Langer Thread, nicht schön, mein Leben

#1
Ich habe lange überlegt, ob ich ihn hier hineinstelle, ich hab das gestern nacht geschrieben, als ich nicht mehr weiterwusste, da tat das Forum aber nicht.
Ich sage vorab: hier steht,was alles so bei mir zu Hause abgegangen ist bevor meine praktisch gesamte Familie Therapie gemacht hat und was mich bis heute belastet. Ich hoffe einfach, es loszuwerden, wenn ich es mir einfach von der Seele schreibe.
Es kann sein, dass ich diesen Thread wieder wegkürze mit der Zeit, weil es mir sogar für die Anonymität des Internets zu intim ist, aber erst mal will ich ihn hier hineinstellen.
Zuletzt geändert von aymone am Di Jan 25, 2011 12:07, insgesamt 1-mal geändert.
Man ist nicht negativ anders als andere, man nimmt sich nur so wahr, weil es einem eingeredet wurde. Daher verhält man sich anders und erfährt dafür Ablehnung, nicht für die eigene Person.

#2
Hi Du!!

Ich habe grade Deinen Text gelesen und musste echt weinen. Ich glaube im Moment weiß ich noch gar nicht so recht, was ich dazu schreiben soll, aber es war mir ein Bedürfnis sofort zu antworten.

In vielen Dingen kann ich Dich sehr gut verstehen. Ich kenne das "Vaterproblem" nur zu gut. Zwar nicht so krass wie Du, das hab ich eben festgestellt, aber immerhin auch so sehr, dass es mich bis heute verfolgt und belastet und ich nicht weiß wie ich damit umgehen soll. Eigentlich weiß ich grad gar nichts.

Mein Vater war zwar nicht so agressiv, aber auch ich habe immer zu spüren bekommen, dass ich ohne Leistung nichts wert bin, eigentlich nur lästig bin und störend. Deine Satz: Ich konnte nicht leise genug sein... kenn ich nur zu gut.

Ich wurde auch hin und wieder geschlagen, wegen Nichtigkeiten, absoluten Nichtigkeiten und diese Schläge haben sich eingebrannt.

Ich könnte noch so viel erzählen, was gewisse Parallelen aufweist, aber ich hab grad nicht die Kraft.

Was ich beeindruckend finde ist, dass Du Deinen Vater trotz alledem immer geliebt hast und froh warst wenn ihm nichts passiert ist (zB. beim Stress mit den Autofahrern). Solche Sachen kenne ich nicht, da mein Vater nur uns Kinder störend fand, aber wenn ich grad drüber nachdenke, wäre ich vielleicht auch froh gewesen an Deiner Stelle. Ich habe mir lange eingeredet ihn zu hassen. Habe mir als Kind gewünscht meine Eltern würden sich scheiden lassen.

Ich hatte bis vor kurzem 4 Jahre lang keinen Kontakt zu meinem Vater (meine Eltern sind inzw. getrennt). Seit einigen Wochen besteht wieder Kontakt, was mich auch irgendwie froh macht, denn durch die Bulimie habe ich festgestelle, was meine wahren Probleme sind. Ich bin auch wie Du: immer Kontrolle haben wollen, glauben für Liebe was tun zu müssen, alles absichern, alles in Frage stellen und sich um alles und nichts einen Kopf machen.

Wie gesagt, Deine Geschichte ist wahrlich schlimmer, aber meine hat mich glaub ich in ähnlicher Weise mitgenommen. Ich fühle mich Deinem Text auf eine Art sehr verbunden.

Und ich weiß auch nicht, aber ich hoffe auch, dass ich irgendwann an den Punkt komme, wo das alles vielleicht eine nicht mehr so schmerzhafte Erinnerung ist. Ob das klappt? Ich wüsste es gern.

Hm, ich höre jetzt erstmal auf! Drück Dich! Nadine

#3
Hallo Filialunae!

Als ich deinen Beitrag eben gelesen habe, haben mich einige Dinge an mich und meine Familie erinnert. Bei mir is es nicht so schlimm, es ist auszuhalten, aber der Jähzorn (nennt man solch reagieren so?) meines Vaters macht mich auch ganz irre.
Auch wenn sich die Wutanfälle nicht auf mich beziehen, sondern meist auf meine Brüder. Ich weiß nicht warum, aber mich hat er nie angepackt… dafür geht er auf die beiden manchmal umso mehr los!

