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Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 13:06
von aymone
Heute war es mal wieder so weit. Das kleine narzisstische Ekel in mir meinte, mich besuchen zu müssen. Es hat mir eingeredet, wie dynamisch und aktiv ich doch bin und wie schnell und konsequent ich heute meine Aufgaben erledigen könnte. Ich war ganz motiviert und in absoluter Hochstimmung, die Welt schien mir zu Füßen zu liegen. Und dann...stellte ich vor ungefähr einer Stunde fest, dass ich noch gar nicht getan hatte, außer vor mich hinzuträumen und imaginäre Diskussion zu führen, in denen ich meine hochtrabenden Meinungen zum Ausdruck brachte, die ich aber lieber zu Papier hätte bringen sollen... :roll:

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 14:38
von Emilia
hi aymone,

es klingt sehr reflektiert,was du schreibst. Du weißt anscheinend sehr gut, dass dir grad was fehlt und dass du im Ungleichgewicht bist. Die frage ist nur, was kannst du unternehmen um ausgeglichener zu werden?
Welche Dinge kannst du tun um dich ausgefüllter zu fühlen?

Die Sache mit dem Leistungsdruck kenne ich nur zu gut :? ich hab übermorgen ne abschlussprüfung und seit 3 tagen starre ich Löcher in die Decke,lenke mich ab, tue alles ausser das,was ich sollte.
Aber manchmal klappt es auf Knopfdruck eben nicht.Wenn du dir das vorwirfst wird es nur noch uneffektiver, glaub mir *seufz*

Finds absolut stark, dass du aufhören konntest, ich wünschte bei mir würd auch mal so ein klingeln einsetzen. ich find das wirklich ne Leistung, ich kann mich meist gar nicht stoppen.
Finds auch klasse, dass du es so genau wahrgenommen hast und ich bin sicher,dass man da anknüpfen und es ausbauen kann :)

ich wünsch dir alles Gute!

lg

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 15:24
von aymone
Liebe Emilia,

danke für Deinen Zuspruch!
Die Prüfungssituation kenne ich auch, das ist der Klassiker zum Aufschieben schlechthin. Bei mir blockieren mich dann auch meist falsche Vorstellung davon, was ich in einer bestimmten Zeit schaffen kann; ich halte grundsätzlich zu viel für machbar. Und je öfter dann die Erfahrung da war, dass man "versagt", desto schwieriger wird das Anfangen. Manchmal glaube ich schon vorher, dass es nichts mehr nützt, auch wenn das Unsinn ist. Aber ich denke, das trägt auch viel zum apathisch rumsitzen bei. Da hilft es mir, wenn ich meine Arbeit ganz kleinteilig aufteile und dann mit den kleinen Häppchen anfangen. Dazwischen zeitlich deutlich begrenzte Pausen - die müssen nicht kurz sein! - deren Ende absolut einzuhalten ist. Genauso wie der Anfang der Pause nach einer Lerneinheit. Damit man wieder das Gefühl bekommt, man schafft etwas in einem Rahmen, den man sich vorgenommen hat.

Der Vorwurf (ist es ja meistens), man sei zu perfektionistisch oder zu ehrgeizig trifft es nicht immer ganz. Vor allem, weil das meistens rüberkommt, als ob man in der Hinsicht irgendwie bösartig wäre. Sicherlich ist das oft richtig, aber eine Prüfung ist eine Prüfung - und damit wichtig, gerade wenn es dann an den Abschluss geht. Und dann ist man nicht perfektionistisch, wenn man den ganzen Tag ackert. Das ist notwendig, schließlich geht es ja um die eigene Zukunft und die will man sich mit einer möglichst guten Note offen halten. Das ist auch nicht das Problem, es sei denn, man macht sich den Lernberg zu groß. Aber schlimmer ist einfach der Druck, das, worauf das Lernen hinausläuft. Sicherlich hilft einem eine gewisse Lockerheit dabei; ein gutes Selbstbewusstsein, dass sich nicht von den eigenen Leistungen abhängig macht auch; aber das ändert nichts daran, dass die Note am Ende u. U. über die Zukunft entscheidet. Das ist einfach eine Tatsache und mit dem Druck umzugehen, ist schwer. Vorwürfe, die einen nicht ernst nehmen und einem unterstellen, man bilde sich was ein, machen es nur noch schlimmer.

Mir hilft es, solche Empfindungen wie heute mittag immer in mein Tagebuch zu schreiben. Das klingt ganz abgedroschen, aber wenn ich es aufschreibe, dann kann ich es schlecht vergessen und nach ein paar Tagen noch mal nachschlagen. Manchmal vergesse ich nämlich meine "Lösung" oder das Problem an sich wieder und dann hilft es mir, zu sehen, welche Gedanken ich mir darüber schon einmal gemacht habe.

