was mir half, "gesund" zu werden
Verfasst: Mi Okt 21, 2009 12:10
Hallo Leute
Ich bin jetzt seit ca. einem halben Jahr "gesund" - also clean. Meine Therapeutin und ich kamen zu dem Schluss, dass meine Therapie erfolgreich war und sie mir alles gegeben hat, was ich brauche, um ohne Bulimie leben zu können. Natürlich war es da noch nicht vorbei, ich hatte noch Rückfälle - die wurden jedoch mit der Zeit immer weniger, und jetzt bin ich seit einem Monat ohne Rückfälle (ich weiß, das klingt nicht viel, aber es hat sich einfach wirklich etwas geändert in mir, ich bin ein anderer Mensch - daher fühle ich mich derzeit so selbstsicher).
Am wichtigsten war für mich immer die Selbstreflexion: Wie geht es mir? Warum habe ich heute gekotzt, was hat mich so belastet? Wie kann ich etwas daran ändern?
Geheilt kann man meiner Meinung nach nicht werden von einer Essstörung, sie wird immer latent vorhanden sein (ich zum Beispiel mag gewisse Lebensmittel nicht mehr und esse überhaupt keine Süßigkeiten - aber das ist meiner Meinung nach kein Problem, deswegen stirbt man nicht). Aber ich halte mein Gewicht (Waage besitze ich übrigens gar keine) und lebe ohne den permanenten Gedanken, wann ich das nächste Mal so viel wie möglich essen kann um es dann wieder auszukotzen - ein ganz anderes Lebensgefühl
.
Was mir bei meinem Weg am meisten half, war meine Therapeutin. Sie hatte vor mir nicht sehr viele essgestörte Patienten gehabt, was ich aber als Erleichterung empfand, da sie nicht einfach Verhaltenstherapie mit mir gemacht hat sondern Aufarbeitung des Vergangenen und auch des Gegenwärtigen. Es ging in der Therapie nie darum wie viel/oft ich kotze, darüber zu reden wäre ein Horror für mich gewesen, sondern wie ich mich fühle, was mich belastet und vor allem wieso. Dass ich kotze, das war uns beiden klar, darüber musste nicht viel geredet werden.
Vor der Therapie habe ich schon einiges probiert: Bücher gelesen, im Forum sehr aktiv gewesen, und auch Methoden wie Tage zählen und nach so und so vielen Tagen eine Belohnung ansetzen.
Doch letzteres finde ich im Nachhinein einen großen Fehler: in der Bulimie geht es sehr viel um Disziplin, BulimikerInnen sind oft extrem diszipliniert und erfolgreich in Arbeit und Schule - wir gestehen uns so gut wie nie Fehler ein. Da ist dieses Tage zählen aber genau der falsche Weg, denn mit Disziplin ist der Bulimie nicht beizukommen. Es ist zwar als Motivation gedacht, aber im Endeffekt schlägt einen jeder Rückfall nur noch weiter zurück wenn man dann denkt "Ich war doch schon 2 Wochen clean, jetzt ist alles kaputt."
Meine Therapeutin hat mir daher auch gesagt, ich soll es mir einfach ERLAUBEN, Rückfälle zu haben. Wenn man den Gedanken hat, jederzeit wieder einen FA haben zu können, lässt der Druck eigentlich schon wieder nach - klingt paradox, aber bei mir hat das tw tatsächlich geholfen.
Ich weiß dass es hier im Forum oft kleine Gruppen gibt, die zusammen versuchen, aufzuhören - und alle diese Gruppen sind einige Zeit lang sehr motiviert (was ja an sich toll ist), was aber immer in Rückfällen und großen Tränen endet. Ihr müsst euch immer wieder ins Gedächtnis rufen: Man kann nicht vom einen auf den anderen Tag gesund werden, ohne dass sich etwas Grundlegendes ändert. Und am Ende muss man es immer alleine schaffen.
Ich möchte niemanden angreifen, der das für hilfreich ansieht oder es vll sogar tatsächlich auf diese Weise geschafft hat. Aber das ist meine Erfahrung, und die wollte ich gerne mit euch teilen
.
Liebe Grüße

