Mein Leben ohne Bulimie
Verfasst: Sa Dez 15, 2007 17:47
so, das wird nun also mein neuer thread. und dieses mal meine ich es ernst. ich WERDE die bulimie hinter mir lassen. zuerst wollte ich ganz enthusiastisch "mein neues leben" als titel schreiben, aber dann habe ich überlegt, dass genau das wahrscheinlich der erste schritt in die falsche richtung wäre - in eine richtung, die zum rückfall führt.
es wird kein neues leben sein. es wird mein altes leben sein - mit allen problemen, schwierigkeiten, nervigen alltagssorgen und langweiligen arbeitsstunden. nur eben ohne bulimie.
dieser neue thread ist ein symbol dafür. ich habe so viel versucht in den letzten jahren, und im endeffekt ist es immer daran gescheitert, dass ich mich auf irgendetwas verlassen habe, was mir helfen soll. es war alles dabei: menschen, tabletten, drogen, alkohol, ein hund, sport, eine handtasche, yoga, ein auto, eine haarverlängerung, viele klamotten, ein wieder losgewordenes auto, eine neue wohnung, eine zahnbehandlung, eine diät, noch eine diät, noch mehr klamotten, noch eine diät, und um es auf die spitze zu treiben, eine neue nase. die half zumindest etwas länger als die anderen versuche, was allerdings eher an der körperlichen unmöglichkeit lag, mit geschwollener blutender nase einen fa zu starten, als an einem wunderbaren fortschritt in meiner gesunden entwicklung.
nach acht wochen war allerdings auch die nase verheilt, und dass ich währendessen ein *kg zugenommen hatte, da sport tabu war, half nicht gerade beim überwinden der bulimie.
gestern hatte ich einen absoluten tiefpunkt, der hier keiner weiteren beschreibung bedarf. er findet sich so oder so ähnlich auf mindestens 50 seiten in meinen alten thread.
nur dass ich mich gestern wirklich hingesetzt habe und mich gezwungen habe, über alles nachzudenken. was ich gerade wegkotze, warum ich nichts ändere und - auch mal hilfreich - wo ich in 5 jahren sein werde, wenn ich jetzt nicht endlich mal ernsthaft was tue.
und ganz ehrlich, da würde kein mensch hinwollen
es geht gar nicht mal so sehr darum, dass ich dann wahrscheinlich eine prothese habe und wahrscheinlich von allein kein essen mehr drinbehalte.
was mir viel mehr angst macht, ist: ich werde mich selbst ganz verlieren
jedes mal kotzen, jedes mal MEINE GEFÜHLE IM KLO WEGSPÜLEN, bringt mich ein stück weiter weg von meiner persönlichkeit, meinen wünschen und bedürfnissen, meiner entwicklung. ich werde stagnieren und bald nicht mehr wissen, was ich will, wer ich bin, wo ich hinwill.
ich werde nichts mehr haben, worauf ich meine entwicklung gründen kann, das kranke muster wird sich immer tiefer in mich einbrennen und ich werde nicht mehr da rauskommen. ich werde auf ewig unreif sein und ohne die krücke bulimie nicht leben können. nicht mehr wissen, was normales essen ist, ist eine dumme ausrede. im urlaub geht es auch. nach ein paar tagen schon bekomme ich von meinem körper die ersten signale, wenn ich in ihn hineinhöre. und wenn ich zunehme ... nun ja, ich wäre gern dünner, aber ich war auch schon mal dicker. und solange es nur übergangsweise ist. eigentlich war damals äußerlich gar nichts anders, niemand hat sich mir gegenüber anders verhalten.
also abgesehen davon, was ich von mir selbst gehalten habe, wie ich mich runtergemacht habe. das tue ich jetzt nicht weniger, vor allem wegen der bulimie.
und auch das will ich sein lassen.ich will nie wieder perfekt sein wollen!!! dieser anspruch muss einfach raus aus meinem kopf. jahrelang habe ich mich mit leuten verglichen. erst mal die sache mit den stars. ich vergleiche deren besten, gestyltesten moment (auf dem roten teppich) mit meinem schlimmsten (morgens fünf minuten nach dem aufstehen) und mache mich dann runter, weil ich im gegensatz zu denen ach-so-scheiße aussehe.
dann die sache mit dem gehalt. ich hatte minderwertigskeitskomplexe, wenn jemand mehr verdient als ich. dass er mitte fünfzig ist und sich in meinem alter noch nicht mal ein eigenes auto leisten konnte, habe ich rigoros ignoriert. und doppelt so viel gearbeitet, damit ich mehr verdiene und neben diesem bekannten nicht "minderwertig" bin.