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 15:36
von Emilia
Der Vorwurf (ist es ja meistens), man sei zu perfektionistisch oder zu ehrgeizig trifft es nicht immer ganz. Vor allem, weil das meistens rüberkommt, als ob man in der Hinsicht irgendwie bösartig wäre.
ja, das kenne ich auch. ich würde mich nicht als übertrieben fleißig oder ehrgeizig bezeichnen,aber habe schon gewisse Erwartungen an mich selbst. Wie du sagst,es geht ja auch um etwas.
Leider wird einem das wirklich oft verübelt oder man wird als übertrieben dargestellt, aber da muss man dann drüberstehen.
was bringt es, wenn man es Anderen recht macht und am Ende von sich selbst maßlos enttäuscht ist.

Was ich als hilfreich empfinde, ist die Bewertung weniger von der Leistung als von dem Lernen abhängig zu machen, verstehst du,was ich meine? wenn ich eine schlechte Note kassiere, bin ich zwar enttäuscht, aber wenn ich für mich weiß,dass ich genug getan habe ist das in Ordnung. es gehören eben auch noch andere Faktoren dazu, man braucht manchmal auch einfach etwas Glück :wink:

ja Tagebuch schreiben hilft mir auch immer, ich vergesse sowieso immer schnell wie schlecht es mir ging, sobald es mal etwas bergauf geht.

danke für deine tipps und alles Liebe

emilia

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 17:00
von aymone
Emilia hat geschrieben: Leider wird einem das wirklich oft verübelt oder man wird als übertrieben dargestellt, aber da muss man dann drüberstehen.
was bringt es, wenn man es Anderen recht macht und am Ende von sich selbst maßlos enttäuscht ist.
Ich denke, das ist durchaus auch noch eine Geschlechterfrage in unserer Gesellschaft. Erstens, weil es für Frauen nur die gängige Interpretation gibt, sie seien perfektionistisch und selbstzerstörerisch, wenn sie ehrgeizig sind. Zweitens, weil zielstrebige Frauen irritieren und sich, wenn sie es wirklich durchziehen, unserer derzeitigen Scheinemanzipation entziehen. Scheinemanzipation heißt für mich: Wenn ich mir Gedanken darüber mache, welches Büro-Outfit mich eine klasse Präsentation hinlegen lässt, bin ich nicht emanzipiert sondern in der Scheinwelt des "Tun sie es für sich. Werden sie schlank und selbstbewusster und die Welt wird sich Ihnen durch jahrelange Selbstkasteieung öffen...". Sexy Outfits, ab und zu mal die Meinung sagen, laut sein, Spa's etc. sind keine wahre Emanzipation, sondern Dinge, die uns davon abhalten, wirklich etwas zu erreichen. Eine erfolgreiche Forscherin hat auch mal fettige Haare. Weil sie zu viel arbeitet, um sich ständig zu stylen. (Was nicht heißen soll, dass man hässlich sein muss, um intelligent zu sein, es geht darum, sich nicht selbst zu untergraben...)
Emilia hat geschrieben:Was ich als hilfreich empfinde, ist die Bewertung weniger von der Leistung als von dem Lernen abhängig zu machen, verstehst du,was ich meine? wenn ich eine schlechte Note kassiere, bin ich zwar enttäuscht, aber wenn ich für mich weiß,dass ich genug getan habe ist das in Ordnung.
Meine Erfahrung ist leider, dass man sich auch und gerade damit besonders schön selbst terrorisieren kann. Ich hatte Phasen, in denen mir die Frage der Arbeitsweise so wichtig wurde, dass ich ständig in Vorbereitungen hängen blieb, anstatt "suboptimal" aber immerhin zu arbeiten.

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Mo Mär 09, 2009 17:52
von Emilia
Eine erfolgreiche Forscherin hat auch mal fettige Haare. Weil sie zu viel arbeitet, um sich ständig zu stylen.
wir recht du hast,aber leider ist das wohl so ein Kapitel wo man sich stundenlang drüber aufregen könnte. Sah man ja schon bei der Bundestagswahl, kaum ist mal ne Frau Kanzlerin ist ihre Frisur wichtiger als die Politik, aber niemanden haben Schröders Haare interessiert :roll:

ich krieg die Vorurteile auch häufig mit, da ich Lehramt für die Grundschule studiere und die meisten Männer das ja sowieso als "besseres Kindermädchen" bezeichnen, dabei ist und bleibt es ein Studium.

ich denke auch,dass die meisten diese Scheinemanzipation praktizieren, aber es gibt auch Ausnahmen, die Mut machen :)

naja wie gesagt, man könnte stundenlang darüber philosophieren....... :wink:

lg

Re: Das kleine narzisstische Ekel; Frühwarnsystem?

Verfasst: Sa Apr 04, 2009 18:37
von Karine
aymone hat geschrieben: (das ist der verselbstständigte Teil der Krankheit, der nichts mehr mit dem ursächlichen Problem zu tun hat, sondern damit, dass die Mechanismen der Krankheit irgendwann zur Lösung aller Probleme des Alltags eingesetzt werden...)
Das hast du sehr sehr schön gesagt aymone, das empfinde ich haargenauso.