Ich bin jetzt seit ca. einem halben Jahr "gesund" - also clean. Meine Therapeutin und ich kamen zu dem Schluss, dass meine Therapie erfolgreich war und sie mir alles gegeben hat, was ich brauche, um ohne Bulimie leben zu können. Natürlich war es da noch nicht vorbei, ich hatte noch Rückfälle - die wurden jedoch mit der Zeit immer weniger, und jetzt bin ich seit einem Monat ohne Rückfälle (ich weiß, das klingt nicht viel, aber es hat sich einfach wirklich etwas geändert in mir, ich bin ein anderer Mensch - daher fühle ich mich derzeit so selbstsicher).
Am wichtigsten war für mich immer die Selbstreflexion: Wie geht es mir? Warum habe ich heute gekotzt, was hat mich so belastet? Wie kann ich etwas daran ändern?
Geheilt kann man meiner Meinung nach nicht werden von einer Essstörung, sie wird immer latent vorhanden sein (ich zum Beispiel mag gewisse Lebensmittel nicht mehr und esse überhaupt keine Süßigkeiten - aber das ist meiner Meinung nach kein Problem, deswegen stirbt man nicht). Aber ich halte mein Gewicht (Waage besitze ich übrigens gar keine) und lebe ohne den permanenten Gedanken, wann ich das nächste Mal so viel wie möglich essen kann um es dann wieder auszukotzen - ein ganz anderes Lebensgefühl

Was mir bei meinem Weg am meisten half, war meine Therapeutin. Sie hatte vor mir nicht sehr viele essgestörte Patienten gehabt, was ich aber als Erleichterung empfand, da sie nicht einfach Verhaltenstherapie mit mir gemacht hat sondern Aufarbeitung des Vergangenen und auch des Gegenwärtigen. Es ging in der Therapie nie darum wie viel/oft ich kotze, darüber zu reden wäre ein Horror für mich gewesen, sondern wie ich mich fühle, was mich belastet und vor allem wieso. Dass ich kotze, das war uns beiden klar, darüber musste nicht viel geredet werden.
Vor der Therapie habe ich schon einiges probiert: Bücher gelesen, im Forum sehr aktiv gewesen, und auch Methoden wie Tage zählen und nach so und so vielen Tagen eine Belohnung ansetzen.
Doch letzteres finde ich im Nachhinein einen großen Fehler: in der Bulimie geht es sehr viel um Disziplin, BulimikerInnen sind oft extrem diszipliniert und erfolgreich in Arbeit und Schule - wir gestehen uns so gut wie nie Fehler ein. Da ist dieses Tage zählen aber genau der falsche Weg, denn mit Disziplin ist der Bulimie nicht beizukommen. Es ist zwar als Motivation gedacht, aber im Endeffekt schlägt einen jeder Rückfall nur noch weiter zurück wenn man dann denkt "Ich war doch schon 2 Wochen clean, jetzt ist alles kaputt."
Meine Therapeutin hat mir daher auch gesagt, ich soll es mir einfach ERLAUBEN, Rückfälle zu haben. Wenn man den Gedanken hat, jederzeit wieder einen FA haben zu können, lässt der Druck eigentlich schon wieder nach - klingt paradox, aber bei mir hat das tw tatsächlich geholfen.
Ich weiß dass es hier im Forum oft kleine Gruppen gibt, die zusammen versuchen, aufzuhören - und alle diese Gruppen sind einige Zeit lang sehr motiviert (was ja an sich toll ist), was aber immer in Rückfällen und großen Tränen endet. Ihr müsst euch immer wieder ins Gedächtnis rufen: Man kann nicht vom einen auf den anderen Tag gesund werden, ohne dass sich etwas Grundlegendes ändert. Und am Ende muss man es immer alleine schaffen.
Ich möchte niemanden angreifen, der das für hilfreich ansieht oder es vll sogar tatsächlich auf diese Weise geschafft hat. Aber das ist meine Erfahrung, und die wollte ich gerne mit euch teilen

Liebe Grüße