das soll jetzt vorbei sein. ich bin ich. keine andere person auf der welt würde ich danach beurteilen, wie sie aussieht oder was sie verdient, nur bei mir setze ich maßstäbe in hochsprung-weltrekord-höhe an. da kann ich doch nur unten durchfallen, als freizeitsportlerin.
nein, ich will mich ab jetzt so annehmen, wie ich bin. mit allem drum und dran.
vor kurzem habe ich eine freundin aus dem urlaub getroffen. und mich wieder daran erinnert, wie viel "anders" ich nach ein paar tagen urlaub schon war, ohne bulimie. was dann alles möglich ist: wie ich plötzlich freude spüre, bei kleinigkeiten, wie ich traurig werde, merke, wenn ich gestresst bin, erkenne, was ich mag und was nicht - und da will ich wieder hin.
die bulimie ist ein teufelskreis. ich überrenne meine grenzen, weil ich kotze und sie nicht spüre. und weil ich sie nicht spüre, überrenne ich sie am nächsten tag wieder.
was mari geschrieben hat, dass man die ES als indikator dafür nehmen soll, wann man sich zu viel zumutet, hat mir sehr zu denken gegeben.
im grunde mute ich mir permanent zu viel zu, seit ich mich selbständig gemacht habe. die arbeit hört ja nie auf, da wäre es an mir, an der richtigen stelle stopp zu sagen.
früher in der grundschule war das einfach: man hat seine hausaufgaben, und wenn die fertig sind, geht man spielen. auf dieser 6jährigen-entwicklungsstufe lebe ich bis heute, mit fast 27, als freie übersetzerin und lektorin
nur komme ich nie zum "spielen", denn ich bekomme meine arbeit nun mal nicht portioniert bis morgen früh. und wenn ich doch mal einen tag frei mache, dann besteht meine freizeit aus so tollen erledigungen wie glühbirnen kaufen, dsl beantragen, aus treffen mit leuten, die "längst überfällig" sind oder eben aus FAs, weil ich vor lauter schlechtem gewissen, gerade nichts zu tun, FA-druck entwickle.
dann habe ich gestern noch festgestellt, dass es im grunde ganz einfach und dazu wirklich erleichternd ist, sich aufzuschreiben, was einen gerade belastet: ich habe drei dringe herausgefunden. zwei habe ich angegangen (indem ich den leuten emails geschrieben habe), die dritte person habe ich gesprochen, und wir werden morgen länger über das problem reden.
davor hatte ich drei FAs, die allesamt ein schales gefühl zurückgelassen haben. mehr nicht.
okay, das nachdenken, aufschreiben und emailen war nicht wirklich angenehm. aber ist denn die reinstopferei angenehm (von den ersten fünf minuten abgesehen) und danach dann erst das kotzen?
jedenfalls werde ich das jetzt immer machen. auch wenn es unangenehm ist.
ich will ENDLICH einen weg gehen, der mich weiterbringt!!!
außerdem habe ich gemerkt, dass ich genauer in mich hineinspüren muss. vieles sehe ich einfach nicht, weil ich zu sehr eine meisterin darin geworden bin, es wegzuschieben, zu verdrängen, nicht spüren zu wollen. manche gefühle machen sich nur ganz zaghaft bemerkbar, und hinter bergen von arbeit und maximenüs sind sie ganz schnell wieder verschwunden. vielleicht kommen sie mal raus, wenn ich genauer hinschaue
also das wird jetzt mein neuanfang. ohne dass irgendein symbolisches datum wäre oder weil ich eine neue haarfarbe hätte oder DIE diät schlechthin in irgendeinem klatschblatt aufgestöbert.
einfach so. weil heute der RICHTIGE TAG FÜR MICH für einen echten schritt nach vorn ist.
wer weiß, wie viele rückfälle kommen. ich denke, in meiner grundeinstellung hat sich schon länger was getan. aber jetzt habe ich begriffen, dass es sich auch in meiner lebensweise festsetzen muss. dass tausend tolle gedanken nicht so viel bringen wie ein einziger, den ich im alltag umsetze.
und ich habe mir wirklich vorgenommen, mich auch hier mehr aufs wesentliche zu konzentrieren. ein bisschen weniger von neuen schuhen und teueren winterreifen zu schreiben, und mehr von mir. wie ging es mir bei diesem, jenem usw. erlebnis? dass ich die schuhe gekauft habe, kann ich auch meinen anderen freunden erzählen. aber eben nicht, dass der hauptzweck des schuhekaufens mal wieder war, vier stunden nicht zum essen zu kommen. und warum ich dabei eigentlich die ganze zeit einen fa gewollt hätte...
