Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#1
Hallo,

ich habe mich heute angemeldet und schreibe diesen Beitrag, da ich am Boden zerstört bin.

Ich bin 28 und zu dem Schluss gekommen, dass nichts, wirklich gar nichts im Leben, wenn einmal erlangt und erreicht, auch nicht wieder verloren gehen kann. Ganz nach dem Motto: ein Schritt nach vorne, zwei zurück.

Worauf ich hinaus bin: ich hatte acht Jahre lang Bulimie und habe mit 24 aufgehört zu kotzen. Ich war körperlich total am Ende und deshalb fiel es mir gar nicht so schwer, aufzuhören. In den folgenden Jahren kamen die ganzen emotionalen Probleme an die Oberfläche, die ich versucht hatte, durch die Bulimie zu verdrängen/zu ertragen. Ich kann nicht wirklich sagen, dass es mir gelungen ist, sie zu lösen. Aber erste Ansätze von vollständiger Erkenntnis und der Bereitschaft, daran zu arbeiten, waren da.
Und obwohl es manchmal sehr schwer war: ich hatte nie wirklich Lust, auf die alte Problemlösungsstrategie (das Fressen/Kotzen) zurückzugreifen. Vier Jahre lang hatte ich keinen einzigen Rückfall und habe aus dem Gefühl fester Überzeugung immer sagen können: ich werde/muss nie wieder kotzen!

Und nun ist es zu einem Supergau gekommen, wegen dem ich mich wie eine absolute Versagerin fühle und überhaupt nicht mehr weiss, was ich weitermachen soll. Ich habe wieder gekotzt. Mittlerweile schon an die fünf/sechs mal.
Es ist vielleicht gar nicht so schwer nachzuvollziehen, warum: ich habe mich von dem Freund getrennt, mit dem ich vier Jahre zusammen war und bin für ein paar Monate ins Ausland gezogen. Nach der anfänglichen Euphorie/Freiheit und Aufbruchsstimmung, die ich hier empfand, kamen der Heimweh und Gedanken der Reue wegen der Trennung. Mittlerweile fühle ich mich hier überhaupt nicht mehr wohl und zähle die Tage, bis ich wieder nach Hause kann. Und blicke mit grosser Angst in die Zukunft. Mein Leben versinkt durch das Kotzen wieder in totalem Chaos und es ist manchmal, als hätte ich nie aufgehört. Die Gefühle, die ich habe, wenn ich das Essen einkaufe, die fiebrige Vorfreude, der Tunnelblick, das Ausblenden der Konsequenzen und des Danachs, das schnelle Nachlassen der Freude beim Fressen und das träge Sich-zum-rettenden-Klo-Schleppen, die Agonie des Kotzens, die Mattheit danach -all das ist ein komplettes Deja-vu meiner Vergangenheit. Als wären die vier Jahre wie Weggeblasen. Als hätte ein Teil von mir sich überhaupt nicht verändert und nur darauf gelauert, dass er wieder das Kommando übernehmen darf. :roll:

Das alles erschreckt mich total und nimmt mir den Rest des Glaubens an mich selbst und mein (seit kurzer Zeit etwas) aufkeimendes Selbstbewusstsein. Dabei passieren beruflich gerade viele spannende Dinge bei mir, die viel Zeit einfordern (könnten) und auf die ich mich konzentrieren muss. Und nun dieser Rückfall, der mir körperlich und geistig die Kraft raubt, mich total träge und unsicher macht, dazu führt, dass ich mich am liebsten vor diesen neuen Herausforderungen verkriechen möchte.

Nach den ersten drei mal Kotzen habe ich drei Tage Pause gemacht und eigentlich gedacht, es wäre vorbei. Dann hatte ich aber wieder ein Fressanfall. Es gelang mir auch nicht, es einfach auf sich beruhen zu lassen. Während der vier Jahre hatte ich auch Fressanfälle, aber ich kotzte nie danach, weil mir mein Gewicht egal war. Seit ich im Ausland bin, habe ich durch den Stress abgenommen, und alle sagen mir, wie gut ich aussehe. Deshalb habe ich grosse Angst, zuzunehmen und haben nach den letzten zwei FAs gekotzt. Paradoxerweise (und ich glaube, den meisten Bulimikerinnen geht es so) sehe ich, seit ich wieder angefangen habe, zunehmen schlechter und geschwollener aus...

Es ist zum Heulen! :cry:

Ich weiss echt nicht, was ich machen soll! Ich habe Angst davor, dass ich wieder drin bin, dass die Krankheit mich wieder hat. Wenn so, dann lieber gar nicht!