Ich kann den Konflikt verstehen in dem du steckst. Einerseits möchtest du eigentlich nichts andres, als deinen Vater lieb haben und andrerseits möchtest du auch weit weit weg von ihm sein…. geht mir auch oft so. Wie gesagt, so extrem wie bei deiner Familie is es nicht.

Is jez auch eher nich so hilfreich was ich schreib, ich hoffe dich störts nicht!

Ich finde es gut, dass du den beitrag reingestellt hast.

lg,
Juice.

#4
uff, filia, der beitrag ist echt heavy...

mein vater hat mich früher auch ab und zu geschlagen und doch liebe ich ihn abgöttisch. allerdings versuche ich gar nicht, die zwei personen (den vater, der mich geschlagen hat und den vater, den ich liebe) zu vereinen - oder es ist mir schon irgendwie gelungen und ich checke es nur nicht...
vielleicht sind auch die schläge von früher leichter zu ertragen als das, was meine mutter mir macht, nämlich psychische gewalt ausüben...

ich bin mir nicht einmal sicher, ob es gut ist, den eltern ihre fehler zu verzeihen - und ich meine mit 'verzeihen' so tun, als ob sie nie passiert sind. so etwas kann man nicht ungeschehen machen, es prägt dich nämlich dein ganzes leben und es wird auch deinen vater sein ganzes leben lang prägen. aber man kann auf dem allen aufbauen.

mir ist dieser satz aufgefallen und ich hoffe, er ist jetzt nicht zu sehr aus dem zusammenhang gerissen:
...Und er bemüht sich so…
es ist schön, dass sich den vater jetzt bemüht (und es ist auch gut so), aber ich glaube nicht, dass du ihm deswegen dankbar sein und dich deswegen (vielleicht auch?) schuldig fühlen musst. auch wenn er es im moment nicht so empfindet, für ihn kannst du am meisten tun, wenn du deine probleme mit dir löst. such nicht nach erklärungen für sein verhalten, denn für das gibt es eigentlich keine rechtfertigung.

ich verstehe auch, dass du vieles von dem, was du machst, aus angst vor der (unbegründeten) reaktion deines vaters machst und genau das macht dich immer wieder zu dem kleinen, hilflosen kind von damals und genau das wird dich immer wieder aus deinem gleichgewicht bringen und du wirst auf deine altbewährten stützen zurück greifen (müssen).

vielleicht ist das ein thema, das du in einer therapie bearbeiten könntest. soviel ich verstanden habe, bist du nicht in therapeutischer behandlung, oder? ich bin mir nämlich nicht sicher, ob du das alleine aufarbeiten kannst...

lg :wink:

#5
Ich zweifel auch daran, ob ich das alleine aufarbeiten kann, aber eine Therapie machen - zur Zeit wäre das für mich ein zu großer Schritt, ich würde mich schämen und das Gefühl haben, jetzt endgültig am Ende zu sein.

Aber zur Zeit hilft es mir, all das als etwas verdammt krasses zu verstehen.

Das war schrecklich, aber es ist nicht richtig. Und heute konnte ich deshalb etwas freier agieren. Nicht ganz. Aber doch etwas. Ich habe die aufkeimenden Ängste so weit überwinden können, dass ich doch das tun konnte, was ich wollte und wie ich es wollte. Ich hab sie gesprüt und ihnen ihren Raum gelassen, aber die Teile von mir gestoßen, die aus meiner übertriebenen Angst resultieren.

Die Beziehung zu meinem Vater...sie ist problembelastet und wird es immer sein. Selbst wenn jetzt die guten Zeiten überwiegen und der Umgang normaler ist - allein durch die Probleme wegen meiner Halbschwester kann es nie ganz ruhig werden.

Aber vielleicht sollte ich genau das annehmen. Mein Vater will ein gutes Verhältnis und ich auch. Und vielleicht sollte ich gerade darauf aufbauen.

Er hat seine eigene Geschichte. Er tut, so gut er kann, er will vor allem mehr als er kann.
Und ich bin enttäuscht von ihm und in einiger Hinsicht weggestoßen, aber auch ich will.