also ich hoffe mal, der neue thread ist keine herbe enttäuschung für alle, die den alten gemocht haben. aber der wäre ohnehin bald zu lang geworden
eure virginia
es wird kein neues leben sein. es wird mein altes leben sein - mit allen problemen, schwierigkeiten, nervigen alltagssorgen und langweiligen arbeitsstunden. nur eben ohne bulimie.
dieser neue thread ist ein symbol dafür. ich habe so viel versucht in den letzten jahren, und im endeffekt ist es immer daran gescheitert, dass ich mich auf irgendetwas verlassen habe, was mir helfen soll. es war alles dabei: menschen, tabletten, drogen, alkohol, ein hund, sport, eine handtasche, yoga, ein auto, eine haarverlängerung, viele klamotten, ein wieder losgewordenes auto, eine neue wohnung, eine zahnbehandlung, eine diät, noch eine diät, noch mehr klamotten, noch eine diät, und um es auf die spitze zu treiben, eine neue nase. die half zumindest etwas länger als die anderen versuche, was allerdings eher an der körperlichen unmöglichkeit lag, mit geschwollener blutender nase einen fa zu starten, als an einem wunderbaren fortschritt in meiner gesunden entwicklung.
nach acht wochen war allerdings auch die nase verheilt, und dass ich währendessen ein *kg zugenommen hatte, da sport tabu war, half nicht gerade beim überwinden der bulimie.
gestern hatte ich einen absoluten tiefpunkt, der hier keiner weiteren beschreibung bedarf. er findet sich so oder so ähnlich auf mindestens 50 seiten in meinen alten thread.
nur dass ich mich gestern wirklich hingesetzt habe und mich gezwungen habe, über alles nachzudenken. was ich gerade wegkotze, warum ich nichts ändere und - auch mal hilfreich - wo ich in 5 jahren sein werde, wenn ich jetzt nicht endlich mal ernsthaft was tue.
und ganz ehrlich, da würde kein mensch hinwollen

es geht gar nicht mal so sehr darum, dass ich dann wahrscheinlich eine prothese habe und wahrscheinlich von allein kein essen mehr drinbehalte.
was mir viel mehr angst macht, ist: ich werde mich selbst ganz verlieren

jedes mal kotzen, jedes mal MEINE GEFÜHLE IM KLO WEGSPÜLEN, bringt mich ein stück weiter weg von meiner persönlichkeit, meinen wünschen und bedürfnissen, meiner entwicklung. ich werde stagnieren und bald nicht mehr wissen, was ich will, wer ich bin, wo ich hinwill.
ich werde nichts mehr haben, worauf ich meine entwicklung gründen kann, das kranke muster wird sich immer tiefer in mich einbrennen und ich werde nicht mehr da rauskommen. ich werde auf ewig unreif sein und ohne die krücke bulimie nicht leben können. nicht mehr wissen, was normales essen ist, ist eine dumme ausrede. im urlaub geht es auch. nach ein paar tagen schon bekomme ich von meinem körper die ersten signale, wenn ich in ihn hineinhöre. und wenn ich zunehme ... nun ja, ich wäre gern dünner, aber ich war auch schon mal dicker. und solange es nur übergangsweise ist. eigentlich war damals äußerlich gar nichts anders, niemand hat sich mir gegenüber anders verhalten.
also abgesehen davon, was ich von mir selbst gehalten habe, wie ich mich runtergemacht habe. das tue ich jetzt nicht weniger, vor allem wegen der bulimie.
und auch das will ich sein lassen.ich will nie wieder perfekt sein wollen!!! dieser anspruch muss einfach raus aus meinem kopf. jahrelang habe ich mich mit leuten verglichen. erst mal die sache mit den stars. ich vergleiche deren besten, gestyltesten moment (auf dem roten teppich) mit meinem schlimmsten (morgens fünf minuten nach dem aufstehen) und mache mich dann runter, weil ich im gegensatz zu denen ach-so-scheiße aussehe.
dann die sache mit dem gehalt. ich hatte minderwertigskeitskomplexe, wenn jemand mehr verdient als ich. dass er mitte fünfzig ist und sich in meinem alter noch nicht mal ein eigenes auto leisten konnte, habe ich rigoros ignoriert. und doppelt so viel gearbeitet, damit ich mehr verdiene und neben diesem bekannten nicht "minderwertig" bin.
das soll jetzt vorbei sein. ich bin ich. keine andere person auf der welt würde ich danach beurteilen, wie sie aussieht oder was sie verdient, nur bei mir setze ich maßstäbe in hochsprung-weltrekord-höhe an. da kann ich doch nur unten durchfallen, als freizeitsportlerin.