Könnt ihr mir vielleicht irgendwelche Tipps geben oder ist euch schon mal Ähnliches widerfahren?
Was soll ich tun?


Ich bin für jede Antwort zutiefst dankbar. Ich kann mich niemandem sonst anvertrauen.

Liebe Grüsse,

reyna

Re: Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#2
Hallo reyna,

hm, das klingt wirklich sehr deprimiert.

Mir ging es mal ganz ähnlich. Ich wurde nach 6 Jahren ES für 2 Jahre ko*frei.
Allerdings bin ich unbewusst auf's Binge Eating umgeschlagen, hatte in der Zeit extrem viel zugenommen.
(Obwohl "ich doch normal esse" - haha... :roll: jetzt bin ich klüger.)

Wurde dann auch wieder rückfällig. Und zwar genau an einem Zeitpunkt, wo sich mein Leben sehr veränderte.
Zukunftängste und der fehlende Glaube an mich taten ihr übriges zum Wandel.
Ich fühlte mich ähnlich wie du dich heute.
Schuldgefühle, Scham, Hass gegen mich mich, weil ich doch so schwach war.

Naja, 2 Jahre blieb ich rückfällig und nun kämpfe ich wieder.
Ohne BInge Eating, aber noch mit kleinen Essanfällen. (z.B. heute ist ein Tag, da stopf ich Zeugs in mich rein, zum deckeln, wo ich "früher" längst dann richtig zugegriffen hätte und dann wieder raus. Nun aber stoppe ich mich und halte die Bauchweh aus...)

Also, ich kann nur von mir sprechen.
Ich hatte damals festgestellt, dass ich zwar durch lange Therapie große Schritte geschafft hatte, aber noch nicht stabil genug war, noch nicht genug erarbeitet hatte.

Also hielt ich die Therapie durch, als diese beendet wurde, arbeitete ich für mich weiter und suchte mir nach einigen Monaten eine neue Thera. (Die Krankenkasse hatte die alte gestoppt, musste die Thera-Art wechseln.)

Ich kann nur sagen, ich habe einfach nicht aufgegeben.
Ich habe mich nicht aufgegeben.

Ich vermute, deine Situation verunsichert dich, verängstigt dich.
Es ist nicht schlimm, dass du rückfällig geworden bist. Das zeigt dir, wie stabil du bist, wie weit du bist.
Und du hast schon viel geschafft! 4 Jahre! Herzlichen Glückwunsch!!!!
Nun, dieser Wandel (Trennung, Ausland) war dann wohl doch zuviel. Aber das ist ok.
Bald bist du wieder zurück.

Ich würde dir raten, suche dir eine Thera. Und wenn sie für die Zeit wieder zu Hause ist. Man muss ja meist lange genug auf einen Platz warten.

Versuche, dich nicht so sehr zu verurteilen. Ein wenig nachsichtig mit dir zu sein.
Und dann gib dich nicht auf. Kämpfe weiter. Du bist auf einem guten Weg!
Liebe Grüße, kugel

Zu lernen, es als einen Teil von sich zu akzeptieren ohne es auszuleben...
Zu vergeben, wenn man schwach geworden ist...
Zu jubeln, wenn man stark geblieben ist...

Re: Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#3
hey,

ich bin seit einem jahr clean und hatte noch keinen rückfall, darum finde ich deine 4 jahre unglaublich bewundernswert und alleine diese tatsache ist grund genug, dich nicht wie ein versager zu fühlen! du bist ein gewinner, und du hast etwas geschafft, was nicht viel schaffen, du hast deine sucht besiegt, du bist einmal mehr aufgestanden, als du hingefallen bist.
ich hatte 12 jahre lang essstörungen, davon 7 bulimie. in dieser zeit hatte ich sehr viele einschneidende erlebnisse, die mich fertig gemacht haben. und ich hab dann begriffen, dass ich meine ängste und meine minderwertigkeitskomplexe besiegen muss, wenn ich dauerhaft gesund sein möchte. ich habe begonnen, mich mit positivem denken zu beschäftigen. ich hab ein tolles buch gelesen und seither arbeite ich mit diesem prinzip und es funktioniert.
(The Secret - Rhonda Byrne)
du schaffst das bestimmt, vergiss nicht, wie großartig du bist!!

glg und viel kraft :)

