Mein Weg raus nach 25 (!) Jahren Bulimie

#1
Hallo zusammen,

habe etwas im Forum quergelesen und möchte einfach mal denen Mut machen die verzweifelt denken, sie werden es nie aus der Bulimie schaffen.

Bei mir hat sie mit 16 Jahren angefangen und ging bis 42 - über 25 Jahre also - irre. Therapien: einmal stationär mit überschaubarem Erfolg. Habe meine Essstörung irgendwann akzeptiert und sah mich im Geiste schon alt und grau noch über der Schüssel hängen... :-/

Vor 7 Jahren ist meine Mutter dann im Pflegeheim verstorben. Liest sich wohl fies aber es war für uns beide die Erlösung. Bei mir, als ob sich ein Schalter umlegen würde und ich konnte weder verstehen, noch fassen dass ich meine Krankheit nicht mehr brauchte. Keine bewusste Entscheidung, kein Kampf, kein Ersatz. Einfach unfassbar.

Am Anfang war Einkaufen schräg, ich kaufte ja noch nach altem Muster Lebensmittel und Mengen und stand innerlich kopfschüttelnd an der Kasse: ähm, wofür denn? Für - glaube es waren noch drei Fressanfälle die fast schon lustlos waren - es war einfach vorbei.

Heute bin ich eine gesunde, lebensfrohe 50-Jährige mit (fast) normalem Essverhalten. "Fast", weil bestimmte Dinge nicht gehen aber auch nicht gehen müssen. Schoki, Fettreiches usw. Wenn jemand deswegen verwundert fragt bekommt er die ehrliche Antwort mit breitem Grinsen: ich WAR mal essgestört. :-)

Lange Rede, kurzer Sinn: versucht, den eigentlichen Auslösern auf die Spur zu kommen. Bei mir war es die Hassliebe zu meiner Mutter aber richtig eingestehen wollte ich mir das nie.

Danke fürs Lesen und fühlt euch gedrückt.

LG Anna

Re: Mein Weg raus nach 25 (!) Jahren Bulimie

#3
HeadOverHeals hat geschrieben:
Di Apr 04, 2023 22:53
Respekt, dass du das geschafft hast! Ehrlich. War dir das bewusst, dass die Beziehung zu deiner Mutter so krass aufrechterhaltend für deine Essstörung war?
Grüß Dich,

danke und ja, war es schon, nur konnte ich es nicht für mich umsetzen und dafür habe ich kaum Respekt verdient. Hintergrund: meine Mutter hatte eine schwere Hirn-OP (Tumor) als ich noch klein war. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie sie zuvor war aber ab da...unberechenbar, nervig und manchmal gemein. Dann bekommt man von allen Seiten gesagt "Sie kann ja nichts dafür!" was ja auch Fakt war aber für ein Kind eben unheimlich belastend, meine Geschwister sind älter und mein Vater war selbst überfordert. Hab also irgendwann mal Wut, Trauer und Hilflosigkeit in mich reingefressen und war unglücklich und einsam. Irgendwann fand ich eben das vermeintlich perfekte Ventil und schon war ich im Teufelskreis.

Im Nachhinein hätte ich das Thema in der Therapie mit Mitte 20 ansprechen sollen, mir klingelte aber regelrecht dieses "Sie kann ja nichts dafür!" in den Ohren, verstehst Du?

Re: Mein Weg raus nach 25 (!) Jahren Bulimie

#4
Ich denke es hat trotzdem Respekt verdient, denn unabhängig vom Auslöser wird die Essstörung ja auch ein Stück weit zum Selbstläufer, ergo zum eigenständigen Problem.
Spannend, diesen Gedanken "sie kann ja nix dafür" kenne ich in Bezug auf meine Mutter auch sehr gut, auch wenn sie lediglich depressiv war/immer mal ist. Letztendlich spricht man damit den eigenen Gefühlen Gegenüber der Mutter irgendwie die Daseinsberechtigung ab. So war -und ist es manchmal immer noch- bei mir.

Gibt es denn manchmal noch Momente, in denen du Gefahr läufst einen Rückfall zu haben?