Leistungsdruck

#1
Hallo Ihr

Leistungsdruck- Wie kommt Ihr damit klar ??


Ich habe die ersten 4 Semester nie Probleme gehabt, alles hat gut geklappt. Für meine Eltern selbstverständlich. fuer mich harte Arbeit und viel Selbstdisziplin.

Und das trotz oder vielleicht auch wegen der ES??
Ich bin letztes Jahr kürzer getreten, weil es mit der E S nicht mehr ging. Ich musste mich um mich selbst kümmern und hab deswegen nur einige Prüfungen gemacht; Ich hab gespürt dass es Zeit war daran zu arbeiten und dass ich mich entscheiden musste. Ich waere sonst voellig abgerutscht. Ich hab wieder gelernt zu genießen, frei zu essen ohne Kalorien zu zählen, Abends eine warme Hauptmahlzeit zu essen, mich nicht mehr zu wiegen, mal 1 Woche aufs Laufen zu verzichten, vor Anderen unverkrampft zu essen , mir eine Tafel Schokolade einzuteilen, das hoert sich fuer die Meisten voellig banal an, aber das sind Riesenschritte Nicht zu guter Letz konnte ich mich von dem Mann trennt und lösen, der mich nur noch mehr krank gemacht hat. Ich kann es teilweise nicht fassen, teilweise ist die Zeit so irreal für mich und doch holt sie mich so oft ein.

Die Prüfungen musste ich natürlich nachholen und ich ging optimistisch an die Sache ran. Immerhin konnte ich es vorher auch und wenn es mir doch psychisch soviel besser geht, warum sich sorgen machen? Dann die Ergebnisse- ein Schlag ins Gesicht! Knapp bestanden. Jetzt in der zweiten Runde schon zwei daneben und Heute hatte ich eine Mündliche und habe kläglich versagt! Der Prof hatte Recht mich so gereizt anzufahren! Ich war nur schlecht! Dabei lern ich und lern ich! Was ist los?? Ich komm damit überhaupt nicht klar!! Es zerfrisst mich und ich hasse mich dafür!! Wieso versage ich, Warum schaffen es die Anderen?? Ich bin gerad an einem Punkt der totalen Verzweiflung. Es ist doch ein Witz! Mit ES, wo sich JEDER verdammte Gedanke ums Essen dreht, wo ich exzessiv Sport gemacht habe, Tag für Tag , stundenlang ,und eine Wochenendeziehung auf die Reihe bekommen habe, die mir immer mehr Stress bereitet hat als Erholung, und allen anderen gerecht worden bin und dabei noch immer lächeln konnte, da schaff ich die Uni!! Und jetzt wo ich es auf die Reihe bekommen habe, wieder einen Freund habe der einfach wunderbar ist, dann geht nichts mehr?? Ich komm mit dem Druck nicht klar!! Ich hab jetzt noch 1 Chance das auf die reihe zu bekommen, wenn e dann nicht klappt, waren 4 Jahre Studium umsonst!!Traumberuf adé!! Totalversagen!!Damit könnte ich nie klarkommen!!


Wie geht man damit um ohne sich vollzustopfen und es wieder loszuwerden??Ohne zu hungern?? Ganz ehrlich ich sitz hier schon seit 2 h und versuche mich davon abzuhalten in den Supermarkt zu gehen. Mein Freund ist heute gefahren, ich bin allein …Das einzige was mich gerade abhält ist, sich nochmal aufraffen zu müssen und bis dahin zu laufen und die totale Angst den Mechanismus wieder ins Rollen zu bringen. Ich bin echt ausgelaugt vom Heulen. Ich sollte besser ins Bett und mich durch fernsehen irgendwie ablenken. (das schreiben hilft auch gerade, sorry dass es so viel ist und ich euch hier zutexte) Aber ich weiß grad nicht weiter und ausser meinem Freund weiss keiner davon.

Re: Leistungsdruck

#2
Hallo, eine späte Antwort, ich hoffe, Du musst jetzt seit Mittwoch nicht noch mit dem schlechten Gewissen eines Rückfalls rumlaufen?

Viele Deiner Probleme beantworten sich aber doch von selbst?
1.) Deine Eltern machen Dir Druck, Du sagst es nicht direkt, aber indirekt, also willst Du Dich dagegen auflehnen, traust Dich aber noch nicht so recht.