Re: Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#4
Guten Morgen,

mach dich deswegen doch nicht so fertig. Was sind denn schon 6 Rückfälle nach 4 jahren? Sehe sie als Zeichen und nicht als Bestrafung. Sie zeigen dir doch ganz deutlich, dass in deinem Leben etwas gerade nicht stimmt. Eigentlich ist das doch gar nicht so schlecht. Wir Menschen meinen immer wir müssten alles bis zum Ende durchziehen, aber da macht dir deine Psyche wohl im Moment einen Srich durch die Rechnung. Sie sagt dir ganz deutlich "ich fühle mich unwohl, so geht es nicht weiter. Du musst was ändern" kannst du den Auslandsaufenthalt viel abbrechen? Schau das du dein Leben wieder so gestaltest, dass du dich wohl fühlst, dann hören auch die FAs wieder auf. Übrigens kenne ich viele, die eigentlich gesund sind aber in Ausnahmesituationen doch auf die ES zurückgreifen.
ALles Gute

Re: Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#5
Hallo Reyna,

habe soeben deinen Beitrag gelesen. Mir geht es ähnlich wie Dir. War drei Jahre clean, mit vielen auf und ab's (ich meine FA's). Während meiner Diplomarbeit, dem Prüfungsstress, dem Angst vor dem Versagen bei der Diplomprüfung, vielem Alleinesein, Zukunftsängsten den Job betreffend, den Hochzeitsvorbereitungen und Problemen mit meiner Schwiegermutter war es nun soweit: Ich hatte genau so wie Du Rückfälle... und bin total verzweifelt. Nicht nur, dass ich mich selbst belogen habe, habe ich den Menschen belogen, den ich am meisten liebe (er hat mich immer wieder darauf angesprochen und ich habe ihm eiskalt ins Gesicht gelogen). Habe ihm heute morgen die Wahrheit gesagt und habe durch mein Handeln meine Beziehung massiv in Gefahr gebracht. Dieser Vertrauensbruch gefährdet sogar unsere Hochzeit im August und ich bin am Ende...er ist so verletzt und ist total ausgerastet...als wir uns kennenlernten traten wir gemeinsam den Kampf gegen meine Sucht an...er war der erste Mensch, dem ich vertrauen konnte...und jetzt habe ich dieses Vertrauen zerstört!

Aber: Diese Rückfälle und die vielen vielen Essattacken zuvor zeigten mir, dass mein Essproblem nie wirklich weg war. Nicht mal Liebe schafft diesen Kampf gegen diese Sucht und ich muss von vorne beginnen. Habe heute meine ehemalige Therapeutin kontaktiert und muss mich diesem Problem wieder stellen, da es ansonsten keine Chance für eine Beziehung gibt (Rückzug!). Das Gute dabei ist, dass es endlich draußen ist, und ich nicht mehr lügen muss. Das Schlechte dabei ist, zu erkennen, dass man sich selbst etwas vorgemacht hat.

Nichtsdestotrotz Reyna, unseres Lebens Willen dürfen wir nicht aufgeben und diese Rückfälle als Zeichen sehen!
Wünsch Dir viel Kraft und schau, dass du bald heim kommst (ich habe auch ein Auslandssemester gemacht und es kann essenstechnisch sehr herausfordernd sein). In der Zwischenzeit helfen wir Dir durch diese Forum durch die Einsamkeit ;o)))
Eine Dir gleichgesinnte Carrie

Re: Gesund geworden- Die grosse Illusion?!

#6
Hi ihr Lieben,

ich musste mich nochmal anmelden, weil es aus irgendwelchen technischen Gründen unter dem alten Namen nicht mehr ging und musste einen anderen Namen nehmen. Aber ich bin die, die den Thread gestartet hat.

Jedenfalls danke ich euch für eure Antworten. Es hat mich aufgebaut und auch sonst geht es mir schon viel besser. Ich habe zwar zur Zeit immer noch häuftig FAs, aber ich erbreche nicht (immer) danach und sehe mich, auch wenn ich mal erbreche, nicht mehr als Versagerin. Denn mir ist bewusst geworden, dass ich nie wieder so bulimisch sein werde wie früher, wo mein Leben sich jahrelang NUR um das Fressen und Erbrechen gedreht hat. Vielleicht muss ich einfach akzeptieren, dass das essgestörte Verhalten in extrem belastenden Situationen auch wieder zeitweise auftritt. Und mich nicht dafür verurteilen. Ich glaube daran, dass es wieder besser werden wird, bzw. ganz aufhört, wenn ich wieder in Deutschland bin.

Liebe Grüsse,

freya