Und vielleicht kann ich darin genau das sehen, was ich brauche: wir bemühen uns umeinander und zumindest das ist unsere Vater-Tochter-Beziehung. Und vielleicht ist das auf die eine oder andere Art genauso viel, wie zwei Menschen, die sich zwar nix tun, aber dafür relativ egal sind.
Natürlich ist es nicht das Optimum, aber es hat irgendwo eine Basis.

Ich bin - trotz all der Verletzungen und die kann ich nicht vergessen - nicht vaterlos. Ich habe nicht den besten Vater, nein, ich habe einen sehr problematischen Vater, einen schwierigen Vater, einen Vater, den ich kritisch betrachten muss und der mir alles an zwischenmenschlicher Diplomatie abfordert, das ich leisten kann.

Aber ich habe einen Vater, der immer gewollt hat.

Ich denke, ich muss einerseits härter werden - damit mein Verständnis für ihn mich nicht angreifbar macht, wenn es bei ihm wieder ausklinkt.
Und auf der anderen Seite weicher - loslassen, weil der Horror im Alltag Vergangenheit ist, ruhiger werden, weil man mir in meinem eigenen Leben nichts mehr tun wird und ich, wenn ich zu Hause bin, aber nicht mehr hilflos bin.

Das alles, als etwas absolut aussergewöhnliches zu sehen, hilft mir, der ganzen Sache ihre Macht über mich zu nehmen. Sie ist so neben allem, was sonst gilt, dass sie keinen Bezug mehr dazu hat. Sie ist irrelevant, das hat nichts mit dem normalen Leben zu tun.

Und damit meine ich nicht, dass sie mein Leben nicht tangiert. Das tut sie und wird sie immer tun - aber so etwas kommt in dem Maß nicht ständig vor, mit sowas wird nicht mal jeder Mensch in seinem Leben konfrontiert, warum sollte es mir also wieder und wieder geschehen?
Zuletzt geändert von aymone am Di Jan 25, 2011 12:10, insgesamt 1-mal geändert.
Man ist nicht negativ anders als andere, man nimmt sich nur so wahr, weil es einem eingeredet wurde. Daher verhält man sich anders und erfährt dafür Ablehnung, nicht für die eigene Person.

#6
.... Ich denke, ich muss einerseits härter werden - damit mein Verständnis für ihn mich nicht angreifbar macht, wenn es bei ihm wieder ausklinkt.
Und auf der anderen Seite weicher - loslassen, weil der Horror im Alltag Vergangenheit ist, ruhiger werden, weil man mir in meinem eigenen Leben nichts mehr tun wird und ich, wenn ich zu Hause bin, aber nicht mehr hilflos bin ....
das wirst du müssen...
und ich wünsche dir von ganzem herzen, dass du es schaffst...

behalt aber bitte den gedanken an eine therapie (therapie von was auch immer) im kopf, denn es ist ein furchtbar weiter und steiniger weg.

#7
Hallo Filialunae,

Die Zeit hat mir nicht geholfen, solche Ereignisse aus meiner Kindheit aufzuarbeiten. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das heutige Verhältnis zu meiner Mutter ist noch viel stärker belastet als vor 20 Jahren. Dies liegt auch daran, dass ich meine Eltern in ihrem jetzt fortgeschrittenen Alter nicht mehr belasten möchten, deshalb der vielleicht notwendigen Aufarbeitung mit ihnen zusammen aus dem Weg gehe.
An dieser Rücksichtnahme habe ich schwer zu tragen, häufigere Besuche halte ich psychisch kaum aus.

Ich kann Dir nur raten, diese Probleme anzugehen, auch wenn Du sie vielleicht nie vollständig aus der Welt schaffen kannst...