2.) Natürlich ging mit der ES alles: weil Du alles andere in Deinem Leben ignoriert hast. Wenn Du einen Rückfall hattest, wirst Du vielleicht merken, wie schmerzhaft das eigentlich ist und wie Dein Körper leidet und vielleicht wirst Du auch merken, dass trotzdem nicht alles besser wird. Es ging nur, weil der Selbsthass einen über alle nur erdenkbaren Grenzen treibt und am Ende weiß man selbst nicht mehr, wie man das geschafft hat. Natürlich wünscht Du Dir das in Krisenzeiten zurück, aber bedenke bitte, was das heißt: es ist keine Lösung, Du wirst dadurch kein besserer Mensch, Du befriedigst nur Deine primären Ansprüche an Dich selbst bzw. die, die Du von Deinen Eltern gelernt hast. Deine gute Beziehung, Deine Freunde und Deine Stabilität als Mensch und damit die realistische, langfristige Leistungsfähigkeit versaust Du mit Bulimie vollkommen.

3.) Du warst nicht einfach eine Zeit lang krank. Essstörungen sind nach meiner Ansicht langfristig entstandene Persönlichkeitsstörungen, oft narzisstischer Natur: das heißt, dass Du sehr lange schon in den Bahnen gelebt und gedacht hast, die Dich krank gemacht haben. Jetzt hast Du das aufgegeben bzw, versuchst es, hast die ersten Schritte getan und musst jetzt - im Gegensatz zu Deinem bisherigen Leben und Deine Prügungen - neue Maßstäbe für Deine Ziele, Deine Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit finden und definieren und Dich "positiv" dazu antreiben. Das ist schwer und das Straucheln ist vorprogrammiert, jeder Tag bietet andere Herausforderungen. Mit dem alten Zwang - in den Du nie wieder so perfekt zurückkannst, weil Du es Dir jetzt vermutlich besser redest, als es war - kommst Du da nicht hin, sondern nur, indem Du an diesem Thema "gesund" arbeitest. Und dazu gehört vielleicht die Einsicht, dass das Studium schwerer geworden ist, dass Dein Körper (und auch Dein Gehirn) Einbußen durch die Quälerei erlitten hat und jetzt Erholung sucht und Dich dadurch etwas blockiert. Vielleicht willst Du Dich aber auch unbewusst Deinen Eltern weiter entziehen; vorher hast Du Dich durch die ES zumindest im Geheimen distanzieren können, jetzt brauchst Du eine andere Methode: Versagen ist eine und dann auch noch eine mit denen Du es ihnen - leider auch wieder nur autoaggressiv - richtig heimzahlen kannst. Mit beiden Varianten begehrst Du auf, ohne richtige Konfrontation zu haben. Das ist nur Spekulation, aber überleg mal, ob Du Dich ihnen (und vielleicht auch noch immer Dir selbst?) auf diese Weise entziehst?

4.) Kein Prof. darf Dich anfahren. Das musste ich auch lernen, aber: man darf Dich fachlich kritisieren, aber nur mit Respekt und höflich. Du als Mensch bist etwas anderes als Deine Leistungen. Aber da Du Dich eh schon so down fühlst, denkst Du vermutlich, Du hättest das verdient, auf diese Art und Weise willst Du das vielleicht, um Dich wieder in Deinen Selbsthass zu stürzen, weil der gerade so verlockend ist. Vielleicht waren Deine Leistungen auch nicht das Problem, sondern Du hast Dich unbewusst so verhalten, dass Du ihn entnervt hast? Oder Dein Selbsthass redet Dir ein, dass Dich jemand angefahren hat und das hat niemand. Kann ich nicht sagen, ich war nicht dabei, aber ich denke, Du suchst nach Auswegen in das vertraute Feld der Bulimie, die Kategorien des Selbsthass sind dir vertraut und versprechen schnelle Lösung aller Probleme. Aber tu das nicht, weil das kein Weg ist.

Was Du gerade durchmachst ist ein weiterer SChritt raus; Du kannst Dich jetzt entscheiden, ob Du bei Gegenwind weiterhin autoagressiv handeln willst oder ob Du zu Dir stehst und im positiven Sinn an Dir arbeitest. Vielleicht ist Dein Lernverhalten tatsächlich nicht gut? Verändere es. Vielleicht ist Dein Fach das falsche? Dann gesteht Dir das ein und fordere den Wechsel jenseits der Wünsche Deiner Eltern. Rechtlich müssen sie Dich unterstützen, egal, was sie drohen, ansonsten gibt es Bafög, Stipendien und Jobs. Wichtig ist, dass Du Deine INtegrität nicht antastest. Du hast bisher getan, was Du musstest, um gesund zu werden und Du wirst das weiter versuchen. Dass das nicht alles perfekt läuft ist normal und daher akzeptabel. Räum Dir das selbst ein und arbeite positiv damit, flüchte Dich nicht in den Hass, weil Du meinst, damals sei alles besser gewesen.

