ohne die krankheit?"
Diese Frage ist meiner Meinung nach eine Frage, die man erst "gesund" beantworten kann.
wenn du stationär warst, müssten die das doch mit dir durchgemacht haben á la ich bin toll, ich bin einfühlsam und nett, ich habe eine persönlichkeit.. Zumindest wars bei mir so.

Was mir zum Teil hilft sind Rückmeldungen anderer Menschen, die mir sagen ich bin nett oder sonstwas. Dann weiß ich wenigstens schon mal, okay, diese Eigenschaft hat mit der ES nichts zu tun.

Verdammt. Scheiß Gefühl. Und wir werdens nicht los..
Willst du die Unendlichkeit? Dann lass dich falln' und steig mit ein.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#13
Ja... ich denke heute auch noch manchmal "warum geh ich nicht einfach wieder ko*?"
Ja... lange fühlte ich auch so und da war ich schon im Kampf ums Cleansein.

Jetzt nicht mehr. Jetzt will ich sie loshaben.
Wie das kam?
Ich habe mich meiner Angst gestellt, was dahinter ist. Wer ich bin. Und ob ich mich leiden kann, so wie ich bin!

Ich erkenne zunehmend, dass es nicht darum geht, was die andern von mir denken.
Und dass ich ein liebenswerter Mensch sein muss!

Sondern dass ich bin, wie ich bin.
Klar, ich bin lieb und nett, verständissvoll usw.
Aber auch zickig, launisch, unfreundlich, geizig, neidisch und mit all den weiteren "bösen" Eigenschaften und Gefühlen.

Boah, und das ist echt schwer, sag ich euch!
Ich rutsche immer wieder ins "muss den anderen gefallen, darf nicht anecken"...
Aber, es gibt immer wieder neue Situationen und Momente, wo ich üben kann.

Und, ich muss gar nicht wissen, wer ich bin!
Ich "muss" einfach nur sein.
Und wenn ich heute eben total daneben bin, dann ist das so. Vielleicht bin ich morgen wieder gut drauf.
Liebe Grüße, kugel

Zu lernen, es als einen Teil von sich zu akzeptieren ohne es auszuleben...
Zu vergeben, wenn man schwach geworden ist...
Zu jubeln, wenn man stark geblieben ist...

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#14
"du bist die mit problemen, du hast die Essstörung, alles was dich beschreibt hat etwas damit zutun..aber wer bist du ohne die krankheit?"
??? Trifft auf mich gar nicht zu! Hallo? Ich bin doch nicht die mit den Problemen - Ist eher umgekehrt, ich bin die mit den Lösungen für alle Welt.

Wer bist du ohne die Krankheit? Na, ich bin ich! Sorry, aber die Essstörung ist nur eine zugegeben sehr schlechte Art von mir mit einigen Dingen umzugehen. Weil ich nie gelernt habe, dass ich Gefühle haben darf, wie man positiv damit umgeht und dass ich nicht immer mit allem alleine fertig werden muss. Und ja, bei mir ist es auch so, ich wäre längst tot, wenn die Essstörung nicht so viele Impulse abgefangen hätte.

Gut, ich habe eine atypische Essstörung, von daher trifft vieles auf mich sowieso nicht zu, aber dennoch: Die Essstörung ist nicht mein Feind, aber auch nicht mein Freund.

Re: Ich will es aber gar nicht los haben..

#15
Gut, ich habe eine atypische Essstörung, von daher trifft vieles auf mich sowieso nicht zu, aber dennoch: Die Essstörung ist nicht mein Feind, aber auch nicht mein Freund.
:arrow: Mein Thera hatte mir damals auch gesagt, dass meine ES atypisch sei, weil einige Verhaltensweisen mit anderen Essgestörten nicht zusammenpassen. Die Situationen, sprich Wut, Trauer, Stress u.s.w. versuche ich meistens anders zu lösen, ohne AFM oder k. Dies klappt natürlich nicht immer, es endet dann meistens im Kontrollverlust. Auch jetzt momentan wieder, (Gewichtsverlust), sowie die Gedanken ans abnehmen, nicht essen wollen/können. Und die Befürchtung dadurch wieder tiefer reinzurutschen. Es macht absolut keinen Spass! Nee, weil sich der Körper irgendwann wieder dafür rächen wird.
Die ES war für mich nach der Klinik abgeschlossen, alles war besser, ja sie war mein Feind, definitiv! Ich habe es gehasst und hasse es heute noch, wenn die Gedanken wieder hochkommen. Aber auf der anderen Seite habe ich zeitweise das Gefühl ich brauche sie...klingt absolut scheisse! Ich frag mich immer wieder: WARUM? ...

Pablo