nein, ich will mich ab jetzt so annehmen, wie ich bin. mit allem drum und dran.
vor kurzem habe ich eine freundin aus dem urlaub getroffen. und mich wieder daran erinnert, wie viel "anders" ich nach ein paar tagen urlaub schon war, ohne bulimie. was dann alles möglich ist: wie ich plötzlich freude spüre, bei kleinigkeiten, wie ich traurig werde, merke, wenn ich gestresst bin, erkenne, was ich mag und was nicht - und da will ich wieder hin.
die bulimie ist ein teufelskreis. ich überrenne meine grenzen, weil ich kotze und sie nicht spüre. und weil ich sie nicht spüre, überrenne ich sie am nächsten tag wieder.
was mari geschrieben hat, dass man die ES als indikator dafür nehmen soll, wann man sich zu viel zumutet, hat mir sehr zu denken gegeben.
im grunde mute ich mir permanent zu viel zu, seit ich mich selbständig gemacht habe. die arbeit hört ja nie auf, da wäre es an mir, an der richtigen stelle stopp zu sagen.
früher in der grundschule war das einfach: man hat seine hausaufgaben, und wenn die fertig sind, geht man spielen. auf dieser 6jährigen-entwicklungsstufe lebe ich bis heute, mit fast 27, als freie übersetzerin und lektorin

nur komme ich nie zum "spielen", denn ich bekomme meine arbeit nun mal nicht portioniert bis morgen früh. und wenn ich doch mal einen tag frei mache, dann besteht meine freizeit aus so tollen erledigungen wie glühbirnen kaufen, dsl beantragen, aus treffen mit leuten, die "längst überfällig" sind oder eben aus FAs, weil ich vor lauter schlechtem gewissen, gerade nichts zu tun, FA-druck entwickle.
dann habe ich gestern noch festgestellt, dass es im grunde ganz einfach und dazu wirklich erleichternd ist, sich aufzuschreiben, was einen gerade belastet: ich habe drei dringe herausgefunden. zwei habe ich angegangen (indem ich den leuten emails geschrieben habe), die dritte person habe ich gesprochen, und wir werden morgen länger über das problem reden.
davor hatte ich drei FAs, die allesamt ein schales gefühl zurückgelassen haben. mehr nicht.
okay, das nachdenken, aufschreiben und emailen war nicht wirklich angenehm. aber ist denn die reinstopferei angenehm (von den ersten fünf minuten abgesehen) und danach dann erst das kotzen?
jedenfalls werde ich das jetzt immer machen. auch wenn es unangenehm ist.
ich will ENDLICH einen weg gehen, der mich weiterbringt!!!
außerdem habe ich gemerkt, dass ich genauer in mich hineinspüren muss. vieles sehe ich einfach nicht, weil ich zu sehr eine meisterin darin geworden bin, es wegzuschieben, zu verdrängen, nicht spüren zu wollen. manche gefühle machen sich nur ganz zaghaft bemerkbar, und hinter bergen von arbeit und maximenüs sind sie ganz schnell wieder verschwunden. vielleicht kommen sie mal raus, wenn ich genauer hinschaue

also das wird jetzt mein neuanfang. ohne dass irgendein symbolisches datum wäre oder weil ich eine neue haarfarbe hätte oder DIE diät schlechthin in irgendeinem klatschblatt aufgestöbert.
einfach so. weil heute der RICHTIGE TAG FÜR MICH für einen echten schritt nach vorn ist.
wer weiß, wie viele rückfälle kommen. ich denke, in meiner grundeinstellung hat sich schon länger was getan. aber jetzt habe ich begriffen, dass es sich auch in meiner lebensweise festsetzen muss. dass tausend tolle gedanken nicht so viel bringen wie ein einziger, den ich im alltag umsetze.
und ich habe mir wirklich vorgenommen, mich auch hier mehr aufs wesentliche zu konzentrieren. ein bisschen weniger von neuen schuhen und teueren winterreifen zu schreiben, und mehr von mir. wie ging es mir bei diesem, jenem usw. erlebnis? dass ich die schuhe gekauft habe, kann ich auch meinen anderen freunden erzählen. aber eben nicht, dass der hauptzweck des schuhekaufens mal wieder war, vier stunden nicht zum essen zu kommen. und warum ich dabei eigentlich die ganze zeit einen fa gewollt hätte...
also ich hoffe mal, der neue thread ist keine herbe enttäuschung für alle, die den alten gemocht haben. aber der wäre ohnehin bald zu lang geworden

eure virginia