Es gehört zu der Krankheit, zu denken, man bräuchte das autoagressive Verhalten, um ein besserer Mensch zu sein oder man müsse sich irgendwie "aufopfern", um etwas verdient zu haben. Und dieses Denken ist sehr dominant und kommt bei Problemen gerne wieder hoch. Es ist einfacher, auch wenn das paradox klingt, in den alten, kranken Bahnen zu handeln. Der Mensch strebt nach Vertrautem, das fühlt sich richtig oder zumindest beruhigend normal an, auch wenn es objektiv falsch ist. Wieder Bulimie auszuleben wäre das vertraute für Dich. Nicht so zu reagieren, Dich Deinen Eltern, Deinen Dozenten und Dir selbst zu stellen, erfordert, dass Du neue Muster lernst, neue Einschätzungen Deiner Umwelt aneignest usw. Das macht Angst, führt zu Fehlentscheidungen und Du wirst Gegenwind bekommen. Jedes Mal wird Dein Selbsthass sagen: "Siehst Du, ohne mich bist Du scheiße, Du brauchst mich." Und jedes Mal musst Du antworten: "Das war ein Fehler, aber es gibt noch andere Alternativen als Dich und in der Gesamtbilanz machst Du den meisten Dreck."
Zuletzt geändert von aymone am Sa Jun 20, 2009 19:49, insgesamt 3-mal geändert.
Man ist nicht negativ anders als andere, man nimmt sich nur so wahr, weil es einem eingeredet wurde. Daher verhält man sich anders und erfährt dafür Ablehnung, nicht für die eigene Person.

Re: Leistungsdruck

#3
Hey aymone ,

Wow das ist aber eine lange Antwort! Vielen Dank! Bin ganz geruehrt!

Nein ich hatte wundersame Weise keinen Rückfall! Ich denke Mittwochabend lag es aber nur daran dass ich grundsätzlich (aus dem Grund) keine Vorräte zu Haus hab und wenn nur Dinge die nicht "schlimm" sind oder die man erst zubereiten muss (ich weiß ist noch etwas zwanghaft :oops: )
Allerding betrüg ich mich gerad selbst etwas und esse zu wenig. Versuch das aber in den Griff zu bekommen und zu essen , denn das führt früher oder später unweigerlich zum Rückfall.

Ja es stimmt, die langfristigen Ziele versaut man sich! Vielleicht ist es wirklich so dass sich der Körper davon erholen muss und alles erst mal absackt um seine Kräfte wieder neu aufbauen zu können, diesmal effizient und vorallem gesund und lebensbejahend ( so à la Phoenix au der Asche) Alles vorher war sehr zwanghaft, jede Minute ging es ums Essen und diese Gedanken haben alle anderen Gedanken und auch Erinnerungen blockiert. Und zwar gerade solche die viel Energie benötigen um sich mit Ihnen auseinanderzusetzen. Seitdem ich nicht mehr so zwanghaft bin, denke ich viel öfter an früher, es kommen viele Erinnerungen wieder und das auch oft intensiv.
Aber es ist oft so schwer daran zu denken dass es ein Langfristiges Ziel gibt, denn die Leistung muss trotzdem da sein und man will sich einfach Vieles erhalten. Vielleicht ist Geduld, Optimismus und eine Portion mehr Gelassenheit der Weg zum Ziel. Aber sagt sich immer so einfach. Ich mach mich viel zu viel verrückt.

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist wirklich markant :lol:
Spaß beiseite, es ist wirklich so das ich meist mein Selbstbewusstsein und mein Selbstwertgefühl durch äußere Dinge bestimme. Aussehen, Noten, dass andere mich mögen und toll finden , das spielt bei mir traurigerweise eine sehr große Rolle!

Das mit meinen Eltern ist kompliziert und du hast Recht! Aber doch schaff ich es nie die alten Muster zu durchbrechen. Es ist auch kein direkt ausgesprochener Druck, eher das Verhältnis an sich ist dadurch geprägt dass bei mir immer alles selbstverständlich ist, ich diese Rolle aber auch selbst total verinnerlicht habe .Eine Schwäche zuzugeben ist für mich undenkbar!
Das mit der Konfrontation mit den Eltern ist für mich ein völlig neuer Denkansatz! So hab ich noch nie darüber nachgedacht. Aber immerhin wissen sie nichts von meinen Problemen und glauben ich wäre die perfekte Tochter( sogar zu perfekt). Streit gibt’s so gut wie nie mehr. Wenn ich schlechte Noten hab erzähl ich das auch nie. Es ist Ihnen denke ich auch egal, bzw siehaben genug eigene Probleme. Bin halt pflegeleicht
Sie unterstützen mich auch und zahlen mir jetzt auch mein Studium. Bin Ihnen auch sehr dankbar dafür, also das waere nicht das Problem.