Viele liebe Grüße Kendra
Carpe Diem

#8
mein gott.
liebe filialunae (schöner name übrigens)!
mich erschreckt gerade, wie viele hier im forum das gleiche (oder doch ziemlich ähnliche) problem zu haben scheinen: der vater.
ich will meinem auch eigentlich nicht soo direkt allein die schuld geben, aber doch, ich denke, meine ES ist dank der probleme mit meinem vater entstanden.
ich kann mich in deinen beschreibungen sehr gut wiederfinden bzw meinen vater in deinen beschreibungen.
durch dieses ständige nicht-wissen,-was-gleich-passiert (ganz unvorhersehbare wutausbrüche, alles, was sonst richtig war, konnte auf einmal gerade falsch sein) lernte auch ich, stets äußerst vorsichtig und vorrausschauend zu handeln. nichts passiert, ohne vorher gut durchdacht und geplant zu sein. ich muss immer alles unter kontrolle haben, essen, geldausgaben, ordnung, zeitpläne,... das geht sogar so weit, dass ich sogar versuche, andere leute zu kontrollieren. ich habe angst vor dem unvorhersehbaren, vor dem zufälligen...
auch ich bin mit einem jähzornigen vater aufgewachsen, der mich und meine geschwister nicht selten verprügelt hat. oftmals endete das ganz bös mit vielen blauen flecken und schürfwunden, für die sich dann hinterher immer irgendwelche möglichst glaubwürduigen ausreden ausgedacht werden musste, da meine mutter und alle sonstigen verwandten und bekannten nichts von all den strapatzen bei meinem vater mitkriegen durften. :roll:
nie wurde man gelobt von ihm, immer nur kritisiert und fertiggemacht. psychisch, so wie physisch. und so bin ich aufgewachsen bis ich im alter von zwölf in die MS glitt und irgendwann von ihm "flüchtete" mkithilfe von therapien etc.
mein vater ist ebenfalls border-liner und nicht nur ich habe von der schwierigen kindheit einen "schaden weg" bekommen. mein bruder war ebenfalls zeitweise magersüchtig, war drogenabhängig und hatte sarke depressionen. auch er ist traumatisiert, sieht sich immer von außen und hat wahnsinnsgedanken.
meine kleine schwester hatte auch depressionen und der älteste von uns vier geschwistern, mein 22jähriger bruder, scheint nun auch damit anzufangen (wurde schon von mehreren studienkollegen zum uni-pschologen geschickt, die ihm dann auch gesagt haben, dass er den kontakt zu unserem vater meiden sollte).
erst seit zwei wochen habe ich jetzt wieder kontakt zu ihm (davor bestimmt schon zwei jahre nicht und davor dann auch wieder zwei jahre nicht etc.), da ich ihm zufällig auf einem schulfest meiner schwester begegnete und ihm nicht ausweichen konnte, und genau wie du spüre ich, wie sehr ich ihn trotz allem liebe. an sich ist er nämlich ein sehr herzensguter mensch, nur leider ist er sehr, sehr krank und gestört (was ich aber auch erst seit zwei jahren weiß, davor war das ganze drama ja für mich immer "normal", ich kannte es nicht anders von zu haus).
ich muss es nur irgendwie schaffen, selbst ein wenig stärker und selbstbewusster zu werden, damit ich gegen die plötzlichen, aggressiven ausraster meines vaters besser gewappnet bin im notfall. :x
ich mache zz auch keine therapie, ziehe jedoch eine in erwägung...
ich glaube, es gibt noch viel zu vieles, was ich noch nicht wirklich aufarbeitet habe und was ich noch mit mir herumschleppe. nachts hab ich nicht selten albträume, wenn ich an früher denke, sticht mir die erinnerung noch immer tief ins herz, einmal hatte ich sogar das gefühl, nicht mehr atmen zu können, als ich gedanken von damals aus meinem alten tagebuch las... mir kommen manchmal noch immer einfach so die tränen, wenn mich etwas an früher erinnert. aber allgemein versuche ich die vergangenheit so gut es geht zu verdrängen oder -wenn ich doch mal daran denke- sie als abgehakt zu betrachten.
ich möchte aber doch endlich wieder gesund werden irgendwann nach siebenjähriger magersucht und bulimie!

hach ja, sorry, ich hab jetzt ja wirklich nichts hilfreiches geschrieben...aber ja, ich bin da auch ratlos, genau wie du.
mich erschreckt halt nur, wie viele hier ein so ähnliches problem haben.
der grund, weshalb wir in die ES rutschten...

wenn ich könnte, würde ich dich jetzt einmal ganz fest in den arm nehmen, ja, euch alle.
ich kann es euch gut nachfühlen, wie es euch geht. und es macht mich sauer und traurig.
wichtig ist jedoch, dass wir mit der zeit unbedingt ganz dringend wieder lernen, uns lieb selbst zu lieben.
wir sind nicht schuld daran!!

alles liebe,
smartie