Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#1
Hey :)

wie der Titel schon verrät, weiß ich aktuell einfach nicht weiter bezüglich meiner Therapie.

Seit circa vier Jahren habe ich nun Bulimie mit anorektischen Phasen. Letztes Jahr habe ich den großen Schritt gewagt und eine ambulante Therapie begonnen, worauf dann Ende des Jahres ein Klinikaufenthalt stattfand. Ob es mir nun trotz Therapie besser geht? Ja und Nein. Ja, weil mein Gewicht immer mehr in Richtung NG geht, Essen nicht mehr so restriktiv ist, ich viel mehr am Leben teilhaben kann sowie so einiges über mich selbst lernen durfte. Und zugleich ist eben auch nicht alles rosarot, da ich fast täglich bulimische Episoden und Probleme mit SVV habe. Ich hatte gehofft, dass durch die Gewichtszunahme die Bulimie weg geht, wobei sich diese eher nur noch verschlimmert hat. :/
In meiner Therapie (Verhaltenstherapie) geht es viel um Stressvermeidung, Anspannung, Grenzen setzen etc. Die Essensthematik wird nie wirklich besprochen, gefühlt fast schon ignoriert. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es meiner Therapeutin egal ist, ob ich mich der ES oder anderen destruktiven Verhaltensweisen hingebe. Skills, Essenspläne, Umgang mit Essen, Essen oder Nichtessen, Gewicht und Selbstwert spielen nie eine Rolle. Es gibt auch keine Therapievereinbarungen oder ähnliches, an die ich mich halten sollte.
Ist es "normal", dass so was nie in der Therapie angesprochen wird? V.a. auch in der Verhaltenstherapie? Als Randnotiz: Die ES war der Grund für mich, dass ich mir professionelle Hilfe geholt habe.

Mittlerweile bin ich einfach echt verzweifelt und weiß nicht wirklich weiter. Egal was ich selbst für mich ausprobiere wie intuitives Essen, Pausen machen, geregelte Mahlzeitenstruktur mit Zwischenmahlzeiten, "urge surfing", keine Kalorien zählen, nicht wiegen, ... Letztlich ende ich jeden Tag so, wie ich mir gewünscht habe, dass der nächste Tag eben mal nicht! abläuft. Die Hoffnung auf Besserung ist da, schließlich will ich nicht später auf mein Leben zurückschauen, was so abläuft wie jetzt.

Ich habe auch einfach Angst, diese Themen in der Therapie anzusprechen. Weil was ist, wenn ich z.B. keine destruktiven Verhaltensweisen durchführen "darf", aber gleichzeitig halt auch keine Alternativen vermittelt bekomme?

Wie wird denn bei euch die Essensthematik in der Therapie thematisiert?
Ich hoffe, es sind nicht zu viele Fragen.

Ich danke euch schon mal sehr!

Liebe Grüße
Herbstblatt

Re: Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#2
Hallo Herbstblatt,
ich denke, dass du unbedingt mit deiner Therapeut:in über deine Sorgen sprechen solltest und deinen Wunsch, mehr konkrete Strategien zum Umgang mit der Essstörung an die Hand zu bekommen. Das ist ein völlig berechtigtes Anliegen. Würdest du dir denn einen Therapievertrag wünschen? Dann sprich auch das an.
Ich kenne es aus meinen ambulanten Psychotherapien (erst Verhaltenstherapie, dann Tiefenpsychologische Therapie) auch, dass die Essstörung selbst gar nicht im Fokus steht, wobei das in der Verhaltenstherapie noch am ehesten der Fall war.
Ich hatte dann parallel Ernährungsberatung bzw Ernährungstherapie in ca. monatlichen Abständen, um da konkret auf das Thema Essen zu schauen. Vielleicht gibt es bei dir auch die Möglichkeit? Ich fand das für mich sehr gut so, auch wenn die Kosten nur bedingt von der Krankenkasse übernommen werden und ich das meist selbst bezahlt habe.
An erster Stelle solltest du einfach erstmal mit deiner Therapeut:in sprechen, um eine gemeinsame Lösung zu finden, denke ich.
Alles liebe :)

Re: Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#3
Hallo,

vielen lieben Dank für die Antwort. Ich hab leider erst jetzt wieder ins Forum reingeschaut... :/

Ich bin mir einfach so unfassbar unsicher wegen eines Therapievertrags.
Einerseits würde es mir vielleicht gut tun und helfen, aber andererseits habe ich auch Angst, mich noch nicht genug von all meinen destruktiven Verhaltensweisen trennen zu können. So das es mich evtl. mehr stresst und ich dann erst Recht auf Verhalten XY zurückgreife. Ist das überhaupt verständlich?
Vielen Dank auch für deine Erfahrung mit der Verhaltenstherapie. Dann scheint es ja wirklich eher so zu sein, dass die Erkrankung gar nicht so im Fokus steht.
Hattest du dann einen Essensplan oder wie kann ich mir das vorstellen?
Interesse habe ich auf jeden Fall und spiele auch schon etwas länger mit dem Gedanken, mir da einfach noch mehr Unterstützung zu holen.

Danke, ich habe morgen wieder Therapie und hab mir fest vorgenommen, mit meiner Thera darüber zu sprechen.