Das Fach ist auf jeden Fall das richtige deswegen macht es mir ja soviel Druck! Wenn es bei der letzten Chance nicht klappt..ich weiß nicht ob ich das verkraften könnte!
Das mit dem aufopfern stimmt auch und das ich aus so einer Situation wie bei der Prüfung dann so im Selbsthass bade, war vielleicht auch irgendwie herbeigeführt und rein gesteigert. Ich hab den Kommentar vom Prof vielleicht auch direkt so interpretiert, dass er zu meiner Gefuehlslage passte. Er meinte es bestimmt nicht persönlich! Aber ich lern auch für die Prüfungen und setze im Moment Alles dran es zu schaffen. Es ist so frustrierend und wenn es dann noch um die eigene Zukunft geht die auf dem Spiel steht, das macht einen Wahnsinnig!

Naja diese Stressphase ist jetzt erstmal vorbei, aber es geht ja weiter. Und dann bin ich wieder mit dem Druck und Stress konfrontiert. Und es zeigt, dass, obwohl man sich als „ehemalig“ bezeichnet, bleibt es ein Kampf dem man sich stellen muss und der viel Kraft kostet. Und ich weiss nicht ob ich e schaffe, aber ich kann hoffen und versuchen optimistisch zu bleiben und Ruhe zu bewahren.

Sag mal studierst du eigentlich Psychologie?
Hut ab für deinen Scharfsinn ,der Empathie und der Fähigkeit einen richtig Aufzubauen!
Vielen Dank nochmal!!!
Und die Antwort aufden selbsthass merk ich mir!

Lieben Gruß
Emilie

Re: Leistungsdruck

#4
Hallo!

Schön, dass ich Deinen Nerv getroffen habe, und nein, ich studiere nicht Psychologie, aber ich habe viele Fachbücher gelesen - als Selbsthilfe.

Ich kann aber die Durststrecken beim Lernen verstehen, selbst wenn es das richtige Fach ist, weiß man in Prüfungszeiten oft nicht mehr, was man da eigentlich warum tut und muss sich jeden Tag noch zu weiteren Lerneinheiten an den Schreibtisch treten, wenn andere schon längst schlafen. Das ist alles höchst frustrierend - besonders wenn dann der gewünschte Erfolg auch noch ausbleibt. Wenn Du gerade etwas Freizeit hast, würde ich Dir raten, mal ein paar Tage fest einzuplanen, in denen Du aus Spaß liest. Schenk Dir ein Fachbuch, dass Dir in Prüfungshinsicht nichts bringt, dass Dich aber interessiert - damit Du wiederentdeckst, warum Du Dich quälst und dass es Dir eigentlich Spaß macht. Ich finde, sowas zieht einen wieder hoch.

Liebe Grüße,

Aymone
Man ist nicht negativ anders als andere, man nimmt sich nur so wahr, weil es einem eingeredet wurde. Daher verhält man sich anders und erfährt dafür Ablehnung, nicht für die eigene Person.

Re: Leistungsdruck

#5
hallo,
ich wollte mich nur nochmal für diesen Beitrag bedanken. Ich war gestern in dieser Situation, ohne das ich wusste ,wie mir geschah. Ich musste direkt heulen, aber besser das ,als ihr wisst schon. Es war einfach hart.
Durch das hier gelesene wurde mir klar, das ich mir soviel aufgeladen habe, wie früher.Und ich es jetzt länger brauche, um es zu bewältigen,also neue Eindrücke zu verarbeiten.Daher der Druck. Ich lerne gerade immernoch laufen, mit meinem Leben.

Ich bedauere sehr, dass ich nicht mehr das leisten kann ,wie früher.
Da keiner von meiner Krankheit wusste, dachten alle ich wäre faul geworden.
Und dann diese Blicke!! wie gesagt,warscheinlich habe ich es mir nur einbildet, weil ich mich selbst so schlecht sehe, aber es ist halt nicht so einfach sich selbst zu lieben, wenn man früher einen so hohen standart hatte und sich jetzt mit diesen peanuts zufrieden geben muss. Meine Gedult sollte auf die Probe gestellt werden.b Aber und das wichtigste ist: lieber habe ich weniger und bin dafür gesund sein. Für alles kommt die zeit. Toll jetzt heul ich schon wieder ;-)

Nochmal: Danke, Danke, Danke an dich Emilie für den Mut dieses Thema anzusprechen und an dich aymone für deinen scharfsinn. Ihr habt einen Teil meiner Seele gerettet gestern! :-)

Lieben Gruß an euch beide
Ich hoffe es geht euch gut.
Die Sehnsucht bedeutet, dass wir das was wir wollen schon zu einem kleinen Teil in uns haben.