Ganz lieben Dank dir und liebe Grüße!

Re: Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#4
Hallo du Liebe, deine Bedenken mit dem Therapievertrag verstehe ich voll. Ein Vertrag sollte ja auch nicht beeinhalten, dass du jegliches Symptomverhalten weglassen musst, sondern eher, dass du dein bestes gibst, um Strategien zu benutzen, dass du dir im Krisenfall Ansprechpartner suchst, sowas halt. Bei meiner zweiten Therapeutin hatte ich genau das, was du befürchtest. Die hat irgendwann zur Bedingung gemacht, dass das Symptomverhalten aufhören muss, ansonsten sollte ich erstmal in eine Klinik gehen. Das wollte ich nicht, also hat mich das noch mehr gestresst und am Ende war ich einfach gar nicht mehr ehrlich. Bringt ja auch nix. Aber wie gesagt, besprich das doch einfach mit deiner Therapeutin. Und berichte gern mal, wie es lief 😊
Einen Essensplan habe ich damals in der Ernährungsberatung bzw -therapie nicht bekommen, obwohl ich das auch am liebsten gehabt hätte. Ich hatte aber eine App, in der ich meine Mahlzeiten dokumentiert habe und auf die meine Ernährungstherapeutin auch zugreifen konnte. So hatte ich ein Feedback zu meinen Mahlzeiten, das war ganz cool. Und wir haben oft besprochen welche Situationen schwierig sind und wie ich die essenstechnisch meistern kann.

Re: Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#5
Hey

danke für die hilfreiche Erklärung! Leider habe ich es nicht geschafft es anzusprechen, da ich jetzt sehr spontan umziehe und somit nicht mehr wöchentlich bei meiner Therapeutin bin. Da standen nun andere Themen im Vordergrund, obwohl ich den Mut schon zusammengerafft hatte.
Da sieht man wirklich wieder, dass Verbote, Druck etc. meist nicht zu einer Heilung führen.

Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg und vielen Dank für die Tipps und Infos! :)
LG

Re: Ratlosigkeit bezüglich Therapieverlauf

#6
Herbstblatt hat geschrieben:
Sa Aug 26, 2023 21:55
Hey :)

wie der Titel schon verrät, weiß ich aktuell einfach nicht weiter bezüglich meiner Therapie.

Seit circa vier Jahren habe ich nun Bulimie mit anorektischen Phasen. Letztes Jahr habe ich den großen Schritt gewagt und eine ambulante Therapie begonnen, worauf dann Ende des Jahres ein Klinikaufenthalt stattfand. Ob es mir nun trotz Therapie besser geht? Ja und Nein. Ja, weil mein Gewicht immer mehr in Richtung NG geht, Essen nicht mehr so restriktiv ist, ich viel mehr am Leben teilhaben kann sowie so einiges über mich selbst lernen durfte. Und zugleich ist eben auch nicht alles rosarot, da ich fast täglich bulimische Episoden und Probleme mit SVV habe. Ich hatte gehofft, dass durch die Gewichtszunahme die Bulimie weg geht, wobei sich diese eher nur noch verschlimmert hat. :/
In meiner Therapie (Verhaltenstherapie) geht es viel um Stressvermeidung, Anspannung, Grenzen setzen etc. Die Essensthematik wird nie wirklich besprochen, gefühlt fast schon ignoriert. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es meiner Therapeutin egal ist, ob ich mich der ES oder anderen destruktiven Verhaltensweisen hingebe. Skills, Essenspläne, Umgang mit Essen, Essen oder Nichtessen, Gewicht und Selbstwert spielen nie eine Rolle. Es gibt auch keine Therapievereinbarungen oder ähnliches, an die ich mich halten sollte.
Ist es "normal", dass so was nie in der Therapie angesprochen wird? V.a. auch in der Verhaltenstherapie? Als Randnotiz: Die ES war der Grund für mich, dass ich mir professionelle Hilfe geholt habe.

Mittlerweile bin ich einfach echt verzweifelt und weiß nicht wirklich weiter. Egal was ich selbst für mich ausprobiere wie intuitives Essen, Pausen machen, geregelte Mahlzeitenstruktur mit Zwischenmahlzeiten, "urge surfing", keine Kalorien zählen, nicht wiegen, ... Letztlich ende ich jeden Tag so, wie ich mir gewünscht habe, dass der nächste Tag eben mal nicht! abläuft. Die Hoffnung auf Besserung ist da, schließlich will ich nicht später auf mein Leben zurückschauen, was so abläuft wie jetzt.

Ich habe auch einfach Angst, diese Themen in der Therapie anzusprechen. Weil was ist, wenn ich z.B. keine destruktiven Verhaltensweisen durchführen "darf", aber gleichzeitig halt auch keine Alternativen vermittelt bekomme?

Wie wird denn bei euch die Essensthematik in der Therapie thematisiert?
Ich hoffe, es sind nicht zu viele Fragen.

Ich danke euch schon mal sehr!

Liebe Grüße
Herbstblatt
Ich hatte eine ähnliche Situation und habe mit einem Therapeuten gesprochen. Sie hat mich verstanden und einige Dinge in der Behandlung verändert